Eva, Isabel und andere

Und plötzlich ist es wieder Sommer! Palacio Barolo

Colonia del Sacramento/Uruguay, 25.12.2016

19 Stunden Cama-Bus von Puerto Madryn nach Buenos Aires, Endstation Retiro. Retiro ist einer der sozialen Brennpunkte in  Argentiniens Hauptstadt, und wirklich jeder Argentinienreisende hat eine Geschichte zur Kleinkriminalität hier beizusteuern. Gern erzählt, ungern erlebt: der Tourist wird angespuckt oder mit etwas Unappetitlichem beworfen oder bespritzt, ein freundlicher Helfer springt hinzu, um die Schweinerei zu beseitigen; ach, sind sie nett, die Portenos… Nur leider verschwindet während dieses Prozesses Handtasche, Rucksack, Hosentascheninhalt. Clever – und wir wussten’s ja, die Kassiopeias hatten drunter gelitten, die „Wanderer“ einen Rucksack „mit alles“ eingebüßt. Eine Engländerin im Hostel in El Calafate sagt: „… zweimal haben sie das mit mir versucht! Don’t make a fuss – just go!“ Also steigen wir aus, es gewittert, wir klemmen unsere Habseligkeiten an den Körper und suchen uns lieber ein Taxi. Nicht so einfach an diesem verwirrend großen Busterminal – zumindest da, wo die Schilder einen hinlocken, befinden sich keine. Nein, keine böse Absicht, nur vielleicht – schluderig?! An der Tankstelle nebenan aber, da holen die Taxis sich ihr Gas für die Weiterfahrt, und dort steht dann auch Fernando. Buenos Aires, die erste… Fernando ist sehr beleibt und springt auf „aleman“ sofort an: „Cheil Chitler“ ist der erste Gruß – Mann, wann hört das auf? Kulinarisch ist die Unterhaltung schon ansprechender: „…meine Mutter ist Uruguaya [ausgesprochen bitte „Uruguaischa“], und in meinem Heimatort gibt es die besten FRANKFURTER con chucrut.“ Er reibt sich die Wanne und kriegt sich gar nicht ein… Sauerkraut, das wäre ja mal was. Trotz der etwas missglückten Begrüßung eine kurzweilige Fahrt, wir bekommen auch noch einen kleinen Abriss über  „La Boca“ serviert, wo er aufgewachsen ist, mit einem Seitenhack auf die  Küche seines italienischen Vaters. Buenos Aires, wie es leibt und lebt. Be-leibt. Wir gleiten über die sonntäglich ruhige 9 de Julio, vorbei am Obelisk, voraus klebt Frau Perón an einem Hochhaus, aber vorher tauchen wir nach rechts in die Avenida Rivadavia ab. Wir wohnen mitten in der Stadt, nur wenige Hundert Meter vom Nationalkongress. Schäbige, heruntergekommene Belle-Epoque-Häuser, der Bürgersteig braucht auch liebevolle Zuwendung, will sagen: wir haben nicht im Lotto gewonnen und können uns nun Innenstadtlage leisten, sondern im Gegenteil, hier ist billig wohnen – so ziemlich das günstigste Hostel auf dieser ganzen – insgesamt sauteuren! –  Reise. Backpackerhotel La Parada nimmt uns auf und gibt uns ein Zimmer im 3. Stock – Fenster zur „Parada“, der Bushaltestelle auf der Talcahuano. Ah! Daher der Name; der Schall fängt sich in der Häuserschlucht. Bremsenquietschen, Türöffnen, Schließen, Anfahren. Ganz gutes

Buenos Aires. Mittendrin.

Zimmer, geräumig und mit eigenem Bad. Küchenbenutzung inklusive, allerdings bringt man tunlichst das eigene Besteck mit, und die Pötte in diesen Hostels – was machen Backpacker eigentlich damit? Nicht nur, dass die meisten verkohlt sind, ihnen fehlen auch gern die Topfstiele und fast alle sehen aus als seien sie für Jamsessions als Perscussioninstrument benutzt. Oder… für des Argentiniers liebstes Hobby? Topfschlagen auf Demonstrationen? Ganz gleich, für unser Hostelküchenkochen reicht es allemal. Wir sind zufrieden, und die Suche nach einem Kaffeehaus – es ist Sonntag und recht viel „Ruhetag“! – führt uns gleich durch viele interessante Altstadtstraßen. Buenos Aires – faszinierend!

Mafalda, die Schlaue!

Programmpunkt Nummer eins: die Grande Dame dieser Stadt, und das ist Mafalda! Na gut, eher petite fille dieser Stadt, aber clever. Eine Comicfigur mit schlauen Sprüchen à  la: „Guck mal, ist der nicht schön, dieser Globus?! Und warum ist der schön? Weil er ein Modell ist – das Original ist eine Katastrophe…“ In San Telmo gibt es eine ganze Straße, an Figuren aus den argentinischen Comics Spalier stehen, und die Bank, auf der Mafalda sitzt, ist eigentlich immer mit Selfie-Schießern besetzt. Mir gefällt’s.

Als wir in den 80ern hier waren, haben wir eigentlich, von einer Stadtrundfahrt mit den Mechanikern vor der Rallye abgesehen, nichts gesehen, also laufen wir uns dieses Mal die Füße wund. Schickes neues Hafenviertel, Straßencafé am Teatro Colón, Geschäftsrummel, lautstarke politische Demonstrationen, Verfallendes und Schickimicki-Viertel mit Designerkram. Wir werden Stammkunde beim Carrefour an der Ecke – die Preise für Restaurantessen sind gepfeffert, und obwohl es mittlerweile durchaus ein bisschen Salat oder Gemüse gibt, reicht uns das nicht. Nur die Fleischportionen sind günstig, dafür kaum zu bewältigen. Merkwürdig. Und sowieso: Abendessen ab 21:30, und das ist noch früh…
Das Straßenbild hat sich auch geändert, der Verkehr ist zwar dichter geworden, aber weniger chaotisch, was wir auch schon in Brasilien beobachtet haben – keine 15 Spuren mehr in eine Richtung, von denen die inneren 5 abbiegen dürfen, und es auch tun, oder nicht. Damals war’s. Noch etwas fehlt im Straßenbild – die schöne, alte Herrenfrisur mit den pomadigen Locken im Nacken. Auch die älteren Herren sind zu  kürzeren Haarschnitten übergegangen – und bei den jüngeren geht der Trend zum Hipster. Schöne globalisierte Welt. Mafalda wüsste sicher was dazu zu sagen…

