Von Dar nach Zanzibar

Unseres!

Unseres! Auf Zeit…

Demani Backpackers,  Paje/Zanzibar  –  25.3.2016

Bis 3 (nicht) dabei. Nur gehört haben wir sie, die wilde Bande junger Backpacker, die heute Nacht in unserer Unterkunft abgefeiert haben; das also macht Backpacking aus! Ein junges hippes Paar aus dem Hessischen fragte vor 2 Tagen schon, in welcher Unterkunft die nächsten Party steigt (die Deutschendichte hier ist ungeheuer!) Glücklicherweise dünnt sich die Schar der Reisenden auf Zanzibar jahreszeit(=Regenzeit)-bedingt schon aus, insofern hielt sich dank geringer Größe der Schar der Lärm in Grenzen. Wumm-wumm-Bässe, die durchs Gelände wabern, wie wohl an jedem Donnerstag, die jungen Leute wollen unterhalten werden. Tagsüber gibt es dazu SUP (eine besonders dämliche Fortbewegungsart!… googeln!), Kiten, Schwimmen mit Delfinen, Tauchen…,was das jugendlich-aktive Herz im Gap-Year oder auf dem schnellen Billigflugtrip begehrt  – sehr beliebt: Fluggesellschaften von der arabischen Halbinsel, aber Air Ethiopia kann’s auch. Wir haben trotz Livemusik nach dem BBQ den Kids die Szene überlassen. Klingt alles dramatisch touristisch, ist es aber nicht, nur in kleinem Umfang in ein paar Enklaven entlang des Strandes. Und wir mögen unser „Lokal“. Der Seewind rauscht durch die Tamarisken, in deren dünnem Schatten es etwas kühler ist als an der baren Küste. Um sich nicht die Füße zu verbrennen, springt man durch den heißen Sand von Schattenfleck zu Schattenfleck, wie damals in Kiwayu und Manda Island im Norden Kenyas. Der Wind lässt im Zimmer die Kitengevorhänge wehen, die vor den unverglasten (wohl aber moskitonetzbewehrten) Fensteröffnungen hängen. Gutes Essen aus  arabisch-indisch angehauchter Küche, Passionsfrüchte, Mangos, Kokos, Fisch. Frau kann in einem pipiwarmen Pool planschen, und es gibt, was die Maslow-Pyramide bald noch vor die physiologischen Lebensnotwendigkeiten (Wasser, Essen und Sicherheit, ein schlechter Scherz in diesen Tagen…) stellen wird: WiFi und ausreichend Strom für die Akkus. Ein Backpacker der Luxusklasse; das will auch, wie vieles in Zanzibar, gut bezahlt sein, wir zahlen noch dazu extra für ein eigenes Bad.

Wichtig, wenn man immer Strom haben möchte...

Wichtig, wenn man immer Strom haben möchte…

Dar es Salaam hatte einige lustige Momente. Der frühe Weckruf vom Minarett, ab 7 gefolgt vom konkurrierenden Straßenprediger mit Megafon und viel „amen“ aus dicken Lautsprecherboxen. So liegt man im Bett und fragt sich, wieso  hier die Südafrikanische Nationalhymne gespielt wird. Wird sie nicht. Es ist nur so, dass „Mungu ibaraki Afrika“ die Swahiliversion von „Nkhosi sikekel‘ iAfrica“ ist. Eben die Tanzanische Nationalhymne. Die lutherische Kathedrale mit ihrem deutsch anmutenden Türmchen. Morogoro Street mit reihenweise Technik- und besonders Generatorenhandel, gefolgt von einer Perlschnur von Stoffläden, Kitenge bis einem die Augen weh tun. Ebenfalls lustig und für unsere weitere Reiseplanung überraschend: die leicht selbst-zweifelnde Auskunft am Bahnschalter, dass leider, leider die Bahnverbindung nach Dodoma unterbrochen ist „… but maybe next week!“,  ach, da schwang dann so viel Zweifel mit, dass eine Alternatividee für die Weiterreise her muss.  In dem Meer von Kleinbussen auf der Ausfallstraße ist es schwierig, ein Dalla-Dalla in die richtige Richtung zu finden, nach Ubungo, wo die großen Überlandbusse ins Landesinnere starten, in unserem Fall nach Mwanza am Victoriasee, 1200 km von der Küste. „Landesinneres“ klingt schwer nach Livingstone, nach Sänfte und Trägern, die unsere Rucksäcke auf den Köpfen durch’s Dickicht balancieren würden, aber eigentlich ist das moderne Tanzania doch recht gut erschlossen und die Abholzung für die allgegenwärtigen, elenden Holzkohlefeuer so weit fortgeschritten, dass man häufig recht weit gucken kann. Die Askari aus den guten (?!) alten Zeiten von Deutsch-Ostafrika heißen heute „police“ und die Träger sind Taxifahrer. Wie Habib, der uns nach Ubungo karrt. Der Verkehr ist dicht genug, um reichlich Zeit für Geschichten zu bieten. Über die Geografie Tanzanias, über den südafrikanischen Investor, der gerade ein neues Nahverkehrssystem in Dar installiert, mit separater Busspur und großen  Terminals in den Vororten und unten am Hafen. Da das System zwar fertig, aber noch nicht in Funktion ist, wird derzeit die Busspur abschnittsweise noch von geschäftstüchtigen Anwohnern an die Habibs und Karims dieser Stadt „vermietet“, die ihre Fahrgäste ein bisschen schneller ans Ziel  bringen wollen. Gegen ein paar Shillings wird die abgegrabbelte Absperrschnur – Marke: Kuhseil – abgesenkt. Kann aber sein, dass diese Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall ohne die Verkehrspolizisten an den Kreuzungen gemacht wird. Wir sehen einen solchen, wie er einem Mann, der auf dem Mittelstreifen lungert, eine Autoschlüssel zuwirft. Was war das denn? „…den Polizisten kenne ich; der entzieht einem den Schlüssel für eine Weile, wenn Du die Busspur benutzest!“ Oder für andere Vergehen, Verkehrsstrafe auf der Direttissima, im Sport nennt man das Zeitstrafe. Dumm gelaufen.

