Zwei Ausflüge

English Harbour, 26.4.2018

Wie verdient man sich ein französisches Mittagessen?! Indem man versucht, ankerauf zu gehen und bemerkt, dass der Anker hängt. So geschehen im Norden von Guadeloupe. Alle suchen in der Bucht von Deshaies eine Mooring – wir auch, denn wir wollen AKKA für einen Landausflug allein lassen, und bei so viel Ankerei ringsum ist das Liegen an einer Mooring etwas übersichtlicher. Da kommt kein Vollpfosten gefahren und lässt seinen auf unseren Anker fallen oder Ähnliches. Am Montagmorgen sind  zwei Bojen frei. Wir dödeln  rum, da ist es nur noch eine – andere hatten die gleiche Idee. Schnell! Schnell! Was allerdings nicht schnell hochkommt, ist unser Anker. Nun gut – Rennen verloren, erst mal schauen. Badekleid, Schnorchelbrille. Herrje. Wir haben eine Uraltkette eingefangen – alle suchen eine Mooring, wir finden eine versteckte. Mittlerweile ist auch das zweite Objekt unserer Begierde schon besetzt, wir haben also Zeit. Manövrierübungen, Theoretisieren, Hilfsleine scheren, den Nachbarn beruhigen, dass wir gar nicht näher kommen können… Es hilft nix – „hol mal den Tiefschnorchler aus dem Vorschiff!“ Wassertiefe ca. 7 m, das heißt, mit 13 m Atemschlauchlänge wird es etwas knapp, denn der Kompressor steht maximal mittschiffs – der muss ja auch noch Elektroanschluss an die Batterien haben, und der ist im Achterschiff. Ein Riesengewurstel!  Runtertauchen, Druckausgleich und die Lage sondieren. Wieder rauf: „… ich brauche mehr Länge!“  Der Eigner tut, was er kann. Runter. Mittlerweile war AKKA fleißig, hat sich im Strom gedreht und schon 3 Lagen von der dicken, rostigen Kette aufgesammelt. Und „blubb!“ bleibt mir die Luft weg. Aufstieg. „… was war das denn jetzt?“ Manchmal schaltet der Eigner mir kurz die Luft ab, wenn er ein Zeichen geben will (à  la „es reicht, mach‘ Schluss“), aber heute war die Kabellänge so ausgereizt, dass die Kabelschuhe nachgaben. Auf ein Neues. Im dritten Versuch gelingt es mir, die dicke Kette von der Ankerfluke zu schaufeln. Ein bisschen Fluchen (unten)  und Geschrei (an der Wasseroberfläche) war dabei. Wir hatten im Internet kürzlich eine schöne Diskussion über Bordgeschrei und „…ein gutes Team weiß, was es zu tun hat…“ Gilt offensichtlich nicht für alle Situationen, obwohl wir ein gutes >Team sind, aber es hat dafür Unterhaltungswert für die umgebenden Boote, insbesondere wenn Deutsche in der Nähe sind  (bei dieser Gelegenheit hallo an die diskrete Alisea und danke, dass Ihr „nix gehört“ habt!).   Unterm Strich: AKKA lag wieder sicher vor Anker, ich war mit der Leistung  und meinem Ausflug nach „deep blue“ sehr zufrieden. Manöverkritik: nächstes Mal mit Bleigürtel, ohne treibt der Hintern auf und man arbeitet über Kopf! Der Eigner nicht minder zufrieden und das Belohnungsessen in Deshaies „AMER“ köstlich: Accras de Morue als Vorspeise, dann Magret de Canard und ein Duet von Thon à  la Polynesienne und Tartare de Thon. Überaus lecker.

Nach diesem Ausflug in Unterwasserwelten fand der richtige dann doch noch statt, wir hatten uns eine Busfahrt nach Pointe a Pitre ausgedacht. Morgens um 06:30 macht der Bäcker auf, also Café au lait und Croissant auf der Straße, danach „Bus ohne

