Forró zum Frühstück

Jacaré, 17.7.2016

Da sind wir! Zum Abschluss der Passage gab es noch einmal 8 Stunden Motorrappeln, der Wind hatte einfach keine Lust mehr. Dann eine Nachtansteuerung – immer spannend! – und pünktlich um Mitternacht fiel der Anker kurz hinter der Fähranlage von Cabedelo. Für den Rest nach Jacaré war es uns einfach zu dunkel. Beim kleinen Absacker-Pastis räsonnieren wir darüber, dass wir hier vor 2008 schon einmal waren –  wir sind also „rum“. Draufhingearbeitet haben wir nicht, aber jetzt war es so weit, und es war toll, wunderschöne 9 Jahre lang. Vielen Dank, lieber Eigner/Käpt’n/Ehemann, dass Du mich mitgenommen hast!

Zum Frühstück zeigt sich Cabedelo sonntäglich ruhig. Die Fischerboote sind auf’s Ufer gezogen, die kleine Autofähre schaufelt Ausflügler nach Forte Velho, und vom Strand klingt lautstarker Forró. „Music for Maids and Taxi Drivers“, wie eine CD betitelt ist. Beschwingt klaren wir das Deck auf. Danach die letzten Meilen: Jacaré ist unverändert. Die Straße ist unbefestigt, die Stege wabbeln im schnell fließenden Fluss. Das Paar gegenüber dem Pontontor sitzt immer noch am Sonntag unterm Baum am Straßenrand und grillt – staubige Sache. Und noch immer pustet der Saxofonist um 17 Uhr in sein Instrument und entlockt ihm Ravels Bolero. Business as usual!  Bis bald!

Griesegrau und Tintenblau

09°33 S und 026°24 W, 13.7.2016

Heute ist es mal griesig grau, von hinten kommt gerade eine Regenwand – wenigstens fühlt sich das in diesen Breiten nicht schlotternd kalt an. Will sagen: wir schwitzen wieder. Tropensegeln. Mit Brotbacken, um jeden Temperaturzweifel auszuschließen.
Tintenblau war es dagegen am Wochenende: der Wind hatte sich gegen Freitagmittag entschlossen, ein freies Wochenende zu nehmen, ein schwacher Versuch mit dem Genaker währte nur wenige Stunden. Ich liebe dieses Segel und den Aufwand, wir sollten es wirklich öfter benutzen (denn nur Routine kann den Aufwand in erträglichem Umfang halten). Nee, so schlimm ist es nicht – wenn nur die Passageträgheit nicht wäre. Es folgte ein bisschen Motortuckern, aber als das Meer sich zusehends glättete, war Schluss mit „Fortbewegung“. Motor aus, keine Segel oben – absolute Ruhe, im Schiff und draußen. Herrlich! AKKA driftet trotzdem mit einem halben Knoten oder gar ein bisschen mehr in die richtige Richtung, eine Geschwindigkeit, die ich mir als Schwimmerin leicht zutraue, folglich gab es einen „dip“ in die unglaubliche, leicht violettstichige Tinte. 4.000 m war der Pool tief – ich gestehe, dass ich in solcher Situation durchaus nach verdächtigen Schatten Ausschau halte. Sicher nicht ganz zu Unrecht, denn Kerstin „Lop To“ hatte kürzlich beim Funkgespräch ein kleines, nächtliches Schreckerlebnis zu berichten, was auf eine Walbegegnung schließen ließ – gestern übrigens konnten sie die Vermutung auf „Orcabegegnung“ einengen; gleich ein ganzer Trupp begegnete ihnen vor Rio de Janeiro. Na, das hätte ich auch gern gehabt. Vielleicht nicht gerade, wenn ich im herrlichen Tintenblau dümpele, die Jungs sollen ja ihre Opfer lustig in die Höhe schmeißen. Ich bin ja kein Pinguin oder Seelöwe.

