Binnenrevier

Vorsicht! Flach! Es gibt auch Stellen ohne Schild…

 

Norfolk/Virginia, 11.7.2019

Es gewittert, eben hat es kurzfristig extrem geblasen. Wir liegen vor Norfolk, zwischen Kriegsschiffen, altehrwürdigen Kolonialgebäuden und Bankengeglitzer, am Eingang zur Chesapeake Bay – ein bisschen ist hier die „Wiege der USA“, denn in dieser Gegend kriegten die Briten es 1775 von hinten und von vorn…

Was unsere Berichterstattung betrifft: Asche auf mein des Bloggens müdes Haupt…  Hier kommt erst einmal ein Beitrag, den ich am zweiten Tag unserer Fahrt über den Intracoastal Waterway begonnen hatte. Ihr werdet es überstehen, riechen tut der Beitrag noch nicht…

R.E. Mayo, Goose Creek/North Carolina, 2.7.2019

Lecker! Beute von R.E. Mayo!

Wir sind unterwegs! Zwei Wochen in Beaufort haben wir fast vollgemacht, 6 Stunden haben gefehlt, aber früh um 05:30 heult der Wecker. Und weg! Weiches Morgenlicht, flaches Wasser (sehr, fast zu spannend), viele Seezeichen, die es abzuhaken gilt.
Nett war es bei Homer Smith – eigentlich ein kleiner Seafoodbetrieb, gelegentlich kommen die Langleinenfischer vom Atlantik herein, dann werden große und sehr große Thunfische ausgeladen und als Beifang Spanische Makrele für die umliegenden Restaurants filettiert. An anderen Tagen kommen die Shrimper und laden Prawns und Krabben ab. Als Gutsle für die orstansässigen Angelboote und Gäste wie uns gibt es eines: „… you can get all the ice you need!“ sagt Tony zum Empfang, was wir mit einem uninteressierten „ah, ja!“ quittieren. So amerikanisiert sind wir noch nicht, dass wir zur marinaeigenen Eismaschine traben, um uns Eiswürfel für dringend benötigtes Eiswasser oder „irgendwas on the rocks“ zu besorgen –  13 Jahre „ohne“ ging auch. In Marathon sahen wir die Variante: Dollar einwerfen und die 5-l-Kühltasche vollklackern lassen. In Canaveral kam das Eis aus einem stinknormalen Kühlschrank, was man so stinknormal nennt, die linke Hälfte war zum Eismachen da. Die Versorgung mit Eis ist eben Standard, aber das ist nicht, was Tony in Beaufort meint. Er meint wirklich „alles Eis, das Ihr braucht“, und es ist kostenfrei. Zwischen Ponton und Bürohaus steht nämlich ein gemauerter Kubus, gerade groß genug für einen AKKAnauten-Alterssitz (dabei würden wir es nicht mal doppelstöckig brauchen). Das Haus hat eine Schiebetür, und dahinter ist… man ahnt es: Eis. Clark und Matt fahren dort mit dem Bobcat hinein, füllen die Ladeschaufeln und lassen das Eis über einen Schneckentrieb in die Fischerboote am Dock laufen. Ob da ein Segler eine Handvoll oder 20 l abgreift spielt keine Rolle. Es ist eben alles ein bisschen größer hier; richtig schade, dass wir keinen Gebrauch davon machen können. Vielleicht hätten wir mal ein Eisbad nehmen können…