Frühstück „auf der Straße“

Fahrplan“. Wir nehmen die erstbeste Navette nach Ste. Rose (auf Créole: Sin Wooz!), die kommt, der Fahrer findet uns doof, dass wir nicht auf den direkten Bus warten wollen. „Wann kommt der denn?“ … „…weiß ich nicht!“ Na, dann eben durch die Bergdörfer mit der Navette, ist ja auch interessant. Eltern mit Winzlingen auf dem Weg zur Impfung, Bürotanten, Schüler – der AKKAnaut als solcher hat immer was zu gucken, und der Anschluss in Ste. Rose passiert in kürzester Zeit. Ab hier wird’s flach und zuckrig – Zuckerrohr ist immer noch landwirtschaftliches Erzeugnis Nummer 1.  Bis zum Busbahnhof Bergevin dauert es 2 Stunden, so dass wir berechtigterweise zum 2. Frühstück in einer Metropolenbäckerei einfallen können (Obstsalat, gut, und Pain au Chocolat für den Eigner, Urteil: „… lieber nicht!“). Ziel für heute: Lokalkolorit – gutes Stichwort mit Betonung auf „Kolorit“, denn Pointe à  Pitre ist eine eindeutig kreolisch bestimmte Stadt, viel afrikanischer als Fort de France, finden wir. Viele StraßenhändlerInnen verkaufen Obst und Gemüse. Klamotten, Kosmetikartikel. Die Schuhmacher reihen sich mit Miniaturwerkstätten – 2 Orangenkisten, 1 Hocker – aneinander.  Vielleicht ist es auch nur das Viertel, dieser Fußweg von Bergevin zum Hafen, aber es kommt uns sehr afrikanisch vor.

Das Sklavereimuseum in Pointe à  Pitre

Am Hafen selbst unser eigentliches Ziel: das Mémorial ACTe. Von Weitem sieht man eine  beeindruckende, moderne Aluminiumfassade, in deren Richtung wir uns durch Fisch- und Gemüsemärkte schlängeln. Nach einiger Wartezeit – trop des elà¨ves, zu viele Schüler! – dürfen wir rein, und was gezeigt wird, macht ein mulmiges Gefühl: die Geschichte der Sklaverei und des modernen Rassismus. Es beginnt mit den Anfängen der Menschheit, weltweit, mit allen „Hochkulturen“, Babylon, China, die Griechen… und bewegt sich von dort in Richtung der Kolonien. Plantagenstrukturen – der anfängliche Tabakanbau lief noch mit bezahlten, weißen Arbeitern! – Wirtschaftsschwergewicht Zuckerrohranbau, der Beginn des Imports von afrikanischen Sklaven. Die natürlich – wie sollte es anders sein?! – unterstützende Rolle der Kirche, die auch noch einen widerlichen Unterschied zwischen den „edlen Wilden“, nämlich den Einwohnern der Inseln, und den Afrikanern macht. Sklavenhandel als Wirtschaftsfaktor, afrikanische Geschichte und der nachfolgende Rassismus. Es ist sehr eindrücklich gemacht, den Audioguide um den Hals gehängt werden wir durch die Geschichte geführt, von Videokasten zu Videokasten, von Exponat zu Exponat. Stellenweise wirklich grauenhaft, und so wie ich mich in Dunkerque im WW2-Museum als Mitverursacherin gefühlt haben, kann ich hier die zentrale Rolle der „herrlichen“ Europäer nicht abweisen, ich fühle mich plötzlich ziemlich „weiß“ inmitten von vielen schwarzen Schülern. Ein kleines geschichtliches Detail fällt mir gerade ein: der Wiener Kongress beschloss die Abschaffung des Sklavenhandels, nicht aber die der Sklavenhaltung. Ui. Die Ausstellung bewegt sich über Abschaffungsbewegungen, die schon Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Maroons begann – und über eine besonders grässlichen Schleife von Abschaffung durch die Französische Revolution zur Wiedereinrichtung der Sklavenhaltung durch Napoleon – zu Freiheitskämpfern und zum Rassismus des 20. und 21. Jahrhunderts.  Im letzten Raum ein Videoinstallation zur Sklavenhaltung im Jahr 2014 – Zehntausende (in Deutschland) bis vielen Millionen in Afrika, Asien, Russland. Haarsträubend. Aber der Trost ist nahe: die beiden Ausstellungsteile sind getrennt durch einen langen Gang. Betritt man ihn, beginnt im Kopfhörer Miriam Makeba „Pata Pata“ zu singen, von der Decke hängen großformatige Portraits von Widerstandskämpfern und Abolitionisten. Abraham Lincoln, Victor Schoelcher. Lumumba, Nelson „Tata“ Mandela. MalcolmX, und nicht zu vergessen Rosa Parks. Harriet Tubman und Malala Yousafzai. Es rührt mich, und es rührt mich besonders zu sehen, wie die französischen Lehrer ihre Schüler zum Abschluss durch diese Parade führen. Das macht Hoffnung! Unbedingt einen Wiederholungsbesuch wert.

Dominica

Durchhalten, lieber Baum! Oder: es wird schon…

àŽle à  Goyaves/Guadeloupe, 22.4.2018

Schlechtes Netz. Aber sowas von… Hatte ich kürzlich über das schlechte Netz in Dominica gemeckert?! Rein netzmäßig sollte man zurückfahren – da war es zwar mit Geduldsaufschlag, aber man konnte wenigstens das Telefon als Hotspot benutzen und gelegentlich mit dem Laptop surfen. Nix dergleichen in den àŽles des Saintes – nix da in Guadeloupe… .