Sonst: Alltag. Wir kämpfen mit der Abrechnung der Satellitenrouterverbindungen, die wir neuerdings (und schlauerweise) für die Wetterabfrage benutzen. Funktioniert gut und ist nicht so nervenaufreibend wie das Funken zur Zeit – ich kriege nämlich kaum meine Positionsreporte raus – aber leider scheint man uns Datenverkehr zu großen Teilen wie Sprechverkehr abzurechnen; da wechseln dann die eMails von mid-atlantic nach Südafrika und England. Eben kam zu meinem Vergnügen auch noch eine Benachrichtigungsmail („…we have not heard from you, which we hope means that your problems have been solved…“ Nee, Mann!) vom Anbieter rein, an der 100 kB an Bildchen klebten, ein schickes Firmenlogo und ein Werbebanner für eine Satellitentelefonieveranstaltung. Klingeling, sagt die Kasse da. Andreas avisierte eine strenge Sitzung unterm schattigen Baum in Jacaré in der kommenden Woche, da wird dann gerechnet.  Ach ja, und noch ein Erlebnis, quasi ein déjà -vu aus dem Jahre 2011. Samstagmorgen, Windstille, der Motor tuckert knapp über dem Leerlauf. Ich bin gerade dabei, ein Akkatouille zu bereiten, grüne Bohnen, Auberginen, Zucchini, Tomaten, Zwiebeln und … ein Rest immer noch gutes Rinderfilet aus Kapstadt, da kommt der Eigner mit einem typischen „kleine Krise“-Gesichtsausdruck vorbei: „… ich mache mal den Motor aus und bin in der Achterkammer…“ ??? „…eine Batterie ist heiß…“ Da waren es nur noch 5! So ein Mist – aber schließllich sind wir eine ganze Tongasaison so gefahren (und verglichen mit anderen Booten sind wir mit nunmehr nur noch 600 Ah immer noch gut ausgestattet). Wir haben nur ein etwas wacheres Auge auf den Ladezustand der Batterien – und unser Bestand an Elektronika ist setiher leider gewachsen, Smartes und Tablets gab es damals noch nicht.
Zusammenfassung: Die Akkatouille war lecker. Das Bad im Tintenblau war ein Traum. Griesegrau muss auch mal sein. Der Ozean ist weitgehend schiffsverkehr- und orcafrei. Strom ist ausreichend vorhanden. Und der Mond scheint wieder (lässt aber noch genügend dunkle Stunden für sensationelles Milchstraßengucken). Wir gucken aber auch in die Zukunft. Ein alter Chile-Reiseführer macht Lust auf Rucksack.
Noch 500 Meilen bis Brasilien. Bis dann!

Ein Fest!

13°46 Süd, 13°36 W
6.7.2016

Ich starre auf den Plotter: gleich werden wir ein Längen- und Breitengraddoppel erreichen, irgendwo hier in den „Dreizehnern“, ungefähr 13 Grad 40 Minuten Süd, 13 Grad 40 Minuten West. Lustig. Ein Grund zu Feiern.
Wir werden das Ereignis mit Paté auf finnischem Brot begehen – richtig gelesen, in Jamestown gab es am letzten Tag außer einem unerwarteten Eierregen auch noch kleine Stücke Pilzleberpastete, außerdem grüne Bohnen, Zucchini und auch Tomaten unterschiedlichen Reifegrades (wichtig, damit sie nicht alle gleichzeitig rot-matschig werden!). Man darf nur nicht aufgeben: offensichtlich lohnt sich der Gang in den Star-Supermarkt auch kurz vor Geschäftsschluss (und es lohnt sich, wie der Eigner meint, bei dieser Versorgungslage sich alter DDR-Sitten zu entsinnen und stets einen Einkaufsbeutel dabei zu haben!). Erst die Eierüberraschung, dann plötzlich grüne Bohnen und Paté. Wir sind also gut versorgt – heute Mittag gab es schon ein kleines Festessen, selbst gemachter Kartoffelbrei, gebratenen Tunfisch, Schmorzwiebeln und grünen Salat. Salat und Fisch aus der Kategorie: das Letzte.
Ich werfe ansonsten ein nettes „Eid Mubarak“ in die Runde, oder ein „Hari Raya“ an die Malaysier – ich denke, heute ist Ramadan zu Ende, oder? Verrückt, wenn ich denke, dass es nur ein Jahr her ist, das Ros mir ein Hari Raya-Brot in die Hand drückte, im heißen Pangkor, „on the hard“. Wir sind ziemlich weit gekommen in diesem Jahr, und es hätte gern ein bisschen langsamer sein dürfen. Auf den von den Ramadanfeierern ersehnten Mond warten wir übrigens auch – als schlichte Himmelslaterne, aber bis der sich zu unserer Zufriedenheit zeigt, dauert es noch ein paar Tage; für die nächsten Abende beschränkt er sich auf einen Kurzauftritt, und das heißt, dass unsere Nächte hier stockduster sind. Noch dazu haben wir stark wechselnde Bewölkung, also prescht AKKA im Blindflug durch die Nacht – der Mangel an Schiffsverkehr ist klar von Vorteil. 2 magere Radarechos waren bislang die Ausbeute, Schiffe wohl auf dem Weg von den USA zum Kap der Guten Hoffnung. Gesamturteil der Fahrt: es geht voran, und wir müssen nicht mal große Anstrengungen mit unserer Segelgarderobe machen. Der Windpilot steuert unermüdlich, wir schlafen, wachen, lesen. Und überlegen schon mal, was wir in Südamerika anstellen werden. Gut! Bis demnächst mal wieder! —

Das Schiff

 Jamestown, St. Helena, 1.7.2016

Die „no onions, no potatoes“-Angelegenheit wurde nahtlos durch „no eggs“ abgelöst, und während ersteres heilbar war – das Postschiff ist da! – scheint es für unsere Überfahrt nach Brasilien nur noch Eier rationiert zu geben. Diese Insel€¦ Oder: ich hätte ja auch ein bisschen aufpassen können. Jedenfalls scheint RMS St. Helena keine an Bord gehabt zu haben.

