Tintenfleck

.. und andere schöne Geschichten.

Prickley Bay/Grenada, 17.12.2018
Jawoll – AKKA hat sich bewegt, wer hätte es gedacht. Und das war gar nicht so einfach! Dass der erste Splashtermin ins Wasser gefallen war – bzw. eben nicht – ist ja bekannt. Am Montag, dem Ersatztermin, verschwindet der Eigner am späten Vormittag, um noch letzte Verabredungen zu treffen oder einen der Handwerker zu bezahlen – und kommt nicht wieder. Währenddessen macht die Schipperin die Leinen für das Zuwassermanöver fertig, die Fender vorbereiten, also Dinge, die man nicht wirklich braucht, aber sicher ist besser. Ich stehe an der Mittelklampe und fummele den Tampen zurecht, da kommt Freund Ian vorbeigetrabt, gute Gelegenheit noch schnell „tschüss“ zu rufen, und „we are going to splash now!“. Nee, sagt der trocken, das glaube ich nicht. Morgen. Vielleicht. Was ist los? „Och“ [Ian ist Süadfrikaner!] „Susies boat…“ Susie und ihre Spirited Lady sorgen für einen Verkehrsstau am Travellift. Der Eigner hatte sich das Drama angeschaut, das darin resultiert, dass Michael die Hände entnervt in die Luft wirft: „… can we splash you tomorrow?!“ Klaro, wir haben ja ZEIT. So war es dann auch, alles easy. Spannende Fahrt, es liegt ein Mast im Weg und auch sonst muss so ein Michael an diversen Engstellen vorbeikurven, ich stehe auf dem Vorschiff und mag gar nicht hingucken. Es geht um Zentimeter – in den Wochen zuvor hatte man unsere Nachbarboote teils mit dem Hubwagen aus den engen Parklücken holen müssen. Hohe Travelliftkunst, zumal ja auch noch ein scharfer Zacken ums Bürohaus zu schlagen ist. Coole Socke, der Mann. Und dann: splash! Motor läuft, alle Ventile dicht, wir verholen uns an eine der Moorings. Es ist so schön, wieder zu schaukeln – die Lärmkulisse ändert sich auch radikal: vorher tagsüber Straßenlärm, bis die Papageien zum Sonnenuntergang den Feierabend einkreischen, danach – ziemliche – Stille. Jetzt Dauergewummer von der Ölversorgerpier, wenn eines der Großschiffe dort liegt, aber trotzdem um ein Vielfaches netter. Wenn man mal von Dieselpfützen absieht, eine immer wiederkehrende Sauerei, auch wenn man schon dankbar ist, dass nicht, wie im Vorjahr, das Rohöl schwappt. Wir planen das Wochenende für die Abreise, denn am Sonntag laufen die Visa aus, am 16…
Einkaufstour und Kleinkram stehen noch an, zum Beispiel haben ich bei der Deckreinigung die Stütze vom Klofenster gebrochen, das soll noch repariert werden – der Eigner schwärmt aus. Und schwärmt und schwärmt, hin und zurück, denn die Reparatur schreitet nur Trini-mäßig voran. So kommt der Freitag – ach, was, wir fahren los. Immigration. Es ist das Ankunftsdatum auszufüllen – schnell im Pass nachschauen. Es ist der 15. Juni, und das wiederum, ups, heißt, dass das Visum nicht am 16., sondern am 14. Dezember ausläuft. Heute. Wir haben versehentlich eine Punktlandung hingelegt, und bei Overstaying verstehen die Trinis wenig Spaß. Beim Zoll muss nun gemogelt werden, Abreise um 15:00 wird definitiv nicht stattfinden, rein wetter- und navigationstaktisch (will sagen: die Kurve um die finsteren alten Gasfelder), all das spricht mehr für den Folgetag, und wir wollen ja auch noch den Fensteraufsteller zurück haben. Was nicht klappen soll. Dafür bereiten wir uns eine erste richtige Premiere: bei gutem ablandigem Wind stellen wir fest, dass wir keinen Ersatzsprit im Dinghy haben, und der Tank vom Minimotor ist… leer. Die vielen vergeblichen Fahrten zum Dreher haben wir gar nicht gezählt. Glücklicherweise pickt uns ein Fischer auf, der uns einen langen Landgang zur Tankstelle erspart (er vertankt die 20 TT, die er dafür einheimst, gleich, so sind die Eigentumsverhältnisse!) Der Rest ist einfach: Abreise am Samstag um 12 Uhr, 5 Stunden mit dem Motor voll gegenan bolzen, dann auf Kurs und sehr hoch am Wind motorsegeln, was der Schipperin nicht so gefällt. Bremsen, beschleunigen, krach, bumm. Örrgs!  Im Schiff ist angesichts des raschen Aufbruchs auch noch nicht alles auf „rappelfest“. Die Piraterieparanoia, die wir gern für uns ablehnen, bekommt Futter, weil in der Dunkelheit ein Fischer (?!) auf Minimalabstand an uns vorbeiflitzt, was die angeschlagene Schipperin glücklicherweise verschläft – immerhin blitzt der „böse Bube“ rot und blau, und wer blitzt wird nicht wirklich böse gewesen sein, aber es gibt einem zu denken.
Im Morgengrauen, wir sehen schon die Lichter von Grenada, haben wir doch noch Besuch. Im Cockpit. Es war ein bisschen ruppig und warum ein Tintenfisch auf Höhenflug unbedingt bei uns einsteigen wollte, ist uns nicht eingängig – ihm selbst wohl auch nicht. Als wir ihn entdecken, ist hinterm Steuerrad alles sepiabraun, aber in unserem trockenen Cockpit kann Oktopus seinen Jetvortrieb einsetzen und Tinte verspritzen, wie er will, es geht einfach nicht voran. Ist ihm auch nicht gut bekommen – mal wieder eine Seebestattung. und ein Tintenfleck im Cockpit.

Und ja! Hurra! Wir liegen vor Anker im Badewasser. Und haben kein Internet – darum vorweihnachtliche Grüße via Satellit. Aus Grenada. Ich geh‘ mal Tinte schrubben. —