Von St. Pierre sind es 55 Meilen nach Portsmouth auf Dominica – die Insel, die im letzten Jahr so brutal von Hurrikan Maria getroffen wurde, und so sieht sie auch immer noch aus: gerupft. Das sollte Reisende nicht davon abhalten, die Insel zu besuchen, im Gegenteil. Als wir vor 20 Jahren dort waren, galt die Bucht von Portsmouth als ein bisschen fragwürdig. Eigentlich hatte die ganze Insel einen „Ruf“, und wir erinnern uns heute noch gerne daran, dass dies die Karibikinsel mit Lehrstoff für uns Charterer war: Straßenhändler bietet die Lieferung von Früchten an. „Gib mal 5 EC$!“ Schön doof von uns, die ECs waren natürlich weg… Heute geht es in Portsmouth anders zu: ein überwältigendes, aber nicht aufdringliches Willkommen durch PAYS (Abkürzung für so etwas wie die Portsmouth Association for Yacht Services. Oder so ähnlich). Einige junge Männer haben sich zu einer Kooperative zusammengeschlossen, sammeln die Yachten im Norden der Bucht unter dem schönen Fort Shirley und verpassen ihnen Moorings. Hauptgeschäft ist allerdings die Vermittlung von Inseltouren, wobei es durchaus eine gewisse Konkurrenz gibt – man ruft eines der Mitglieder über Funk, und kriegt Antwort von einem anderen: „Albert, Albert for SV AKKA!“ Antwort: „Station calling Providence, come again!“ Ein Schelm, der „Kundenfang“ dabei denkt. Dennoch ist die Stimmung wirklich kooperativ, denn Interessentenüberschuss schiebt man sich gegenseitig zu – gemeinsames Anliegen: die Yachties zum Bleiben zu bewegen. Gut. Man kann zwar auch ankern, aber in diesem Fall geben wir das Geld wirklich gern: was nun, 7 Monate nach „Maria“ auf der Insel fehlt, sind nicht Altkleider oder Schulhefte, sondern „Business“, und die Ankündigung, dass wir mindestens eine Woche bleiben wollen, erzeugt ein zufriedenes Grinsen bei Eddison, der zum Kassieren kommt: „… und denk‘ an mich, wenn Ihr eine Tour machen wollt!“ Machen wir. Zwei Tage später ist es so weit. Guide Paul karrt uns über die geschundene Insel, erzählt uns Geschichten vom alten Zauberer, von Mangoernte und von Marie-Galante, dessen pfannkuchenflache Kontour man am Horizont erkennen kann und von wo französischen Wochenendtouristen herüberkommen. Geschichten von den letzten Cariben, die hier leben, in einem „Reservat“, aber immerhin mit zwei Parlamentssitzen ausgestattet. Oder von den reichen Familien, die noch immer das Sagen – und Verdienen! – haben auf der Insel, die aber auch der treibende Faktor sind, wenn es darum geht, sich nach Maria um Wiederaufbau zu bemühen. An vielen Ecken stehen kleine Snackbuden – und Paul kennt sie alle, grüßt und plaudert ein bisschen in die Runde, und wo er gerade nicht anhalten kann, winkt er papstmäßig aus dem Fenster; wir merken: der Mann ist eine Institution! „We’ve got to get this island running again!“ meint er und bezieht sich auf die 20.000 Menschen, die nach Maria das Weite gesucht haben, auf andere Karibikinseln (vermeintlich sicherere?!), England, Kanada. Dominica ähnelt in der Struktur St. Vincent – rauhe, wilde Natur, schroffe Berge, dabei wenig zusammenhängende, landwirtschaftliche Fläche. „Mangos? Mangos kauft man nicht – im Mai/Juni ist alles voll davon, man muss sie nur auflesen!“ Nicht ganz so in diesem Jahr – die Mangolese wird ein bisschen knapper ausfallen, aber sie wird stattfinden: was für das Gros des Grüns in den Bergen sorgt, sind die Mangobäume. Nicht mehr so ausladend und üppig wie sonst, aber sie treiben schneller als all die Harthölzer, die dazwischen stehen. Wenn man genau hinschaut, stehen bei den Laubbäumen fast ausschließlich die Stämme, alle Äste hat Maria abrasiert, das macht den bürstenartigen Anblick der Berge aus. „Maria took it!“ ist Standardsatz auf dieser Tour. Die Dächer, die Palmwedel. Die Vanillepflanzungen, die Kakaobäume – Chocolatier Alan verkauft uns Produktionsreste „pre Maria“, und während er auf neue Kakaokapseln an den Bäumen wartet, renoviert er sein Schoko-Haus. Pausenfüller, und, da er seinen Kakao selbst und „im eigenen Saft“ fermentiert, wird es bis zur nächsten, frischen Schokoladentafel noch etwas dauern. Wir mögen die Sorten Spice und Lemongrass und Mint. Alles – inklusive der Kräuter und Gewürze aus dem eigenen Garten, und der ist auch noch schön anzusehen.