Die aktuelle politische Situation

Wir entschließen uns zu einem geführten Spaziergang durch die Stadt, und obwohl uns die Menge der auflaufenden Touristen ein bisschen schreckt, stellt sich die Veranstaltung als Gewinn heraus – mein Hang zu geführten Touren nimmt zu, man kriegt so einiges mehr mit. Auch heute, mit Juan… eigentlich ist es nur ein kurzes Stück vom Nationalkongress zur Casa Rosada, dem Präsidentenpalast an der Plaza de Mayo – aber wir brauchen 3 Stunden dafür. Die Führer der Free Walks Buenos

Demos, täglich neu

Aires bieten entlang der vorgeschlagenen Strecke jeweils ein eigenes Programm und eigene Einsichten in die Geschichte der Stadt und Argentiniens, also nichts Auswendiggelerntes. Juan behält sich gleich vor, dass er die Strecke ändern muss – wenn wir kurz vor einer Demo zur Casa Rosada einbiegen würden, verstünde man sein eigenes Wort nicht mehr. Und dann enthüllt er witzige Details – warum zum Beispiel die barbusigen Damen vor dem Parlament so alabasterweiß strahlen, während das Parlamentsgebäude so grau und verwittert daherkommt? Weil einer der Präsidenten des angehenden 20. Jahrhunderts nicht ertragen konnte, dass Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit derartig freizügig dargestellt wurden – also weg damit! 100 Jahre waren sie verbannt und wurden erst kürzlich wieder frisch, weiß und barbrüstig auf ihr Podest

Café Tortoni. Alte Pracht

gestellt. Der Barolo-Palast, Bürogebäude, Hotel, Mausoleum und Leuchtturm in einem und ehemals Buenos Aires höchstes Gebäude. Argentinien war von 1880 bis zur Weltwirtschaftskrise ein sehr reiches Land, das zeigen die prächtigen Bürgerhäuser entlang der Avenida de Mayo, mittendrin ein Graffito zur aktuellen politischen Situation, in der der neue Präsident Macri in den Fängen internationaler Konzerngeier dargestellt wird. Eine Kathedrale ohne Türme – die Kathedrale des derzeitigen Papstes – im Stil eines griechischen Tempels, mit ägyptischer Mythologie verziert, als katholisches Gotteshaus fast nicht zu erkennen. In der Nähe steht auch das letzte koloniale Gebäude, das die Bau- und Abrisswut des ausgehenden 19. Jahrhunderts – und die Wut der Argentinier auf die spanischen Kolonialherren! – übrig ließ. Die Plaza de Mayo und die Geschichte um die Mütter und mittlerweile Großmütter der

Evita isst (k)einen Hamburger

Plaza de Mayo… und natürlich immer mal Einblick in den Peronismus samt Evita-Story, sehr anschaulich und amüsant bis erschreckend anzuhören. Eine Frauenfigur zwischen Heiliger und Polithexe. Zum Abschluss eine Vorführung der gültigen argentinischen Geldscheine – die alten, mit den Präsidenten und Befreiern, dann die Serie der Cristina Kirchner, Zitat: „… Ihr hättet mal das Gesicht meines Vaters sehen sollen, als da Evita Peron auf dem 100er auftauchte…“. Der aktuellste 50er im Umlauf zeigt übrigens die Islas Malvinas, auch bekannt als Falklandinseln – auch hier hatte Juan Sarkastisches zu bemerken; so ganz einhellig ist die Meinung zur Zugehörigkeit der Malvinen zu Argentinien vielleicht doch nicht… Herr Macri jedenfalls bemüht sich, Kirchner-Spuren zu verwischen, nicht nur bei den Geldscheinen, aber auch dabei sind die neuen neutraler gehalten. Wale, Jaguare, das sollte von Dauer sein.

Weil es uns auf diesem Spaziergang so gut gefiel, gelangte noch ein „Free Walk“ auf das Programm. Wir waren 1986 zwar schon einmal auf dem Friedhof der Recoleta gewesen, aber die Erinnerung war eher schwach, bis auf die Mengen an Blumen, die an Eva Duarte de Peróns Grabmal abgelegt waren. Dieses Mal war Francisco der Guide – und der führte uns seine Lieblingsgräber vor mit allerlei traurigen, schaurigen, lustigen Geschichten.

Schaurig. Rufina Cambaceres.

Schaurig: das junge Mädchen, das nach einem katatonischen Schock bestattet wurde und nach Tagen versuchte, ihrem Sarg zu entkommen – sie hat die Versuche nicht überlebt, was eine Flut von modernen Särgen hervorrief, die man von innen öffnen konnte. Im gleichen Zusammenhang das Beispiel des englischstämmigen Ingenieurs, der nun solche Angst davor hatte, bei lebendigem Leib bestattet zu werden, dass er ein ausgefeiltes Sicherheitssystem ersann – nicht nur das Öffnen des Sarges von innen, sondern auch Öffnen der Türen des Mausoleums war möglich, und er testete die Funktion alljährlich an seinem Geburtstag. 14mal tat er das. Beim 15. Versuch kam er nicht wieder heraus, er war allerdings auch hineingetragen worden, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht lebend, but… who knows? Dann ein fantastischer, sehr unterhaltsamer Vortrag zu peronistischer Politik, dem Leben und Treiben Peróns und seiner Gattinnen; der zig Tausend km lange Weg der Leiche Evitas vom Sterbeort zur Familiengruft (die nur wenige 100 m voneinander entfernt liegen. Perón hatte seine Frau einbalsamieren lassen in der Absicht, sie auf Dauer zur Schau zustellen. Was man zum Machterhalt so tut, aber es half nicht, im Gegenteil, Evita wurde entführt und blieb für 17 Jahre in Mailand unter falschem Namen bestattet. Viele solche faszinierende Geschichten gab es bis hin zu ihrer Nachfolgerin Isabel, die zwar Evitas Beliebtheit nicht erreichte, es aber bis zur Präsidentin schaffte – wirklich lustig war davon das Wenigste. Der viele Hass, der Eva Perón noch heute entgegenströmt steht in farbigem Kontrast zu den vielen Sympathiebezeugungen, den stets neuen Blumen am Tor des Grabmals, den „Santa Evita“-Heiligenbildchen – sehr interessant und so bitter wie spaßig: es versammelten sich um unsere Gruppe diverse amüsiert zuhörende Argentinier.

Dann lieber amüsant: Ein Grabmal, zwei Blickrichtungen.