Ordentlichst aufgeschossen: die Rettungsleine in der Faking Box

Beaufort war nett und ruhig, aber natürlich haben wir für ein bisschen Grusel Edward Teach besucht, a.k.a. „Blackbeard“. Ihm ist als einem der erfolgreichsten Piraten der Geschichte ein großer Teil des schönen North Carolina Maritime Museums gewidmet – schließlch hat er hier, vor Cape Lookout, sein Flaggschiff namens „Queen Anne’s Revenge“ verloren. Wahrscheinlich „verloren gehen lassen“, es war nämlich nichts Wertvolles an Bord, als man vor einer Weile ein Schiff fand, das mit ziemlicher Sicherheit eben dieses Flaggschiff war. Blackbear ist der wildeste unter einer Schar von ziemlich wilden Burschen, mir gefällt besonders seine Frisur, in die er gern brennende Lunten steckte. Leider/glücklicherweise hat er den Verlust des Schiffes nicht mehr lange überlebt – er war in der Gegend so gefürchtet, dass man ihn, als man ihn fasste, kurzerhand erschoss und seinen abgehackten Kopf der Öffentlichkeit präsentierte: schaut her – nun kann er euch nichts mehr tun. Man mag vielleicht denken, dass ein einzelner Pirat gegen so viele Siedler nichts ausrichten kann, aber er befehligte eine ganze Flotte von Schiffen und hatte kurz zuvor die ganze Stadt Charleston für Tage in einen Belagerunngszustand versetzt. Weil er der Stadt Medizin abpressen wollte, wie sich herausstellte. Wirklich ein wilder Typ. Sonst geht es in dem schönen Museum um Bootsbau, um Walfang (Frage eines Mädchens angesichts des großen Walskeletts: „Was ist das?“ – Vater: „… ein Dinosaurier!“, und schon galoppierten sie weiter durch das langweilige Museum, ohne dass ich zur Aufklärung des Irrtums beitragen kann) – besonders eindrucksvoll die geradezu abenteuerlichen Rettungsmittel für Schiffe, die vor den Outer Banks und um Cape Hatteras so zahlreich auf Grund liefen. Zip-Lining, das stellt sich hier heraus,  ist eine ganz alte Erfindung. Die „Zip-Line“ wurde vom Ufer in die Masten des havarierten Schiffes geschossen, und dann hatten dnie zu Rettenden eine Freifahrt durch die Brandung gewonnen.  Ich finde den Abspulmechanismus für das Hunderte von Metern lange Seil am allererstaunlichsten – die so genannte „fake box“. Später wurden an den Zip-Lines auch geschlossene Metallkapseln durch die Brandung geschickt – bis zu 15 Personen wurden dort aufeinander liegend „gestapelt“. Bestimmt ein tolles Erlebnis…

Ein tolles, abschließendes Erlebnis haben wir für uns selbst auf Lager: die alljährliche Ausstellung der Lebensbescheinigung für unsere Rentenversicherung ist dran. Im letzten Jahr sehr lustig beim Trini-Zoll, da kann es in North Carolina nicht schwieriger sein, eine Behörde mit einem willigen Geist und einem Stempel zu finden –   aber weit gefehlt: eine Unterschrift für etwas, das nicht unmittelbar zum Sachgebiet gehört? No way! Wir probieren als erstes den Sherriff – die schicken uns zum Gericht, in die Abteilung für Grundstücksangelegenheiten („… die haben dort einen Stempel!“. Aha!). Wir hangeln uns durch sämtliche Ebenen – mein Telefon zeichnet zufällig einen Track auf, der später sehr putzig anzu sehen ist! Die Katasterleute? Fehlanzeige, Special Proceedings? Vielleicht die Kasse? Ganz oben in der Hierarchie angelangt, bescheidet uns die Sekretärin das Clerk of Court, dass das einfach nicht geht; dafür gibt es keinen Vorgang, keine Anweisungen, nüschte. Nicht mal dass wir hier doch ganz augenscheinlich atmend vor ihr stehen und Faxen machen? Nö.
Wir sind ein bisschen konsterniert, wat nu? Gibt es eine ordentliche Verkehrspolizeistation? Müssen wir den „courtesy car“ der Marina (nette Einrichtung übrigens, Schllüssel hängt zur freien Verfügung neben der Waschmaschine!) ausgreifen und nach Morehead zum Customs & Border Patrol fahren, schließlich sind wir dort aktenkundig? „Wir fahren jetzt zur Feuerwehr, das ist doch hier um die Ecke…“ Der Eigner guckt ein bisschen fragend, aber radelt hinterher – und siehe da, bei Feuerwehrleuten gehört „spontan“ und „um die Ecke gedacht“ zum Geschäft. Tammy Turek, Ihres Zeichens special officer und notary der Feuerstation hört zu – und begreift das Problem: sie muss durch Stempel und Unterschrift bestätigen, dass wir leben . Ziemlich einfach, unser Begehr. Für unsere Reise interessieren sich Tammy und der Chef des Hauses (die Ausgehuniform blitzt ebenso wie die Feuerwehrautos) auch noch. Na also. Wir können los.

Und so sitzen wir denn nach einem ersten Tag Binnenfahrt beim Fischereibetrieb  R.E. Mayo kurz vor der Hobucken Bridge und freuen uns auf eine selbst gebratene Flunder und denken an die vielen Fischadler, die die Seezeichen mit ihren Nestern schmücken und schrill hinter uns her schreien. Platt ist es hier, ganz schön „Niedersachsen“. Anfangs noch mehr oder weniger schöne Häuser, dann nur noch Kiefern und Eichen zuhauf. Und abgestorbene Bäume – möglicherweise eine Folge des hohen Wasserstandes nach dem letztjährigen Hurrikan. Florence wusste über Tage nicht wohin und blieb darum einfach sitzen. Ein unangenehmes Wesen, das wir auch nicht unbedingt zu Gaste haben möchten – drum fahren wir weiter. Binnen.

PS: … es ist Mitternacht, das Gewitter vorbei – und ich finde keine aktuellen Bilder. So was… Die Deko wird nachgereicht!