Alan übt sich in Geduld. Und Paul, und die anderen, aber zum Jammern wäre keine Zeit – die nächste Sturmsaison steht vor der Tür, bis dahin sind noch einige Dächer zu decken, und nicht zuletzt einiges an Infrastruktur wieder herzustellen: als Maria kam, war man mit dem Aufräumen hinter Erica – „nur“ ein Tropensturm in 2015, aber einer, der verheerende Überschwemmungen brachte – noch nicht fertig, und so liegen diverse Brücken unbefahrbar in den Bachbetten. „Erica started and Maria did the rest…“ Zur Gelassenheit, die immer durchschimmert, kommt bei allen Erzählungen, dass es so etwas wie Maria noch nicht gegeben hat. Sehr plastisch berichtet uns das Anthony, der uns den Indian River hinaufschippert – vor 20 Jahren war dies eine Kanutour durch einen Tunnel aus Baumwipfeln, gerade breit genug, um zwei Kanus im Gegenverkehr aneinander vorbei hangeln zu lassen. In diesem Jahr – und für einige weitere – ein breiter Fluss, mal flach, mal mit tiefen Auswaschungen. Die Vogeldichte ist gering, ein paar Reiher suchen nach Krabben und ein paar Kolibris nach noch wenigen Blüten. Dass wir keine tropisches Dickicht mehr erwarten konnten, war uns klar – umso interessierter folgen wir Anthonys Maria-Bericht: wie um 2 Uhr am Nachmittag die Meldung kam, dass in der Nacht ein Hurrikan der Kategorie 1 die Insel treffen werde, und um 5 war es ein Kategorie 2. „Nothing special!“ Das gibt es fast jedes Jahr. Ein paar Latten gehen dabei drauf. Dann fällt die Dunkelheit, um 7 ist Maria zum Kategorie5-Monster angewachsen, und es ist ein direkter Hit. Noch eine Weile funktionieren Strom und Telefonnetz, dann sind alle auf sich gestellt. Anthony bekommt es mit der Angst zu tun, allein in seinem Haus mit dem kleinen Sohn – er traut sich hinaus und bringt das Kind zu einem Nachbarn mit einem sichereren Gebäude, gerade rechtzeitig. Dann fliegt alles durch die Luft, was man vorher für sturmfest gehalten hat. Als es hell wird, ist nichts mehr wie zuvor – aber, sagt Anthony, es war gut, dass es in der Nacht passierte. Alle Leute waren zu Hause, niemand hat mehr versucht, in der Dunkelheit um sein Leben zu rennen – am Tage wären viele Menschen von umherfliegenden Teilen erschlagen worden. Die meisten der Opfer sind in Wasser- und Schlammlawinen umgekommen, und es waren insgesamt „nur“ 36. Für ihn steht fest: Maria tagsüber – dann wären wir kein Tropenparadies mehr. Dann schenkt er mir zwei Gingerlilys und eine Heliconenblüte (die blühen heute noch!) und kehrt zur Zeit danach zurück: wie sie mit Hilfe von gestifteten Kettensägen – eine hatten wir in Trididad auf eine Yacht mit Hilfsgütern geladen – den Indian River freigemacht haben. Eine Mordsarbeit, wir sehen die Berge an Ästen und Stämmen, die sich zu beiden Seiten des Flusses türmen. Leute wie unser Busfahrer Paul oder der Archäologe Dr. Honychurch hatten sofort dafür geworben, die Mitmenschen auf „bleiben, wiederaufbauen“ auszurichten. Es scheint zu gelingen.
Wenn es mir gelingt, andere Segler auf „hinfahren“ auszurichten, wäre noch mehr gewonnen. Was soll man mitbringen?! Geld. Zeit. Energie, um mit in den Wald zu gehen und Wanderwege aufzuräumen. Lust auf Touren mit den Einheimischen. Und ein offenes Ohr für ihre Geschichten. Nicht zögern! Unbedingt hinfahren. Es ist nicht alles kaputt, es ist nicht unsicher, und allein wenn ich an unsere kleinen Wanderungen auf die Cabrits und das Fort Shirley denke, macht es sogar ausgesprochenen Spaß. Und die Dominicans brauchen uns.

