Nach Zimbabwe

... nicht alles was blau ist ist "Blue Train"

… nicht alles was blau ist ist „Blue Train“

1.3.2016, Victoria Falls, Zimbabwe

Wir sind unterwegs, und auch wenn wir eben beim „aged Zimbabwean fillet steak“ schon wieder über südafrikanische Politik räsonnierten, sind wir doch schon ganz im afrikanischen Hier und Jetzt gelandet.

Am Freitagmorgen ging es los. Rucksäckchen geschultert (  ich beneide diesen Mann mit seinem Minimalgepäck, mein Rucksack ist immer prall gefüllt…), Fußmarsch zum Kapstädter Bahnhof. Der Zug hat ein bisschen Verspätung, dafür sehen wir noch den berühmten Blue Train davonfahren; gern hätten wir die Gäste angeschaut, von denen wir vermuten, dass sie über den ausgelegten royalblauen Teppich in Sänften an Bord getragen wurden. Mit irgendetwas muss es ja zu rechtfertigen sein, für die Strecke den 20fachen Preis gegenüber unserem Normalzugticket zu verlangen, und dabei hatten wir schon das Doppelte des Normalen entrichtet: ein Viererabteil für uns zwei, die Zweier waren ausgebucht. Das Publikum in unserem Sleeper ist gemischt. Afrikanische Familien bzw. Geschäftsreisende und ein paar europäische Rucksackreisende. Einziger Ausreißer in dieser Hautfarbenverteilung ist der schwergewichtige Ex-Eisenbahner im Nachbarabteil ( falls es interessiert: 2004 nach Tod der Ehefrau zum zweiten Mal verehelicht – 3-fach-Infarkt, xy Bypässe – guck mal hier: meine Narben – ich war 12 Jahre lang als Reservist an der angolanischen Grenze… Spätestens hier begann ich das Trapsen der Nachtigall wahrzunehmen. Die undisziplinierte Jugend von heute ließ nicht lange auf sich warten, den Rest habe ich mir geschenkt…)  Zuggespräche. Immer (?) ein Genuss. Jugendliche Deutsche,  die ihre Freiwilligenarbeit  (Theaterprojekte mit Schulkindern) in den glühendsten Farben und positiv schildern und erst auf ein bisschen Nachbohren damit herausrücken, dass nicht alles Friede, Freude, boerewors ist. Eine Studentin, die wiederum mit deren Schilderungen gar nichts anfangen kann: „… das sind doch hier zwei Staaten in einem!“. Ist was dran. Nach anfänglich merkwürdig vielen Stopps zuckelt unser Shosholoza Meyl kontinuierlich durch die Landschaft und schließlich hinein in die Nacht. Im Halbschlaf nehme ich wahr, dass wir irgendwo verdammt lange halten. Hm. Unser Bus nach Zim – zwischen Johannesburg und Bulawayo gibt es seit ein paar Jahren keinen durchgehende Zugvekehr mehr! – geht um 18 Uhr. Na, wird schon… Mit Sonnenaufgang rollen wir wieder,  mittlerweile sind die dramatischen Berge des Western Cape abgelöst.  Fasziniert betrachte ich die Licht- und Schattenspiele, die Sonne und Zug auf die flache, braun-dürre Savannenlandschaft zauber. Zur Frühstückszeit erscheint die pfiffige „Zugmanagerin“: „…wir haben mittlerweile 6 1/2 Stunden Verspätung! Wollt Ihr vor Johannesburg in einen Bus umsteigen, der für den Rest der Strecke nur 2 statt der verbleibenden 4 ( oder 5!)  braucht?“ Tja. Den INTERCAPE Bus sausen lassen? Es gibt um 20 Uhr noch einen Greyhound nach Bulawayo, würden wir den erwischen? Oder morgen Nachmittag einen, der wäre gerade soeben vor Ablauf unserer Visa an der Grenze… Oder doch lieber auf Nummer Sicher? Nummer Sicher. Um 3 sitzen wir in Kerksdorp im Bus, pünktlich zur Eincheckzeit drängen wir uns durch’s berüchtigte Gewühl des Johannesburger Hauptbahnhof und kurz vor 18 Uhr kommen wir in den Genuss, beobachten zu können, wie zwei Kingsizematratzen den eigentlich doch großen Gepäckanhänger unseres Busses verstopfen; Johannesburg, eine Nachtfahrt entfernt, ist das Einkaufsziel für Zimbabweans.

