Menschen, Tiere, Abenteuer

Palemn, blaues Wasser, Pelikane. Hat was!

Storebay/Tobago, 12.6.2017

Vor knapp einer Woche sind wir aus Suriname hier eingetrudelt. Wir hatten eine wirklich schöne Zeit in diesem braunen, modderigen Fluss, in dem ich abschließend dann doch noch ein oder zwei Bäder genommen habe.  Einerseits, um vor der Abreise mal ganz vorsichtig nach der Schraube zu tasten, ob die vielleicht völlig bewachsen ist – denn mit einem Muschelklumpen als Antrieb kommt man nicht gut voran. Eintunken und nichts sehen war eins, aber nach Jahren weiß frau ja wohin sie tauchen muss. Und siehe da: nichts zu fühlen, glatt wie der berühmte Popo. Gut! Ein zweites Bad war eher etwas überraschend… wir kommen abends von der RIver Breeze Bar, nein, ohne „geladen“ zu haben, sondern weil wir wegen eines weiteren, vollen Tages von gewittrigem Regen erst abends zum Wäschewaschen gekommen waren. Wobei – geladen hatten wir schon: die beiden 10l-Kanister Notfallreservewasser gefüllt und einen Ballon Trinkwasser vom Kaufmann schleppten wir durch die Dunkelheit. So weit, so gut. Andreas rangiert mit seinem Kanister, um sie vom wackligen Ponton ins hüpfende Dinghy zu bugsieren, ich warte aufs Einsteigen. Nun hat dieser Ponton leider eine Lücke, und wer dort hineintritt, verliert das Gleichgewicht; eine zackige Ausgleichsbewegung vom Eigner trifft mich und – splash. Hm, warme, braune Süßwasserfluten. Ich bin zwar etwas überrascht, fand es aber nicht so bemerkenswert, während dem Eigner die Sekunden, bis ich wieder auftauchte, „lang“ vorkommen. „Deine Brille?!“  Nee, die ist weg. Mist. Das vordringliche Problem ist für mich, im Dunklen und ohne meine gewohnte Hilfsleine wieder einsteigen zu können – normalerweise hängen wir dazu unsere Tripod-Liftleine über den Wulst, aber da standen nun die Wasserkanister drauf. Der Ponton zu hoch oder die Ärmchen zu schwach zum Hochstemmen, außerdem hat man bei solchen Unfällen auch selten einen bewegungsfreundlichen Badeanzug an. Der Bermudahosenknopf verbindet sich mit der Gummischeuerleiste, von Aufwärtsbewegung keine Spur. Dann kommt auch noch einer der netten Jungs von der „Cool Change“ auf den Ponton. „Can I give you a hand?“  Danke, lass‘ mal, es ist gerade kompliziert genug. Mittlerweile habe ich den Hosenknopf als Haupthinderungsgrund bestimmt und wälze mich zentimeterweise über den Gummiwulst. Das muss ein Bild gewesen sein… Mit einem „Klasse, die andern Mädels hätten gekreischt“ verschwindet der Cool-Change-Bootsmann im Dunkel. Erleichtert gackernd  schmeißen wir den Motor an und tuckern hinterher. Wir haben Springtide – Ramadan hat gerade angefangen, also ist Neumond! – und es strömt. „…pött!“ sagt der kleine Dinghymotor. „…pött-pött…“ und dann nichts mehr. Anreißen. Es strömt! Nochmal reißen. Nix..Ran an die Ruder! Es folgt ein berühmter AKKAnautenslapstick: gleichmäßiges Ziehen (die Wahrheit ist, dass wir immer zu meiner Seite fahren, wir müssen das mal wieder üben). Ich peile das Land – so richtig vorwärts kommen wir nicht. Andreas peilt die andern Mooringlieger: auf IMAGINE machen wir keinen Meter gut, das wäre das nächste, belebte Schiff. „Versuch mal mit der Startpilotdose!“. Fummel-fummel.  PSSSSCHT! Anreißen – ha, er tut’s. 5 m.  Nochmal – wir lachen halbherzig, der Eigner hat im Hinterkopf, dass man vielleicht auf Netties  Boot bis zum Stillwasser abwarten kann.  Noch ein Versuch.  Nix. Da knätert es von vorn – auf COOL CHANGE wohl wurde gerade die Seeelefantennummer vom Ponton beschrieben, als sie uns fluchen und lachen hören und brechen zu einer SAR-Aktion auf. Peinlich, peinlich. Ist nämlich nicht das erste Mal, mir war der Motor einige Tage zuvor schon mal ausgegangen…
Das Ganze mündet in nächsten Tagen in ein paar Stunden Diagnose- und Reinigungsarbeiten. So ganz genau wissen wir nicht, warum der Motor jetzt läuft und sitzen fortan entsprechend gespannt im Beiboot. „Pött?!“  Bislang alles pött-pött-pött-pött.