Au revoir, Martinique

Unser schüchterner Vulkan. Mont Pélé

Saint Pierre, 9.4.2018

Ausklariert ham’s, die AKKAnauten. Das geht in Martinique grundsätzlich so einfach wie das Einklarieren, nämlich am Computer. Man muss sich nur durch das Leerformular kämpfen, das einem Deutschland nicht da in der Liste präsentiert, wo es nach französischer Sprachsitte stehen sollte, also unter A wie Allemagne, sondern unter D, wie Deutschland. Nur dass eben mitten in den Ds für Djibouti etc. „ALLEMAGNE“ steht. übrigens unter der Tschechischen Republik. Verwirrend. Aber nein, wirklich ein einfacher Klarierungsvorgang. Computer stehen schön über die Insel verteilt, in der Capitanerie in Le Marin und auch in der dortigen Tankstelle, also muss man sich nicht mal behördenordnungsgemäß verkleiden. Und in Saint Pierre ist es besonders nett, weil elsässisch-deutsch, da steht der Rechner beim Wirt des Alsace à  Kay, der auch Gourmet-Kaffeesorten, elsässisches Bier, wahlweise auch Getöpfertes zum Kauf anbietet und Andreas zu einem Eisbein mit Sauerkraut locken wollte. Ich hätte Letzterem glatt zugesprochen, denn leckeres Schwein ist leckeres Schwein (das hat schon Obelix so gehalten!), aber die Kruste der bayerischen Schweinshaxe ist des Eigners Himmelreich – das Eisbeingeschwabbel kann er nicht ab. Na, dann nicht! (Die letzte wirklich gute Schweinshaxe – hab ich bestimmt schon 5mal erwähnt – gab es in Lumut in Malaysia. Heimwehkranke deutsche und österreichische Ingenieure abseits der Halalwege…).
Morgen verlassen wir Frankreich für ein Weilchen – aber hinter Dominica lauert ja schon wieder Guadeloupe, insofern musste man/frau sich jetzt nicht bis zu den Grenzen der Wasserlinie mit westeuropäischen Spezialitäten eindecken (frau musste zugegebenermaßen im HyperU einen Vorrat an „Petit Marseillais“-Duschgel und -Shampoo besorgen. In Reunion war das Shampoo aus Neukaledonien alle, in Trinidad das aus Reunion. Notlage! Le Petit Marseillais hat als Logo einen kleinen Jungen, der ursprünglich nur auf Kernseifepackungen hockte, sich aber zum Markenzeichen einer „schicken“ Marke gemausert hat.)

St. Anne. Kirchplatz mit Fake-Platanen

Das war schon witzig hier in Martinique – es ist so unglaublich französisch. Südfranzösisch eher, dabei, wie in allen diesen kolonialen Ablegern, mit dem lokalen Flair gewürzt, und kreolisch gefällt uns Frankreich ganz gut. Tahitianisch war auch wunderbar. Neukaledonien – naja und La Réunion total normal französisch. Aber wo auch immer man ist, kann man lange gehegte Konsumwünsche erfüllen. Allen voran: QUARK! Mein erster Besorgungsgang in allen französischen Kolonien ist der „Fromage Blanc“.  Gute Würste: Merguez (Lamm), Créole (kreolisch-scharf), Persillade, Aux Herbes, Chipolata. Paté! Foie Gras haben wir gemieden… Aber die Butter! Ohne Tropenbeimischungen. Und der Käse erst… Beim Brot scheiden sich allerdings die Geister an Bord, der Eigner nimmt auch „Baguette“, die Schipperin steht mehr auf „Pain“ oder wenigstens Baguette de Santé – ein bisschen mehr Masse und Geschmack muss sein. So vergehen dann die Wochen, nun wisst Ihr’s!

His Majesty’s Ship Diamond Rock

Der Fort-De France-Bericht hatte ja die Anreise in die Anse Mitan unterschlagen, und damit ein kleines, ebenfalls erzählenswertes Stück Geschichte. Wir kamen am Rocher du Diamant vorbei, zu deutsch: Diamantfelsen. Erst im Englischen kriegt der Fels einen ganz besonders bedeutsamen Namen: Diamond Rock. Genau gesagt muss man in das Schiffsregister der britischen Royal Navy während der Kriege gegen Napoleon schauen und findet dort… Na was? „His Majesty’s Ship Diamond Rock“. Die Engländer hatten diesen kleinen Felsklotz, nicht einmal eine Meile vor der Küste und damit direkt vor der französischen Nase gelegen, zu einer Festung ausgebaut und ballerten um 1804 herum für eine ganze Weile auf alles, was sich zwischen St. Lucia und Martinique an Feindverkehr bewegte. HMS DIAMOND Rock war als richtiges Schiff klassifiziert, nämlich als 6-Kanonen-Sloop. Erst Villeneuve (das ist der, der, bei Bonaparte ohnehin in Ungnade gefallen, den Briten bei Trafalgar unterlag, aber versehentlich Nelson den Garaus machte. * ) konnte das Schiff „versenken“; ich weiß nicht, ob das war, bevor er die Engländer in ihrer Palmwedeltarnung in Marigot Bay übersah oder die sich den Scherz danach erlaubten. Geschichte, Geschichten…

