Eine Reise durch die …

Le Marin, 24.3.2018

… durch die Welt? Nö, zur Zeit eher durch die Bucht.
Der Anker ist gut eingewurzelt und treibt schon Sprossen, auf Blüten warten wir noch. Kürzlich fragt eine Freundin per Messenger, wie es denn so aussehe mit „Euren Reparaturen“. Nette Nachfrage – welche Reparaturen? Ach so… ach, naja – ehrlich gesagt hängen wir eher ab. Bisschen mal am Rigg schrauben, heute mal ein Seitenfenster von außen zugekliert. Die Wasserpumpe hat eine neue Dichtung – im zweiten Versuch hat das Abdichten richtig gut geklappt; ein Ganztagesprojekt vom Eigner mit Erfahrungszuwachs und neu erfundenen Tricks. Rumpf geschrubbt ohne Tauchgerät – Rumpf nachgeschrubbt mit Tauchgerät.
Oder: Gasflasche füllen – Letzteres ein echt teures Geschäft, wobei man nicht alle der angefallenen Kosten der teuren Lebenshaltung in französischen Überseegebieten anlasten kann – ein bisschen Pech gehört dazu… Also, die Geschichte geht so: „… langsam brauchen wir mal Gas!“, denn die letzte Flasche hängt seit Dezember am System. Da schaut die Köchin schon skeptisch, ob’s anfängt zu flackern und zu blaken (tut’s bis heute nicht, die Trinis hatten wieder einmal reingequetscht was geht.) Part 1 der Mission: wo findet man in Martinique=Frankreich, wo das Befüllen von Butanflaschen den Profis vorbehalten ist und fremländische Flaschen ausschließt, volle Gasflaschen. Antwort 1: nirgendwo, fahrt zurück nach St. Lucia, das ist am einfachsten. Wirklich?! Part 2: klar, wir füllen selbst. Wo also kriegen wir eine volle Gasflasche her? Google weiß es nicht, daher: Dorfspaziergang, kombiniert mit Motorteilsuche. Da! Kiosk an der Ecke, wir werden schnell handelseinig: 21‚¬ für 13 kg Butan, und 50 für die Flasche. Rückvergütung bei Rückgabe. Wer sagt’s denn. Schon gluckert das Gas auf dem Besandeck von einer Flasche in die andere, eine Routineübung. Das war Part 3, Mission fast erfüllt. Bleibt noch die Rückgabe der Flasche… also hin zum Kiosk, Part 4. Nee, sagt die Dame, Rückgabe nur „bei der Gemeinde“, Wo denn? Ach, oben in den Bergen, jedenfalls nicht in Laufweite. Das klingt ja nett! Zumal… Gasflaschentransport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist verpönt. Verständlich, irgendwie. Taxi? Was kostet das? 30 Euro. Zum ersten Mal in diesem Theaterstück keimt in mir ein Fluchtgedanke. Leere Flasche stehen lassen und weg hier! Mittlerweile aber wissen wir wenigstens, wohin unsere Flasche muss, es steht nämlich auf der Quittung: „Rückgabe nur im SMCR-Büro in der Rue de Jambette“. Das ist nicht hier in den südlichen Bergen, das ist Fort de France! Gelegenheit zum Haupstadtbesuch! Easy! Flasche under cover in meiner großen Wäschetasche und … Bus! Freitag ist es so weit. Kläng! sagt die Tasche, als der Eigner sie am Bushäuschen abstellt. Pssst! Bus kommt, 2,10 p.P. bis Riviere Saléé. Dort umsteigen in ein „Taxi Collectif“, 3.80 p.P. . Schöne Bus- und Kleinbusfahrt mit Vollbetreuung für dusselige Touristen-Umsteiger durch eine mitfahrende Dame, Hilfsaktion für jemand, der sein Wechselgeld nicht eingesteckt hatte (hier versagte mein Französisch… die Unterhaltung lief mehr auf Patois ab). Ein englischsprechender Kleinbusfahrer, der uns seine Sprachkenntnisse zum Üben aufzwingt, stolz wie Oskar. Mutter mit Kleinstsäugling freut sich damisch, dass wir ihr unseren Platz anbieten – ist es hier unterschwellig doch ein bisschen kolonial und Weiße sind normalerweise nicht „so nett“? Egal, pfadfindermäßig eine gute Tat vollbracht. Mittlerweile ist es Freitagmittag (man horche auf!). Wir buckeln die Flasche noch einen Kilometer durch’s Industriegebiet – und stehen prompt vor einer verschlossenern Tür, die auch erst am Montag wieder geöffnet werden soll. Freitag, yeah! Auf die 12 Euro Transportkosten hierher darf man nun die Rückfahrt aufschlagen. Wir überlegen nicht lang: Flasche nach Le Marin zurück und Neuexpedition am Montag? Nochmal Verkehrschaos und langes Latschen auf Asphalt? Echt? Sechster und letzter Teil des Stückes: wir schreiben die Flasche und die 50 Euro Pfand ab.
Man könnte nun denken, dass es sich an diesem Tag mit dem Geldausgeben hatte, aber da waren wir noch nicht über den Decathlon gestolpert. Decathlon ist für den körperlich aktiven Menschen, was IKEA für den Wohnungsbesitzer ist: man braucht eigentlich nichts, aber man kann ja mal nach Duftkerzen und Kochlöffeln schauen! Wir kamen mit 2 neuen Handtüchern raus, als Schwitzabdeckung für die Cockpitpolster. Toll. Und einem Paar Flipflops. Und zwei Paar Trekkingsandalen. Eine Schnorchelbrille samt Schnorchel und eine Schwimmbrille. Und ein paar Kleinigkeiten mehr.
Wir waren echt platt, als wir am Abend daheim ankamen – viel gelaufen und zum Schluss 1h20 Wartezeit an einem offensichtlich selten angefahrenen Busstopp in Rivià¨re Salée. Aber da kam dann wieder „Martinique“ zum Vorschein: ob ein festlandsfranzösischer Fahrer diese armen Segler auch  auf seinen übervoll besetzten Kleinbus geladen hätte?! Es ist ja hier alles ganz schön französisch, will sagen: französisch reguliert und ein Bus ist voll, wenn alle Sitzplätze belegt sind. Ganz schlüssig war er sich nicht, der Fahrer, aber dann siegte das Mitleid: „…die ersten Kilometer müsst Ihr auf dem Boden sitzen!“. Versöhnlicher Abschluss einer teuren Reise nach Fort de France. So geht KARIBIK!