Und nach diesem abenteuerlichen Abend muss der Surinameaufenthalt zu Ende gehen, obwohl es ein paar wirklich außergewöhnliche Begegnungen gab. Außer der COOL CHANGE – 3 junge, filmemachende Männer, 2 Hunde, 1 Katze; man beachte insbesondere unseren Freund „Capt’n Peanut“! ) noch interessante Landreisende, zum Beispiel die Besatzung von „Cuthbert„, einem britischen IVECO Daily auf großer Südamerikarunde, der mittlerweile vielleicht schon auf der gruseligen BR 319 im Amazonas ist. Lustig, Erlebnisse abzugleichen und festzustellen, dass die beiden das Landreisen im Vergleich zu unseren Reisen ein bisschen „zahm“ erscheint. Finden wir gar nicht,  dazu muss man sich mal Cuthberts Strecke durch Lencois in Brasilien angucken. Der absolute Hammer ist aber ein Jeep vom Typ „Stadt-SUV“ mit kanadischem Kennzeichen und einem rundlichen, stinknormalen Wohnanhänger dran. Das sind Tanja und Sergey, Canado-Russen, die gleich nach „Gorbi“ in den Westen gemacht haben, nämlich nach Toronto. Auf dem Wohnanhänger(chen) kleben denkwürdige Aufkleber: Alaska. Mexico. Honduras. Guatemala  und so fort. Sergey und Tanja sind mit dem Gespann tatsächlich bis Suriname gekommen. Inklusive Amazonas, letzteres allerdings dann doch nicht über die „dangerous road“ BR 319, sondern fast ebenso abenteuerlich mit einer Holzfähre via Porto Velho. Abendfüllende Geschichten!  In Paramaribo musste sich Sergey – wegen der Aufregung?! – schnell zwei Koronarstents legen lassen, aber demnächst geht es weiter. Ziel Ushuaia. Und zur BR 319, die er für wenige Kilometer „probiert“ hat, sagt Sergey: da hat der IVECO keine Chance, da stecken Militärfahrzeuge für Tage und Wochen. Leute gibt’s! Wir werden Cuthberts Berichte verfolgen.  Ihr seht, wenn wir  selbst auch wenig zu berichten hat, zu googeln gibt es immer was.

