… und nicht nur Affen!

2 Besucher, zwei Trinknüsse. Im Gegenzug gab es Kaffee...

Riau-Gruppe. Tausche Kokosnüsse gegen Kaffee. Oder Schulhefte

Riau-Gruppe, 24.10.2014

Wir sind schon weit, weit im Norden, wir haben nämlich vorgestern den Äquator überschritten. War es in Brasilien auch so grottenheiß?  Wir quälen uns durch die Nächte, der Eigner hat gestern schon einen Ventilator in die Luköffnung montiert. Typisches Äquatorwetter. Diesig, feucht, gewittrig, die äquatoriale Tiefdruckrinne hat uns voll im Griff.  Wenigstens scheint ab und an die Sonne, denn das hatte Kumai kaum zu bieten.

Der ganz normale Dorfverkehr

Der ganz normale Dorfverkehr

Es gab natürlich nicht nur Affen in Kumai und umzu.  Als wir uns dem Ort annäherten, waren wir von seiner Größe überrascht, von den vielen Schuten und Frachtern, und nicht zuletzt staunten wir über die Zahl der mehrstöckigen Gebäude.  Die einschlägigen Segelführer sagen etwas von „Dorf mit mäßigen Versorgungsbedingungen“, wir hatten an eine Vielzahl an Tour-Agenten für den Nationalpark gedacht, was auch

Auf der Flussseite des Marktes

Auf der Flussseite des Marktes

zutraf, aber eine richtige „Skyline“?!  Der erste Dorfgang machte das Geheimnis noch größer: es zwitschert unablässig und teilweise extrem laut…

Eier! Ab 15 kriegt man einen Eierkarton geschnitzt...

Eier! Ab 15 kriegt man einen Eierkarton geschnitzt…

Egal. Wir stellen fest: ein typisches, tropisches Dorf an der Grenze zum Regenwald. Der Himmel voll bedeckt, Holzrauch hängt in der Luft, über Schlaglochstraßen holpert der Verkehr aus Motos, Vierradlern und Schwerlast-LKWs, gern mit Schotter beladen, denn der Moorboden von Borneo gibt kaum Straßenbaumaterial her. Man springt von Loch zu Loch, sandige Seitenstreifen sind eine Wohltat, aber meist muss man doch auch die indonesische Spezialität bewältigen: jeder Bauherr entscheidet, welche Höhe der Gehweg hat, so denn überhaupt

Was man so braucht als Fischer im Dschungel...

Was man so braucht als Fischer im Dschungel…

einer existiert. Bordsteine sind gern mal 30 cm hoch. Rauf, runter rauf – und manchmal ganz tief runter, wenn mal wieder ein Kanaldeckel fehlt. Geld tanken am BNI-ATM. Jenie sagt dazu: das ATM ist leicht zufinden, direkt am Krankenhaus. Du muss nämlich zuerst zahlen, sonst wirst Du nicht aufgenommen…*** Immer weiter die Dorfstraße entlang, vorbei an den merkwürdigen mehrstöckigen Gebäuden, die so seltsam unbelebt wirken. Wir merken uns für den

Vorn eine alte Juki, hinten Singer, handbetrieben! Und als 2. Standbein eine Tanke...

Vorn eine alte Juki, hinten Singer, handbetrieben! Und als 2. Standbein eine Tanke…

Rückweg (Melonen und Kürbisse schleppen sich so schlecht durch die Tropenhitze!) den Pickup, von dem aus vor dem Marktgebäude eine Frau Wassermelonen und Mango verkauft. Der Nachmittagsmarkt ist ein marode-charmantes Verkaufsgemisch aus Obst- und Gemüsehandel, Fischereiwaren, Garküchen und vielen exotischen Leckereien und Un-Leckereien. Wir kaufen der glücklichen Bäckerin einen Marmorkuchen ab (beim zweiten Besuch wird sie ihn uns nochmals

The Kumai Skyline

The Kumai Skyline – Schwalbennestfabriken bestimmen das Bild!

anbieten, mit dem besonderen Hinweis „Bebek! Bebek!“ Mit Enteneiern hergestellt – drum war er so lecker auf der Fahrt durch den Orang-Utan-Wald!).  Die Leute – überwiegend Frauen – sind wirklich indonesisch. Das ist für mich mittlerweile synomym für extrem freundlich und aufgeschlossen… Vor der Moschee veranstalten wir eine Direktübertragung des Gebetsrufes nach Deutschland. Und dann erfahren wir endlich, was es mit den Hochhäusern auf sich hat:  ein ganz geheimes Geschäft.  Schwalbennester für den Export!  Nee, sagt uns Jenie – wir essen das nicht; damit machen nur manche Leute ziemlich viel Geld. Was, bitte schön, ist eigentlich nicht gut für chinesische Manneskraft?! Seegurken, Nashornpulver, das lässt sich ja noch mit phallischen Bezügen erklären, aber Schwalbennester? (Der Eigner  fragt natürlich: „… und wohin damit?!“).  Jedenfalls stecken in den Häusern mit den vielen großen und kleinen Einfluglöchern (zur Straßenfront übrigens häufig mit Fake-Wohnfassadenmalerei verziert!) Tausende von Nestern plus ein Lautsprecher, der die Schwalben mit Balzgesängen anlockt. Davon würde eine deutsche Kuhstall-Rauchschwalbe träumen: architektonischen Einfluss auf Straßenbild oder gar eine Dorf-Skyline zu haben…

Palankan Bun, die "Nasse Seite"

