TAZARA

MUKOBA Express nach Dar

MUKOBA Express nach Dar

Dar es Salaam, 18.3.2016

Dar es Salaam, Hafen des Friedens. Hafen der ewig rappelnden Stromgeneratoren, überall, dagegen waren die Zambier wirklich Waisenkinder. Hafen der Schlaglöcher, des Verkehrschaos und der lautstarken Religionsvertreter. Wir sind im Cornrad [genau so!] Hotel untergekommen, und Habib, der Taxifahrer, erzählt uns Dar-Klatsch. Zum Beispiel, dass der Besitzer des Hotels schwerreich ist, aus dem Kongo stammt und alles Mögliche besitzt. Mine, Fußballclub, Hotel. Ansonsten erfahren wir mehr über Tanzania. Noch mehr „Afrika“ als Zambia. Wir mögen’s.

Bus Terminal Lusaka

Bus Terminal Lusaka

Am vergangenen Samstag hatten wir schick eingekauft für den Fall einer unfreiwillig verlängerten Bahnreise mit entsprechend schwindenden Vorräten im Speisewagen. Erdnuss-Rosinen-Mix, getrocknete Cranberries und Mangos, dazu Nescafé Cappucino, Babybel, Knäckebrot, Äpfel.
Sonntag dann großes Familienfest bei den Singhs im Garten, erstens hatte Enkeltöchterchen Olivia ihren ersten Geburtstag, zweitens

... es war einmal ein Golf...

… es war einmal ein Golf…

wollten wir noch mehr mit Satwant und Leeanne schwatzen und drittens waren die Relikte der Rallyekarriere des vielfachen Afrikanischen Rallyemeisters zu betrachten. Der gerade ein kleines Comeback plant: die „Zambia International“ noch einmal zu gewinnen, Traum eines 73-jährigen. Leeanne sagt dazu: „…oh, Bossy!“ und lächelt verschmitzt. Und Satwant reibt sich den rundlich gewordenen Bauch: „… die Kilos muss ich bis dahin aber loswerden…“ Und, wie der Techniker unter uns feststellt, er wird den Motorraum des Golf Kitcars einer kurzen Waschung unterziehen müssen. Rein rituell, natürlich. Ein toller Nachmittag, zumal eine Freundin der Familie auch ein paar Berichte aus der nicht ganz so heilen Welt Zambias beisteuert. Ein Schulprojekt innerhalb eines Frauengefängnisses ist zu unterstützen, für die Kinder der Gefangenen, die dort geboren werden oder schon mit einrücken mussten. An Nachwuchs mangelt es nicht: es ist leicht, im Gefängnis schwanger zu werden – die Wärter leisten ihren gewalttätigen Beitrag. Mir bleibt ein bisschen der Geburtstagskuchen im Hals stecken. Das Projekt Mother of Millions hat eine tapfere Zambierin erdacht. Und wurde kürzlich nach China eingeladen – ihre Expertise ist begehrt. Noch Fragen?

Wir beschließen den Abend mit einem Drink in der noch heileren Welt der Reichen und Expats, im Hof des Radisson-Hotels. Fast bei uns um die Ecke. Und wir sind froh, als wir uns in die gemäßigt bescheidene Umgebung unsere Natwange Backpackers zurückziehen können, mit allem Komfort (=manchmal Strom). Montag sieht uns in der Stadt zum Besorgen der Bustickets, „Afrika total“, der Kaffee danach wieder globalisiert, ein kaum vermeidbarer Kontrast. Dienstag wird’s ernst: tschüss, Lusaka! Hello, Kapiri Mposhi. Ein Straßendorf wie aus einem modernen Bilderbuch, das auch südafrikanische Handelsketten abbildet. PEP zum Beispiel. Chinakram für alle. Für den Taxifahrer vom „Power Tools“-Busstopp zur TAZARA-Bahnstation hätte man allerdings besser Bemba sprechen müssen, „Supermarket“ war nicht so verständlich gewesen, „water“ schon, aber ich sehe das aus Südafrika sattsam bekannte „Shoprite“-Zeichen schon von Weitem. Der Fahrer folgt mir auf dem Fuße, obwohl ich doch nur einen Kanister Wasser besorgen will. Ich glaube, ich war eine gute Ausrede, mal diesen „Luxuspalast“ zu betreten. Doch, doch, gut sortiert, der Supermarkt, aber es ist unbestreitbar: unsere Unterkante liegt für viele Afrikaner zu hoch. Nicht nur hier.

