Pura Vida?

Pura Vida. In aller Munde, auf allen T-Shirts

San José, 16.2.2020

Pura Vida! Costaricanischer Nationalschnack, würde ich mal sagen. Heißt alles: Hallo! Alles gut! Boah, wow!  …  ein Ausdruck allgemeiner Zufriedenheit, der einem mexikanischen Film der 50er (glaube ich) entlehnt ist, nur dass Mexikaner mit dem Spruch nichts anfangen können. Im Film ein häufig wiederholter Gag, der sich verselbständigt hat. Die Ticos mögen ihn. Pura vida – das schiere Leben.

 

Musik? Immer! Und schön laut…

Die erste Portion Pura Vida kriegen wir in San José  – normales Leben in der Stadt. Zum Aufgalopp ein bisschen Geschichte im Goldmuseum, das sich in 3 Stockwerken tief unter der Plaza de la Cultura mitten in der Stadt verbirgt. Zuerst Staatsgeschichteentlang der Münzreihenfolge. „Reales“ aus Gold, Plata aus Silber – spanische

Präkolumbianischer Schmuck

Kolonialgeschichte. 1821 lösen sich die zentralamerikanischen Länder vom Kolonialherren bzw. seiner Provinz Guatemala und bilden einen „Länderverbund der Mittelamerikanischen Länder“. Sehr niedlich: jedes Land darf eine eigene Version einer kleinen Goldmünze prägen, auf dessen Rückseite dann ein „fruchtbarer, reichverzweigter“ Baum geprägt wird, als Zeichen von Reichtum und Fortschritt für die Föderation. Die Costaricaner, aka „Ticos“, wählen eine Palme. Ein Wunderbaum, der alles macht: eine Frucht mit Feuer- oder Polstermaterial und Trinkgefäß, essbarer Trieb und Schnaps oder Zucker aus dem Saft, Bauholz, Blätter für Hut, Dachdeckung oder Korbmaterial; aber der Rest der niffeligen Federación nimmt an der staksigen Gestalt ddr Palme Anstoss, und 1831 müssen die Münzen eingeschmolzen werden. Was ein Licht auf die freundnachbarlichen Verhältnisse wirft, die auch bald zur Gründung der ersten, eigenständigen Republik führen. Danach geht Costa Rica durch das politisch-ökonomische Auf-und Ab, das vor allem die USA mit ihrem schon damals großen Dominanzanspruch noch verstärken. Erst gab es William Walker, ein junger Texaner, der sich berufen fühlte, den Einflussbereich der Sklavenhalter nach Mittelamerika auszuweiten – den haben sie in einer 14-Minutenschlacht erledigt, aber United Fruit war nicht so leicht loszuwerden… Reformer und Diktatoren geben sich an der Staatsspitze die Klinke in die Hand. 1948 gibt es die 2. Republik und eine hervorstechende Idee: Abschaffung des kostenaufwändigen Militärs. Kühn, oder? Funktioniert! All das erklärt die kleine numismatische Ausstellung, danach taucht man ein Stockwerk tiefer in präkolumbianische Zeiten, in eine faszinierende, Jahrtausende alte Kultur – mit ganz viel Gold, das die Spanier, gerissen wie sie waren, gegen Glasperlen austauschen konnten. Und ein paar bevölkerungsdezimierende Erreger hinterließen sie auch. Schandhaft.

Schlechter Tausch

Am selben Tag noch besuchen wir das Jademuseum -wir wohnen mitten in der Stadt, und es ist gleich gegenüber. Dort wird es erst recht präkolumbianisch, und dazu wunderschön und kurzweilig anzuschauen, dschungelartiges, gebrochenes Licht, viel Grün, viele Naturdarstellungen umrahmen die Jade-Exponate und anderes rund um das Leben dezr frühen Indigenen. Unbedingte Empfehlung, falls es mal jemanden nach San José verschlägt. San José wird vom Normaltouristen auf dem Weg zu Strand- und Zip-Lining-Vergnügen gern als „uninteressante Großstadt“ geschmäht. Zu Unrecht, wir finden’s „echt tico“, das zeigt uns auch die Free Walking Tour am Montag. Diese Touren waren in allen Ländern bislang ein Gewinn. Ohne wüsste ich auch nicht, woher der Ausdruck Pura Vida kommt, und was der uns benachbarte hässliche Betonklotz ohne Fenster ist (das neue Parlament. Man wünsche den Parlamentariern erhellende Gedanken!).

Aber dann reicht’s auch, am Mittwoch steigen wir in den Frühbus nach La Fortuna am Vulkan Arenal. Machen ja alle, und von da  – wie alle! – soll es dann nach Monteverde in den Nebelwald gehen. Jetzt halte ich es kurz… Highlights in La Fortuna sind Adventurewahn und Abkassiertwerden. Persönliche Highlights: eine Blattschneiderameisenautobahn auf der benachbarten Begrenzungsmauer (kann man wirklich immer anschauen!), ein nettes Café mit wirklich gutem Costa Rica-Kaffee (Los Arabigos), ein Tag in den heißen Quellen der Ecotermales (sehr lecker, 42° bis runter

Einfach abhängen

zu 27…) und ein wunderschöner geführter Gang durch einen kleinen Faultierwald – ohne Guide wird man da kaum etwas, und es war das viele Geld wert. Wie erfährt man sonst schon, dass 3-Zehenfaultiere nur alle 4 Tage aufs Klo müssen, für den Abstieg dazu bis zu 4 Stunden brauchen – und den in seinem Fell lebenden Motten dabei  Gelegenheit geben, ihre Eier in den Kot zu legen. “ …seid Ihr mit der Eiablage fertig? Dann bitte einsteigen, ich scharre das Loch noch zu und dann geht’s wieder aufwärts!“ Netter Fahrstuhl! Aber Rafting und Zip-Lining? Nö.

Unterm Strich: „Pura Vida“ kriegt Risse, La Fortuna und der Adventurewahn sind nicht unser Bier. Planungsänderung: wir folgen nicht den Nebelwaldlemmingen nach Monteverde. Wir gehen nach Osten. Da soll es eine einsame EcoLodge in den Bergen geben…