Geschichte(n)

Kleines Vorwort:  schon wieder hat mich die Ungeduld erfasst – dieser Beitrag ist schon per Satellit unterwegs, aber er kommt und kommt nicht an, also nochmals „von Hand“.

Anse Mitan, 5.4.2018

Man müsste Geschichte studiert haben. Oder wenigsten einen größeren Arbeitsspeicher im Kopf?! Dieses Hin- und Her! Wer hat hier wen und wann besiegt, wer hat wem welche Insel abgejagt? Ich versuche mich gerade durch die Wirrungen karibischer Kolonialgeschichte zu arbeiten, all das übrigens ohne ausreichenden Internetanschluss (danke, WikiTaxi!); der Eigner muss Tagesgeschehen absurfen, das ist auch wichtig, ich kriege es dann aus zweiter Hand.
Gestern gab es einen Tagesbesuch drüben in Fort de France. Erst musste ich mich mit einem Markthändler anlegen – ich wollte nur wissen, ob „Bois d’Inde“ das gleiche ist wie unser Piment, englisch: Allspice, musste aber sehr lang auf Gesprächsbereitschaft warten, der Typ quatschte unablässig mit der Markt-Informationstante; ja-ja, es hat mich ungeduldig gemacht. Ich habe das Beutelchen unwirsch zurück auf den Haufen geschnackt, da kam die Quittung. Kurzfassung: „putain!“. Nutte… Toller Auftritt.

Fort Saint Louis, Fort de France. EIn Klotz am Strand

Zur Entschädigung gab es eine Führung von Luic durch die alte Festung Fort Saint Louis, sehr gesittet, sehr informativ. Ziemlich französisch leider, und ich habe fast den Eindruck, dass meine in St. Laurent du Maronis als „schwierig“ beklagte Führung durch das Bagne einfacher war, rein sprachlich. Einen Vorteil haben solche Sprachlücken allerdings – man versucht, sich im Nachhinein einzulesen.
Das Fort ist tatsächlich beeindruckend; klar gibt es dickere, höhere – aber was man im 17. Jahrhundert alles auf die Beine, in diesem Fall auf den Strand gestellt hat, ist bewunderungswürdig. Kasematten, Pulverhäuser, Zugbrücken, unerklimmbar steile Mauern. Noch heute sitzt die französischen Marine hier und nutzt den schönen Sitz über der Bucht.

Es waren nicht nur die Briten und die Franzosen, die hier versucht haben, sich gegenseitig Land abzujagen, insbesondere waren auch die Niederländer in ihrem „Goldenen Zeitalter“ aktiv. Die Motivation für 3 Niederländisch-Englische Kriege mutet ein bisschen „trumpy“ an: „… was kümmert uns der eine oder andere Grund? Wir möchten ein Stück mehr von dem Handel, den die Holländer haben!“ Duh, wie der Amerikaner sagt. Harte Zeiten.

Das ehrenwerte Fort Saint Louis hat den Holländern und ihrem Admiral de Ruyter jedenfalls eine merkwürdige Niederlage eingebracht. Eigentlich waren die Holländer überlegen, es war auch schon alles kaputt, was kaputt gehen konnte, die Franzosen – im 3. „Dutch War“ hatten sich die Engländer mit den Franzosen zusammengetan! – hatten bereits begonnen, ihre eigenen Einrichtungen zur Barrikade zu machen, aber man weigerte sich schlicht aufzugeben. Nach drei Tagen, als das Verteidigungsgeballer der Franzosen dank Munitionsmangel schon erloschen war, gab es die Überraschung: der Kampfesmut der Holländer ließ plötzlich nach. Angeblich von der unangenehmen Seereise – gegen den Passat von Brasilien kommend – mit Seekrankheit und Skorbut geschlagen, zog Herr de Ruyter ab. Vive la France!

Die erwähnte Kooperation zwischen Briten und Franzmännern hat allerdings nicht lange angehalten: Fort Saint Louis ist zum Meer hin wunderbar geschützt, eine echte Bastion. Was also, wenn man sich von hinten anschleicht? Haben sie gemacht, die Engländer, und hatten Erfolg – so wurde aus Fort Saint Louis „Fort Edward“, zu Ehren Admiral Vernons. Aber nur kurz… und hin, und her, und wieder hin, wie es hier in den Antillen über Jahrhunderte gegangen ist. Das Gegenbeispiel mit umgekehrten Rollen liefert St. Georges/Grenada. Die Briten starren auf See, Franzosen kommen vom Inland. Überraschung! Es versteht sich von selbst, dass man in Fort de France 2 weitere Forts auf den Höhen über der Stadt gebaut hat. Ein Fort braucht zum Schutz eben ein Fort. Oder zwei.

Und was war so wichtig an diesem und den anderen Inselchen?! Richtig! Der Zucker. Vor allem die Marine musste mit Rum versorgt werden, ein bisschen Tabak und Baumwolle fiel nebenbei ab. O.a. Admiral Vernon hat übrigens dafür gesorgt, dass der starke, karibische Rum ab 1740 mit heißem Wasser verdünnt wurde – ich kann es mir so recht vorstellen, wie die trunkenen Seeleute nach ihrem „tot of rum“ sehr fröhlich in die Seeschlacht zogen – möglicherweise auch in die Schlacht mit den eigenen Beinen. Also: Grog ist dünner, also besser als Rum, so viel steht fest. Die Sitte der täglichen Rumzuteilung wurde übrigens bei den Briten erst 1970 (neunzehnhundertsiebzig!) aufgegeben, existiert aber als Ausnahmeerscheinung weiterhin, die Queen muss nur sagen: „Splice the mainbrace!“, dann geht es los. Hicks! Zum Spleißen der ekelhaft dicken Brassen bedurfte es auf alten Rahseglern zusätzlicher Motivation, drum: Rum. (Die Kanadier halten die Sitte mit dem Befehl „Up Spirits!“ hoch. Nicht weniger „hicks“.)

Wir haben keine Rahen zu brassen, also keine Brassen zu spleißen und halten uns daher fern vom Rum. Wir werden dieser Tage dann ein Inselchen weiter nach Norden und der alleraktuellsten Geschichte auf den Leib rücken: das von Hurrikan Maria geschundene Dominika steht auf dem Plan.
Bis dann!

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