Unterwegs mit TAZARA

Unterwegs mit TAZARA

TAZARA Railway Station ist toll. Ein Kopfbahnhof, riesig, heruntergekommen, kein Strom, kein Wasser (was im Bereich der Toiletten zu Belastungen führt…), und leer. 4 internationale Züge und 6 nationale wollen pro Woche abgefertigt werden. Andreas ist von der logistischen Leistung begeistert: da kann nix durcheinander kommen, denn für die internationalen Züge steht je ein Tag zur Verfügung, die nationalen Züge machen dann mit je 2 am Tag richtig Stress.

VIP-Lounge Kapiri Vor Kopf werden gleich die Zambierinnen lagern.

VIP-Lounge Kapiri
Vor Kopf werden gleich zambischen Damen einziehen!

Der Gegenblick: VIP Klo mit Kondomen!

Der Gegenblick:
VIP Klo mit Kondompaket!

Wir hatten ja schon in Lusaka gehört :“… you will enjoy this! New train!“ Wir verlassen die treffliche VIP-Lounge – herrliche, alte Polstersessel, durchgesessen bis aufs Gerippe, dazu ein Klo mit Wasserspülung (!) (wo kommt das jetzt her?) und allem Hygienekomfort, will sagen: statt Klopapier werden Kondome bereitgestellt! Drei zambische Geschäftsfrauen, optisch eher unscheinbar, sorgen für Augen- und Ohrenschmaus, ein Doppelsofa reicht gerade mal für eine, man macht es sich sehr bequem und diskutiert anhaltend und energisch auf Bemba, unterbrochen von Smartphonesitzungen. Es gibt halt immer was zum Gucken.

MItfahrerin!

MItfahrerin!

Zur Abfahrtszeit finden wir in der Tat einen pfuschneuen Zug, seit zwei Monaten im Dienst, eine exakte Kopie unseres Zuges von Guilin nach Peking. CHINA AID macht’s möglich. Eine angenehme Überraschung, denn wir hatten durchaus Gruseliges zum Zustand der Züge gehört. Unserer hat Dining Car, Duschmöglichkeit,  Klopapier auf sauberen Toiletten. Keine Kondomversorgung allerdings. Nette Mitreisende, vom Hamburger Saxofonisten bis zur

Der Zug! Der Zug!

Der Zug! Der Zug!

zambischen Studentin. Am späten Vormittag des zweiten Reisetages nähern wir uns der Zambischen Grenze – je weiter wir in die Nordprovinz vorrücken, umso mehr rostige, verbeulte Waggons auf beiden Seiten zeigen an, dass Entgleisungen an dieser meist eingleisigen Strecke zumindest in der Vergangenheit an der Tagesordnung gewesen sein müssen. Daher die verhaltene Fahrweise? Aber so ein umgekippter Waggon ist natürlich eine prima Arbeitsplattform zum Wäschewaschen, zum Stampfen von Mehl oder Trockenen von Früchten.

EIsenbahn. Ein Traum...

Eisenbahn. Ein Traum …

Wir erfreuen uns an den vielen Kindern, die immer wieder aus dem endlos undunbewohnt scheinenden Grün an die Strecke treten, um die bummelige Vorbeifahrt des Mukuba-Express abzunehmen. Ob da so mancher vom Job als Lokomotivführer träumt? Dar es Salaam! Große weite Welt, zweimal die Woche… Steppkes aller Altersstufen winken hinter uns her. An den Bahnstationen im Nirgendwo wird

Verkäuferin

Verkäuferin

Frischproviant angeboten: Wurzelgemüse, Früchte, flatternde Hühner.
Die Grenzabfertigung geht rasch, zambische Ausreise „zack“, Stempel, tanzanisch rein nur wenig mühsamer, gegen 50 $US kriegt man 3 Monate Touristenvisum.  Anstrengender ist schon das Akzeptieren und Abwehren von zudringlichen Geldtausch- und SIMkartenangeboten. Ab Grenze wird nämlich nur noch