Eine neue Schuessel

Marigot – hier hat mal die britische Navy gelegen und die Masten mit Palmwedeln getarnt. Die Franzmänner fuhren vorbei…

Le Marin/Martinique, 5.3.2018

Ein dunkler Montagabend, AKKA liegt mitten in der Lagune von Marigot auf St. Lucia an einer Mooring. Wir gucken auf AIS und MarineTraffic: OCEAN BLUE kommt! Noch 3 Meilen. OCEAN BLUE ist ein Zufalls-Facebookkontakt und bringt ein relativ neues Radardome; eigentlich verrückt: wir suchen ein älteres Radargerät, das zu unserem System passt, und aus St. Martin kommt uns ein Engländer entgegen, der einen Abnehmer für sein Altgerät sucht. Netter Zufall.
Wir funken, um zu verabreden, wann wir morgen die alte, neue Schüssel übernehmen können. Nee, sagt Derek, wir wollen rasch weiter, first light tomorrow. Ich gehe vor der Lagune vor Anker, lasse das Dinghy runter und komme rüber. Hehe – diese Geschwindigkeit ist völlig neben dem AKKA-Zeittakt: Arbeit nach dem Abendessen! Eine halbe Stunde später liegt die neue Schüssel – sie hat schon mal Transatlantik und die Ostküste der USA hinunter bis St. Martin gedient – auf unserem Cockpitdach, Kabel dran, und… wir haben ein zuverlässiges Radarbild. Zur Belohnung für den schnellen Deal gibt es 300 US$ auf die Hand und als Zugabe ein paar Tipps in Sachen Pazifik. (Es zwickt mich jedes Mal, wenn ich höre, dass Leute durch den Panamà¡kanal gehen. Tuamotus. Cook Islands. Neuseel… Lang, lang, ist’s her.).

Vanish. Nicht gerade verschwindend klein.

Wir hatten uns eigens für diesen Deal in die Lagune gelegt, damit wir mit Zeit und Muße und gutem Licht dem Radargeschäft mit Derek nachgehen könnten, aber nun liegen wir hier gut, sicher, fest, also zieht die neue Radarschüssel für ein paar Tage aufs Salonsofa – sieht gut aus, man könnte sie dort sitzen lassen, nur vielleicht einen passenden Bezug nähen?! Jedenfalls nutzen wir die Gelegenheit lieber für ein paar Spaziergänge auf der Insel, fahren nach Castries, begucken die Marina in Rodney Bay… mei, ist das alles gewachsen! Die Marina ist gigantisch – und gigantisch ungemütlich. Platt im Industriegebiet, ringsum eine Ansiedlung von Ferienbehausungen im Floridastil – will sagen: sehr viel Shopping… „Karibik“ gibt es nur als pastellfarbene Hausdeko. Och, nö – wir loben uns den netten Verschnaufplatz in Marigot, wo man nicht mal den Motor anhängen muss, um an Land zu kommen, und harmonisches Paddeln ist auch eine Paarübung in Harmonie.

