Kuba – der Nachklapp

AKKA in Cayo Levisa

Marathon/Florida Keys, USA – 22.5.2019

Vorbei, vorbei, die schöne Zeit in Kuba.  Was frau so „schön“ nennen mag. Eine gemischte Wundertüte. Vorhin habe ich die erste politische Diskussion in den USA begonnen, ganz harmlos, weil ich den Publix-Supermarkt dafür gelobt habe, dass er Eier (!!) gehabt habe. Die Fake-News-Trulla von der AKKA, die uns erzählen will, was in Kuba abgeht („… I have not been there but I would like to go before they open it!“ Was wird geöffnet? Kuba-Disney?).
Kuba verwirrt, daran hat sich aus unserer Sicht nichts geändert. Zwischenzeitlich dachten wir, wir hätten ein bisschen mehr verstanden, aber nun kamen die – auch in Europa in der Presse kommentierten – neuen Rationierungsmaßnahmen. Es ist wirklich unfassbar. Bei aller Fähigkeit der Kubaner, das Leben zu nehmen wie es ist, das heißt: so positiv wie möglich, hörten wir in den letzten Tagen doch ein paar Mal, dass man sich ein bisschen vor den kommenden Monaten, wenn nicht Jahren, fürchtet – gewiss ist die Lage nicht so umfassend schlecht wie Anfang der 90er, als der Ostblock auseinanderbrach, aber die Abhängigkeit von Venezuela als Öl- und damit Devisenlieferant ist doch extrem, sodass wir die Befürchtungen nachvollziehen können. Ich hoffe nicht, dass meine Ahnung wahr wird: jetzt haben sie sie am Schlaffittchen, und zwar sowohl Venezuela wie Kuba, zwei auf einen Streich.
Nein – ich pflege keine Kuba-Romantik. Oder wenn, dann nur ein kleines bisschen.

Wir haben tatsächlich unseren Kubaaufenthalt ohne Einkäufe in den Läden hinter uns gebracht –  zugegebenermaßen sind wir jetzt entsprechend knapp mit Vorräten (Zitat Eigner beim Blick ins Kühlschapp: „…hier ist immer noch mehr Butter drin als in ganz Havanna!“). Wir haben uns auf den gelegentlichen Kauf von Gurken, Zwiebeln, Tomaten und Obst vom Straßenhändler beschränkt, besonders jetzt, nachdem die Rationierungen verschärft wurden. Erinnert Ihr Euch daran, dass ich in Los Roques/Venezuela nach einem Eiskrem zum Kaffee gefragt hatte und der Kellner haltlos zu lachen begann?  Ähnliches passierte in der Marina Hemingway im „Caracol“ , ein Supermarkt der Marke: 10 m kolumbianische NestaFit-Kekse und 20 m Wasserflaschen. Und viel Rum zum Betäuben…  Ich frage nach Eiern, ganz schlicht. Da gehen die Augenbrauen schon hoch: „Huevos? EN DIVISA?“ Wat? Eier im freien Verkauf? „Noooo!“ Als Beispiel für die (ziemlich umfassende) Schieflage: Kuba hat im März, wie wir hörten, 900.000 Eier weniger produziert als sie gebraucht hätten, das sollten 5,8 Millionen sein,  woran die Tourismusbranche sicherlich nicht unschuldig  ist (man möchte den all-inclusive-Touristen „immer schön aufessen!“ zurufen). Der April war mit nur 600.000  Stück weniger etwas besser, aber man kann sich vorstellen, dass da eine Bedarfslücke klafft. Ich glaube nicht, dass die Legehennen nun alle gemeinsam in die Mauser gegangen sind und daher das Legen eingestellt haben. Wie genau der Fehlbestand zustande kam, vermochte niemand genau zu sagen (der Kubaner ist vielleicht auch zu fatalistisch veranlagt, um das zu hinterfragen ?!) – ich glaube jedenfalls weniger an eine Hühnergrippe als an einen Mangel an Futtermitteln, siehe meine Embargoklage. Vielleicht hat man auch in vorauseilendem Gehorsam den Hennen den Garaus gemacht, um der Nachfrage nach Hühnchenfleisch gerecht zu werden, das gab es in den letzten Tagen nämlich auch nicht mehr.
Ach je, ich weiß es nicht – irgendwie hat uns diese Lage den Abschied von Kuba ein bisschen leichter gemacht, dabei war es doch wirklich schön.  8 Wochen sind allerdings für den durchreisenden Segler ein bisschen kurz, zumindest für die ganze Insel, noch dazu, wenn er so lahmarschig ist wie wir. Wir haben 6 davon für Cienfuegos und die Umrundung des Westens gebraucht, und dabei ging die Segelstrecke zügig vor sich.

