… draußen vor allem Sand!

Sossusvlei-Dünen. Das Dead Vlei

Sossusvlei-Dünen. Das Dead Vlei

Kapstadt, 07.5.2016

Schon lange sind wir zurück in Kapstadt, eine ganze Woche. Und Lüderitz hat uns, um es gleich vorwegzunehmen, bezüglich der Kaffeekännchen enttäuscht: draußen nur Diamanten. Und Sand. Endlos.

In Walvis Bay hatte es schon die ersten Dünenvorboten gegeben, die Düne 7 gleich hinter der Stadt lädt zum Krabbeln ein. Wir sind natürlich hübsch in der Mittagszeit dort und verschieben der Hitze wegen den Aufstieg, der sich bereits auf dem unteren Drittel als mühsam herausstellt. Ein Picknick am Fuß tut’s auch. Tagesziel ist Goanikontes, eine Guestfarm 40 km östlich der Stadt im Bereich des Swakop Rivier; viel mehr, außer dass es sonntags Kaffee und Kuchen (draußen nur Kännchen?!) gibt, wussten wir nicht; wir hatten die Besitzerin in der deutschen Botschaft in Windhoek getroffen. Geteiltes Leid.

Das Moon Valley. Steine statt Sand.

Das Moon Valley. Steine statt Sand.

Man fährt auf die Hochebene hinauf und dann…  mal wieder „Namibia“! Land des nicht enden wollenden Augenschmauses, denn es tut sich vor uns das Moon Valley auf, eine völlig irrational anzuschauende Wüstenlandschaft aus Canyons und Erhebungen. Wie ein plötzlich zu Stein erstarrter, wilder Ozean. Endlich einmal verstehe ich, warum manche Menschen in diesen Tagen solche ansonsten lästigen Drohnen fliegen lassen – ein Südafrikaner holt sich Filmmaterial aus der Luft. Tatsächlich, das müsste man sich mal von oben angucken.

Oase Goanikontes

Oase Goanikontes

Und unten, mittendrin, Goanikontes. Wir beziehen wir einen der Campingplätze unter den großen Bäumen, die einen nun endgültig in Erstaunen versetzen, denn man kurvt durch allerlei giftfarbenes, wildes Wüstengestein ins Rivier-Tal hinunter. Der Fluss ist wie alle namibischen Flüsse – bis auf die beiden Grenzflüsse, den Kunene an der Grenze nach Angola und den Oranje im Süden – für Jahre trocken, um dann manchmal mit plötzlichen Wassermassen aufzuwarten. Das Grundwasser ist entsprechend brackig, aber es gibt genug, um einen mäßigen Pflanzenwuchs zu gewährleisten. Wer hier Baum ist und erst einmal Fuß gefasst hat, hält es dann auch länger aus, wird groß und stark und bietet dem Camper anheimelnden Schatten. Gemüsewirtschaft hat man hier in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts probiert, das war nicht von großem Erfolg gekrönt – siehe Brackwasser – aber Viehwirtschaft geht immer noch, wenn auch die Welt- oder Regionalwirtschaft dem einen Strich durch die Rechnung macht: der Bedarf an Rindfleisch ist zwar hoch – es lebe der Biltongverbrauch! – aber die zu erzielenden Preise sind so gering, dass zum Beispiel unsere Gastgeberin das Schwergewicht ihres Lebensunterhaltes auf Guestfarm und Campingplatz gelegt hat.  Nicht unbedingt zu ihrer Freude, denn sie ist, wie sie in ihrem klaren Norddeutsch sagt, „Farmer aus Leidenschaft“. In dieser Wüste – Oase hin oder her – würde sich der norddeutsche Milchbauer schön umgucken…
Weil Wochenende ist, ziehen auf den umgebenden Stellplätzen namibische Großfamilien ein und machen sich ein paar nette Stunden, es gibt sogar einen Pool zum Plantschen für die Kinder, und Platz ist, wie überall in Namibia reichlich (wenn es nicht um Siedlungen für schwarze Namibier geht…).
Aber noch jemand zieht ein, drüben am Parkplatz für die Tagesgäste, weit entfernt, aber zwischen den Berghängen akustisch nahe genug: die Emmanuelgemeinde von Swakopmund hält eine Veranstaltung ab. Nicht was Ihr denkt, kein Kirchenbetrieb. Am Samstagabend hatten wir die Geräusche noch für Rugbygeschrei gehalten, aber um 04:30 tönt schon wieder Kuduhorn-Geheule durch’s Tal und kurz später dann „Step, step, step-by-step. Step, step, step-by-step“.  Marschkolonnentöne. Was ist das denn? Namibia? Miliz? Nein, es ist ein Bootcamp für das gehörige oder ungehörige männliche Gemeindemitglied, ein paar Mal im Jahr fällt man hier ein.. In jedem Fall: die spinnen, die Namibier. Wir lassen es uns später erzählen: mit Autoreifen im Nacken steile Bergpfade hochhechten und so, und ein bisschen Begeisterung für die Idee, sich Drill bis zur Erschöpfung zu unterwerfen, klingt durch. Also, ich weiß nicht. Die Besitzerin erzählt einiges über das Aufwachsen in Namibia, wie es war und wie es heute ist, und auch da leuchtet durch, das diese Europäergemeinden eben „white and supreme“ sozialisiert sind, deutsche, englische, burische. Kein wirklich unangenehmes Gespräch, aber sicher konfliktträchtig, wenn man es nicht so zwischen Tür und Angel führen würde und wir ernsthaft in die Argumentation einsteigen würden. Natürlich sind wir unbedarfte Besucher ohne tiefen Einblick (das hören wir öfter mal…). Wir hören also aus dem Blickwinkel von Ansässigen, warum die Verhältnisse so sind wie sie sind: Schulbildung  im Abstieg, Finanzunterstützung aus Deutschland mit zu vielen (ungeliebten politischen?) Bedingungen beladen, Entwicklungshilfe durch ahnunglose Idealisten… So richtig glücklich klingt das alles nicht.

