Draußen nur Kännchen…

Campingplatz „Alte Brücke“, Swakopmund/Namibia

21.4.2016

Tjaja. Draußen nur Kännchen. Geht’s noch deutscher?  Bemerkenswertes Land, dieses Namibia! Wir sind schon halb fertig mit unserer Reise,  die am Sonnabend, dem 9. April, mit der Übernahme eines eilig ausgesuchten Campmobils begann. Brian von der Firma Bushlore wies uns ein: komplizierte Sache, so ein Dachzelt ohne Kinken und geklemmte Daumen aufzustellen, aber das meiste andere kannten wir ja schon. 4-Radantrieb, Reifendruck im Sand und solcherlei. Trotzdem brauchten wir noch den Nachmittag zum Packen. Aber dann! Hey, wir fahren in die Wüste!

Die erste Etappe führte uns an den Cederberg Mountains vorbei bis Springbok,  einem kleinen Kupferbergbaustädtchen, nicht mehr weit von der namibischen Grenze, und dennoch weit ab von jedem anderen  Schuss, da oben im Norden der Northern Cape-Provinz. Seit vielen Kilometern schon hatten wir uns gefragt, was die Leute hier oben eigentlich treiben. Und vor allem: was hat damals die Vortrekker mit ihren Ochsenkarren getrieben, außer der Abscheu vor den britischen Machthabern am Kap? Lange vorbei die Landstriche mit Weinbau und Zitrusproduktion. Kein Rooibos-Tee mehr auf kargem Boden, es ist nur noch heiß und trocken und rot. Dass wir in Springbok noch etwas zu essen und zu trinken bekommen – reine Glückssache, dass an diesem Sonntagabend noch nicht alle Bürgersteige hochgeklappt sind.

Am nächsten Vormittag rollen wir nach Namibia hinein. Die Grenze liegt an einem beeindruckenden Canyon, gut warm haben wir es hier. Und für Spannung ist auch gesorgt, denn die Namibische Polizei will wissen,  ob diese rosa Lappen international gültige Führerscheine sind. Na klar sind sie das, steht doch vorn drauf, „driving license“, und außerdem haben wir ja noch eine amtlich beglaubigte Übersetzung (etwas angejahrt, aus Neuseeland) zur Hand. Ich denke, diese Art der Beweisführung hätte durchaus schief gehen können, aber die junge Beamtin schickt uns schließlich mit einem „… kann das eigentlich nicht erkennen…“ in die namibische Weite. Puuh. Da ging neulich unsere Passkontrolle zwischen Dar es Salaam und Zanzibar leichter: „… oh! Red passports! Diplomats? Bitte hier entlang…“ Schöne Diplomaten mit abgegrabbelten Rucksäcken. Und ohne internationale Führerscheine. Wie kriegt man so etwas, wenn man in Deutschland nicht einmal mehr gemeldet ist? Und dann sind die Dinger auch nur für ein Jahr gültig und müssen persönlich abgeholt werden. Sehr praktikables Verfahren, zumindest für uns…

Die Landschaft wird noch trockener. Keetmanshoop, Tankstopp. Die erste deutsche Kulturüberraschung: der äußerst kleinwüchsige (heißt das so?) Tankstellenhelfer weiß mit detailierten Kenntnissen über deutsche Städte zu glänzen und sagt sie nach Größe oder wahlweise der geografischen Lage nach auf. „… ich war in der deutschen Schule!“. Nach dem Sinn des Gelernten wagt der Eigner nicht zu fragen, zumal sich das auch rein auf Deutschland beschränkt. Schweden? Großbritannien? Nö.

Die nächste Kulturüberraschung steht an. Keetmanshoop ist zwar ein tà½pisches, also weitgehend sensationsfreies Landstädtchen – Bank, Post, Landmaschinenhandel – aber es hat außer einer eindeutig dem deutschen Erbe zuzuordnenden Backsteinkirche zumindest noch einen weiteren Festpunkt für den deutschen Touristen zu bieten: das „Kaiserliche Postamt“. Da müssen AKKAnauten natürlich hin, parken folgerichtig auch direkt davor und rühren den rituellen Nachmittags-Schnellkaffee an, auf den kaiserlichen Postmeistersstufen zu genießen; und weil die Gelegenheit so günstig ist und uns schon am Vortag von einem Drittel der in Kapstadt erworbenen Sahnetorte etwas übel war (diese Gier aber auch immer!), verfüttern wir die Reste der Torte passend zu deren Kulturprogramm an eine deutsche Reisegruppe. Wir hoffen, dass Schwarzwälder Kirsch vor einem deutsch-kolonialen Amtsgebäude der Höhepunkt dieses „Wikinger-Reise“tages war. Wir brechen auf und schaffen es gerade so eben vor Einbruch der Dunkelheit unser Dachzelt aufzuklappen,  auf einem riesigen, leeren Campingplatz in Marienthal.  Klappt gut und ohne Verrenkungen.