Dockmaster Abel und die Fischersleut‘

Schöne, unbewohnte Inselchen vor der Südküste, ein total nettes Willkommen am Cabo de San Antonio in der „Marina Gaviota Los Morros“, beim herzlich-freundlichen Dockmaster Abel und seinen Fischersleuten. Ein paar Tage im kleinen Tropenstrandparadies Cayo Levisa, das wir uns tagsüber mit Touristen vom Festland teilen mussten, aber wo man abends bei den Fischern Grenada-Bier gegen Mangos tauschen kann. Zum

Stillleben mit Geschossen

Picknick das Dinghy in den Mangroven festbinden. Mit den Kanadiern Rui und Leeza (Kanadier genießen Sonderrechte in Kuba, die dürfen sogar 2 x 3 Monate bleiben!) schnacken und Erfahrungen austauschen und Hundekraulen: ein interessanter, absolut netter Bordhund, ein Australian Shepherd/Koyote-Mix!. Eine junge amerikanische Familie auf der Rückreise nach Utah und Gelegenheit zum großen Politikaustausch (definitiv ohne

Das? Das war ich nicht!

MAGA-Mütze). Damit hatte sich die Seglergemeinde auch schon erschöpft, obwohl diese beiden und 2 weitere Yachten in Los Morros auf den letzten 500 Meilen sich schon fast wie „Überfüllung“ anfühlten. Eine sehr genussvolle Reise trotz mehrerer Nachtschläge.
Unsere letzte Station in Kuba sollte die Marina Hemingway werden – ein etwas dereliktes Überbleibsel der späten Batista-Aera, 10 km westlich von Havanna gelegen. Hier wurden 4 lange Kanäle in die Korallen gesprengt, mit reichlich Platz für je 100  Yachten und viel, meist unbewirtschafteter bzw. meist unbelebter Infrastruktur: Restaurants/Hotels/Swimmingpools auch für die Havaneser Wochenendbespaßung; unter anderem mit einem großen, grauen Hotelklotz names „El Viejo Y El Mar“, ehemals gern genutzt für Medizintouristen aus Venezuela. „Der Alte Mann und das Meer“ ist sowieso weit verbreitet, als Skulptur, als Wandmalerei, gern wird auch das Bild vom überaus geschätzten Ernesto (Hemingway) und Fidel gezeigt, die sich hier ein einziges Mal in ihrem Leben getroffen haben, beim Angelturnier (das Fidel gewonnen hat – man ließ ihn ebenso gewinnen wie Ché ihm beim Golf den Vortritt gelassen hat).
In dieser Marina geben sich während unseres Aufenthaltes im Kanal 1 ein paar Segler – 2 Handvoll?! – die Klinke in die Hand; „Hemingway“ ist Absprungort für sowohl unsere Richtung nordwärts wie für die, die nach  Mexiko-/Guatemala/Panama zielen. Zum Beispiel die „Luna Mare“, eine nun schon langjährige Internetbekanntschaft, bayerisch-hessisch, mit denen ich mich schon vor Monaten für „Bohnen-mit-Reis-Essen in Kuba“ verabredet hatte. Hat geklappt. Das Treffen resultierte allerdings in einem kleinen Missklang. Oh, je…  – eine Episode aus der Serie „The Confessional“ und ein Kunststück vom Fuchs: Anlegemanöver. Marion nähert sich dem Dock sehr suutsche, ein Leinhandler geht achtern an Land, die Schipperin nimmt die Vorleine und schaut nicht, was sonst passiert, vor allem nicht nach achtern – also belege ich die Vorleine zu früh, der Bug der Luna Mare schwingt herum und „bäng“. Orangefarbener Stahl auf Beton. Glücklicherweise erweisen sich Paul und Marion als ausreichend stressresistent (vielen Dank dafür! Der hässliche Aufprall klingt mir noch immer in den Ohren!) – sie zücken noch am gleichen Tag den Lacktopf für die Schmarre; wenigstens habe ich keine Beule erzeugt. So etwas Dusseliges, aber es ist mir eine Lehre. Dafür tauschen wir dann Bücher aus und schwätzen über gewesene und angepeilte Ziele; mein Neid auf die, die in den Pazifik gehen, wird mit jedem solchen Gespräch signifikant größer… . Gute Reise, Luna Mare! Wir sehen uns in Arrecife!
Zuvor hatten wir uns zu einem Nachschlag „Kuba wie es leibt und lebt“ nochmals nach Havanna verholt. Zimmer bei Hans auf der Calle Chacón,  in kürzester Laufentfernung zu unserem persönlichen Zentrum der Stadt namens „Lo de Monik“, was so viel heißt wie „Der/die/das von Monik(a)“. Das Restaurant, die Bar.  Hatten wir schon beim ersten Besuch mehrfach für Frühstückszwecke besucht, aber besonders, wenn der AKKAnaut mittags nach Erfrischung lechzt, kommt eine eiskalte Gurkenlimonade besonders gut, zumal man sich man sich auch über die Herkunft ihrer Inhaltsstoffe keinen großen Kopp machen muss. Beim Frühstück – mit Eiern! Siehe oben! – schon eher. Es ist verzwickt – wir bringen mit unserem „business“ ein bisschen Geld, gleichzeitig essen wir Touristen den Kubanern die Haare vom Kopf. Teurer machen? Machen die Touristen dann vielleicht nicht mehr lange mit, denn die gezahlte Kohle ist direkt proportional zu den Leistungsansprüchen, und das funktioniert hier höchstens bei wohlwollenden Individual- oder Alternativtouristen. Es ist ein bisschen wie in den 40er/50er Jahren: eine Haupteinnahmequelle ist der Tourismus, der im Endeffekt zu einer massiven Ungleichverteilung beiträgt. Erholen kann sich das Land eigentlich nur, wenn es Handelserleichterungen gibt anstatt den Handel zu erschweren – solange man Kuba nicht mitspielen lässt, zum Beispiel im Kreis internationaler Organisationen, oder es von internationaler Hilfe abschneidet bzw. diese erschwert, wenn  bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind, wird sich das kaum regeln lassen.  Wir Westler unterstützen gern mal miese Potentaten, wenn es in den Kram passt – der Kuba-Kram passt seit 60 Jahren nicht. Mit solchen Gedanken, die eigentlich mit jedem Tag mehr werden, marschieren wir ein letztes Mal die Calle Cuba bis zum Bahnhof hinunter und die Habana wieder rauf –  „morbiden Charme“ kann ich immer weniger empfinden, es schaudert mich zunehmend. Wir haben an der Situation unseren Anteil – nur: wie können wir Einfluss nehmen? Schwacher Versuch: drüber reden. Das tu‘ ich – siehe Eingangssatz – mit dem Chef der Marathon Marina hier in den Florida Keys, indem ich von unserer Ohnmacht nach dem Besuch des PUBLIX-Supermarktes berichte, sie hatten nämlich Eier! Unglaublich. Da kommt erst einmal „naja, eine Regierung mag die andere nicht! Und die haben ja ihre eigenen Hühner!“. Ich hake nach, wie die Kubaner wohl ihr Eierdefizit ohne Hühnerfutter decken können. „You mean – the embargo?“ Ha! Er ist von selbst drauf gekommen! Der Eigner, der dem Schauspiel beiwohnt, sagt, die ältere Frontdesk-Dame sei schon merklich abgerückt. Da bahnt sich eine politische Diskussion an – shoohoo! Aber vielleicht ist ja ein winziges Cent-Stück gefallen.