Und am jetzigen Standort schon wieder „Geschichte“, aber aus einer ganz anderen Richtung. Saint Pierre ist weltbekannt, weil hier am Himmelfahrtstag (!) 1902 die Welt unterging: die Montagne Pélée (aka Mont Pelé, „Kahler Berg“) explodierte kurz vor Kirchgangszeit und 30.000 Menschen, die sich in Saint Pierre aufhielten, fanden einen sehr plötzlichen Tod. Wochenlang hatte der Berg rumort, und es hatten sich allerlei Ungereimtheiten ereignet: Tage zuvor war aus „unerfindlichen Gründen“ das unterseeische Telegraphiekabel nach Guadeloupe gerissen. Riviere Blanche, der Fluss, der am nördlichen Stadtrand in die See mündet, schwoll unerklärlich an, um ebenso unerklärlich vollkommen zu versiegen. Es gab Schlammlawinen und einen kleinen Tsunami. Es starben über 50 Leute durch Schlangenbisse – Schlangen, Feuerameisen und giftigen Hundertfüßlern war der Boden oben am Berg zu heiß geworden und kamen zuhauf ins Tal. Spätestens hier hätte man vielleicht reagieren können, denn wenn das Viehzeug seine Standorte verlässt, ist irgendwas im Busch, aber dem war nicht so. Der Gouverneur von Martinique schickte noch am Morgen des Ausbruchs eine beruhigende Depesche nach Paris, dass alles ruhig und unter Kontrolle sei. Stichwort Kontrolle. Mouttet, so hieß er, wollte unbedingt die Kontrolle. Saint Pierre war die reichste Stadt der Karibik, das kulturelle Zentrum der französischen Kolonien in der Karibik, und es war der Hauptumschlaghafen für die Reichtümer der Insel, drum lagen hier auch 12 Schiffe vor Anker, die auf Ladung warteten. Die GEschäfte konnte man nicht riskieren. Also bildete man ein Kommittee, das die Gefahr einschätzen sollte, die vom Vulkan ausging, der als mäßig aktiv bekannt und schon 1851 und nochmals in den 70ern ausgebrochen war. Wortführer war der naturwissenschaftliche Lehrer des Gymnasiums de Landes, und ob Mouttet den Lehrer beschnackt hat oder umgekehrt – es war „alles ruhig und unter Kontrolle“. Musste es ja, weil man es so wollte; möglicherweise auch, weil Wahlen anstanden und eine Evakuierung der aufmüpfig werdenden schwarzen Bevölkerung einen entscheidenden Vorteil geboten hätte. Ach, im Gegenteil – Leuten, die sich auf den umliegenden Gütern und in den Dörfern unsicher fühlten, wurden aufgenommen und nach Kräften beruhigt, und reichen Städtern, die nach Fort de France flohen, versuchte man, das zu verbieten bzw. ihnen die Rückkehr schmackhaft zu machen. Sehr merkwürdig, sehr tragisch. Klären lässt sich das alles nicht – die beiden Männer waren unter den 30.000 Opfern.

… was com Gefängnis übrig blieb…

Gegen 8 strömten noch immer Menschen Richtung Saint Pierre, teilweise aus Fort de France, denn man wollte am festlichen Himmelfahrtsgottesdienst teilnehmen. Anreisende auf den umliegenden Hügeln wurden so zu Augenzeugen, und es gab ein Schiff, dass dem Inferno entkam und berichten konnte: um kurz vor 8 tat sich die Bergflanke auf, mit einer extremen Explosion trat eine „plinianische Wolke“ aus und „fiel“, wie es ein Augenzeuge beschreibt, auf die Stadt. Die Temperatur in solchen Wolken beträgt bis zu 800 Grad – und da sie „fiel“ bzw. mit über 600 km/h raste, war schlicht kein Entkommen. Die Rum- und Zuckerlager übrigens taten ein Übriges, die Stadt brannte für Tage. Wir haben, was man an Ruinen hat stehen lassen, heute angeschaut. Keine Asche, keine Lava – nur dieser Feuerball hat ganze Arbeit geleistet. Es war übrigens nicht nur der bekannte Gefängnisinsasse, der das Unglück überlebte. Louis Auguste Cyparis war nur schlau genug, sich vom Zirkus Barum als Kuriosität ausstellen zu lassen und so zu Berühmtheit zu gelangen, aber mindestens ein Schuhmacher kam ebenfalls davon, und eine junge Frau, die ein Ruderboot in eine Höhle rudern konnte.
Heute wüsste man es besser – Tage zuvor hatte man die Entwicklung eines Lavadoms beobachtet, und das ist ein untrüglicher Vorbote für eine solche Explosion. Obwohl… ein italienischer Kapitän soll sich in den Tagen vor dem Ausbruch  – trotz Androhung von Disziplinar- und Zollstrafen! – vom Ort des drohenden Geschehens entfernt haben, Zitat: „… wenn der Vesuv so aussähe wie Euer Berg hier, würde Neapel fliehen.“ Ob’s stimmt? Viel wusste man zu dieser Zeit noch nicht über Vulkanismus, aber er sprach aus eigener Erfahrung.
Die Montagne Pelée hat noch weiter gewütet, und ein paar Wochen später Morne Rouge und zwei weitere Dörfer zerstört, dieses Mal zu atlantischen Seite hin, was nochmals über tausend Menschen das Leben kostete.