Dann wieder Prachtbauten, Verfallendes, Gräber „for sale“- wer auf sich hält, lässt sich noch heute hier bestatten, und insgeamt liegen hier über 5.000 Leichname auf diesem beengten Friedhof – die meisten Gräber haben unterirdisch mehrere Stockwerke. Nicht vergessen möchte ich das Mausoleum der de Carrils… Frühes 20. Jahrhundert. Muttern war shoppingsüchtig und gab so viel Geld aus, dass Sr. de Carril, seines Zeichens Vizepräsident der Republik,  eine ganzseitige Anzeige in die Zeitung stellte, er sei bereit, alle anstehenden Schulden zu begleichen, aber für weitere käme er nicht mehr auf. Das tat der Ehe nicht wirklich gut. Als er starb, äußerte Sra. de Carril wenig Bedauern, sondern wollte wissen, wie viel Geld übrig sei, und es erwies sich als genug, um sich einen sehr schönen Lebensabend zu machen und zum Schluss ein gemeinsames Grabmal für die Eheleute bauen zu lassen – prächtig, prächtig. Obendrauf sitzen sie beide – und schauen in entgegengesetzte Richtungen. Ein wirklich herzliches Verhältnis…

Und das war‘ aus Buenos Aires.
Ach ja, und noch ein Schnack von Mafalda… „Wie wird das kommende Jahr sein?“ „Oh“ sagt Mafalda „… mutig muss es sein, denn es kommt ja, obwohl die Dinge so sind wie sie sind…“

Stimmt, Mafalda!

Weihnachtsgrüße aus Uruguay!

Löwen und Elefanten

Seeelefanten. Ferien auf dem Trockenen

Puerto Madryn, Mitte Dezember

…und noch ein Schlafbus, „Don Otto“ von Bariloche nach Puerto Madryn. Von Don Otto hatten wir schon vor Jahren gelesen, dass es gutes Essen an Bord gibt, und tatsächlich, die Klopse/Frikadellen waren super, aber ansonsten war es halt… ein Schlafbus. Mittlerweile sind wir ja zu Schlafbusspezialisten geworden, und dieses war wieder einmal ein „Cama ejecutivo“. Das sind die, wo die Beine zwar fast gestreckt, aber im Knie um 20° gewinkelt abgelegt werden. Ganz schick und knick-und faltenfrei kommt man  nur mit dem „cama premium“ ans Ziel, wo man sich richtig lang machen kann, aber es geht auch so, und wirklich gut. Kleine Buskunde für ältere Traveller.

Im Morgenlicht sieht man die Landschaftsbescherung: platt und halbwüstig. Noch ein Stopp in Trelew (am Abend zuvor nur in Esquel  ein merkwürdiger „alles raus-5 Minuten Zeit-alles wieder rein-Haltepunkt), dann öffnet sich der Blick auf den Atlantik und kurz danach sind wir da. Das Smartphone – was wären wir ohne OSMand und Google Maps? – leitet uns zum Hostel La Tosca. Extrem netter Empfang durch Eduardo, der es erst einmal auf Spanisch versucht. Es wird eine Weile des Stammelns brauchen, ehe wir ihm auf die Schliche kommen, dass sein Englisch prima ist. Winziges Schlichtzimmer mit geteiltem Bad: wer auf’s Klo will, muss kurz klopfen. Nothing heard? Dann darf man rein. Es ist nämlich ein Teilbad für nur zwei Zimmer. Während ein Teil unserer Reisegesellschaft nach einem unverdienten, aber dennoch kostenfreien Frühstückskaffee ein Päuschen einlegt, höre ich mir Eduardos Einführung in die Stadt und die Tourmöglichkeiten an, schließlich bin ich hier, um die ansässigen Seelöwen und Seeelefanten zu besuchen. Wale, das ist klar, werden wir nicht nicht mehr antreffen. Und Eduardo macht mir gleich den Mund wässerig, es gibt eine Stelle in der Nähe, wo unterhalb einer Steilküste zu dieser Jahreszeit Hunderte junger Seeelefanten pausieren. Das will ich!

An der Kliffkante

Tags drauf werden wir mittags abgeholt, Luis und Fahrer/Bruder René rumpeln mit uns gute 90 Minuten über Schotterstraßen zur Landspitze. Luis steigt aus und guckt schon mal über die Kante. Ist ja immer so eine Sache mit den wilden Tieren: lieg‘ ich hier heut‘ nicht, lieg‘ vielleicht morgen woanders…  und beim letzten Mal – die Stelle wird selten besucht! – musste man viele hundert Meter über den grobkiesigen Strand holpern. Als Luis sich umdreht, strahlt er, nee, er lacht: “ … so viele

Das Fellwurstangebot von heute

habe ich schon lange nicht mehr hier gesehen…“. Wir kraxeln die Kliffkante hinunter, das geht ganz gut, bis auf die ersten Meter, die eher schlecht als recht gesichert ist (und eine Mitkraxlerin kreidebleich werden lassen). Schon dieser Weg lohnt sich unbedingt: so viele Fossilien im weichen Sediment habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Muscheln, Schnecken, Sanddollars wohin man greift. Ich bin ganz beseligt. Aber eigentlich wollen wir ja runter zu den dicken Würsten dort am

Schwacher Versuch, in Deckung zu bleiben

Strand… Beseligungphase zwei bricht an – man kann das einfach nicht – oder nicht so einfach – beschreiben. Die meisten Seeelefanten, alle im jugendlichen Alter, lassen sich überhaupt nicht von unserem Besuch stören, wobei ein paar sich durchaus zu  einer kleinen Drohgebärde hinreißen lassen: weit aufgerissenes Maul heißt “ danke, diese  Distanz reicht!“, egal ob zwischen Elefant und Mensch oder zwischen-elefantlich. Wir sitzen an der Wasserkante, die uns bei

Das Gelbe ist der Eigner!

auflaufendem Wasser langsam näher rückt. Ein paar Seelöwen schwimmen elegant durch die Bucht, ein paar Seeelefanten baden im Flachwasser, andere beobachten den näher rückenden Wassersaum und entschließen sich vereinzelt, den beschwerliche  Weg

Mühsam bäuchlings bewegt sich das Robbenkind – ein Seelöwe würde auf den Hinter – und Vorderextremitäten watscheln!

auf sich zu nehmen und ins Meer zu robben. Alles nach der Devise: bloß keine Energie vergeuden. Auf große Fahrt (und damit zum Fressen) geht es erst, wenn das Fell gewechselt ist, bis dahin sind Ferien auf dem Trockenen angesagt. Ein paar sehen schon ganz schön nach Mauser aus – wir sammeln Fellstücke, die abgefallen sind. Ein  bisschen  wie zweiseitiges Klettband fühlt sich das an – kein Wunder, dass elefant sich da kratzen muss, sich wälzen oder mit Kieseln beschmeißen…

Nach gut zwei Stunden stehen wir wieder oben auf der Klippe, fast, aber nicht ganz allein – ein deutsches Weltreisemobil wartet dort oben auf Orcas und andere Sensationen „bis uns das Wasser ausgeht“ – ein beneidenswerter Platz zum Campen. Wir fahren in den Abend hinein, zurück nach Puerto Madryn, wir 5 Passagiere träumen von dicken Würsten, die am Strand liegen,  René und Luis quatschen und nuckeln an ihrem Mategefäß. Ein wirklich lohnender Strandspaziergang.

