Hardstand Blues

So schaut das bei längerer Liegezeit aus

Chaguaramas, 10.7.2018

„Nee, nee“ sagt der Bruder, nachdem ich angekündigt hatte, bis zum November den Blog ruhen zu lassen. O.k., dann Sparflamme.

Was gibt es zu erzählen? AKKA war am 14. Juni in Union Island losgeeiert, mittelprächtige Winde, mal mit, mal ohne Schiebestrom, will sagen, mal mit, mal ohne riesige Abdrift –  hier treibt der Nordäquatorialstrom seine Spielchen, und das ist auf der Strecke nach Trinidad deswegen wichtig, weil man ungern durch die Gasfelder fährt, die vielleicht 30 Seemeilen nördlich der Einfahrt nach Port of Spain bzw. Chagauaramas liegen. Nicht der Gasfelder selbst wegen, obwohl dort natürlich auch ziemlicher Berufsverkehr herrscht, sondern vor allem, weil es ein Versteck für böse Buben sein soll; ich hatte das ja auf der Hinreise schon beschrieben. Mittlerweile hatten wir viele Begegnungen mit anderen Seglern, ganz real oder virtuell, die immer wieder auf diesen Fakt abhoben, von „wie segelt man sicher nach Trinidad?“ und „… waaas, Ihr geht nach Trinidad!“ oder ganz praktisch: „segelt Ihr beleuchtet?“ oder  „Trinidad kann man nicht anlaufen“ bis hin zu „dauernd Piraterieattacken“; kurz: das Thema hatte sich bei uns zum Aufreger entwickelt. Ja, natürlich verunsichert einen das („das“ ist ein Vorfall im Dezember 2015),  und wir fahren auch nicht umsonst den Achtungsbogen nach Osten – im Gegensatz zu diversen Routiniers aus Chaguaramas, die eher „100mal gefahren und nix passiert“ sagen. Fast jeder Blogbeitrag von Gastseglern, die hier liegen, hat den Hinweis auf die Gefährlichkeit der Strecke, manche klingen hochdramatisch, geradezu paranoid, und wir sind mittlerweile der Meinung, dass diese Paranoia ausschließlich hausgemacht ist. Wir müssen einfach aufhören „Piraterie“ zu schwatzen; wer mag, kann einen float plan bei der TT Coast Guard einreichen, was wir dieses Mal sogar getan haben, oder kann mit Freunden im „buddy boat“-Paket fahren. Ansonsten: Aufhören mit dem Geschwätz! Spricht’s, die AKKAnautin und plant die Ostkurve für den kommenden Herbst.
Von Union aus läuft man schnurgerade nach Süden, in nettem Abstand zu Hibiscus und Poinsettia, den Gasfeldern. Über den Äther hören wir Funkgespräche unserer Kollegen Exbury und Menuet mit dem Querverkehr, allein sind wir also nicht. Im Morgengrauen laufen wir auf die Boca del Mono zu, drehen eine Ehrenrunde vor dem Zolldock und greifen uns eine Boje im Ankerfeld – nicht nur, dass das Customs Dock voll ist, nämlich mit Exbury und Menuet, die waren schneller, sondern der Ponton ist kaum zu nutzen, weil meterhoch aus dem Wasser ragend, und das liegt am Feiertag. Einem besonderen, neumondgesteuerten: Eid al Fitr ist Neumond, und deswegen ist kein Ramadanende auf dieser Welt ohne Springtide. Und kein Feiertag in Trinidad ist ohne Überstundengebühren für Zoll und Immigration. Aber weil Feiertag ist, machen sich die Einklarierungsgänge schnell, leicht und fröhlich, Immigration gibt uns sogar die maiximalen 6 Monate,  und ein Blick auf die Wetterkarte mit einer ganzen Reihe anrückender Tropical Waves sagt, dass der Abfahrttermin jeden Dollar Overtimegebühr wert war. So beziehen wir unser Sommerquartier. Nach 5 Tagen –  eine der Tropical Waves macht Anstalten, ein Wirbelsturm zu werden! –  setzt uns Michael strahlend an unserem alten Platz am Zaun ab. „Gefällt Euch doch hier, oder?!“ Klar. Schöner wär’s auf dem Wasser, aber das verraten wir nicht.
Der Eigner läuft zur Internetrecherchenhochform auf, der Wartungsbetrieb läuft an. Die Windsteueranlage hat ein bisschen Spiel – lokalisieren, Werte übermitteln und Ersatzteile ordern. Sollen wir die Welle ziehen? Fachkundige Wellenrüttler sagen unisono: „… da haben wir aber schon mehr Spiel gesehen!“ Thema vertagt, dafür wird dem Motor ein neuer Satz Einspritzdüsen spendiert. Segel abschlagen und zur Reparatur bringen. Der Rumpf wird angeschliffen und neues Coppercoat bestellt. All das unterbrochen von täglichen, reichlichen Regen- und Wärmepausen; gut Ding will hier sehr viel Weile haben.