Grün, lauschig, harmlos. Das neue St. Pierre

Und nun?! Schön ist es hier (wenn man mal von Quallen und Nesselfäden im Wasser absieht), man kann auch nach den im Hafen gesunkenen Schiffen tauchen. Ein schöner Ankerplatz vor der Stadt, oben drüber unser schüchterner Vulkan mit dem satt grünen Kleid und der schief sitzenden Wolkenmütze. Schläft. Oder ist inaktiv?! Nach einer Pause hatte er 1929 nochmals einen Anfall und seit 1932 schweigt er vor sich hin – aber er wird als „unberechenbar“ geführt. Na dann. Wir fahren mal weiter. In Dominica baden die Touristen in heißen Quellen. Ein bisschen weiter nördlich schmaucht der Soufriére auf Montserrat vor sich hin. Dies ist keine besonders stille Zone unserer Erdkruste …

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* Nächste Geschichte, die ich aber jetzt nicht erzähle: „Tapping the Admiral“  – wie Nelsons Leiche in Brandy eingelegt wurde. Googlen!

Geschichte(n)

Kleines Vorwort:  schon wieder hat mich die Ungeduld erfasst – dieser Beitrag ist schon per Satellit unterwegs, aber er kommt und kommt nicht an, also nochmals „von Hand“.

Anse Mitan, 5.4.2018

Man müsste Geschichte studiert haben. Oder wenigsten einen größeren Arbeitsspeicher im Kopf?! Dieses Hin- und Her! Wer hat hier wen und wann besiegt, wer hat wem welche Insel abgejagt? Ich versuche mich gerade durch die Wirrungen karibischer Kolonialgeschichte zu arbeiten, all das übrigens ohne ausreichenden Internetanschluss (danke, WikiTaxi!); der Eigner muss Tagesgeschehen absurfen, das ist auch wichtig, ich kriege es dann aus zweiter Hand.
Gestern gab es einen Tagesbesuch drüben in Fort de France. Erst musste ich mich mit einem Markthändler anlegen – ich wollte nur wissen, ob „Bois d’Inde“ das gleiche ist wie unser Piment, englisch: Allspice, musste aber sehr lang auf Gesprächsbereitschaft warten, der Typ quatschte unablässig mit der Markt-Informationstante; ja-ja, es hat mich ungeduldig gemacht. Ich habe das Beutelchen unwirsch zurück auf den Haufen geschnackt, da kam die Quittung. Kurzfassung: „putain!“. Nutte… Toller Auftritt.

Fort Saint Louis, Fort de France. EIn Klotz am Strand

Zur Entschädigung gab es eine Führung von Luic durch die alte Festung Fort Saint Louis, sehr gesittet, sehr informativ. Ziemlich französisch leider, und ich habe fast den Eindruck, dass meine in St. Laurent du Maronis als „schwierig“ beklagte Führung durch das Bagne einfacher war, rein sprachlich. Einen Vorteil haben solche Sprachlücken allerdings – man versucht, sich im Nachhinein einzulesen.
Das Fort ist tatsächlich beeindruckend; klar gibt es dickere, höhere – aber was man im 17. Jahrhundert alles auf die Beine, in diesem Fall auf den Strand gestellt hat, ist bewunderungswürdig. Kasematten, Pulverhäuser, Zugbrücken, unerklimmbar steile Mauern. Noch heute sitzt die französischen Marine hier und nutzt den schönen Sitz über der Bucht.

Es waren nicht nur die Briten und die Franzosen, die hier versucht haben, sich gegenseitig Land abzujagen, insbesondere waren auch die Niederländer in ihrem „Goldenen Zeitalter“ aktiv. Die Motivation für 3 Niederländisch-Englische Kriege mutet ein bisschen „trumpy“ an: „… was kümmert uns der eine oder andere Grund? Wir möchten ein Stück mehr von dem Handel, den die Holländer haben!“ Duh, wie der Amerikaner sagt. Harte Zeiten.