Angekommen, schleust uns Habib mit Begeisterung über den Busbahnhof. Das stelle man sich als riesigen Schotterparkplatz vor, auf dem Busse aller Erhaltungszustände auf Fahrgäste warten. Am Rande Schlichtbauten mit knapp garagengroßen „Büros“, wo die Betreiber einer Handvoll verschiedener Buslinien, die Mwanza – für Direktbusse ein eher abgelegenes Ziel – anlaufen, uns ihre Abfahrtszeiten und Mobilrufnummern auf abgerissenen Zeitungsrändern notieren. 15-18 Stunden Bus. Abfahrt um 5, oder wenn man Glück hat, um 6 am Morgen und eine Stunde vorher soll man antreten, dann ist man in der Nacht am Ziel. Klingt irgendwie mühsam… Ob man doch mal Fastjet bemüht?! Zurück in die Stadt. Im Dunklen stolpern wir nach einer kurzen Dusche die Livingstone Road  entlang. Es ist Freitag, es gibt reichlich männliche Passanten mit weißem Hemd und Takke, kleine Jungs tragen reich bestickte Samtwesten (man muss ja zusehen, dass man nicht friert in diesem Klima!). Wir landen in einem pakistanisch-arabischen Restaurant, bei Saft, Wasser und Hühnchen mit gewürztem Reis. Als ich mir die Hände wasche – das Essen mit den Händen hat in diesen Regionen den ungeheuren Vorteil von öffentlichen Handwaschbecken mit Seife. Ohne Geschlechtertrennung! Benötigt man auch nicht so sehr, Frauen sind hier und an diesem Abend  auf der Straße in der Unterzahl, denn sie gehören ins Haus. Denke ich… –  beim Händewaschen also die Standardfrage vom Nachbarwäscher: „Where are you from?“   …  „…was, Sie sind deutsch? Ungewöhnlich, hier deutsche Touristen zu finden, freut mich!“ Geschliffenes Hochdeutsch aus einem schmalen Somaligesicht. „Ach so, Entschuldigung, ich lebe in Frankfurt. Ich bin hier als Tourist, eigentlich aus Djibouti. Hatte ein paar Tage frei. Flughafen! Prima Job!“ Für unseren Reiseweg ernten wir eine gehörige Portion Bewunderung. Und umgekehrt. Reisebegegnungen.

Eine von Zanzibars kunstvollen Haustüren!

Eine von Zanzibars kunstvollen Haustüren!