Welwitschia. Liegt Jahrhunderte so rum...

Welwitschia. Liegt Jahrhunderte so rum…

Nach Goanikontes gucken wir uns wieder die Mondlandschaft an, die Welwitschias, von denen einzelne Exemplare möglicherweise schon vor 2000 Jahren hier unordentlich auf dem Boden herumgelegen haben. Echte Dinosaurierpflanzen, spezialisiert auf einen fast toten Lebensraum, und offensichtlich so schlecht schmeckend, dass es keine Fressfeinde gibt. Toll. Dann ändert  sich die Landscahft wieder auf Wüste bis Halbwüste, wir fahren am Rande des Namib-Naukluft Nationalparks entlang,

... und blüht trotzdem (die Wanzen freut's)

… und blüht trotzdem (die Wanzen freut’s)

staubige Sache, wie schon seit Tagen. In Solitaire der nächste Halt, sozialpolitisch ganz unproblematisch, dafür mit einem herrlichen Badehäuschen für jeden Stellplatz (davon gibt es drei) und vor allem einem schicken Abendbuffet für uns und die Hausgäste, Schweizer und Franzosen vorzugsweise. Endlich mal in Gemüse schwelgen! Und nach dieser kleinen Verschnaufpause dann Sossusvlei, das vielgerühmte. Ausgangspunkt ist ein riesiger Campingplatz in Sesriem, diverse Lodges in der Nähe (jedoch nicht in SIchtweite). Und Überraschung: es ist ausgebucht. Dazu muss man sagen, dass auf namibischen Campsites anderenorts locker ein kleines Einfamilienhaus untergebacht werden könnte, hier ist mindestens Platz für 3 oder mehr unserer Campmobile, die ja dank ihrer Dachzelte besonders ausladend sind. Also werden wir auf der „Overflow“-Fläche einquartiert, ohne Wasser (nur wenige Schritte entfernt am Sanitärblock) und ohne Elektrizität (als wachsame Camper entdecken wir sofort eine Quelle für Smart-Ladestrom). Und leer ist es hier. Was wollen wir mehr?  Wir stehen sogar unter zwei dürren Bäumen in dieser Wüstenei. Sehr gut. Abends rollt eine Karawane der Mit-Camper auf die Elias-Düne, zwecks Zelebrierens des Sonnenunterganges, wir bereiten derweil etwas zu essen.

Reise-Truck. London-Kapstadt-Kairo in 40 Wochen.

Reise-Truck. London-Kapstadt-Kairo in 40 Wochen. Haben wir für die Auricher gebucht!

