Löwen und Elefanten

Seeelefanten. Ferien auf dem Trockenen

Puerto Madryn, Mitte Dezember

…und noch ein Schlafbus, „Don Otto“ von Bariloche nach Puerto Madryn. Von Don Otto hatten wir schon vor Jahren gelesen, dass es gutes Essen an Bord gibt, und tatsächlich, die Klopse/Frikadellen waren super, aber ansonsten war es halt… ein Schlafbus. Mittlerweile sind wir ja zu Schlafbusspezialisten geworden, und dieses war wieder einmal ein „Cama ejecutivo“. Das sind die, wo die Beine zwar fast gestreckt, aber im Knie um 20° gewinkelt abgelegt werden. Ganz schick und knick-und faltenfrei kommt man  nur mit dem „cama premium“ ans Ziel, wo man sich richtig lang machen kann, aber es geht auch so, und wirklich gut. Kleine Buskunde für ältere Traveller.

Im Morgenlicht sieht man die Landschaftsbescherung: platt und halbwüstig. Noch ein Stopp in Trelew (am Abend zuvor nur in Esquel  ein merkwürdiger „alles raus-5 Minuten Zeit-alles wieder rein-Haltepunkt), dann öffnet sich der Blick auf den Atlantik und kurz danach sind wir da. Das Smartphone – was wären wir ohne OSMand und Google Maps? – leitet uns zum Hostel La Tosca. Extrem netter Empfang durch Eduardo, der es erst einmal auf Spanisch versucht. Es wird eine Weile des Stammelns brauchen, ehe wir ihm auf die Schliche kommen, dass sein Englisch prima ist. Winziges Schlichtzimmer mit geteiltem Bad: wer auf’s Klo will, muss kurz klopfen. Nothing heard? Dann darf man rein. Es ist nämlich ein Teilbad für nur zwei Zimmer. Während ein Teil unserer Reisegesellschaft nach einem unverdienten, aber dennoch kostenfreien Frühstückskaffee ein Päuschen einlegt, höre ich mir Eduardos Einführung in die Stadt und die Tourmöglichkeiten an, schließlich bin ich hier, um die ansässigen Seelöwen und Seeelefanten zu besuchen. Wale, das ist klar, werden wir nicht nicht mehr antreffen. Und Eduardo macht mir gleich den Mund wässerig, es gibt eine Stelle in der Nähe, wo unterhalb einer Steilküste zu dieser Jahreszeit Hunderte junger Seeelefanten pausieren. Das will ich!

An der Kliffkante

Tags drauf werden wir mittags abgeholt, Luis und Fahrer/Bruder René rumpeln mit uns gute 90 Minuten über Schotterstraßen zur Landspitze. Luis steigt aus und guckt schon mal über die Kante. Ist ja immer so eine Sache mit den wilden Tieren: lieg‘ ich hier heut‘ nicht, lieg‘ vielleicht morgen woanders…  und beim letzten Mal – die Stelle wird selten besucht! – musste man viele hundert Meter über den grobkiesigen Strand holpern. Als Luis sich umdreht, strahlt er, nee, er lacht: “ … so viele

Das Fellwurstangebot von heute

habe ich schon lange nicht mehr hier gesehen…“. Wir kraxeln die Kliffkante hinunter, das geht ganz gut, bis auf die ersten Meter, die eher schlecht als recht gesichert ist (und eine Mitkraxlerin kreidebleich werden lassen). Schon dieser Weg lohnt sich unbedingt: so viele Fossilien im weichen Sediment habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Muscheln, Schnecken, Sanddollars wohin man greift. Ich bin ganz beseligt. Aber eigentlich wollen wir ja runter zu den dicken Würsten dort am

Schwacher Versuch, in Deckung zu bleiben

Strand… Beseligungphase zwei bricht an – man kann das einfach nicht – oder nicht so einfach – beschreiben. Die meisten Seeelefanten, alle im jugendlichen Alter, lassen sich überhaupt nicht von unserem Besuch stören, wobei ein paar sich durchaus zu  einer kleinen Drohgebärde hinreißen lassen: weit aufgerissenes Maul heißt “ danke, diese  Distanz reicht!“, egal ob zwischen Elefant und Mensch oder zwischen-elefantlich. Wir sitzen an der Wasserkante, die uns bei

Das Gelbe ist der Eigner!

auflaufendem Wasser langsam näher rückt. Ein paar Seelöwen schwimmen elegant durch die Bucht, ein paar Seeelefanten baden im Flachwasser, andere beobachten den näher rückenden Wassersaum und entschließen sich vereinzelt, den beschwerliche  Weg

Mühsam bäuchlings bewegt sich das Robbenkind – ein Seelöwe würde auf den Hinter – und Vorderextremitäten watscheln!

auf sich zu nehmen und ins Meer zu robben. Alles nach der Devise: bloß keine Energie vergeuden. Auf große Fahrt (und damit zum Fressen) geht es erst, wenn das Fell gewechselt ist, bis dahin sind Ferien auf dem Trockenen angesagt. Ein paar sehen schon ganz schön nach Mauser aus – wir sammeln Fellstücke, die abgefallen sind. Ein  bisschen  wie zweiseitiges Klettband fühlt sich das an – kein Wunder, dass elefant sich da kratzen muss, sich wälzen oder mit Kieseln beschmeißen…

Nach gut zwei Stunden stehen wir wieder oben auf der Klippe, fast, aber nicht ganz allein – ein deutsches Weltreisemobil wartet dort oben auf Orcas und andere Sensationen „bis uns das Wasser ausgeht“ – ein beneidenswerter Platz zum Campen. Wir fahren in den Abend hinein, zurück nach Puerto Madryn, wir 5 Passagiere träumen von dicken Würsten, die am Strand liegen,  René und Luis quatschen und nuckeln an ihrem Mategefäß. Ein wirklich lohnender Strandspaziergang.