Tansania. Die wilde Seite

Tansania. Die wilde Seite

Tanzanischer Shilling akzeptiert, also fort mit den zambischen Kwatcha, und mit der Eile, die die Händler an den Tag legen, steigt unsere Aufmerksamkeit. So richtig dolle unterscheiden sich die Kurse nicht, und wir kriegen ungefähr was wir wollen. Inklusive Airtel-SIM mit grandiosen 50 MB Datenvolumen. Die sind natürlich mit ein paar Mails und ein bisschen Facebooking ratz-fatz verbraucht, aber glücklicherweise erlaubt die Netzabdeckung ohnehin wenig Kontakt, obwohl wir plötzlich durch dicht besiedeltes Land fahren. Hier schneidet der ostafrikanische Grabenbruch die

Wenn der Bahntag zum Markttag gerät

Wenn der Bahntag zum Markttag gerät

Landschaft entzwei, häufig haben wir auf einer Seite Berge, auf der anderen vulkanisch-fruchtbare Ebene. In der Nacht endlich begegnet uns der Gegenzug: der „Kilimanjaro“ aus Dar es Salaam. Es ist zwar dunkel, aber der deutlich abgegrabbeltere Zustand lässt sich leicht erkennen, auch, dass er schon locker 8 Stunden Verspätung hat, lässt sich ablesen, und das gibt uns eine Idee von unserer Ankunftszeit. Auffällig, dass der Zug in Tanzania nicht mehr so viele Winker und anzieht – überhaupt scheinen die Leute wieder verschlossener.

Nshima essen...

Nshima essen…

Dafür betreiben wir im Speisewagen Studien, wie man Nchima isst, Maisbrei. Neben uns sitzen zwei wohlgekleidete Geschäftsleute vor dem typischen Teller – ein gegrillter Fisch lappt über den Rand, dazu ein Häufchen graugrünes Blattgemüse.  Erster Akt: die Bordkellnerin reicht eine große Schüssel mit Wasser. Händewaschen, dann kann es losgehen. Während die linke gestikuliert oder auch auf dem

So geht es los mit dem Nchima-Ball

So geht es los mit dem Nchima-Ball

Schoß ruht, nimmt die rechte Hand einen Batzen vom großen Breiklops; die Geschäftsverhandlungen laufen weiter, inzwischen knetet man den Brei in der Handfläche zu einem festen Kloß, tunkt diesen in das soßige Gemüse und: happ! Bisschen Fisch abreißen – alles einhändig – und hinterherschieben. Sieht gekonnt, appetitlich und elegant aus. Nun kennen wir Nshima – oder Ugali oder Posho oder Pap – schon von früher, und bleiben dann bei Reis. Obwohl der ja auch eher geschmacklos ist, was wieder eine interne Diskussion über den besonderen Geschmack von Heidekartoffeln hervorruft. Alles eins: geschmackloser Stärkepamps! Draußen nimmt die Besiedlung derweil ab. Für ein paar hundert Kilometer geht es durch wilderes Land – wahrscheinlich für die landwirtschaftliche Produktion nicht so geeignet, warum auch immer, und am Nachmittag hängen dann alle an den Gangfenstern: wir durchfahren das Selous National Reserve. Wollte ich schon immer mal! Leider scheint aber gerade hier die Gleisanlage besser zu werden, denn der Zug gewinnt an Geschwindigkeit. Von Elefanten oder Giraffen nichts zu sehen. Ein paar Impalas springen erschreckt zur Seite, das war’s.
Das war’s in der Tat, wir packen schon mal zusammen. Um 18:30 rollen wir in die TAZARA Station von Dar es Salaam ein, nur 6 Stunden nach Zeitplan, das ist eine Spitzenleistung. Der Bahnhof: riesig, heruntergekommen, leer. Siehe oben. Vor uns geht ein Herr in Geschäftsanzug und Streifenhemd. Mit Rollenköfferchen – und dem Maismehlsack auf dem Kopf. Wir sind da, im Hafen des Friedens.

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