Jah Come und die Gemüselieferung

Jah Come rudert zu einem Schwätzchen und zum Tomaten- und Bananenverkauf heran, auch sehr harmonisch. Ein bisschen lästig waren die Boat Boys am Ankunftstag vielleicht, aber seitdem ist Ruhe. Für Kieferklemmen ist ebenfalls gesorgt, Whisper (Medium-Megayacht, außen schick, innen hässlich), Vertige (schwindelerregend modern) und … boah. VANISH! An ihrem Helikopter sollt ihr sie erkennen! Ein nachts neonbeleuchtetes Hochhaus (nicht wirklich hässlich!) für maximal 12 Gäste, wie wir ergooglen. So etwas leistet sich der stolze Auftraggeber für mickrige 125 Mio., wenn er seinen Autohandel für mehrere Milliarden an Warren Buffet vertickt. Unser Gemüsemann Jah Come wird von Vanish leider enttäuscht – er hat versucht, mit seinen Tomaten/Gurken/Mangos zum Zug zu kommen und wird auf Sonnabend vertröstet. „Da muss ich dann zeitig zum Markt nach Castries!“ Wer natürlich am Freitag im strömenden Regen Richtung Lagunenausgang verschwindet, ist VANISH, nomen est omen. Ist das gemein für den armen Jah Come? Ist es. Gemüsehändlerverarsche. Uns winkt er aber fröhlich hinterher, als wir auch unseren kurzen Hopser nach Martinique antreten. „Come back soon!“ Ich fürchte, alle diese karibischen Klein-Dienstleister sind an „Verarsche“ gewöhnt – wir nehmen uns da nicht aus, denn vertrösten können wir auch. Da hilft nur karibische Gelassenheit, auf allen Seiten.

Hatte ich gesagt, dass es Bindfäden regnete am Freitag? Ich guck‘ ins Zollbüro zum Auschecken: „… kann ich so reinkommen?“ „Your coat is dripping, take it off!“ Der Zöllner will keinen Teich vor seinem Schreibtisch, na sowas. Nach getanem Verwaltungsakt – ich kann mal wieder die Geschichte platzieren, warum AKKA so heißt, das ist meist lustig und verbindet – rutschen wir aus der Bucht. Tschüss, Marigot, war überraschend schön! In Höhe von Rodney Bay wird es uns zu blöd: Bindfäden ohne Wind?! Nicht für uns – wir übernachten noch einmal vor St. Lucia.

Der Rest der Schüsselgeschichte ist rasch erzählt – am Sonnabend geht es mit moderatem Wind und Welle hinüber nach Martinique. Eigentlich ein Fall für den Genaker, aber… wie sagt der Eigner: bis wir den oben haben, sind die 20 Meilen schon um. Dann nicht.
Ich muss keinen Schonbezug für unseren Radargast auf dem Salonsofa nähen, denn die Bucht vor Le Marin liegt am Sonntag (und bis heute) in weitgehender Windstille, und wenn ein Fächelwind, dann aus ungewöhnlicher Südrichtung. Das lockt den Eigner nach dem Frühstück in den Besanmast, die Gunst der stillen Stunden nutzen. Altes Radar abbauen. Alte Befestigungsteile abschrauben und reinigen. Phosphorsäurebäder, Drahtbürsten. Das neue Radar vorbereiten – glücklicherweise sind die Anschlüsse die gleichen. Nach dem Mango-Grapefruitsalat am Mittag das neue Radar hinaufhieven. Kabellänge im Mast anpassen – der stolze Eigner und Chef-Vorausdenker hat anno 2004 ein bisschen Kabellänge am Mastfuß auf Vorrat eingeplant, der uns heute gut zu Gesichte steht. Und dann: anschließen (Verpolung gerade so umschifft!). Fertig. Nun gut. Es dauert fast bis zum Sonnenuntergang, bis wir den Schalter umlegen können. Spannend! Mein Vater würde sagen: „… der Augenblick, wo der große Elefant sein Wasser lässt – Nichtschwimmer bitte auf die Galerie!“ Und?! Yess! Radar läuft. Ein Punkt weniger auf der neuesten To-Do-Liste (Abendunterhaltung in St. Lucia: „… was schreibst Du da? Ein Buch?“… Schweigen, Kritzeln… „Nein, die To-Do-Liste für Le Marin!“
Sieht aus, als ob wir noch ein paar Tage verbasteln werden. Ich werde gleich mal den neuen Lichtmaschinenregler abholen gehen. Damit der Eigner im Motorraum verschwinden kann. Aber immerhin: die Schüssel sitzt!