Halbinsel Valdes – immer geradeaus

Und weil’s so schön war, am nächsten Tag derselbe Bus, wieder Fahrer René, der auch für Gürteltiere bremst und aus weiter Ferne Nandus oder Schlangen entdeckt. Anderer Guide: Ugo. Wir fahren auf die Halbinsel Valdez, da wo ich schon immer mal hin wollte! Ugo ist in Camarones aufgewachsen, einem winzigen, sehr abgelegenen  Ort zwischen Madryn und Commodoro Rivadavia, wo er mit der Zwille auf alles gezielt hat, was sie als Jungs am Strand gestört habe. Zum

Magellanpinguine

Beispiel die Magellanpinguine, die sie als Konkurrenten beim Angeln betrachtet haben. Oder Seelöwen, Seeelefanten. Zu  Naturliebhaber machten ihn – nach und nach –  die Familienferien beim Großvater auf der Halbinsel Valdez, sodass der Schritt zum Wildhüter nicht mehr sehr schwer war. Mit so einem Guide ist natürlich gut Seelöwengucken. Oder Küstenlinienhistorie nachvollziehen – die Schwemmsände verändern die Küste am laufenden Band. Seeelefanten,  Magellanpinguine,

Einsamer Seelöwenbulle such Anschluss

Spaziergang durch’s dürre Hinterland der Dünen. Geschichten über Skunks (“ wie werde ich den Gestank wieder los?“ ) oder die wundersame Wegwespe, die große Spinnen als Wirt für den Nachwuchs nutzt.  Kleine Vogelkunde, dann wieder ein Ausflug in die Agrarhistorie der Halbinsel, die erst seit 1994 halbwegs geschützt ist und seit 1999 zum Weltkulturerbe gehört. Natürlich sind die großen Meeressäuger  – Wale, Seeelefanten, Seelöwen, Delfine… – das große Thema, vor allem für Touristen, und in  der Tat ist dieses Stück Küste ein Wunder. In der Walsaison hört man die Hunderte Wale, die sie vor allem in den beiden großen Buchten aufhalten, bis in die Stadt Madryn hinein platschen und blasen. Der Strand nach Osten der Halbinsel wird durch eine Abfolge von Robbenbesuchen belebt: zum Südfrühjahr hin die Geburt der neuen Seeelefanten, die nur 4 Wochen gesäugt werden, in denen sie 80 kg an Gewicht zulegen. Mamas Mastkur, Mama muss dann allerdings eilends hinaus auf See, mal wieder was essen. So liegen die jungen Seeelefanten herum, wie wir sie betrachten konnten, bis sie mit dem Fellwechsel dann reif für den Ozean sind.

Orca-Alarm!

Wir sahen aber auch schon die Vorboten der nächsten Besucherwelle, denn ab Januar sind hier keine Seeelefanten mehr, sondern alles ist voller Seelöwen, die an dieser Stelle ihre Jungen gebären. Und das zieht wieder Scharen von Orcas nach sich, die sich an den Strand schmeißen, um kleine oder auch größere Robben zu schnappen. Wirklich, wie … Knackwürstchen sieht das aus.
Die Seevögel nicht zu vergessen und die Magellanpinguine, die sich von uns Zuschauern überhaupt  nicht im Brutgeschäft stören lassen. Absolut einen Besuch wert, und, wie die steigenden Robbenzahlen zeigen, ein gutes Beispiel dafür, was Naturschutz auch in kürzerer Zeit bewirken kann.
Gleichzeitig ist die Halbinsel ein Beispiel dafür, wie so eine karge Landschaft auf Besucher wirken kann: langweilig. So hatten wir es am Abend vorher von jungen Backpackern gehört, die sich ein Auto gemietet hatten,  verständlich, denn ein Schnäppchen sind die Touren nicht. Deren Tour lief so: spät losgefahren, auf endlos geradeaus laufender Staubstraße Richtung Küste gezielt – und nichts gesehen. Seeelefant oder Seelöwe – alles eins (dabei ist die Fortbewegung der Löwen ungleich witziger!). Keine Pinguine. Kein Hugo, der einem einen Nanduhahn zeigt und erklärt, wieso er drei Gruppen unterschiedlich großer Küken bzw. Jungvögel führt (klar, ein Macho, der nach Kampf mit anderen Männchen deren Kindergarten gewonnen hat!). Und kein Besuch im wunderschönen und informativen Besucherzentrum. Tripadvisorbewertung:  „naja. Eher doof!“
AKKAnautenbewertung: ein unvergesslicher Tag!

Da lacht er, der Seeelefant!

Selten mal schlecht gelaunt. Pubertierender Seeelefant.

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