Ein Wochenende in Guatemala

Punta Bonita, Nummer 6
Das Corona-Heim

Rio Dulce/Guatemala, 24.3.2020

Da sitzen wir nun! Kleine Hütte. Kleine Insel. Ein kleines, dschungelartiges Gehölz, 20 m vom Festland entfernt im Rio Dulce. Papageien, Reiher, Schildkröten. Zwei verfressene Labrador Retriever und ihre 2 Mix-Kumpels. Zwei weitere Seglerpaare aus Deutschland und Frankreich mit uns in den umliegenden Hütten, vor unserer Terrasse zwei dauerbebewohnte Einsiedler-Yachten. Dazu der Besitzer der Anlage und der Manager. Morgens kommen drei  Arbeiter mit dem Kanu, und ein Gemüseboot bringt 3x die Woche Frisches. Alles perfekt für social distancing (die Hunde halten sich nicht dran, die wollen durchgekrault werden). Da wir im Rahmen unserer Backpackermöglichkeiten gehamstert hatten (6 Packungen Quasi-Knäckebrot, Milchpulver und eine Tüte Mehl), haben wir nichts auszustehen.  Kurz: alles den Umständen entsprechend prima. 

Die letzten Wochen fingen lustig an, man mag in der derzeitigen Situation, die sich auch für uns  explosionsartig verschärft und verändert hat, gar nicht darüber berichten, aber wenn wir dereinst im Altenheim sitzen, wollen wir es ja doch rekapitulieren… also:

Buuh! EIn roter Bus!

Guatemala City gibt sich als gewöhnliche mittelamerikanische Großstadt, wir haben allerlei Warnungen im Ohr, von Trickbetrügern und Fake-ATMs, von no-go-Stadtvierteln und k.o.-Tropfen. Und ganz böse: die roten Stadtbusse – Du brauchst nur hinzugucken, da bist Du Deine Habe schon los (die Leute im Bus, den wir in der Tat meiden, schauen aber gelassen aus der Wäsche). Auf dem Weg zu unserem Hotel

Posada Museo Belen. Ein guatemaltekisches Stadthaus

fährt neben mir eines Nachmittags ein SUV langsam, der Fahrer öffnet das Fenster und vom Beifahrersitz beugt sich ein fein gekleideter Herr herüber: “ … hier sollten Sie nicht laufen, das ist gefährlich!“ Er lässt sich erst beschwichtigen, als wir beteuern, dass wir nur wenige Schritte von der Posada Museo Belen entfernt sind. Und Francesca, die rührige Besitzerin vom „Museo“, entkräftet die Aussage auch gleich, sowohl was

Posadas Museo Belen. Innenhof

die Gegend, die Zona 1, wie auch die Tageszeit betrifft – während des Tages kein Problem. Die Warnung war sicher nett gemeint und mehr generalisiert zu betrachten. Gewiss, der Parkplatzverwalter, der in unserer Straße, der Calle 13A, für die Anwohner tagsüber allerlei alte Kanister, Eimer und anderes Absperrmaterial auf den wenigen Parkplätzen als Platzhalter hin- und herschiebt, wohnt selbst auf einem der Parkplätze in einem schrottreifen Kastenwagen, Armut ist nicht weit. Ob die Pappen-Isolierung, die wir durchs Fenster sehen, wohl kuschelig ist?   

Wir machen eine Weile die Stadt unsicher – oder machen wir sie etwa sicherer? Plaza de la Constitución, durchaus sehenswert mit den alten Arkadenhäusern, dem Nationalpalast und der erzbischöflichen Kathedrale, und da Letztere auch historisch interessante Nischen hat, gefällt das sogar der Schipperin (die sonst eine Religionszoo-Aversion hegt). Natürlich fallen die Augen auf viel Prunk – zum Beispiel auf den Erzbischofsthron, ganz in Lila – oder im Gegensatz dazu auf ein Maya-Hutzelweibchen, das sich von Heiligennische zu Heiligennische betet. Die mittelalterliche Verknüpfung von weltlicher und kirchlicher Gewalt fasziniert mich sehr. Der heilige Sowieso, König von irgendwo. Und nicht nur einmal.