Bisschen Kanten, bisschen Hebeln: das Bugstrahlruder

Der Salon sieht aus wie Schlachtfeld, weil das Vorschiff leergeräumt ist  – die Batterien für Ankerwinde und Bugstrahlruder sollen ersetzt werden. Außerdem hatte das Bugstrahlruder selbst vor Monaten den Dienst quittiert, bzw.  wir hatten ihm wegen äußerst unangenehmer, metallischer Mahlgeräusche die weitere Mitarbeit verweigert. Es geht zwar ohne, aber repariert werden sollte es dennoch. Testanordnungen verschiedener Art werden probiert. Propellerdrehen von Hand: Stille. Mit Motorantrieb:  „KKKrrrrrr“. Getriebe abgekoppelt: „KKKrrrrrr!“. Also ist es der Motor. Und jetzt? Daraus ergibt eine Anekdote: die Räumlichkeiten im Vorschiff sind etwas beschränkt, und schon bei den vorbereitenden Untersuchungen hatte des Eigners Rücken gemuckt.  Wie kriegen wir bloß den fetten 10 PS-Motor aus dem engen Loch? Wurschtel, wurschtel, abschrauben, kippen – irgendwie ist kein Platz für 4 Hände. „Ach, Mist, ich hole jetzt einen starken Mann!“, spricht der Baustellenleiter und verschwindet. Derweilen bastele ich aus Gurtbändern und einer Talje eine Hebevorrichtung. Ich bin grottenstolz, als Andreas mit Krendol anmarschiert. Aus dem Cockpit rufe ich runter: „… ich habe da eine Talje ange…“ und bin noch nicht fertig, da jumpt Krendol mit dem gelben 10 PS-Monster in der Linken an mir vorbei. „…der hat den einfach so rausgehoben!“, staunt der Eigner. Oh, je. Jugend hebt!

Krendols Werkstatt

Krendol ist übrigens des Eigners Lieblingswerkstatt, ein wunderbares Chaos mit wenig Arbeitsfläche, dafür umso mehr reparaturbedürftigen Aggregaten unterschiedlichen Alters (und einem ewig smartphonenden Mitarbeiter im Hintergrund). Krendol hatte eilends unseren Bugstrahler auseinandergebaut, was allerdings nicht in des Eigners Sinne war – wir wollten ihm gern das Geräusch vorführen.

Der Maler im Vorschiff.

Also wieder zusammenbauen… der geduldige Krendol macht alles, wobei Andreas leichtes Bauchkneifen hat, so wie die Teile dort einzeln verstreut umherliegen – ob der Motor jemals wieder komplett wird? Dann der Tag des Tests. Kurze Zeit später kommt ein etwas konsternierter Eigner an Bord geklettert: „… läuft wie geschmiert, der Motor! Keine Geräusche mehr!“ Nee, das kann nicht sein, oder? Auseinanderbauen+Zusammensetzen=Wunderheilung. Das nehmen wir immer wieder gern!
Ob ich meine Nähwerkstatt doch wieder draußen auf dem Vorschiff aufbaue? Das mit dem Vorschiff und dem Salon kann noch dauern…