Was mir schon am ersten Tag ausnehmend gut gefallen hatte, bleibt uns auch bei der Weiterfahrt nach Windhoek erhalten: wir rollen auf plattem, hunderte Millionen Jahre alten Meeresboden entlang, parallel zur Abbruchkante der ehemaligen Steilküste. Ab und zu erheben sich mehr oder weniger fern Vulkankegel aus der flachen Landschaft. Faszinierend. Mit Sicherheit ein Paradies für Geologen – ich nehme mir vor, in Windhoek mehr dazu zu erfahren.  Mittags sind wir dort und beziehen ein fertiges Zelt – so müssen wir für Fahrten nicht das Dachzeltgeraffel auf- und abbauen – auf dem Urban Camp, einem recht beliebten Campingplatz am Rande der Stadt. Als wir fragen, wie weit es ist, in die Stadt zu laufen, werden wir mit einem „zu weit, zu heiß“ beschieden, ein „freies“ Taxi koste 10 N$ pro Person, auf dem Rückweg dann 20. Funktaxen das Mehrfache. Hm. Na, gut. Es steht auch an jedem Zelt ein Schild, dass man sich hier in einer afrikanischen Metropole befinde (Metropolinchen eigentlich…) und man immer schön aufpassen solle. Kein Rumlaufen in der Dunkelheit, und was der Dummheiten mehr sein mögen. Dabei war mein erster Eindruck (Shoprite, PicknPay etc. …) eigentlich „nur ein weiteres südafrikanisches Landstädtchen“ gewesen. So sieht es auch aus, mit dem kleinen Unterschied, dass die Masse an deutschen Touristen noch größer als in Südafrika ist und auffällige Mengen an deutschsprachigen Unternehmern sich dazugesellen. „MegaBuild Pupkewitz“ steht dann da, und die etwas muffig erscheinende Dame  im Café Vienna bringt ein „… was wünschen Sie?“ hervor. Das war aber schon, nachdem wir das alte deutsche Fort umschritten, die etwas schräg zwischen Neugotik und Art Décor angesiedelte Christuskirche passiert und festgestellt hatten, dass Herr Lüderitz, der ja eigentlich nur seine persönlichen Geschäftsinteressen in diesem kargen Teil Südafrikas mit kaiserlichem Schutz versehen ließ, nicht mehr da sitzt, wo man ihn bis vor kurzem bewundern konnte: auf einem Pferd auf dem „Reiterdenkmal“. Dort hebt nun ein afrikanisches Paar die Hände, an denen noch die gesprengten Ketten baumeln; nicht zu reden von der Darstellung darunter: kaiserliche Soldaten vor einem Baum mit Gehenkten. Die netten Deutschen aus Südwest. Reiterdenkmal heißt das Monument dennoch.