Dann kommt das Ausklarieren, sehr witzig, weil wir zunächst mal fehlgeleitet werden und auch keinen Clearancestempel irgendeiner Art kriegen. Am Sonnabend die Abfahrt. Ein letzter surinameischer Regenschauer drückt uns in den Atlantik. Alles prima. Alles prima?  Schon, bis auf einen Besuch von Murphy, Ihr wisst: Murphy’s Law. 2. Nacht. Schipperinnenwache, 23:00, wir befinden uns vor der Küste Guyanas. In der Ferne hinter dem Horizont  ein flammendgelber Leuchtkegel – an einerm der Seamounts wird gefischt, was das Zeug hält. Vereinzelte Fischereifahrzeuge in Sicht.  Das Radio krackelt: „… the vessel in position…“. Einmal. Zweimal. Beim dritten Mal bequeme ich mich zu schauen, wo denn das gesuchte Schiff sich befinden soll – oh, shit! Das sind ja wir!  „…this is sailing vessel AKKA, do you read?“  Ja, sie hören mich. Ein seismologisches Forschungsschiff, sicher nicht von ungefähr in der Region der Unterseegebirge unterwegs, bittet um Abstand, 8 Meilen hinter dem Heck, 3 Meilen an jeder Seite und am Bug. Herrje, aufschreiben, nachfragen, trotzdem deren Kurs noch falsch notieren. Inzwischen ist der Eigner aus der Koje gerollt: „… was ’n hier los?“ Feindberührung ist hier los. Wir nehmen die Segel weg, kriegen für die nächsten 1 1/2 Stunden einen Kurs diktiert, alles gut. Ich spreche mit dem Forschungsschiff. Dann ruft der „Wachhund“, Aquarius D, mich nochmals, ich antworte – aber nix da, mein Ruf kommt nicht an. Hin und her, probieren, vergebliches Rufen: unser Funkgerät ist im Eimer. Handfunk aus dem Notgepack holen – und nun betritt Murphy endgültig das Boot: das Gerät empfängt ebenfalls nur und sendet nicht. Und wo ist, Mist, Mist, Mist, die zweite Handfunke? Dann muss es ohne gehen. Es geht auch – in der Hoffnung, dass wir hören, weist man uns an, weitere 20 Grad abzufallen. Wird gemacht. Wir starren auf den Christbaum auf dem Arbeitsschiff – wir sehen die kleine Gruppe auch auf dem AIS –  und halten einen längeren Disput „… da kommen wir nicht vorne rum, wir müssen den Kurs ändern!“ und „… aber die verlassen sich darauf, dass wir Kurs halten…“ ab, Andreas entscheidet nach Osten abzulaufen – ich bin dagegen, weil das rein logisch deren Weg nach Ablauf der 1 1/2-Stundenfrist sein muss, zurück zu den Seebergen. Aber wir machen’s und schon quakt es auf dem Arbeitskanal „… die läuft nach Osten!“ Wir gehen auf den verabredeten Kurs zurück. „Jetzt ist sie wieder zurück auf Kurs“ . Toll, man spricht über mich: „… ich habe sie leider nur auf einem Radar, wir müssen sie gut im Auge behalten…“ So intensiv haben schon lange keine Männer hinter mir her geguckt. Andreas erhöht die Drehzahl, was ich hasse wie die Pest („der arme Motor!“), aber ganz langsam sehen wir einen Fortschritt, und so schleichen wir in der verabredeten Distanz vor dem unheimlichen Gespann durch. Erst die Buglinie, dann, hurra, ich sehe grün! Wir sind durch!  Tschüss Murphy. Kurs Trinidad. Zwei Tage später sind wir da.

Frühstück auf See. DIe Butterdose fällt natürlich auch immer aufs Gesicht.

Sollte sich jemand fragen, was da mit unserer Funkausrüstung los war – schon beim nächsten Frühstück präsentiert mir der stets forschungsbereite Eigner ein Foto von den Innereien unseres Funkhörers: während der Funkgespräche ist die äußerst zarte Lötung der Sprechtaste gebrochen. Ein Freund und Funker aus Chaguaramas ist mittlerweile nach Tobago gezogen, das erweist sich als praktisch, und der erklärt sich bereit, seinen Lötkolben für uns zu schwingen. Und vermutet beim Handfunkgerät den Akku als Fehlerquelle: schon mal probiert, ob der Ausfall bei Akkuwechsel von einem zum – mittlerweile in der Blitzschutzkiste gefundenen – Zweitgerät mit wandert?  Tut es. Der Akku ist schuld. Murphy hat fertig!
Wir hängen jetzt noch eine Weile hier am Anker, und ich finde es herrlich. Vom Strand schallt es socamäßig, und war zunächst noch der Eindruck eher „naja, Südpazifik war aber schöner..“ machen die ersten Fahrten mit den üblichen wilden Taxis alles wett. Eingepfercht mit 5 Leuten in reggaewummernden Autos, die von Federbeindefekt über kaputten Auspuff bis Radlagerschaden alles zu bieten haben, fahren wir zwischen Storebay und Scarborough hin und her. Einklarieren, SIM-Karte organisieren, einkaufen. Spaß à  la Karibik. Klares, blaues Wasser.  Der Anker – nach so vielen Monaten! – mal wieder von oben zu sehen. Schwimmen. Pelikane, Fregattvögel – und die AKKA-Gans.

Ein Gedanke zu „Menschen, Tiere, Abenteuer

  1. Grüße an McMurphy! Möge er für lange Zeit von Euch fern bleiben.
    Gruß Gerolf.
    Am letzten Wochenende waren wir beim Glasbach-Bergrennen. Ein EM Lauf in Thüringen bei dem Walter Röhrl die Schirmherrschaft übernommen hatte.
    Tolle Veranstaltung, neuer Streckenrekord für 5,5 km 1:58.440

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