Halbinsel Valdes – immer geradeaus

Und weil’s so schön war, am nächsten Tag derselbe Bus, wieder Fahrer René, der auch für Gürteltiere bremst und aus weiter Ferne Nandus oder Schlangen entdeckt. Anderer Guide: Ugo. Wir fahren auf die Halbinsel Valdez, da wo ich schon immer mal hin wollte! Ugo ist in Camarones aufgewachsen, einem winzigen, sehr abgelegenen  Ort zwischen Madryn und Commodoro Rivadavia, wo er mit der Zwille auf alles gezielt hat, was sie als Jungs am Strand gestört habe. Zum

Magellanpinguine

Beispiel die Magellanpinguine, die sie als Konkurrenten beim Angeln betrachtet haben. Oder Seelöwen, Seeelefanten. Zu  Naturliebhaber machten ihn – nach und nach –  die Familienferien beim Großvater auf der Halbinsel Valdez, sodass der Schritt zum Wildhüter nicht mehr sehr schwer war. Mit so einem Guide ist natürlich gut Seelöwengucken. Oder Küstenlinienhistorie nachvollziehen – die Schwemmsände verändern die Küste am laufenden Band. Seeelefanten,  Magellanpinguine,

Einsamer Seelöwenbulle such Anschluss

Spaziergang durch’s dürre Hinterland der Dünen. Geschichten über Skunks (“ wie werde ich den Gestank wieder los?“ ) oder die wundersame Wegwespe, die große Spinnen als Wirt für den Nachwuchs nutzt.  Kleine Vogelkunde, dann wieder ein Ausflug in die Agrarhistorie der Halbinsel, die erst seit 1994 halbwegs geschützt ist und seit 1999 zum Weltkulturerbe gehört. Natürlich sind die großen Meeressäuger  – Wale, Seeelefanten, Seelöwen, Delfine… – das große Thema, vor allem für Touristen, und in  der Tat ist dieses Stück Küste ein Wunder. In der Walsaison hört man die Hunderte Wale, die sie vor allem in den beiden großen Buchten aufhalten, bis in die Stadt Madryn hinein platschen und blasen. Der Strand nach Osten der Halbinsel wird durch eine Abfolge von Robbenbesuchen belebt: zum Südfrühjahr hin die Geburt der neuen Seeelefanten, die nur 4 Wochen gesäugt werden, in denen sie 80 kg an Gewicht zulegen. Mamas Mastkur, Mama muss dann allerdings eilends hinaus auf See, mal wieder was essen. So liegen die jungen Seeelefanten herum, wie wir sie betrachten konnten, bis sie mit dem Fellwechsel dann reif für den Ozean sind.

Orca-Alarm!

Wir sahen aber auch schon die Vorboten der nächsten Besucherwelle, denn ab Januar sind hier keine Seeelefanten mehr, sondern alles ist voller Seelöwen, die an dieser Stelle ihre Jungen gebären. Und das zieht wieder Scharen von Orcas nach sich, die sich an den Strand schmeißen, um kleine oder auch größere Robben zu schnappen. Wirklich, wie … Knackwürstchen sieht das aus.
Die Seevögel nicht zu vergessen und die Magellanpinguine, die sich von uns Zuschauern überhaupt  nicht im Brutgeschäft stören lassen. Absolut einen Besuch wert, und, wie die steigenden Robbenzahlen zeigen, ein gutes Beispiel dafür, was Naturschutz auch in kürzerer Zeit bewirken kann.
Gleichzeitig ist die Halbinsel ein Beispiel dafür, wie so eine karge Landschaft auf Besucher wirken kann: langweilig. So hatten wir es am Abend vorher von jungen Backpackern gehört, die sich ein Auto gemietet hatten,  verständlich, denn ein Schnäppchen sind die Touren nicht. Deren Tour lief so: spät losgefahren, auf endlos geradeaus laufender Staubstraße Richtung Küste gezielt – und nichts gesehen. Seeelefant oder Seelöwe – alles eins (dabei ist die Fortbewegung der Löwen ungleich witziger!). Keine Pinguine. Kein Hugo, der einem einen Nanduhahn zeigt und erklärt, wieso er drei Gruppen unterschiedlich großer Küken bzw. Jungvögel führt (klar, ein Macho, der nach Kampf mit anderen Männchen deren Kindergarten gewonnen hat!). Und kein Besuch im wunderschönen und informativen Besucherzentrum. Tripadvisorbewertung:  „naja. Eher doof!“
AKKAnautenbewertung: ein unvergesslicher Tag!

Da lacht er, der Seeelefant!

Selten mal schlecht gelaunt. Pubertierender Seeelefant.