Unsere Fähre nach Zanzibar geht am Samstagmittag. Schnellfähre, voll bis oben mit Fahrgästen – ob das alles Wochenendgäste sind?  Das kriegen wir nicht heraus, aber etwas anderes: auf Zanzibar finden Präsidentschaftswahlen statt. Die letzten, parallel zu den Festlandswahlen,  wurden wegen Wahlbetruges annulliert, und nun gibt es einen neuen Anlauf. Zanzibar ist ein halbautonomer Teilstaat Tanzanias (=TANganyika + ZANzibar + IA),  und im Archipel möchte man mehr Freiheiten. Gleich der erste Kaffeeverkäufer, bei dem wir an der Uferpromenade die Rucksäcke absetzen und uns  in den Schatten sinken lassen, klagt uns sein Leid:  kein Geschäft heute. Niemand will ausgehen, niemand Kaffee trinken. Vor Unruhen wird gewarnt. Na, da sind wir ja richtig. Bis wir am Dienstag an die Ostküste abreisen, verfolgt uns dieses Wahlgespenst: Sonntag – alles ausgestorben. Montag: Schule? Nö, es sind ja Wahlen. Und immer wieder: „Babu – give me…“ – money, was zu essen, wir sind so aaarm, kauf‘ mir einen hässlichen Anhänger ab… „…ich bin doch nicht von hier und heute sind Wahlen und deswegen habe ich nichts zu essen“.  Oder: ich bin überhaupt nicht aus Tanzania, ich bin aus Nigeria und lebe auf der Straße (Enoch, der Kaffeeverkäufer: „… den kenne ich, der kommt aus dem Gefängnis…  Seid vorsichtig.“). Vom jungen  Enoch bekommen wir eine Lektion in Tanzanischer Geschichte und  Alltagsleben. Wir hatten uns schon gewundert, dass eigentlich jeder, den wir dazu ansprechen, beteuert, vom Festland zu kommen. Zanzibaris scheinen die Ausnahme im Inselarbeitsleben zu sein. Man beguckt sich auch irgendwie … eifersüchtig?

... und kunstvolle Schlösser...

… und kunstvolle Schlösser…

In Zanzibar Citys Altstadt, Stonetown, dessen verwirrende Gassen-Züge wir mehrfach durchschreiten – und dabei stark auf die Aussagekraft von GoogleMaps angewiesen sind; funktioniert aber nur, wo sich die Häuserwände zu GPSfähiger Himmelfläche weiten! – scheint sich der Gelderwerb auf Souvenirverkauf zu konzentrieren, und vielleicht auf „Sitzen“. Aber es sind ja

Zanzibar Food

Zanzibar Food in einem alten Handelshaus

auch Wahlen, das muss man eben aussitzen. Immerhin finden wir einen Schneider, der Andreas‘ lange Hose repariert, und der schwer enttäuscht ist, als ich das Angebot „auch über Nacht!“ noch ein Kitengekleid fertigen zu lassen, ablehne. Ob er Anstoß an meinen Shorts genommen hat?  Rein finanziell jedenfalls ging es ihm nicht so extrem gut, wir mussten für die Anschaffung einer Rolle sandfarbenden Garnes einen Vorschuss von einem Euro leisten, sonst wäre das nichts geworden. Was in etwa der Erfahrung entspricht, dass 80% der Taxis in Zambia und Tanzania mit einem erst einmal zum Tanken fahren, 3, 4 Liter müssen erst einmal reichen. Aber unsere Wanderschaften durch den alten Teil von Zanzibar City hinterließen den Gesamteindruck: sehenswert.

Freudentanz

Freudentanz

Mittlerweile hängen wir aber schon 3 Tage in unserem Backpacker an der Ostküste ab, und ich habe gestern mit kleinen Mädchen einen Freudentanz aufgeführt, zu ohrenbetäubender Musik aus Riesenlautsprechern. Freude über den (immer noch zweifelhaften) Wahlsieg des alten und neuen Inselpräsidenten Shein.  Ein bisschen komisch ist es ja, und dann ist er auch noch von Pemba, dieser Herr, und eigentlich war es auch keine Wahl: CCM ist ohne Alternative aufgetreten, drum gab es auch ein Wahlergebnis von 91,4% pro Shein. Die Gegenpartei ist CUF, die für die Ablösung von Tanzania ficht, und in gewisser Weise möchte sich dann die Insel Pemba noch von Unguja, der Hauptinsel, auf der wir uns gerade befinden, lösen… Nicht so einfach, diese Konstrukt. Hoffen wir mal, dass der neue

Der Festlandspräsident!

Der Festlandspräsident!

Festlandspräsident, John Magufuli, genügend Charisma hat, um zufriedenstellende Lösungen für alle zu finden. In Sachen Korruption und Verschwendung entwickelt er unafrikanisch gute Ideen – zum Beispiel gibt es keine Unabhängigkeitsfeiern, sondern kollektives Unabhängigkeits-Großreinemachen. Seine Amtseinführung, bislang Gelegenheit zu opulenten Gelagen, hat er mit Sandwich und Wasser gefeiert. Sehr enttäuscht hat er auch die Delegation, die schon die Köfferchen für eine „Global Tour of the Commonwealth“ gepackt hatte: die schrumpfte nämlich pötzlich von 50 auf 5 Personen. Irgendwie sympathisch, auch wenn strenge Sparpolitik ja schwerst umstritten ist. Es fragt sich aber, wieviel Autonomie Zanzibar braucht und wieviel davon Tanzania vertragen kann. Sonst gibt es demnächst zwei Schwester-Staaten. Tania und Zania…

Aber bis es so weit ist, sind wir über alle Berge, und ich habe noch ein letztes Mal im Indischen Ozean gebadet, das muss morgen sein. Sonntag geht es nach Mwanza. Mit Fastjet…

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