Was ein Diktator wissen muss. Friede, Verlässlichkeit, Gerechtigkeit…

Ach, und der Nationalpalast. In den frühen 40erJahren des letzten Jahrhunderts aus dem Boden gestampft, in verschiedenen Baustilen gebaut – insgesamt möchte man den Stil nach dem Diktator „Jorge Ubico“ nennen. Dessen  Frau mochte grün, also ist das Ding jadegrün. 5 seine Glückszahl, also 5 Stockwerke, in jedem Flügel 5 Portale und so fort. Unglaublich. Kurz nach Einzug war’s das mit seiner Diktatur, geblieben ist die Pracht der Wand- und Deckengemälde und der bedeutungsschweren Bleiglasfenster, Freiheit, Gerechtigkeit… sehr einleuchtende Deko, denn das muss man sich ja als Diktator täglich neu vor Augen führen. Nebenan geht es lustig zu, im öffentlichen Garten veranstaltet der Bürgermeister einen Schwoof für die Alten. Nicht dass der Eigner das Tanzbein geschwungen hätte, aber es ist herrlich anzuschauen. Man hat sich teils in Tanzkleidung geworfen – die glänzendste Anzughose aller Zeiten kombiniert mit den Ausgehhosenträgen, glitzernde Blusen, elegante Röckchen, und man meint,  so manches Knie, so manche Hüfte unter den beschwingten Bewegungen knacken zu hören. 

Wir absolvieren schlichte Gänge durch die Stadt, um zum Beispiel Busverbindungen für einen Wochenendausflug oder die Weiterreise herauszufinden. So etwas macht man im Vorfeld mit Rome 2 Rio , in diesem Fall kommt aber die Information analog aus dem gedruckten Reiseführer. Rebulí heißt der Betrieb. Wir stratzen durch die Straßen, die abseits der Fußgängerzone immer interessanter werden. Am Ziel steht nirgendwo „Rebulí“, aber hinter einem Tor rummelt ein großer Motor. Treffer! Wir sprechen mit den Besitzer, der gerade eine Dachlast ablädt und uns bestätigt, dass morgens um 7:30 ein Bus an den Atitlan-See fährt.

Der frühen Stunde wegen nehmen wir am betreffenden Morgen ein Taxi – und es schlägt die Stunde des orts- und sprachkundigen Taxifahrers: was nämlich nicht da ist, ist ein Bus – vielleicht waren wir viel zu früh, aber der Fahrer beteuert, hier sei früher Rebulí gewesen, und jetzt kein Schild, keine Beschriftung?! Er findet das merkwürdig und überzeugt uns, uns in die Calle41 zu fahren, von dort gehe es in alle Richtungen. Glücklicherweise kann der aufgeweckte Fahrgast heute die Bewegung eines Taxis in der Stadt auf Google Maps verfolgen, der Mann macht auch alles richtig (das hatte er vorher schon, denn diese lange Fahrt geht auf’s Haus, sprich: ist im Preis für die eher kurze, vorherige enthalten). In  der Calle 41 geht es wild zu,  lange Reihen von großen chicken busses, in den Seitenstraßen werden 9- oder 12-Sitzer vollgestopft und bekommen schwere Dachlast. Wir haben nur eines verstanden: umsteigen in Los Encuentros (das liegt, sagt Google, nordnordöstlich von Guate City), unser Taxifahrer führt die Verhandlungen, und der Schaffner eines leeren Busses nötigt uns einzusteigen. Hm, sind wir hier richtig? Doch, alles gut, werden wir beschieden, und wir kriegen Bescheid, wenn es Zeit ist auszusteigen. Draußen will das Nötigen kein Ende haben, der Mann ist wirklich gut, und von „leer“ kann schon bald keine Rede mehr sein (es ist erst knapp vor „social distancing“ ). Wir tuckern los, anfangs langsam durch die Stadt, der Schaffner hängt aus der Tür und wirbt mit Chimal, Chimal-Rufen um weitere Fahrgäste für einen Bus, den wir so schon für voll halten. Weit gefehlt! Chicken Busse sind ausrangierte, nordamerikanische Schulbusse (die aus Kanada heißen Blue Bird), und da passten ja auch immer 3 Schüler auf eine Sitzbank, also… sitzen zwei vollflächig, einer mit nur einer Backe und der Raum, den zwei halbe Backen im Gang lassen, ist Stehplatz. Von „social distancing“ keine Spur, aber noch kümmert das ja auch niemanden. Der Bus nimmt Fahrt auf, immer bergauf, an tapferen Rennradfahrern vorbei (hey, die Luft ist dünn hier!).  Zwar in der richtigen Richtung nach Atitlán, aber leider weg von Los Encuentros – was ist hier los? Haben wir was falsch verstanden? (Nein, immer noch alles gut, sagt der Schaffner). Und Fahrtaufnehmen ist gar kein Ausdruck… wir beginnen, den Fahrer mit Formel1-Pilotennamen zu belegen, wir klammern uns fest, wo es geht, und wo es nicht mehr geht, fliegt der Gangsitzer aus der Kurve, die Tür, wo der Schaffner ebenfalls klammert, fliegt ab und zu auf, und eine Sinneswahrnehmung umschreibt die Fahrweise besonders gut. Eigner, hinter einer Kurve : „… riechst Du den Reifenabrieb?“  Aber bei aller Fülle, bei allem Geschleuder – für eine Mayafrau bleibt genug Gelegenheit, Tortillas und Chicharrones etc. aus großen Körben unter die Leute zu bringen. Schaffner und Fahrer zuerst – das schafft Zutrauen, diese Kombination aus schmierigem Tamal, fettigen Fingern und dem Lenkrad in glitschiger Fahrerhand! In Los Encuentros (ich habe mittlerweile gemerkt, dass es zwei Los Encuentros, zu übersetzen mit „Straßenkreuzungen“, gibt, der Schaffner lacht sich eins) hupfen wir nach 3 Stunden raus, rein in den nächsten Bus nach Sololá, und noch einer nach Panajachel, fertig! 

