Chiloé. Ein Abstecher

Hornopirén, 31.10.2016

Unsere kleine Autorunde nähert sich leider schon dem Ende. Oder auch nicht so leider, weil wir möglicherweise noch einmal in Sachen warmer Bekleidung aktiv werden wollen, Northface nachrüsten. Heute traten wir nach einigen Regenstunden aus der Tür und sehen einen feinen Schneeschleier auf den Bergspitzen, die Wartezeit bis zum Abendessen im Hostal verbringe ich zugedeckt im Bett, und gestern haben wir uns einen Spaß gemacht: der Eigner sagt: „… mach‘ die Segeljacke zu und setz‘ die Mütze auf! Wir stellen uns jetzt hier in den Wind und freuen uns, dass wir hier nicht mit dem Schiff sind!“ Tolles Spiel… Kurz, es ist schön hier, und es ist kalt. Dieses Empfinden mag weniger an der Jahreszeit liegen als an der Tatsache, dass wir mit den zurückliegenden Jahren in den Tropen und Subtropen einfach zu Frostköddeln mutiert sind. Schließlich trotzt der Los-Lagos-Bewohner den Wetterunbilden in Boxershorts und Flipflops… gelegentlich zumindest.

In Puerto Varas hatten wir auch die Villa Kuschel aufgesucht, die heute das Hauptquartier des Parque Pumalin beherbergt. Schöne alte Holzvilla mit einem netten Angebot an patagonischen Büchern und Souvenirs, vor allem aber bot sie die Auskünfte mit der ausgesprochen kenntnisreichen und zugänglichen Frau Kati, die uns diverse Empfehlungen für Pumalin auf den Weg gab, mit leichtem sächsischer Zungenschlag berichtete sie auch aus dem Leben einer jungen „Auswanderin“. So konnten wir auch das Geheimnis der vielen Outdoorgeschäfte in Puerto Varas lüften – Chilenen scheinen ausgesprochene Freiluftfans zu sein, und wenn man am Wochenende, wie Kati berichtete, mit dem Schlauchboot und Zelt an einsame Strände fährt, um mit der mitgebrachten Schaufel ein Badewanne mit heißem Thermenwasser zu graben, braucht man solche Sachen.

Aber erst einmal ging die Fahrt zur Fähre auf die Insel Chiloé. Ein grieser Tag. Die Fähren gehen alle naslang und brauchen eine knappe halbe Stunde. Mittagskaffeepause in Ancud in einem alternativen kleinen Teestube, mit „Estrudel“, das Erbe lässt einen nicht los. Für Castro hatten wir mal ein Billighostel gebucht, im staubigen Ortsteil Alto Gamboa es mangelt (immer noch dank El Nino?!) an Regen, also mülmt alles ein, Hunde, Pflanzen, Häuser, denn die Straßen sind hier nicht befestigt. Dafür thront man hoch über der Altstadt und der Bucht. Schön. Und die Hunde sind ein einsames Gedicht, teils als wilde Beller hinter ihren Zäunen, als friedfertige „ach, schau mal, ich  schmeiß mich hin, also kraul mich“-Kandidaten, andere wieder durchgraben die Müllcontainer mehr oder weniger ungeschickt, die meisten liegen einfach dekorativ im Staub. AKKAnautenkino, interaktiv. Wir müssen natürlich eine der berühmten chilotischen Holzkirchen sehen, da bietet sich die Kathedrale an der  Plaza an,  außen gelbes Blech, innen prächtiges, dickes Alercenholz, das ist die Patagonische Zypresse (Fitzroya cupressoides, da hat mal wieder jemand, Darwin war es nicht, den Beagle-Kaptein geehrt). Bilder darf man dort nicht machen. Sagte mir mein Mitreisender, als es zu spät war. Museum haben wir verpasst, das war schade, aber das normale Leben beim  Stadtspaziergang aufzunehmen freut ja auch.

