Der Nabel der Welt

und AKKA oben rechts

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Hanga Roa/Osterinsel, 13.10.2016

Te pito o te henua, der Nabel der Welt, so sagt man hier. Allerdings gibt es viele solcher Nabel in Polynesien, und eigentlich kann es auch heißen: Ende der Welt. Oder Ecke… Alles ganz richtig. 3 Ecken hat die Osterinsel – es ist, bis auf ein paar Felslein tatsächlich nur eine, also „die Osterinsel“ in der Einzahl – und vielleicht war auch jede dieser Ecken einstmals ein Nabel und jeder Nabel ein eigenes Ende der Welt. Eines ist klar: die Insel ist entlegen. Südöstlichste Ecke des polynesischen Dreiecks, das im Norden in Hawai’i endet und im Südwesten in Neuseeland. Polynesien, das riesige. Ich freue mich unglaublich, noch einmal hier gewesen zu sein – schon diese vokalreiche Sprache finde ich toll. Der Hang zur Blume im Haar, zu dicken, schönen Tatoos. Und auch wenn vom  Erbe Rapa Nuis nicht so schrecklich viel übertragen ist, man lehnt sich an Tahitianisches oder Marquesanisches an. Ansonsten: Lebensgrundlage Tourismus. Das wurde schon vor einer Woche klar, als wir in der Früh den Check-In-Schalter von LAN bzw. LATAM erreichten – es wird derzeit täglich ein Flieger voll nach Rapa Nui geschaufelt, und zurück,  je 300, 400 Leute. Einige davon natürlich Einheimische, so dass sich die neugierige Rucksackreisende an dem einen oder anderen Haardutt oder dem „Regen“-Tattoo am Hals erfreuen kann. Der Flug selbst geht, siehe oben, Ende der Welt, auch nicht gerade mal um die Ecke, 5 Stunden dauert der Spaß, aber danach gleitet man eine Weile im Sinkflug über pazifisches Wasser, bis die Landebahn von Matavere aus dem Nichts auftaucht. Warm und feucht ist es. Blumenkranz zur Begrüßung. Ein Minibus, leicht polynesisch, holpert uns ein paar hundert Meter zum Hotel, das den Namen des ersten Siedlers trägt: Hotu Matu’a. Weiträumig ist es hier jedenfalls nicht.

Im Dorf begegnen uns die Bewohner mit Regenjacken und Gummistiefeln – auf das Wetter ist nicht so recht Verlass. Es kann nass von oben sein, muss aber nicht, und frischer Wind lässt einen in der schwülen Feuchte unangenehm abkühlen, dabei ist unsere Erkältung noch nicht vorbei. Pfui. An der Fischermole sitzen wir eine Weile und bestaunen den Schwell, der hereinläuft, zur großen Freude junger Surfer. Auf den vorgelagerten Felsen klettern zwei Frauen herum und angeln sich das Familienessen. Ein Segler – einer von vielleicht 30 im Jahr, die es hierher treibt – liegt an einer Mooring. Gemütlich sieht anders aus.

Hanga piko, Hafeneinfahrt

Hanga piko, Hafeneinfahrt

Im AKKAnautentempo geht es voran: noch ein Tag im Dorf, mit Kaffeetrinken, ausgiebigem Surfen (wir haben von einem Seglerkollegen in Jacaré lauter südamerikanische SIMkarten geerbt, und die chilenischen EnTel und Movistar tun’s auch im tiefen Ozeanien). Ganz langsam weichen Laufnase und Husten. Erstes polynesisches Vergleichsessen: während man auf den Sonnenuntergang lauert und außerdem die äußerst spannend anzuschauende Einfahrt zur Mole von Hanga Piko beobachten kann, gibt es Ceviche vom Kana Kana (ein lokaler Barrakuda) und vom Tunfisch. Der Kana Kana ist besser, auch in der gebratenen Version. Lokal merken und ansparen… wir halten aus Kostengründen ansonsten gern ein Hotelzimmerpicknick ab, die Minimercados geben alles her, was man braucht und eingeflogen werden kann. Im Hafen liegt eine Lederrückenschildkröte herum. Fischer klären uns über ihren Widerstand gegen den geplanten Marine-Nationalpark auf, aber da wird’s dann mit der Verständigung ein bisschen schwierig. Und mir fehlt kraft meiner Naturschutzneigung auch das Verständnis für Tunfisch-Longline-Fischen, und dafür, dass man nternationale Schutzbehörden, die wirklich tatkräftig mit den Rapa Nui zusammenarbeiten und ihnen alleinige Fischereirechte in der Region zubilligen wollen, als Kolonialisten bezeichnet. An dieser Stelle ist die Bevölkerung denn auch gespalten. Wie allerdings die Kontrolle dieses riesigen Seegebietes, nämlich 200 nm rund um die Insel, gewährleistet werden soll, ist mir auch nicht klar. Nebenan kampieren Rapa Nui-Familien dauerhaft und lassen schwarze und Inselfahnen im Protest gegen das Luxushotel Hangaroa Eco Village. Eco ist sicher fein, aber ungern auf Grund, den man den Einheimischen abgeschwindelt hat. Gleiches gilt für den Flughafen, und immer wieder blitzen Hinterlassenschaften der Pinochet-Aera durch. Da ließen sich wohl leicht Geschäfte machen, und umso erboster kämpfen die RapaNui um Rechte. Rechte übrigens, die man ihnen über viele Jahrzehnte vorenthalten hatte. Bis in die frühen 50er war die Bewegungsfreiheit der Einwohner auf den Ort Hanga Roa beschränkt, Landrechte hatten sie nicht, die Insel seit 1888 an einen britischen Schafzüchter verpachtet, sie waren nicht einmal Chilenen. Aber genau das ist auch immer noch strittig: man fühlt sich als Polynesier, nicht als Chilene. Und wieder kommt das Wort: Kolonialismus.

Aber all das schwingt eher im Hintergrund. Wichtig für uns eher, dass Maria, die Wäscherin uns am offiziellen Dia de la descubierta de las Americas, auch bekannt als Columbus Day, die Wäsche abnimmt und säubert. Maururu, Maria, für Wäsche und Schnacken und Abschiedsumarmung. Wichtig ist auch zu wissen, dass 98% der vielen Straßenhunde freundliche Kerle sind, um die die Autos Kurven fahren. Bei den restlichen 2%handelt es sich um a. Hühnermörder mit gutem Gedächtnis, die mir meine Rolle als Mordverhinderer übel nehmen und beim nächsten Vorbeimarsch eine Scheinattacke auf mich starten. Und b. gibt es den Wegelagerer, der weiß, dass in Richtung unseres eher bescheidenen Hotels am Ortsrand – sehr schön, weil im normalen Leben! – manchmal Gäste mit Plastiktüten und Picknickzubehör vorbeigehen; da kann Hund dann reinbeißen und klauen, was rausfällt. Bye, bye und adios Salami!

Das war’s dann von der Osterinsel. Oder war da noch was? Ich schick’s mal raus und denke derweil nach… Unser Rückflug sollte sich eigentlich gerade in die Luft erheben, hat aber 6 Stunden Verspätung, Zeit wäre noch. Für Bilder und … noch was.

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