Eis und Berge und Schokolade

Puerto Madryn, 14.12.2016

Ushuaia ist abgearbeitet, wir wenden uns vom Beaglekanal ab. Fragt sich: wie? Wir wollen die Andenkette wieder nordwärts reisen, aber obwohl manche sagen, wir hätten alle Zeit der Welt, ist dem doch nicht so. Vor u s liegen 18 Stunden Bus nach El Calafate, wir wollen Eis sehen, und es ist der 28. November. Ticketkauf! Ticketkauf? Nein, nicht heute, heute ist der Dia de la Soberanà­a. Toll, und so ganz leicht lässt sich über die gewünschte Strecke auch online nichts ergründen – immerhin eine Fahrt mit Länderwechsel, schließlich sitzen die Argentinos nur auf der einen Hälfte von Feuerland, also führt kein Weg hinaus ohne noch einmal nach Chile ein- und wieder auszureisen. Tröstlich Auskunft: nach der Siesta werden manche Büros heute besetzt. Na, dann… Um 17:00 fallen wir im Büro von Tolkeyen  ein. Nö, wir verkaufen keine Bustickets mehr… aber fliegen können Sie mit uns! Fliegen!? Irgendwie uncool, aber so praktisch… und tatsächlich nur unwesentlich teurer als der Bus, nach 2 1/2 Stunden wäre man am Lago Argentino… wir fliegen. Miguel bringt uns am nächsten Mittag  zum Flugplatz. Wir hätten gern noch ein bisschen mehr zur Geschichte von Feuerland und den politischen Querelen mit den Chilenen gehört oder über seine alte Heimat Misiones, die ja noch auf unserem Programm steht, aber Aerolineas wartet nicht. Nein, sie startet pünktlich, es ist prima Sonnenwetter, bisschen windig vielleicht, wie das hier unten so ist. Ob DAS immer so ist mit der Fliegerei in Ushuaia? Die Start- und Landebahn kennen wir ja, da unten in den Beaglekanal gebaut. Gewöhnlicherweise startet man nach Westen, heute auch, und und dreht eine Schleife über die Isla Navarino (ciao, Puerto Williams!) und dann nordwärts. Alles normal – bis auf die quiekenden Mitreisenden, eine Schipperin, die sich sagt: „… das müssen die abkönnen -diese Airbusse sind dafür gemacht – keep cool, sitz‘ ENTSPANNT!“ Blickkontakt zum Sitznachbarn zur Rechten: er verdreht die Augen. Vor mir reicht eine Dame über den Gang hinweg ihrem Mann die Hand, der sie fest drückt – ein letzter Gruß? Ich schau‘ nach links, auch wenn mir der Blick auf diese wippende Tragfläche nicht recht taugt. „Interessant!“ lässt sich mein Reisebegleiter vernehmen und gibt später zu, dass wir derartige Turbulenzen in unserem doch langen Fluggastleben noch nicht erlebt haben. Glücklicherweise war das Vergnügen nach vielleicht 10 sehr langen Minuten vorbei. Erst mal die feuchten Handflächen abwischen und dann auf die Anden schauen, die uns im Westen in die Fenster blinken. Schön!

In El Calafate trifft uns erneut der Touristenhammer. Eine Reihung von Schoko-Läden, Outdoorausrüstern, Restaurants und Touranbietern. Als Glück stellt sich heraus, dass wir am Empfang im Hostel gleich für eine „alternative“ Tour zum Perrito Moreno-Gletscher gekeilt werden, manchmal ist so etwas ja doof und aufdringlich, aber hier klingt es angenehm: eine Busfahrt über die Hinterstraßen zum Gletscher, der 80 km entfernt liegt. Die anderen Busse fahren alle am Lago Argentino entlang, wir bekommen stattdessen von Francisco, der uns am nächsten früh abholt, einen Aspekt von Patagonien vorgeführt, den man sonst nicht wahrnimmt: die endlose Weite der Halbwüste, die sich vom Andenrand bis zum Hunderte von Kilometern entfenten Atlantik erstreckt. Estancias, die über viele Hundert Quadratkilometer Fläche verfügen, weil sich anders Schafzucht gar nicht lohnen würde. Die Estancia Anita, die im Gauchoaufstand der Zwanzigerjahre eine sehr unrühmliche Rolle spielte, weil von hier das Militär ausgesendet wurde, das den Forderungen der Gauchos nach gerechter Entlohnung und menschlicher Behandlung ein blutiges Ende setzte. Eine kleine Gedenkstätte erinnert an die vielen europäischstämmigen Arbeiter – Deutsche, Italiener, Jugoslawen vor allem,  die hier den Ranchbesitzern zu rechtem Reichtum verholfen haben. Ein hartes Leben. Kurz vor Erreichen des Brazo Rico, einem Nebenarm des Lago Argentino gibt es eine Kaffeepause mit einem Ausblick auf und Erklärungen zur Ökologie dieser Landschaft. In der Ferne die dramatischen Eisgipfel der Anden, davor ein schmaler, bewaldeter Streifen, denn zu mehr Wald reichen die Niederschläge nicht, die auf der Ostseite der Anden noch niedergehen. Die Bewaldung ist ausschließlich Südbuche, im Gegensatz zu unserer alpinen Vegetation koniferen- und damit tanninfrei, was wieder die Wasserqualität  beeinflusst. Die dünne Humusschicht hatte ich ja schon mal erwähnt – aber dass die Notofaguswurzeln ein so enges Geflecht bilden, dass so gut wie nichts ausgespült wird, wurde mir erst hier klar. Es ist eine völlig verrückte Gegend: im Westen der Anden so unwirtlich und dünn besiedelt, weil es so grenzenlos nass ist und es keinen beackerbaren Boden gibt, im Osten der Berge, selbst völlig abweisend und lebensfeindlich, nur dieser schmale Vegetationsstreifen bis es wieder ins Unwirtliche verfällt, nur eben absolut trocken. Kein Wunder, dass bis in die späten Jahre des 19. Jahrhunderts niemand wirklich an Patagonien interessiert war, im Gegenteil, man hatte den paar Bewohnern sogar die Autonomie zuerkannt. Und dann der Entwicklungsklassiker: eine Landschaft, die von wenigen Ureinwohnern mehr oder weniger nomadisch bewohnt wird, weil die Natur einfach nicht mehr hergibt, wird Grundlage für großfĺächige Extensivlandwirtschaft. Siehe Australien. Wie dort haben die Tehuelche, die Mapuche, die Selknam den Kürzeren gezogen.

