Wer macht denn so was?

Novemberwetter

Novemberwetter

Santiago de Chile, 17.10.2016

Grau ist es, und kalt. Wenn ich nicht wüsste, dass es in den kommenden Tagen und Wochen noch kälter werden wird, würde ich gern saukalt sagen; doch, so ist es – mit der Größe der Säue halte ich mich allerdings lieber zurück. Jedenfalls sind wir schon lange nicht mehr mit Schal und Mütze durch eine Stadt geirrt und haben Zuflucht in Cafés gesucht. Moskau und Irkutsk könnte ich anführen.  Jetzt sitzen wir im Frühstücksraum des Hostels und warten auf den Schlafbus nach Puerto Montt. Das Haus ist eine große alte Villa mitten in der Altstadt von Santiago, nahe dem dem Museum Bellas Artes. Schöne Gegend. Und weil es ein altes Haus ist, hat es dicke Mauern, die im Sommer schön die Kühle halten. Nur ist eben kein Sommer. Schnatter. Wir sind wirklich von der Sonne verwöhnt und in gewisser Weise abhängig.  Mal sehen, wie das weitergeht.

Was unsere Ausstattung betrifft, war ich blauäugig genug, natürlich die Wanderstiefel zu packen, dazu die ewigen Birkenstock Zehensandalen, die schon seit Kapstadt tapfer Dienst schieben (incl. 4 nicht unterbrochenen Wochen Deutschlandsommer! So warm war das!) plus Badeflipflops und ein paar ausgelatschte Trekkingsandalen. Hier oben im Zentrum von Chile naht der Frühling, und wir haben tatsächlich auch schon abends auf der Straße gesessen und in der Heladeria Mà³ ein Rieseneis geschlotzt, aber seit Sonnabend zeigt uns der Andenwettergott, wo der Hammer hängt, und nach Süden wird das kaum besser. Also rennen wir am Sonntag im April(=November)regen durch die Stadt und verbringen nach Abholung der Bustickets  einen Großteil des Tages in Santiagos größter Mall und suchen Ersatz für die ausgelatschten Trekkingsandalen. Unabdingbare Merkmale: geschlossen, wasserfest, warm, bitte – so hält das kein Schwein aus. Dazu eine Dose Imprägnierspray, ein Buff für den kleine Halswärmebedarf und eine schicke Northfacemütze (NorthFace ist Jack Wolfskin für Fortgeschrittene. Deutsche im Ausland? Deuter- oder VauDe-Rucksack. Und vor allem Rentner dazu gern mit JW-Jacke. Quechua-Sachen? Franzosen. Kathmandu? Kiwis. Die Reihe lässt sich fortführen.).   Meine neue Mütze ist international-neutral und mit Fleece gefüttert. Schönen Dank, Schwester, für den tannengrünen Irlandwolleschal, den ich zur Abreise kriegte, der kommt hier zu ungeahnten Ehren! Passt auch zu den grünlichen Chileschuhen! Wir sind gewappnet. Wahrscheinlich. Hoffentlich. Wir fahren jetzt das Valle Longitudinal südwärts, dahin, wo es im Meer versinkt und wo die Küstenkordillere die Insel Chiloe bildet. Geologisch tolle Gegend, toll bis tollkühn, Stichwort Supervulkan, Kontinentalplatten und so. Meteorologisch… bislang „naja“. Von den schneebedeckten Anden, an deren Fuß Santigao liegt, ist nichts zu sehen, aber die begleiten uns ja im Osten südwärts, drum heißt das Tal longitudinal, und sie werden vielleicht doch mal die graue Mütze ablegen. Vielleicht ist diese Hoffnung der Grund, warum man sich freiwillig in die  Kälte begibt? Wer macht denn sonst so was?