Das ehrenwerte Fort Saint Louis hat den Holländern und ihrem Admiral de Ruyter jedenfalls eine merkwürdige Niederlage eingebracht. Eigentlich waren die Holländer überlegen, es war auch schon alles kaputt, was kaputt gehen konnte, die Franzosen – im 3. „Dutch War“ hatten sich die Engländer mit den Franzosen zusammengetan! – hatten bereits begonnen, ihre eigenen Einrichtungen zur Barrikade zu machen, aber man weigerte sich schlicht aufzugeben. Nach drei Tagen, als das Verteidigungsgeballer der Franzosen dank Munitionsmangel schon erloschen war, gab es die Überraschung: der Kampfesmut der Holländer ließ plötzlich nach. Angeblich von der unangenehmen Seereise – gegen den Passat von Brasilien kommend – mit Seekrankheit und Skorbut geschlagen, zog Herr de Ruyter ab. Vive la France!

Die erwähnte Kooperation zwischen Briten und Franzmännern hat allerdings nicht lange angehalten: Fort Saint Louis ist zum Meer hin wunderbar geschützt, eine echte Bastion. Was also, wenn man sich von hinten anschleicht? Haben sie gemacht, die Engländer, und hatten Erfolg – so wurde aus Fort Saint Louis „Fort Edward“, zu Ehren Admiral Vernons. Aber nur kurz… und hin, und her, und wieder hin, wie es hier in den Antillen über Jahrhunderte gegangen ist. Das Gegenbeispiel mit umgekehrten Rollen liefert St. Georges/Grenada. Die Briten starren auf See, Franzosen kommen vom Inland. Überraschung! Es versteht sich von selbst, dass man in Fort de France 2 weitere Forts auf den Höhen über der Stadt gebaut hat. Ein Fort braucht zum Schutz eben ein Fort. Oder zwei.

Und was war so wichtig an diesem und den anderen Inselchen?! Richtig! Der Zucker. Vor allem die Marine musste mit Rum versorgt werden, ein bisschen Tabak und Baumwolle fiel nebenbei ab. O.a. Admiral Vernon hat übrigens dafür gesorgt, dass der starke, karibische Rum ab 1740 mit heißem Wasser verdünnt wurde – ich kann es mir so recht vorstellen, wie die trunkenen Seeleute nach ihrem „tot of rum“ sehr fröhlich in die Seeschlacht zogen – möglicherweise auch in die Schlacht mit den eigenen Beinen. Also: Grog ist dünner, also besser als Rum, so viel steht fest. Die Sitte der täglichen Rumzuteilung wurde übrigens bei den Briten erst 1970 (neunzehnhundertsiebzig!) aufgegeben, existiert aber als Ausnahmeerscheinung weiterhin, die Queen muss nur sagen: „Splice the mainbrace!“, dann geht es los. Hicks! Zum Spleißen der ekelhaft dicken Brassen bedurfte es auf alten Rahseglern zusätzlicher Motivation, drum: Rum. (Die Kanadier halten die Sitte mit dem Befehl „Up Spirits!“ hoch. Nicht weniger „hicks“.)

Wir haben keine Rahen zu brassen, also keine Brassen zu spleißen und halten uns daher fern vom Rum. Wir werden dieser Tage dann ein Inselchen weiter nach Norden und der alleraktuellsten Geschichte auf den Leib rücken: das von Hurrikan Maria geschundene Dominika steht auf dem Plan.
Bis dann!

Happy Easter!

… und Joyeuses Pà¢ques und frohe Ostern! Gestern abend ist unser Internetabo ausgelaufen und das WIRD JETZT NICHT ERNEUERT, sonst hängen wir nächste Woche noch hier. Ostereier gab es, abgesehen vom Frühstücksei, nicht, wir wärmen die vom letzten Jahr auf: die waren vom Eigner handbemalt, vielleicht suche ich noch einmal ein Bild heraus… Wun.der.schön!  Hier sind sie, im Nachgang:

Guyana-Ostereier!

Mal gucken, ob wir das mit der Weiterreise hinkriegen – wir haben diverse Optionen: St. Anne (ca. 1 Meile). Anse d’Arlet (15 – in Worten: fünfzehn! – Meilen) oder den ganz großen Schlag nach Fort de France. 20 unglaubliche Meilen… – wofür es aber heute schon zu spät ist, ich denke es bleibt bei St. Anne. Wenn wir allerdings dort das Internetabo wieder auffrischen – wer weiß, wer weiß, wann es weitergeht. Kleiner Scherz. Leider tut es die Digicel-Karte nicht, die ich eigens erworben habe – dabei hatte Digicel Grenada bis St. Lucia ihren Dienst treulich getan. Es ist auf nix Verlass. Also raus mit den Osterwünschen – per Satellit. Hoffentlich kollidiert Tiangong nicht mit der Mail!
Bis bald und habt einen schönen Feiertag!