Zurück zur Natur -zum Gletscher selbst. Wir sind sprachlos – dieses kalbende Ungetüm! Es dauert eine Weile, bis man drauf hat, dass man zuerst die Eisbrocken sich lösen sieht und danach erst das Krachen hört. Geduld ist gefragt, es gibt nicht alle naslang ein Kalb, aber es kalbt… Drei Dinge sind am Perito Moreno besonders, obwohl er nicht mal der größte Gletscher des südlich Eisfeldes ist. Erstens kommt man keinem anderen Gletscher in Flipflops und Muscle Shirt so nah wie diesem (bei schönem Wetter, wie wir es hatten, aber alle dürftig Bekleideten schleppen Schutz gegen patagonische Frostwinde mit). Zweitens ist der Perito Moreno einer von zwei verbliebenen Gletschern der Anden (von Tausenden!) die noch stabil sind, der andere ist der benachbarte Pio Onze – stabil heißt, dass sie abwechselnd vorrücken und zurückweichen; bis vor kurzem wurden sie noch als vorrückend geführt. Andere Gletscher der Region leiden unter dramatischem Rückgang, zum Beispiel der berühmte Upsala. Die dritte Besonderheit ist einzigartig: der Perito Moreno, der in den Lago Argentino fließt, blockiert bei der Halbinsel Magallanes, der Stelle, wo man ihm am nächsten kommt, in Phasen des Vorrückens die Verbindung zwischen dem Brazo Rico und dem Brazo de los Tempanos (dem Eisberg-Arm), und wenn der Stopfen nur lange genug geschlossen ist, manchmal Monate und Jahre, steigt der Pegel im Brazo Rico auf bis zu 11 m über den des Lago Argentino. Und dann weicht der Perito Moreno zurück… was passiert, nennt man die „ruptura“, die letzte im März 2016 hat Francisco beobachtet und war noch immer voller Bewunderung. Natürlich wollen die unterschiedlich hohe Wasserstände ausgeglichen werden, und das passiert mit Macht. Man kann das vielfach googeln, aber wer 15 Minuten Zeit hat, sollte sich die ruptura von 1988 ( https://m.youtube.com/watch?v=Dfl4DAtHkYQ ) anschauen – zwar ist das Intro auf Spanisch, aber während des Verlaufes werden  nur noch die Uhrzeiten genannt, also lohnt es sich, die Geduld aufzubringen. Ich finde das toll…
Wer nach El Calafate kommt, sollte übrigens einen Besuch im Glaciarium nicht auslassen – sehr anschaulich und informativ zu Geologie und Gletscherkunde!

Patagonia – 90% Halbwüste, ein bisschen Wald, viel Berge und Eis

Lago Argentino. Brazo de los Tempanos (Seitenarm der Eisberge)

Am Gletscher Perito Moreno. Einer von zwei „stabilen“ Gletschern

Anschlussprogramm: Fitzroy-Massiv. Tolle Busfahrt im Topdeck, 1. Reihe, und Wetterglück, die Anden geben ihr Bestes. El Chaltà¨n ist fest in Backpackerhand und bietet allerlei schöne, kürzere oder längere Wanderungen, von denen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten genussvollen Gebrauch machen, mal im Nieselregen, malmbei Sonnenschein und mit dem leichten Bedauern, für ein Bad im Lago mangels Badeanzug nicht gerüstet zu sein. Ausdauernd lausche ich nach dem patagonischen Riesenspecht, und als ich gerade meine, einen fliegen zu sehen, höre ich was ganz anderes: “ … I need to get back to the hostel…“ Zwei Australierinnen durchschreiten diesen Wunderwald. Eine hat „alle Adressen im Smartfon gelöscht und hier oben ist keine Netzabdeckung!“ Ganz dumm gelaufen. Der Specht geht vor Entsetzen vor so viel Unglück in Deckung.

Unterwegs zum Fitzroy-Massiv. Doppeldeckerbus, 1. Reihe

… und da guckt er durch die Wolken, der Fitzroy!

Keine gesehen, aber schön gewandert. El Chaltén, Fitzroy

Wanderung am Fitzroy

Gstaad. Mitten in Argentinien

Als wir genug vom Wandern haben, der Eigner brütet pünktlich zum Geburtstag auch noch an einer Erkältung, besteigen wir etwas planlos einen Nachtbus nach Perito Moreno (der ein berühmter Naturforscher war und viele viele Orte, Straßen und eben auch einen Gletscher auf seiner Namenspatenliste hat!) auf halber Strecke nach Bariloche. Das lässt uns die Wahl, ob wir von dort nach Norden weiterreisen wollen oder gleich zur Küste abbiegen. Wir erwischen einen Bus voller junger Israelis, ein Gekakel wie auf einer Klassenreise. Eigentlich hält der Bus nicht in Perito Moreno, sondern ein paar Kilometer weiter in Los Antiguos, das ein beliebter Übergangsort nach Chile ist. Freundlicherweise werden wir um 05:30 in der Früh rausgekickt. Nur 4, 5 Blocks zum Busbahnhof! Wir laufen los. Solch ein argentinisches Landstädtchen ist auch erinnerungswürdig… Totenstille! Kein Mensch, kein Auto! Kein Busbahnhof! Als wir doch einn Frühaufsteher anhalten können,,weist der die schnurgerade Straße hinunter: “ bis zum Kreisel, da wo die Sträse nach Chile Chico abgeht!“ He, Busfahred, war das Schikane oder blöd? Egal. Wir trappeln mit dem Gepäck gern noch ein Kilometerchen oder zwei. Das Café in der örtlichen Tankstelle, wo auch das Busterminal ist, hat noch nicht geöffnet, aber wir gesellen uns zu weiteren Aspiranten, egal ob sie kaffedurstig sind oder ungeduldig auf heißes Wasser für ihren Maté warten. Ach ja.. auch der Busfahrplan ist nicht recht bekannt; so um 08:30 soll einer nach Bariloche gehen, und nachts einer nach commodore Rivadavia. Verkehrsbeobachtung ist nicht der Tankstellencrew liebste Beschäftigung. Und die Ticketbude macht erst um9 auf, wie soll das gehen? Alles zu frühr bemault – das Café macht zu aller Zufriedenheit ebenso auf wie unerwarteterweise der Busschalter. Wir kriegen ein Ticket für die Weiterfahrt nach Bariloche, denn der Akkanaut ist wieder fit wie ein Turnschuh. Und es kommen gleich zwei Busse, unserer hat zwar einen Radlagerschaden und verschwindet für ein halbes Stündchenzur Reparatur (getarnt als „Reinigungspause“), aber dann sinken wir ins Fauteuil. Cama Ejecutivo nach Bariloche. 12 Stundenspäter sind wir da.

Alles was Schweiz ist. Inklusive Berhnardiner

Bariloche = Schokolade

La Ilustre Communidad de Cabo de Hornos

Die berühmte Gemeinde Kap Horn...

Die berühmte Gemeinde Kap Horn…

El Calafate, 2.12.2016

Immer dieses Rückwärts-Bloggen. Ich wollte, bevor wir nach Norden aufbrechen, eigentlich up to date sein, aber mitnichten: wir haben schon die Pampa erreicht (schlimmer noch, wir sind sogar schon in El Chaltén, und hier nun endlich gibt es so gut wie kein Internet…).