Heute ist in Jamestown so richtig was los, als wir nach unserem Funkgespräch mit der Lop To an Land gehen („Sked“ nennt man das übrigens, und die beiden sind schon so weit nach Westen vorgedrungen, dass sie um Zeitverschiebung baten!). Seit Dienstagnachmittag wurde die St. Helena entladen. Wir sprachen kurz mit dem Willkommensaufgebot an der Wharf – Madam Governor, Mr. Harbourmaster und die versammelte Zollmannschaft. Steve, der Hafenkapitän meinte, dass es jetzt 2 sei und es wohl dunkel würde, bis die 130 Passagiere an Land seien.  Hm, hm€¦ da wundern die AKKAnauten sich und trollen sich dann, aber richtig, als wir gegen 18:00 zurückkommen, schwebt gerade etwas ein, was wir zuvor und von Ferne als Gepäckkäfig identifiziert hatte. Mitnichten, oder wenigstens nicht nur Gepäck, denn in dem Käfig sitzen, mit Schwimmwesten versehen, die Passagiere. Das ist vielleicht ein Ast hier! Der Käfig wird beladen, mit was auch immer, vom Ladekran ins Wasser gelassen, auf einem Schwimmponton abgesetzt, dann tuckert das Gefährt, von einem kräftigen Baumaschinenmotor getrieben dem Kai zu. Unnötig zu erwähnen, dass die „RMS“ weit draußen ankert€¦ Am Kai dann das umgekehrte Spiel, der Käfig wird vom Kran an Land gehievt, aussteigen, ein paar Hundert Meter an der Wasserkante entlang zum Zoll und Immigration marschieren. Den Kai hat man mit einer Schranke und Plastik-Bollwerk abgesperrt, als Yachtie läuft man da einfach durch (gibt ja nicht so viele von uns€¦) Hinter der Absperrung die erwartungsfrohen Familien. Geduld muss man da schon haben, und wenn man sich dieses Procedere anschaut, weiß man warum.  Am zweiten Tag: die Container. Viele Container, alles mühsam auf Schwimmponton und ein altes Landungsboot umgekrant. Am dritten Tag die Laderaumlast: AUTOS! Die (vor allem) Jungs hier scheinen ein Faible für Sportliches zu haben und so manches Auto, das ankam, musste erst einmal mit ein bisschen mehr Bodenfreiheit versehen werden – die Landstraßen hier sind halt nicht die Londoner M5. Und vierter Gang hat hier sicher Seltenheitswert, von 5- oder 6-Ganggetriebe wollen wir gar nicht sprechen.

Heute gucken wir ein bisschen traurig  – dieses sollte die letzte Fahrt der RMS werden, bevor sie außer Dienst gestellt wird, und darum kam sie aus London via Ascension hierher, und die Weiterreise nach Kapstadt führt wieder via Ascension und St. Helena. Nächste Woche wäre sie wieder hier – die Gelegenheit, auf einer Mini-Kreuzfahrt mal kurz nach Ascension zu stechen. Andererseits ist es zur Zeit sehr böig, und AKKA allein an der Mooring – ach, wir trösten uns mit dem Gedanken, dass das Schiff mit den letzten  Passagiertransport vor und zurück ohnehin ausgebucht gewesen wäre.

Ach ja – Brexit. Es wird eigentlich immer unglaublicher, wenn man die überaus gemeinnützigen Verlautbarungen der „Kandidaten“ hört. Vielen Dank für die Kommentare übrigens, lieber Bruder, Neffe etc (ja wir können manchmal eMails an Land abrufen!). Nur zu und mehr. Wir haben ja „Freunde“ in Brexitland, und eigentlich bin ich gespannt auf weitere Verlautbarungen auf Facebook und Co. Lieber aber die anderen, die direkten und differenzierten.  Was aktuelle Informationen betrifft waren wir nie so am Arxx der Welt€¦

Ich will mal schnell gucken, ob nicht irgendwo noch ein Ei aufzutreiben ist. Oder 10, vielleicht? Unser Passagefrühstücksritual muss bleiben.