Zwischen Bonaire und Curacao

Klein-Curacao, 4.2.2019
Wir haben es nett – nach 12 Tagen Staub (und was für welcher!) und gemäßigtem Autoverkehr auf Kralendijks Uferstraße samt testosterongeschwängerten Motorradfahrern (Wheelies und viel sinnfreies „wroom-wroom“) heute nur das Dauerbrausen des Passatwindes vor dem Strand von Klein-Curacao (denkt Euch das Cedille…), sanftes Geschaukel dazu. Perfekt. Mit uns liegen hier ein amerikanischer Kat mit „Chris & Chris“ und ein Taiwan-Clipper aus Kanada. Chris, der Eigner, hat das Boot in Aruba gekauft und ist auf Übungstour und hat dazu Chris, den Segel-Newbie aus dem vereisten Mittleren Westen eingeladen, entsprechend hölzern sah ihr Ankervorgang aus. Der Taiwan-Clipper versorgte uns zum Sonnenuntergang nochmals mit Hafenkino durch angestrengtes Mooringfischen, aber was reden wir Un-Segler über andere: auch 12 Jahre unterwegs machen nicht jedes Manöver perfekt. Es ist fast ein Jahrzehnt her, dass wir hier gelegen haben; damals wie heute schwingt die Frage mit, ob wir das eigentlich s o uneinklariert dürfen. Aber schön ist es schon. Im Moment trommelt Regen aufs Cockpitdach, also fällt der geplante Strandbesuch ins Wasser. Ausreichend abgeschieden ist es, daher frönen wir statt der Internetsucht, die mittlerweile wirklich Formen annimmt, dem „Weather-on-Demand“-Rätseln per Satellit. Frage: wann geht es weiter nach Jamaica?! Wir bestellen: sanfte Wellen, dazu Wind möglichst halb oder gar leicht achterlich, bitte sehr. Vordringlicher allerdings die Frage, was der Coast Guard-Hubschrauber gerade über uns wollte. Der wird uns doch keinen Kollegen mit einem Strafzettel schicken? Meine Behörden-Paranoia…
Der Besuch auf Bonaire war eine gemischte Wundertüte. Sehr erfreulich, Rosi und Bernd (Hannoveraner Sparkassler) wiederzusehen, die dort zu überwintern pflegen und uns mit Kaffee, Kuchen, Inseltouren und Sundowner versorgen. Noch mehr Kaffee und Internet gibt es im Eiscafé Luciano (sowas von gut!), dazu halten wir eine Pazifikberatung für noch zögerliche Co-Segler, was immer auf „unbedingt machen“-Monologe von meiner Seite hinausläuft. À propos Versorgung… den Supermarkt Cultimara, in dem wir uns anno 09 nach langen Wochen in Venezuela auf „Almhof Raamjoghurt med Aardbeien“ gestürzt hatten, gibt es nicht mehr, dafür aber „van den Tweel“ und „Warehouse“ und diverse andere, und damit alles, was das zugewanderte Herz begehrt. Und noch viel, viel mehr. Das beschauliche Bonaire hat sich verändert. Kralendijk wächst wie blöde, es wird gebaut, was das Zeug hält, bzw. was ein Baumarkt nach Europastandard hergibt. Gewerbegebiete explodieren, und nicht jedermann ist glücklich darüber – die Alteingesessenen vermissen die Beschaulichkeit, und die ganz alt Eingesessenen, nämlich die Nachfahren der Sklaverei, haben sowieso das Nachsehen gegenüber zugereisten zumeist weißen Touristenbespaßern, Scherpunkt auf „holländisch“. die Amerikaner mögen Bonaire als Ruhesitz, und alle, alle haben sie ein Auto. Zwei Kreuzfahrtschiffe am Tag sind eher die Regel als die Ausnahme (es gab auch 2 Tage ohne, äußerst angenehm!), und die spucken Gäste zu Tausenden aus, man atmet geradezu auf, wenn das letzte Tuten am Spätnachmittag ertönt; der Sonnenuntergang ist zumeist exklusiv für die Insulaner. Angenehm auch, wenn es mal ein einzelner „kleiner“ Cruiseliner ist, die Zahl er einfallenden Heuschrecken macht es auch hier. Der Hit: ein Schiffssignal, das nicht „tuuuut“ macht, sondern „tuudeluu-di-daa-da-duuuu“. „Disney Wonder“ heißt der zugehörige Dampfer und das Städtchen füllt sich für einen Tag mit gepunkteten Röckchen à la Minnie Mouse und lustigen Haarreifen mit Mickey-Ohren, alles dargeboten von umfangreichen Cola- und Burgerverzehrern (ja, ja, ich bin auch umfangreich, was ja nicht heißt, dass ich die Wahrnehmung verschweigen muss). Da loben wir uns den Indonesischen Warungstand in der Ecke der Plaza Juliana, der noch immer gute Satéspießchen „mit alles“ bietet – Nasi und Bami und Lebersauce, Gurkenscheiben, Kroepok. Und mit „viel scharf“. Ich biete den Disney-Wonder-Gästen eine Beratung in indonesischen Essgewohnheiten, kann aber meine Begeisterung nicht erfolgreich übertragen. Vielleicht sollte man einen Nasi-Burger erfinden oder ein Saté-Hot Dog. Wie der Unterwasservergleich ausfällt, wissen wir nicht so recht, es haben sich die Perspektiven verschoben – 2009 war es Ende der Hurrikansaison mit milden Winden, vielleicht liegt die Wassertrübung, die wir oberflächlich wahrnehmen, daran. Und 2009 hatten wir den Pazifik noch nicht gesehen, also war die Begeisterung groß. Aber allein das Schwimmen nagelt mich für Tage an einem solchen Ort fest. Die Mooring liegt auf 4 m Sand auf hellem Sand. Die kleinen Plattfische sieht man nur, wenn sie sich bewegen, aber es gibt auch prächtige Papageienfische, die den Mooringblock beknabbern, ab und zu kommt ein Grouper vorbei. Und für die Schwimmerin hat der örtliche Schwimmverein am Grund zu Trainigszwecken zwei Schnüre gespannt, die perfekte 50-m-Bahn.
Aber irgendwann ist es gut – bye, bye Flamingos, bedankt, Bernd und Rosi – wir reisen weiter, zunächst mal gewaltige 12 Meilen nach Curacao. Und hoffen, dass uns nach Wochen mal wieder reichlich Internetzugang ins Haus steht!