Da war der Besuch im Transnamib-Museum eindeutig netter. Herr Konrad führt uns in die kleine Ausstellung über die Entwicklung der Eisenbahn in Deutsch-Südwest ein und beantwortet auch Fragen zur Familiengeschichte der Konrads und zu den auffälligen Sprachgewohnheiten: wir können gar nicht glauben, dass er mit seinem eindeutig hamburgisch gefärbten, reinen Deutsch hier geboren und gar in 3. Generation ansässig ist. Man spricht halt deutsch in den Familien, die Kinder besuch(t)en die deutschen Schulen… Ganz langsam wird’s wohl weniger mit dem Deutschtum „… beim Schreiben fängt es an, das beherrschen meine Kinder schon nicht mehr so gut…“ Andere, mit denen wir sprechen, verweisen auf die  vielfältigen Kontakte in die alte Heimat, die kulturerhaltend wirken. Unser Schluss ist eigentlich: diese Gesellschaft war und ist deutsch-national geprägt und konnte sich, obwohl die Kolonialjahre sehr gezählt waren (25 vielleicht),  gut hier halten, denn danach kamen die Südafrikaner, namentlich die Buren. Es ließ sich wohl gut weiß-überlegen leben, die Ideen waren ähnlich, wahrscheinlich sind sie es noch. Was sicher seinen Niederschlag in der modernen Politik des befreiten Namibia findet – die Diskussionen um Landumverteilung sind akut wie eh und je. Und wenn man die Vororte zu den Städten und Dörfern anschaut, gibt es wenig Unterschiede zu den Townships Südafrikas. Interessant fand ich die Aussage einer Deutsch-Namibierin, der ich erzählte, dass mir mehrere weiße Südafrikaner gesagt hatte, sie würden nach Namibia gehen, wenn es in Südafrika zum politischen Chaos käme: „…. dann haben wir hier auch keine Chance. Wirtschaftlich hängen wir 100%ig  an Südafrika. Wie ein Satellitenstaat…“ Und Herr Konrad vom TransNamib-Museum? “ … hätten wir mal unsere Währung an den chinesischen Yüan gehängt…“  Hätte, hätte…

Sagen wir übrigens auch. Hätten wir mal. Keinen Besuch in der wunderschönen, kleinen „Earth Science“-Ausstellung auf dem Gelände des Ministeriums für Mining and Energy gemacht. Wir hätten was verpasst, es war wirklich interessant. Wir hätten allerdings auch nicht einen Nachmittag bei der Polizei verbacht. Und einen Vormittag bei der deutschen Botschaft… und auch nicht die Firma PG GLASS kennengelernt. Ich hätte noch mein  schönes Sony-Tablet, Andreas seinen Pass, seinen Laptop. Und wir zusammen viele Bilder aus den letzten Monaten. Als wir nämlich unser Auto von diesem Ministeriumsparkplatz (Elektrozaun und Schlagbäume) fahren wollen, ist eine Scheibe eingeschlagen, und wir sind Rucksack und Handtasche los. Ja, macht man nicht und hätte, hätte. Hätten wir den Kram halt nicht im Innenraum, sondern im Campingabteil gestaut. Immerhin lernt man auf diese Weise interessante Leute kennen. Namibier, denen es nicht anders gegangen ist, zum Beispiel. Witzige Polizisten (mei, sind das lange Leitungen hier!). Helke, die im Ministerium auch für die Earth Science Ausstellung verantwortlich ist und uns über den ersten Schrecken hinweghilft, telefonieren lässt und einen Begleiter für die Polizei bereitstellt. Auf dem Campingplatz treffen wir danach eine Truppe Franzosen, die ein ernsthaftes Offroad-Abenteuer hinter sich haben, unsere Altersgruppe übrigens, und die uns ihre Routen und Roadbooks zeigen und uns aufmuntern. Nach zwei Tagen Aufräumungsarbeiten geht’s mit leichter Verspätung, aber mit neuem Tablet weiter nach Etosha. The show must go on – unser Reiseschwung und besonders die Neigung, das Auto irgendwo unbeaufsichtigt stehen zu lassen, haben allerdings etwas abgenommen, und immer wieder stellen wir fest: „… Mist, das Satellitentelefon…“ Mist, meine Haarbürste, Mist, der Führerschein, das Powerbank, die USB-Adapter. Und dann die Daten, viele, viele ungesicherte Bilder… Ganz schöner Käse.