Und morgens früh? Wir hatten was gelesen von frühem Aufbruch, damit man den Sonnenaufgang in den Dünen erleben kann, mit Fahrzeuggerumpel ab 04:30 hatten wir allerdings nicht gerechnet; um kurz nach 5 gucken wir aus dem Zelt und sind fast allein. Also müssen wir hinterher, klar, was immer die Meute treibt. Bis in die großen Dünen sind es 70 km, auf Asphalt, aber als sich gegen 6 Uhr die Landschaft im grauen Morgenlicht präsentiert, lachen wir uns schlapp: die Düne 45 sieht aus wie ein gespickter Rehrücken, so viele Sonnenanbeter mühen sich entweder noch den Grat hinauf oder haben es schon geschafft und sammeln sich auf dem Gipfel. Unten auf dem

Düne 45 und Besucher

Düne 45 und Besucher

Parkplatz stehen die großen Überlandtrucks und bereiten das Frühstück für ihre Reisegruppen vor. Wir lassen uns weniger vom Sonnenaufgang faszinieren (der geschieht in unserem Rücken) als vom gigantischen Licht- und Schattenspiel, das sich jetzt zu beiden Seiten der Straße abspielt und halten mehrfach an, um das abzulichten, mit mäßigem Erfolg. Und dann geht es hinein in den Sand. Nach ein paar Kilometern auch schon die nächste Bescherung – eigentlich wollen wir nach einem geeigneten Frühstücksplatz gucken, aber vor uns haben sich gerade 2 HiLuxe unserer Bauart

Es darf geschaufelt werden!

Es darf geschaufelt werden!

schön tief in den Sandkasten gewühlt. Zunächst sorgt Andreas für unsere eigenen Fahreigenschaften und lässt nochmal reichlich Reifendruck ab – ich tapere inzwischen zu den jungen Amerikanern hinüber und beobachte die Buddelarbeiten. „… ich glaube, die wissen nicht so recht was sie tun…“ berichte ich meinem ex-Dakar(service)fahrer, da müssen wir wohl Hilfe anbieten. Vorsichtig schlaumeiern wir sie in die Richtung, auch Luft abzulassen, und schleppen

Sossusvlei.

Sossusvlei.

unsere Gummisandleitern heran – augenscheinlich gibt es „so ne“ und „so ne“ Campmobilverleiher, und wir haben mit Bushlore wohl die professionellere Sorte und damit das besser ausgerüstete Auto getroffen. Nachdem der Dakarschlaumeier auch noch einen kleinen Kurs in „Umschalten auf den Geländegang und Einschalten des Sperrdifferentials“ abhalten konnte, steht der erfolgreichen Weiterfahrt nichts mehr im Wege. „… ist das erste Mal, dass ich mit einem 4-radgetriebenen Fahrzeug fahre…“  Das war augenfällig, aber so lernt man es halt. Learning by digging. Wir wühlen uns bis zum Parkplatz der großen Sossusvleidünen durch, Andreas macht das richtig Spaß. Damals war’s, in Libyen und Ägypten…  Nach einem kleinen Frühstück – unsere mitgebrachte Espressokanne erzielt immer wieder anerkennende Blicke und Kommentare! – drehen wir auch unsere Wanderrunde durch diese sehr beeindruckende Sandlandschaft, hinüber zum „Dead Vlei“, einem trockenen See zwischen himmelhohen Dünen. Das „zwei-Schritte-aufwärts, einen-zurück“ Gerutsche zum Gipfel überlassen wir den anderen – mich dauern auch die schönen Dünen, die so zertrampelt werden.

Von diesen Trampelspuren wird am nächsten Morgen sicher wenig zu sehen gewesen sein: seit 4 Uhr früh herrscht Sandsturm am Campingplatz in Sesriem. Es pfeift, der Sand dringt durch alle Ritzen, wir klappen mit Mühe unser Dachzelt zusammen. Frühstück in dieser Sand-Dusche verkneifen wir uns, wozu gibt es hier ein Camping-Restaurant? Nix ist, der Sturm hat den Strom abgestellt.  Nix ist auch bei einem den südafrikanischen Campern, die gegen 5 eilig aufgebrochen sein müssen: es liegen Stühle um einen halb vom Sturm abgedeckten Frühstückstisch herum, das Zeltdach hängt irgendwo im Baum. Wir machen uns auf den Weg nach Südwest, bis Aus sollten wir es wenigstens schaffen.

Immer elegant

Oryx. Immer elegant

Welches Stück des Weges schöner ist, darum streiten wir uns noch. Ich finde ja die D 707 toll, nach Westen die Dünen, nach Osten das Naukluftgebirge. Andreas findet die Fahrt durch die Berge noch abwechslungsreicher. Wunderbar anzuschauen ist beides. Ziemlich leer, die Gegend, nur ein paar Oryxantilopen beleben die Landschaft.