Puerto Williams. Gelegen auf der Insel Navarino, in deren Süden das Kap-Horn-Archipel liegt – La Illustre Municipalidad de Cabo de Hornos (als ilustre Municipalidad, ehrenwerte Gemeinde, firmieren hier in Südamerika alle Kommunen, also nichts Besonderes). Das Hostal Pusaki hat 3 Zimmer, 2 davon Doppel, ein 5-Bett-Dorm, und letzteres war unseres. Mit 5 Leuten, 2 mal 2 Doppelstockbetten, ein Einzelbett, das verdächtig danach aussieht, als könne man es noch zum Doppel konvertieren – mehr geht dann definitiv nicht mehr, es ist so schon eng. Ich hatte Patti, die Besitzerin, aus Punta Arenas angerufen und mit ihr ein sehr lustiges telefonisches Radebrechen abgehalten, und, hurra, wir konnten zwei Betten ergattern .Motto: im Bus oder im Flugzeug geht das ja auch so dicht beieinander.  Die Nachbarn stellten sich als sehr verträglich heraus, ein weitestgehend stummer, junger Chilene und 2 Berliner, die wir schon auf der YAGHAN kennengelernt hatten, und wenn man die weiteren Begleiterscheinungen der Unterkunft betrachtet, war es ein echter Glücksgriff: die gemütliche, holzgeheizte Wohnküche hatte ich ja schon erwähnt. Frühstück gut, Kochgelegenheit auf Wunsch, allerdings kochte Patti an zwei Abenden für uns, und es gab, ganz patagonisch, Centolla, dazu ganz unpatagonisch diverse Gemüse- oder Salatsachen, das war für uns – nach der Vorbereitung durch andere Segler und Toruisten – eher eine Überraschung.

Micalvi. Der Yachtclub am Ende der Welt

Micalvi. Der Yachtclub am Ende der Welt

Der erste Spaziergang durch diesen grau-grau-grau-feuchten Novembertag führt  „natürlich“ zur Micalvi, einem alten Rheindampfer, der seit den späten 50ern in einer Seitenbucht auf Grund liegt und als Hauptponton für die vielen Segler dient, die Puerto Williams anlaufen – fast zwangsläufig tun sie das, weil man aus Argentinien kommend und um’s Horn herum zunächst mal das 30 Meilen weiter östlich im Beaglekanal liegende Ushuaia anläuft. Dort klariert man aus und läuft die 30 Meilen zurück nach Puerto Williams, dem ersten Einklarierungshafen in Chile. Hier liegen diverse Yachten, die Segelinteressierte durch die Gegend schippern, sei es durch die patagonischen Kanäle oder auch in die Antarktis – wir fühlen uns hin- und hergerissen zwischen Faszination und dem intermittierenden Glücksgefühl, nicht hierher gesegelt zu sein. Zum Frühstück im

Hundeheim Pusaki.

Hundeheim Pusaki.

Hostel hatten wir einen Franzosen getroffen, der auf der YAGHAN am Abend abreisen sollte, nachdem er von Uruguay aus Puerto Williams als Crew auf einem der Touristensegler erreicht hatte. Tenor: tolle Erfahrung, bescheidene Reise. Wozu man sagen muss, dass dies wohl wieder einmal so ein Terminding war, sie waren 2 Tage vor Eintreffen der ersten Gäste angekommen, und so ein Terminplan gestaltet sich öfters mal turbulent. Andererseits hörten wir viele hohe Töne der Begeisterung,

Hostel-Essen der besonderen Art: Centollas

Hostel-Essen der besonderen Art: Centollas

à  la „… man nähert sich dem Eisberg langsam an, lehnt sich leicht an und kann dann schieben…“ oder „… der ganze Trip war völlig easy, völlig problemlos…“ (dass der Mast dieser Yacht zu diesem Zeitpunkt noch zur Reparatur an Land lag ist nebensächlich. Oder? Irgendwie scheint einen die Gegend high zu machen).
Also wenden wir uns den Schönheiten an Land zu. Spaziergang mit den beiden Haushunden Jacinta und Flo, durch

Dinnervorbereitungen

Dinnervorbereitungen

Matsch und Regen und Bäche, mit entsprechendem Spaß. Der Sonntag hat strahlendes Wetter für uns bereit, eine ellenlange Wanderung entlang der Küste mit vielen, vielen Stopps für Vögel, Moospolster, Flechtengebilde, mit dem Besuch in den südlichsten Wäldern der Welt und alten chilenischen Besfestigungen aus der Zeit der Beaglekrise. Am Hafen ist ein nettes Café namens Puerto Luisa (der alte Name der Ansiedlung), wo man sich durch die großen Fenster die Sonne auf den Balg schienen lassen kann, auf die gut gekühlten Berge auf der argentinischen Seite schaut und eine heiße Schokolade zu sich nimmt. Draußen sind es an diesem Tag unglaubliche 16 ° Celsius und die Besitzerin stöhnt unter der Sommerhitze; ist ja auch fast unerträglich – für mich beschränkt sich das Unerträgliche eher auf das stete An- und Auskleiden. Segeljacke aus. Schatten? Segeljacke an. Schattenfreier Strandspaziergang? Segeljacke um die Taille geknotet, Fleece ausziehen. Windig –  Segeljacke wieder an. Sonne weg? Jacke aus, fleece an, Jacke drüber und tortzdem gefroren. Ein Freund schreibt: “ … so lieben wir unser Patagonien – 4 Jahreszeiten an einem Tag!“  Naja.
Am Montag reisen unsere Berliner Mitbewohner ab, was sich ein bisschen kompliziert gestaltet – in der einfachen Variante kauft man ein Ticket für das „Zodiac“ nach Ushuaia, nimmt einen Minibus nach Puerto Navarino und wird in halbstündiger Fahrt über den Kanal geschifft. In der heutige Version allerdings werden bedenkliche Blicke auf den Beaglekanal geworfen, der kleine Schaumkronen trägt; zuviel Wind gegenan für das vermeintliche Schlauchboot. Die amerikanischen Mitfahrer werden nervös, denn sie haben am gleichen Tag einen Anschlussflug nach Hause via Buenos Aires. Die Abfahrt wird verschoben und verschoben – aber am Abend scheint die Lage bereinigt. Als wir am Mittwoch die gleiche Route nach Ushuaia nehmen, stellt sich das alles ganz anders dar – die 1-stündige Fahrt zum Westende der Insel ist ein Landschaftstraum im Sonnenschein, dazu ein Sonderprüfungstraum für alte Rallyehasen, der Beaglekanal ein Ententeich, man blickt meilenweit, mit der fantastischen Darwinkordillere auf der einen Seite und ahnt auf der anderen den Ausgang in den Atlantik. Kommentar von den Berlinern: „… da hattet Ihr dann wohl eine nettere Überfahrt als wir…“ Klingt wenig verlockend. Schwein gehabt.