Etosha ist für uns „so là là „. Zwei Wochen zuvor noch in der Serengeti, dagegen müssen mancherlei Nationalparks abfallen, nicht nur Etosha, aber es macht trotzdem Spaß. Und damit ist auch schon der nördlichste Punkt der Reise erreicht.  Der nächste Platz liegt schon südwestlich und  ist wunderbar staubig, wunderbar, weil man trotz Wüstenumgebung in Flussbett des Aba Huab unter Bäumen im Schatten liegt. Wüstenelefanten werden uns zwar avisiert, aber lassen sich nicht blicken – das sind die mit den extra langen Beinen, damit kann elefant in kargen Gegenden 60, 70 km täglich laufen. Wasser braucht der Wüstenelefant übrigens spätestens am 5. Tag – tapfere Kerle! Aba Huab ist der Fluss am Fuße von Twyfelfontein – und weil der meist trocken liegt, sind „tapfere Kerle“ auch die Leute, die sich in den 40er Jahren hier neben der Großwildjägerei an Ziegen- und Schafswirtschaft versucht haben: ein David Levin mit Frau und 3 Kindern. Nach 12 Jahren wurden die „Twyfel“ an der Zuverlässigkeit der Wasserquelle zur Gewissheit, dass sich das Siedeln hier nicht lohnt. Wenn man sich die Gegend anschaut, müsste man das eigentlich von Anfang an geahnt haben, sagen wir, aber wir haben hier schon reichlich Beispiele für extreme Siedlungsräume gesehen, will sagen: wir haben keine Ahnung. Nicht umsonst gibt es hier ein bekanntes Lehrinstitut für Landwirtschaft in extrem trockenen Landschaften. Was Twyfelfontein aber zu bieten hat, sind Hunderte toller Buschmann-Felsgravuren, Tierabbildungen, aber auch ein paar topografische Hinweise zu Wasserlöchern. Wenn man die Vielzahl der abgebildeten Tiere betrachtet, wird einem klar, dass es hier vor 2000-4000 Jahren deutlich feuchter gewesen sein muss. So viele Giraffen! Rhinos, Elefanten, Antilopen, und weil es sich um Nomaden handelte, die auch die gar nicht so weit entfernte Küste besuchten, gibt es auch einen Pinguin und eine Robbe zu sehen. Sehr schön, und unser junger Führer, Karon, der sich hier das Geld für das nächste Schuljahr verdient (sehr mühsam…) macht die Besichtigung zum Gewinn.

Weiter! Es folgt wieder ein Bergbaustädtchen, Uist. Wir sind die einzigen Gäste auf dem Campingplatz des Brandberg Restcamps, in den Zimmern tummeln sich allerdings 20 Grundschüler auf Schulausflug mit dem Erziehungspersonal. Glücklicherweise sind wir früh dran, so dass ich den 25m-Pool für mich habe, das Freibadgequietsche setzt erst später ein. Diese Lodge war bestimmt mal das soziale Zentrum der Mineurgemeinde, drum auch das Schwimmbad. Heute ist noch ein bisschen Zinnabbau im Gange und sehr viel Mineral-Kleinverkauf von der lokalen Bevölkerung, durchreisende Opfer – Touristen – gibt es täglich. Stimmung: den Siedlungen im australischen Outback nicht unähnlich. Wer nichts zu tun hat – und das sind augenscheinlich einige – sitzt vor dem Supermarkt im Schatten.

Nach Uist kommt eines der Highlights dieser Reise. Schade, dass ich im Moment noch keine Bilder zeigen kann, denn die Spitzkoppe, die sich neben den Pondokbergen aus der Ebene erhebt, ist einfach nur schön. Fantastische Gesteinsformationen für viel Gestaune und viele Erinnerungen an den Ayers Rock/Uluru und die Kata Tjutas. Unser Lunch genießen wir unter dem Steilhang der Großen Spitzkoppe, bewundern Klippschliefer beim Baumklettern, lassen Starlinge und Weber in unseren Suppenschalen baden und trinken und erfreuen uns an den Erdmännchen, die den Glanzstaren die gespendeten Apfelstücke klauen.

Zum Abend wollen wir in Henties Bay sein, also fahren wir Richtung Küste. Ein weiteres Naturwunder setzt ein: aus der Wolkenwalze, die wir unterqueren, strömt Regen auf den Wüstensand. Da freut sich jedes staubige Wüstenpflänzchen. Henties Bay stellt sich als gruselig-lieblose Ansammlung von Ferienhäusern heraus, hier ist der Hund verfroren, also weiter nach Swakopmund. Und dort trifft uns der deutsch-koloniale Schlag. Nicht, dass es noch viele bauliche Spuren gäbe, vielleicht die alte, kaiserliche Kaserne, ein paar Gründerzeitvillen, dazu ein bisschen Fachwerk-Dekofake hier und da. Aber die Bevölkerung ist zu einem Großteil so deutsch wie die Straßenschilder. Von „Erichs Restaurant“ über „Swakopmunder Buchhandel“ bis „Hier nicht parken“. Bleibt anzumerken, dass die Amtssprache englisch ist, wenn man nicht von Hause aus Nama oder Ovambo spricht… Aber ich gebe es zu: “ Draußen  nur Kännchen“ fehlt noch. Wir hoffen diesbezüglich auf Lüderitz…

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