Hit des Chiloé-Besuches war zunächst mal der Ausflug in den Parque Nacional de Chiloé bei Cucao und der Gang durch’s Tepuàl, ein – abgesehen vom prima präparierten Wanderweg – schier undurchdringliches Stück gemäßigter Primärwald mit zahllosen Moosen und Farnen, Epiphyten, hohen Alercen, verschiedenen Notofagus-Arten. Bei uns stand so eine kleine Südbuche mit ihren zierlichen Blättchen am Gartenteich; wenn die geahnt hätte, wie groß die Kollegen werden können, wäre sie vielleicht über die Strauchgröße hinaus gewachsen – aber was macht eine Süd-(oder Schein-)buche auch in der nördlichen Hemisphäre. Wir legen uns bäuchlings auf den Bohlenweg und versuchen vergeblich, den kleinen Darwinfrosch zu erspähen, der sich durch zartes Quaken bemerkbar macht. Ein vom Aussterben bedrohtes Fröschlein, 2-3 cm groß. Passend zum Thema Artenschutz laufen wir an diesem Tag kostenfrei durch den Park, das Personal streikt: Unterbezahlung, wie an so vielen Stellen im chilenischen Regierungsbetrieb, sorgt für Unmut. Und dabei hat die ökologische Landschaft in Chile so vieles Schützenswertes. Aber Wert hat halt nur, was Geld macht, also schietegal, ob der Tépu, eine Myrtenart, der einzige seiner Art ist und njcht nur Namensgeber für die wilde Feuchtwaldformation ist, die wir gerade betrachtet haben, sondern auch wichtig für deren Erhalt… nee, Tépuholz ist gutes Bau- und Feuerholz. Ich will angesichts der allgegenwärtigen Holzverbrauches zum Bauen und Verfeuern gar nicht wissen, wieviel davon gerodet und eingeschlagen wird. An jedem Haus hier quiemelt eine Schornstein. Das kleine Tepuál bei Cucao ist jedenfalls nur noch eine von Riedgras umgebene Fläche. Gegen die Wand gesprochen, sorry.

Wir schauen noch die vorgelagerten Dünen an, auch hier schön und eingängig erklärt (ein nicht streikender Guide wäre wohl noch besser gewesen) wie sich die dünne Vegetationsschicht der Erstbesiedlung über die Sekundärvegetation mit kleineren Sträuchern zum dichten Tertiärwald steigert. Auch schützenswert. Warum sag ich das? Na, weil das Interesse bei der Handvoll Backpacker sich eher an Strand und dem Nichtvorhandensein von Netzabdeckung orientiert.

Kommt der nächste Hit – die Holzkirchen mal beiseite gelassen, und von der indigenen Bevölkerung kriegt man wenig mit, lediglich die lang und floral berockten Damen auf der Plaza in Castro geben von Letzterem ein Bild. Sie betteln und benutzen dazu ihre Kinder… Dafür nehmen wir einen lokalen Tramper mit, der sich über den Lift Richtung Ruta5, auch als Panamericana bekannt, freut. Für ein gigantisches „Oh, ah, to-oll!“ sorgt der Blick, der sich in der Anfahrt nach Quellón bietet: hinter einer Kuppe leuchten plötzlich Michinmahuida und Corcovado über die Meerenge herüber. Kann man gar nicht genug von kriegen, zumal noch ein paar Schneegipfel mehr einen gebührenden Rahmen für diese beiden großen  Vulkane bieten. Ein Schild am Hito Cero, dem Kilometer Null besagter Panamericana sagt, dass man dazwischen zeitweilig die Rauchsäulen des Chaitén sieht. Da wollen wir hin. Noch ein paar Stunden bis zur Fähre. Kilometer 0 der Transamericana angucken, Picknick und Hundefütterung (im nicht anderweitig besetzten Unterstand für Obdachlose), ein bisschen Autoschlaf, und nachts um 3 – der Mensch muss Opfer bringen! – geht die Fähre in Richtung Chaitén.

Ein Gedanke zu „Chiloé. Ein Abstecher

  1. Es wird doch bald Sommer, und dann ist es immer noch so kalt?
    Wir starten ja erst Anfang zu unserer „Überwinterung“ in der Westernsahara und frieren uns hier den A….. ab. Warum? Am 02. feiern wir unseren 50 HZT, am 03. feiert der Welfenpokal die 50. Siegerehrung. Dazu werden alle Gewinner und ex Gewinner, sowie die Sportleiter und Mitarbeiter aus dem Vorstand eingeladen. 1971 war ich mit Reinhard Manlik Gesamtsieger auf Opel Kadett A, dann zuerst beim MSC der Polizei BS Sportleiter und dann viele Jahre die gleiche Position beim RSC WF. Fast 10 Jahre war ich der Geschäftsführer vom Welfenpokals.
    Am 03. Dez. treffen wir uns mit unseren Kindern + Familie im Restaurant der Staufenburg oberhalb von Staufenberg bei Giessen zum Mittagessen. Wir treffen uns dort weil: Eine Familie kommt aus Stuttgart, die andere aus Recklinghausen und wir von der Siegerehrung in Oschersleben. Das liegt auf der Mitte und wir wollen ja dann weiter nach Luxemburg, wo wir das letzte Mal in Europa tanken.

Schreibe einen Kommentar