Matratze rein, raus, erst die anderen Gepäckstücke (von ebenfalls beträchtlicher Größe), dann nochmal anders herum. Wir steigen einfach ein und lassen die Packer wurschteln. Platz 1, 1+2. Das heißt Oberdeck,  vorn am Fenster. Wir schaukeln los. Auf der Internetseite steht: „… we promote the christian faith on our busses…“, und richtig, der Zweitfahrer kommt zu uns heraufgestiegen und fragt, wer denn ein Gebet sprechen will. Kandidaten gibt es genug, wir geraten nicht in Gefahr und schlafen einen unruhigen Schlaf, der Grenze in Beit Bridge entgegen. Allerspätestens dort sind wir in „Afrika“ angekommen. Der Andrang ist gewaltig, die Reihe der LKWs und Busse schier endlos. Ausreise aus Südafrika.  Unsere Mitfahrgäste eilen routiniert voran, zumal uns der Zweitfahrer zur Eile antreibt. Immigration, „Departure“ steht über der Tür eines Gebäudes, aber unsere Gruppe wird abgewiesen – um die Ecke geht es, durch ein Loch zwischen zwei Zäunen, zum Anstehen vor ein paar Containern. Na, gut. Ist zwar 2 Uhr morgens, aber was hilft es. Von achtern kommt ein Beamter und lotst uns zurück zum ersten Gebäude. Vier Schlangen von Geduldigen bilden sich dort vor 2 offenen Schaltern. Hinterm Gitter hängen ein paar müde Uniformträger in ihren Sesseln. Wir haben Glück und werden aus unserer Schlange herausgewunken und abgefertigt. Punkt 1 geschafft. Der Bus holpert durch’s Finstere über die Limpopobrücke („Crime Zone, do not stop“- wären wir mit dem Zug gekommen, hätten wir die paar Kilometer zu Fuß bewältigt, da gilt das mit der Kriminalität wohl nicht…). Neue Fahrzeugschlangen vor der Zimbabwe-Abfertigung. Aussteigen, Passkontrolle. Wir sind natürlich die einzigen, die Visa benötigen, das gibt Erschwerniszulage. Die junge Beamtin, die sich unseres Falles annimmt, macht das sehr penibel, fragt allerlei Fragen, die wir nicht beantworten können ( zum Beispiel wo wir wohnen werden in „Zim“), sie nimmt unsere Auskunft, dass wir vorzugsweise den Zug nehmen wollen, gelassen, aber auch staunend hin und unsere 60 Dollar Visagebühr in Empfang  – und schickt uns dann zum Shift Leader. Jetzt geht die Show los! Der Leader hebt schwach den Kopf – sein Schreibtisch ist etwas von den Schaltern zurückgesetzt, so dass wir vollen Einblick in die Szene haben. Ah, Dollars. Schublade auf, im Blaupapier wühlen, Schubladeninhalt umwälzen und teils auf den Schreibtisch umlagern. Es geht um den Tresorschlüssel, der dann auch nach eine Weile des Wühlens gefunden ist. Nicht dass damit dann der Tresor zügig aufginge, die Schlüssel müssen erst einmal durchprobiert werden. Sodann die Suche nach dem Quittungsblock, der, gefunden, erst einmal für ein paar Seiten vorgestempelt werden muss. Ach, ja, da war doch was?! Richtig, Quittung ausstellen! Verflixt, wo ist das Blaupapier? Man möchte ausrufen: „…auf dem Tisch, Sweetheart! Und geknüllt in Deiner Schublade!“, aber wir reißen uns zusammen. Ich sehe Andreas‘ Hand mehrfach zur Kamera zucken. Filmreif… Aber das Ganze dauert, und da war doch was mit „Eile“?! Unsere gesamte Busladung  ist schon wieder verschwunden, ich verschwinde auch, marschiere die paar Hundert Meter lange Busschlange zurück durch’s Nass, um die kleine Verzögerung kundzutun. Ach, sagt der Fahrer, das macht nichts, das kann hier noch Stunden dauern. Zurück zum Immigrationgebäude, wo ich nun zum dritten Mal die Parade der schlafenden Fußgänger abnehme, die vor dem Gebäude im Nieselregen lagern. Im Augenwinkel sehe ich, dass an der Gepäckkontrolle immer noch der gleiche Greyhound untersucht wird. Hochrechnung?! Hoffentlich sind wir zur Abfahrt des Zuges um 19:30 in Bulawayo.  Geht das hier jeden Tag so? Ich frage einen der Fußgänger. Jeden Tag bzw. jede Nacht! Drinnen steht der Eigner wieder bei der netten Beamtin und verkneift sich das Lachen… Der Shift Leader hat inzwischen unseren Quittungen säuberlich ausgefüllt. Säuberlich? Naja, zeitweise lief ihm vor Konzentration auf diese frühmorgendliche Arbeit ein langer Speichelfaden aus dem Mund.“…hoffentlich haben wir das jetzt nicht in dsn Pässen kleben…“ Ich lach mich schlapp. Bis die Pässe fertig sind, dauert es noch ein Weilchen. Und als wir beim Shift Leader vorbeikommen, ist er weit, weit weg, er sitzt leicht nach links gekippt und schnarcht. Wunderbar.

Und dann: Überraschung! Um halb acht rollt der Bus nach Zimbabwe hinein,  die gestopften Matratzen waren vielleicht so bedrohlich, dass auf eingehende Kontrolle verzichtet wurde. Gegen 12 ein abschließendes Gebet und wir sind in Bulawayo. Geschafft!

 

 

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