Unser "Weinkeller"

Unser „Weinkeller“

Wir schaffen es natürlich bis Lüderitz – die Straßenqualität in Namibia ist eher südafrikanisch als afrikanisch –  und landen, nachdem wir uns den offiziellen aber exponierten Campingplatz auf der Landzunge an der Hafeneinfahrt angeschaut haben, im B&B „Alte Loge“. Dort wilder Wind, hier eine prächtige Sicht auf die Bucht, über einen geradezu paradiesischen Garten hinweg. Wir kriegen den „Weinkeller“, für eine Nacht, der Keller ist in den Fels gehauen, und wir werden gebrieft, dass der auch an manchen Stellen aus dem Fliesenboden herausschaut. Da

Lüderitz

Lüderitz. Zartes Deutschtum im Hintergrund.

hätte dann eine bundesdeutsche Bauaufsicht wahrscheinlich „Veto! Stolpergefahr!“ gerufen – das geht in „Deutsch-Südwest“ schon eher mal. Wir finden es originell und gemütlich und zum Bleiben verlockend. Geht nicht, die „Alte Loge“ ist schon am nächsten Tag wieder ausgebucht. Schade!

Herrn Stauchs Domäne: Sandfegen

Herrn Stauchs Domäne: Sandfegen

Vor Lüderitz liegt Kolmanskop, auch „Kolmannskuppe“. In dieser Gegend nahm Anfang des 20. Jahrhunderts der eigentliche Reichtum von „Deutsch-Südwest“  seinen Ausgang. Der Eisenbahner August Stauch, seines Zeichens Sandfeger auf einer Bahnstation mit dem optimistischen Namen „Grasplatz“ und ansonsten Hobby-Mineraloge – darum hatte er seinen Fege-Adlatus Zacharias gebeten, ihm doch schöne Steine zu bringen, wenn er was fände. Und der fand. Diamanten lagen hier

Bahnhof Grasplatz

Bahnhof Grasplatz

einfach im Sand herum. So ging es los, und das kleine Örtchen Kolmanskop explodierte förmlich. Erster Ort mit Elektrizität (wegen der Sand-Waschanlage, nicht wegen des Komforts, das kam später). Eine Eisfabrik, man stelle sich das in dieser Wüstenei vor. Die ortsansässigen Damen wurden morgens von der kleinen Straßenbahn abgeholt und zum Shopping gekarrt – Metzger, Bäcker, alles da. Schule natürlich, Krankenhaus und das Wichtigste von allem, eine „Turnhalle“ mit

Jawoll! Gut Holz!

Jawoll! Gut Holz!

Restaurantbetrieb. Man sieht quasi die starken Männer in ihren Turnhemden am Seitpferd imponieren oder wahlweise am Barren bammeln. Kann man heute noch anschauen, denn diese Turnhalle wird tapfer gegen die Sanddünen verteidigt, die den Ort ansonsten langsam unter sich begraben. Seltsam schön, aber auch ein bisschen atemberaubend „altdeutsch“.

Tja... Gleich umme Ecke!

Tja… und Rostock und Schlesien liegen gleich umme Ecke!

Und das war dann die letzte größere Station unserer Namibiarunde, aber der Ausklang war allein als Sightseeingtour eine Reise wert. Ein geologisches Wunder nach dem anderen, dazu Rosh Pinah, unser Übernachtungsort, ein typischer Minenort. Merke: zwei Shoppingcenter nebeneinander, eines mit Shoprite und Co, und gleich daneben neben der Budenhaufen für solche, die wahrscheinlich die grönere Arbeit verrichten. Das Leben der „anderen“. Es geht uns unter die Haut.

Fish RIver Canyon

Fish River Canyon

Nach längerer Fahrt am Oranje entlang, dem Grenzfluss zu Südafrika, kommt der Fish River Canyon, den man gern als den zweitgrößten Canyon der Welt verkauft – da geht es um Länge und Tiefe und Volumen, irgendein Rechenkunststück. Beeindruckend ist das allemal: ein Canyon (Fish River) im Canyon (Gondwana Canyon), eine echte Urlandschaft, mit Zeichen urzeitlicher Vergletscherung, und dazu der Fish River, der sich hier in Millionen Jahren ins Gestein geschnitten hat und auf 2 Milliarden Jahre altem Gestein entlangmäandert.

Namibia. Zwischen Sand und Bergen

Namibia. Zwischen Sand und Bergen

Genug geschwärmt! Namibia war ein wirkliches Wunder, geologisch, landschaftlich, optisch, und ich hätte noch gern längere Zeit im zentralen und südlichen Teil des Landes zugebracht.Und dann sind es noch zwei Übernachtungen bis AKKAhausen. In Grünau wird nochmals gecampt, in Klawer ziehen wir für die letzte Nacht ins Hotel – da möchte man zum Einbruch der Dunkelheit keinen Campingplatz mehr suchen müssen. Sagen uns jedenfalls die die doppelt mit Gittern gesicherten Eingangstüren und -tore des Hotels. Hui. Südafrika in Reinkultur…
Zeit nach Brasilien aufzubrechen!

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