Willkommen in Argentinien! Straßentango

Willkommen in Argentinien! Straßentango

Auch in Ushuaia haben wir Schwein: die Formalitäten nach Argentinien hinein sind fix erledigt. Wir buckeln die Rucksäcke bergan, steil ist es hier in Ushuaia. Schon in Punta Arenas hatten wir manchmal vertrautes Spikereifen-Geräusch von Autos vernommen, hier nun haben die Nägel der Winterbereifung tiefe Furchen in den Asphalt gefräst. Beii einem Anstieg bleibt es nicht: dies ist altes Gletscherland, also geht es bis zu unserem Hostel noch zweimal auf und ab –  glücklicherweise nicht wieder hinunter bis auf Meerespiegelhöhe. Die Unterkunft ist ein kleines Familienhaus, die Besitzer, ehemals Tourguides, haben sich im Erdgeschoss eingerichtet und vermieten 3 Zimmerchen im oberen. Familienanschluss garantiert! Und die Wohngegend bietet unbegrenzten Hundespass, wobei in einem Fall doch eine Grenze gezogen wird, ein völlig durchgeknallter Großhund kann sich endlos über uns ereifern und begeifern. Er ist an einem alten Lieferwagen angekettet, den er am liebsten hinter sich her zerren würde. Wir erwägen eine Würstchenspende beim nächsten Vorbeigang. Andere Hunde sorgen auch für Aufsehen – an einer Kreuzung sprechen wir zwei professionelle Reifenbeißer an, die an diesem verkehrsarmen Sonntagnachmittag eher Langeweile haben und unsere freundlichen Worte und das Gekraule als Einladung auffassen, uns zu folgen. Ganz schlecht, denn für mindestens eine halbe Stunde laufen wir nun zu viert durch falsche Reviere. Hundeprotest von allen Grundstücken, Beißattacken auf Kreuzungen. Hier herrscht Ordnung, ganz klar.

Frau Patagonischer Riesenspecht

Frau Patagonischer Riesenspecht

Magellanpinguin, im Gentoo-Pinguine

Aber auch ohne Hundebegleitung lässt sich gut laufen, zum Beispiel zum Gletscher Martial, gleich oberhalb der Stadt – ein kleiner, dreiteiliger Hanggletscher mit hervorragendem Blick auf die Stadt und die Umgebung. Ohne Hundebegleitung auch der Busausflug zur Isla Martillo – es gibt einen Touroperator in der Stadt, der täglich den Besuch von 40 Gästen bei den Magallan-Pinguinen erlaubt; keine Angst, man wird 1. massiv gebrieft („…wer ‚oh, so cuuute!‘ schreit geht zurück auf*s Boot…!“) und auch als Herde von 2x 20 Leuten im Zaum gehalten, 2. scheren sich die Pinguine kaum um uns Besucher und 3. kontrollieren Biologen Verhalten und Reproduktion der Kolonie und sind stets bereit, dieser Besuchsregelung einen Riegel vorzuschieben.

Gemütlich in der Bruthöhle. Magellanpiguin

Zur Strafe sehen wir nicht, was gerade als Besonderheit passiert – es sind zwei Königspinguine gelandet; dafür schließt die Tour mit dem wirklich sehenswerten kleinen Naturmuseum auf der Estancia Haberton, das vor allem Meeressäuger  und -vogelskelette sammelt und ausstellt. Da wäre ich gern noch einmal einen Tag hingefahren, zumal die Busfahrt allein schon sehenswert war: hohe Berge, Moore – und Totholzgebiete. Die Biber leisten hier ganze Arbeit. 1938 zum Zwecke der Pelzproduktion aus Kanada eingeführt, hat sich wieder einmal ein Lebewesen im falschen Lebensraum pestartig ausgebreitet. Man stellt nämlich schnell fest, dass das gemäßigt ozeanische Klima zwar viel Schnee erzeugt und die Winter recht lang sind, aber für die ständigen Temperaturen um die 0° müssen Biber sich kein dickes und damit gut verkäufliches Winterfell wachsen lassen. Also gab man wegen der schlechten Pelzqualität die Zucht auf und ließ die Tiere frei. Und erzeugte eine weitere Ökopest, denn Raubtiere, die der Biberausbreitung Einhalt gebieten könnten, gibt es nicht; nicht mal der Beaglekanal ist eine geeignete Grenze – 1968 erreichten die Biber die Isla Navarino. Schlecht.

Ushuaia ist eine Art Touristen-Disney-Feuerland, da gibt es was für alle Geldbeutelgrößen, allen voran natürlich die Antarktisfahrer, die richtig viel Geld aufrufen. In den Straßen reiht sich Touroperator an Restaurant und das wieder an Outdoorausstatter, aber Ushuaia hat auch schöne Museen zu bieten. Das „Fin del Mundo“ zum Beispiel, das sich mit der Geschichte von Feuerland allgemein und der von Ushuaia  beschäftigt; dazu ein weiteres „Gefängnismuseum“ auf unserer Liste. Nachdem sich die völlig abgelegene und fast nicht anzufahrende Staateninsel als schlechter Deportationsort herausgestellt hatte, wurde Ushuaia dazu auserkoren. Nicht wirklich schön, aber wir haben schon schlimmere Gefängnisse gesehen.

Wracks am Kap Horn...

Wracks am Kap Horn…

... und an der Le Maire Strait.  Puuh.

… und an der Le Maire Strait. Puuh.

Viel besser ist, dass es tolle Abteilungen für die Seefahrtsgeschichte von Feuerland und für die Antarktisforschungsreisen gibt. Rings um Ushuaia machen sich Wohngebiete breit, die Stadt ist in den letzten 40 Jahren um ein Vielfaches gewachsen. Ursprünglich ging es dabei um die schon beschriebenen Gebietsansprüche gegenüber den Chilenen; um die zu unterstreichen, siedelte man Industrie an, in letzter Zeit vor allem Elektronikproduktion, und zahlte dem patagonienwilligen Zuzügler gute Gehälter. Dass der Streit mit Chile um vor allem Inseln im Beaglekanal fast zum Krieg geführt hätte, erzählt unser Hostelwirt – seine Familie wurde Ende 1978 auf den letzten Drücker ausgeflogen; in der Erinnerung von anderen Touristen scheint sich das als chilenische Aggression darzustellen, aber es war eigentlich andersherum – immerhin haben wir jetzt eine Erklärung für die alten Verteidigungsstellungen und Unterstände auf der Seite von Puerto Williams. Heute sieht man überall Monumente die die chilenisch-argentinische Freundschaft loben. Weiter so – vielleicht kriegt Ihr ja auch noch den Grenzverlauf hier oben im patagonischen Eisfeld geregelt…