In jedem Fall: wir sind in „God’s own country“ angekommen (so sagten die Südafrikaner früher gern), die Amerikaner haben uns auch reingelassen *, Mr. Poster vom Customs and Border Patrol war so freundlich. Wir haben sogar eine Cruising License für ein Jahr bekommen, das ging automatisch. MAGA-Mützen gab es noch nicht, aber Im Supermarkt sichteten wir das erste „I proudly stand for the national anthem“-T-Shirt. natürlich alt und weiß und männlich. Wir sind echt gespannt!

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*Kleiner Schluckauf zum Beginn der Reise: Customs & Border Patrol kann man die Arbeit erleichtern, indem man sich eine App auf das Tablet lädt, die heißt ROAM. Gesagt, getan, gemacht, gefummelt, authorisiert… alles mit dem schwachen Kubanetz. Und zack! Raus mit der Arrival-Datei für AKKA. Toll! Abends noch einmal duschen und schnell gucken, ob die Behörden reagiert haben. Hatten sie! „Unfortunately, your arrival has been denied and you may not enter the US territory at this time…“  Nee, oder? Müssen wir jetzt auf die Bahamas laufen? Kurze Verwirrung und Rücksprache mit Luna Mare und den Freunden von der Kuba-Gruppe auf Facebook. Kleiner Systemfehler von der Schipperin. Man darf die Ankunft erst ankündigen, wenn man im US-Netz ist – puuh!  Der Rest der Reise war easy. 8 Stunden Motorsegeln, 12 Stunden Segelei mit Golfstrom (hui!) und noch ein paar Stunden Tuckerfahrt. Voilà – Florida!