Griesegrau und Tintenblau

09°33 S und 026°24 W, 13.7.2016

Heute ist es mal griesig grau, von hinten kommt gerade eine Regenwand – wenigstens fühlt sich das in diesen Breiten nicht schlotternd kalt an. Will sagen: wir schwitzen wieder. Tropensegeln. Mit Brotbacken, um jeden Temperaturzweifel auszuschließen.
Tintenblau war es dagegen am Wochenende: der Wind hatte sich gegen Freitagmittag entschlossen, ein freies Wochenende zu nehmen, ein schwacher Versuch mit dem Genaker währte nur wenige Stunden. Ich liebe dieses Segel und den Aufwand, wir sollten es wirklich öfter benutzen (denn nur Routine kann den Aufwand in erträglichem Umfang halten). Nee, so schlimm ist es nicht – wenn nur die Passageträgheit nicht wäre. Es folgte ein bisschen Motortuckern, aber als das Meer sich zusehends glättete, war Schluss mit „Fortbewegung“. Motor aus, keine Segel oben – absolute Ruhe, im Schiff und draußen. Herrlich! AKKA driftet trotzdem mit einem halben Knoten oder gar ein bisschen mehr in die richtige Richtung, eine Geschwindigkeit, die ich mir als Schwimmerin leicht zutraue, folglich gab es einen „dip“ in die unglaubliche, leicht violettstichige Tinte. 4.000 m war der Pool tief – ich gestehe, dass ich in solcher Situation durchaus nach verdächtigen Schatten Ausschau halte. Sicher nicht ganz zu Unrecht, denn Kerstin „Lop To“ hatte kürzlich beim Funkgespräch ein kleines, nächtliches Schreckerlebnis zu berichten, was auf eine Walbegegnung schließen ließ – gestern übrigens konnten sie die Vermutung auf „Orcabegegnung“ einengen; gleich ein ganzer Trupp begegnete ihnen vor Rio de Janeiro. Na, das hätte ich auch gern gehabt. Vielleicht nicht gerade, wenn ich im herrlichen Tintenblau dümpele, die Jungs sollen ja ihre Opfer lustig in die Höhe schmeißen. Ich bin ja kein Pinguin oder Seelöwe.

Sonst: Alltag. Wir kämpfen mit der Abrechnung der Satellitenrouterverbindungen, die wir neuerdings (und schlauerweise) für die Wetterabfrage benutzen. Funktioniert gut und ist nicht so nervenaufreibend wie das Funken zur Zeit – ich kriege nämlich kaum meine Positionsreporte raus – aber leider scheint man uns Datenverkehr zu großen Teilen wie Sprechverkehr abzurechnen; da wechseln dann die eMails von mid-atlantic nach Südafrika und England. Eben kam zu meinem Vergnügen auch noch eine Benachrichtigungsmail („…we have not heard from you, which we hope means that your problems have been solved…“ Nee, Mann!) vom Anbieter rein, an der 100 kB an Bildchen klebten, ein schickes Firmenlogo und ein Werbebanner für eine Satellitentelefonieveranstaltung. Klingeling, sagt die Kasse da. Andreas avisierte eine strenge Sitzung unterm schattigen Baum in Jacaré in der kommenden Woche, da wird dann gerechnet.  Ach ja, und noch ein Erlebnis, quasi ein déjà -vu aus dem Jahre 2011. Samstagmorgen, Windstille, der Motor tuckert knapp über dem Leerlauf. Ich bin gerade dabei, ein Akkatouille zu bereiten, grüne Bohnen, Auberginen, Zucchini, Tomaten, Zwiebeln und … ein Rest immer noch gutes Rinderfilet aus Kapstadt, da kommt der Eigner mit einem typischen „kleine Krise“-Gesichtsausdruck vorbei: „… ich mache mal den Motor aus und bin in der Achterkammer…“ ??? „…eine Batterie ist heiß…“ Da waren es nur noch 5! So ein Mist – aber schließllich sind wir eine ganze Tongasaison so gefahren (und verglichen mit anderen Booten sind wir mit nunmehr nur noch 600 Ah immer noch gut ausgestattet). Wir haben nur ein etwas wacheres Auge auf den Ladezustand der Batterien – und unser Bestand an Elektronika ist setiher leider gewachsen, Smartes und Tablets gab es damals noch nicht.
Zusammenfassung: Die Akkatouille war lecker. Das Bad im Tintenblau war ein Traum. Griesegrau muss auch mal sein. Der Ozean ist weitgehend schiffsverkehr- und orcafrei. Strom ist ausreichend vorhanden. Und der Mond scheint wieder (lässt aber noch genügend dunkle Stunden für sensationelles Milchstraßengucken). Wir gucken aber auch in die Zukunft. Ein alter Chile-Reiseführer macht Lust auf Rucksack.
Noch 500 Meilen bis Brasilien. Bis dann!

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