Palankan Bun, die „Nasse Seite“

Architektonisch interessant übrigens auch die eingestreuten Dayak-Häuser – die lernen wir allerdings erst zu erkennen, als wir unser „Sahnehäubchen auf dem Kumaibesuch“ eingeheimst haben. Jenie und seine Frau Imei holen uns am Nachmittag ab, zu einer Fahrt nach Palangkan Bun.  Vorbei an den Stellen, wo er früher auf dem Schulweg noch Nasenaffen und den einen oder anderen Orang-Utan getroffen hat. Vorbei an dem Platz, an dem Biruté

Familie auf Spritztour

Familie auf Spritztour

Galdikas noch immer ihr Orang-Utan-Hospital betreibt. Jenie erzählt uns von der nicht übermäßig beliebten Zuwanderung der Javaner, von den Sprachen und erklärt uns, warum ihnen die Dayaks so lieb sind: es sind die Einwohner Borneos, die noch immer ganz natürlich ein Auge auf ihre direkte Umwelt haben, die ihre Dörfer mit Wald umgeben und Traditionen achten. Und plötzlich  sehen wir sie überall, die typischen Dächer der Dayakhäuser und das alte,

Es geht nichts über sauber geputzte Zähne!

Es geht nichts über sauber geputzte Zähne!

graubraune, aber kaum verwitterte Hartholz.  Ziel unserer Fahrt in die Kreisstadt ist  etwas ganz Besonderes: wir steigen am Fluss – der kein Nebenfluss des Kumai ist – in ein Langboot und fahren in den späten Nachmittagsstunden flussaufwärts, ein paar Kilometer auf der „wet side“, da wo die Bevölkerung eigentlich immer mit den Füßen und die Häuser mit den Stelzen im Wasser stehen, und später auf der Stadtseite zurück.  Es ist eine andere Welt.

Außer Fischzucht gibt es auch Bootsbau!

Außer Fischzucht gibt es auch Bootsbau!

Wir fühlen uns lebhaft an unsere Amazonasreise erinnert, es ist ein Erlebnis. Kreischende, plantschende Kinder. Kleine Jungs werden geschrubbt, Wäsche gewaschen, Fische gezüchtet. Neben den Klohäuschen. In die Hütten gelinst entdeckt man Minimaleinrichtung hinter Fischfuttersäcken, alles gekrönt von Satellitenschüsseln.. Und immer wieder: große Körperpflege, mehr oder weniger knapp bekleidet, im Sarong oder ohne. Dazu Feierabendverkehr mit den Langbooten hin und her, kreuz und quer. Also, soo schlecht kann das Wasser nicht sein, wenn man sich hier die Zähne putzen kann…

Beleuchteter Drachen

Beleuchteter Drachen

Wir steigen aus, lassen uns noch die beliebten Drachen von Nahem zeigen, die wir schon in Kumai abends fliegen sahen – sehr modern mit LED-Beleuchtung ausgrüstet und einem kleinen Propeller-getriebenen Generator; Batterien halten nicht lange und sind auch nicht gut für die Flugeigenschaften bedeutet uns jemand. Eine Frau schäkert mit Andreas: „… alt ist er ja, aber hübsch – und gute Zähne hat er noch!“ übersetzt Jenie.
Wir nehmen den langen Weg über die aufgestelzten Bohlenwege

Langbootfahrt mit Jenie und Imei

Langbootfahrt mit Jenie und Imei

zwischen den Hütten und staunen, wie hoch die Hochwasserlinie an die Türschwellen reicht.  Hier, sagt Jenie, kann man nur auf dem Bohlenweg Fußball spielen – das erhöht aber die Treffsicherheit!  Wir essen im Lieblings-Warung der beiden – ein schönes „Geschenk“ zum Abschluss.

Im Langboot

Im Langboot

Genug der schönen Rede. Jetzt kommt ein Seitenhack – auf uns, die wir „merkwürdige“ Dinge notorisch interessant finden, und solche, die den Orang-Utan-Ausflug mit: „… wir sahen 7 dort und 3 dort und dann noch einmal ein paar an der dritten Station“ quittieren. Am Funk hörte ich: „…we had a look at the klotoks, they look very basic, so we go for a day tour only…“.  Wenn die Klotoks zu schlicht sind, um drauf zu übernachten – da frage ich mich, warum man nach Indonesien reist? Wahrscheinlich um im Kreise gleichgesinnter (und stets gleicher!) Rallyeteilnehmer ein Barbecue am Strand zu veranstalten. Und das über 3 Monate jeden Abend – und die Rally Malaysia steht schon ins Haus…

Ich finde, man müsste noch einmal zurück nach Borneo.  Tiefer hinein. Obwohl… wenn ich mich entsinne, beginnt Redmond O’Hanlons Amazonas-Buch mit einem Bezug auf seine Borneoreise. Er lässt den Freund, der ihn in hier begleitet hat, sagen: „Amazonas? … mit Dir würde ich nicht mal mehr zur nächsten U–Bahnstation gehen!“  Es muss ja schlimm zugehen da drinnen, „Im Innersten von Borneo“ *. Wir waren nur am Rand. Leider.

Morgengrauen in der Riau-Gruppe

Morgengrauen in der Riau-Gruppe

Aber mittlerweile sind wir ohnehin schon wieder in einer ganz anderen Welt, in der Riau-Inselgruppe.  Keine „FAD“s im eigentlichen Sinn, sondern kleine Stelzenhäuser, unter denen ein großes Fischernetz hängt.
Und eine noch ganz andere Welt liegt dahinter. Nur noch 2 Tageshopser bis Singapur.

————————

*** das klingt berechtigterweise kritisch, aber über die Medikamentenpreise kann man nicht meckern:  Eine Fuhre Ciprofloxacin und eine Portion Fucidine-Salbe für einen Euro… Wie kriegen die das gerechnet?

* Lesenswert! Into the Heart of Borneo von Redmond O’Hanlon

Schreibe einen Kommentar