Am Lago Atitlán

Genau. Fertig. Ein ziemlich von Besuchern überlaufener Ort an Zentralamerikas „schönstem See“, dem Lago de Atitlán. Da sitzt dann die Schipperin am Abend – Sonnenuntergang ist ein Muss für alle! – mit Blick auf die 3 Vulkane und denkt: „… ach ja. Osorno. Lago Llanquihue. Chile.“ Das war Südamerikas schönster Vulkan. Dennoch: nette Begegnung mit Beverly, nach Mexiko ausgewanderte Kalifornierin, mit

Mayafrauen in traditioneller Kleidung.

der man zum Kaffee trefflich über Politik herziehen kann, aber sonst… gut dass es nur ein Wochenendausflug ist; für einen längeren Aufenthalt wäre ein Dorf am anderen Seeende sicher schön gewesen. Am Sonntag Fahrt zum Regionalhighlight Chichicastenango (Maya ist eine wunderbare Sprache!), und da trifft uns der Markt-Hammer. So viele Stände mit Stoffen und Webmaterial, Tortillas und Früchte,

Chichicastenango. Sonntagsmarkt

bunte Bänder und Holzschnitzereien – und alles für die Bergbevölkerung, nur am Rande für Touristen. Wir lütten Niedersachsen überragen die Menge um mehr als einen Kopf, verlieren dafür aber in der Disziplin „Drängeln“. Da Backpacker mit Minirucksäcken keine Staukapazitäten haben, bleibt es beim Staunen und Mitdrängeln, aber ein entspannter Marktbummel ist etwas anderes.

Drangvolle Enge, nicht nur drinnen

Wir treten zeitig den Rückzug an – und der Bus, den wir erwischen, ist schon voll. Will sagen: wir haben die Stehplätze gewonnen, ganz hinten, bis Chimaltenango zumindest, sonst ändert sich zu  obiger Beschreibung nur, dass der Schaffner gelegentlich von hinten ein- und über Armlehnen und Passagiere hinweg nach vorne steigt. So ist das also in einem vollen Bus in Guatemala. Und die Frau mit den Leckereien im großen Korb erreicht uns erst gar nicht. Nur das benachbarte Baby darf sich glücklich schätzen, Nahrung gereicht zu bekommen.

Daheim im Museo angekommen, packen wir die Rucksäcke für die Weiterreise – der Plan steht noch immer auf „Mayas, Azteken und Co.“. Mexiko, wir kommen. Dachten wir.

Das war ein Wochenende in Guatemala. Vor Corona. Wie wir zu unserer Hütte gekommen sind, verraten wir in Kürze.

Nicaragua

Rio Dulce, 10.3.2020

Das wird ein kurzer Eintrag… 

Nicaragua stand eigentlich gar nicht auf dem Programm, eher eine „wenn wir schon mal hier sind“-Station. Für die Geografie-Ungeübten: unser Weg von Costa Rica nach Guatemala, das ja ursprünglich unser Erstziel sein sollte, führt zwangsläufig über Nicaragua, Honduras und El Salvador.

Erster Stopp nach elend langen Grenzprozeduren in Peñas Blancas ist Ometepe im Nicaraguasee – das ist der, der immer mal wieder in der Diskussion ist für einen alternativen Kanal von der Karibik in den Pazifik, schon seit 150 Jahren. Derzeit sind die Pläne auf tropisches Eis gelegt, der chinesische Billionär, der das zuletzt geplant und sogar begonnen hat, ist plötzlich keiner mehr, seine Investmentgesellschaft hat sich… verdaddelt, aber was 150 Jahre währt, kann sicher auch wiederbelebt werden. Zunächst scheint das mal schlecht für die nicaraguanische Wirtschaft, besser aber für die ohnehin geschundene Natur, denn den zweitgrößten See Südamerikas von einem Süßwasser- in einen Salzwassersee zu wandeln, hätte weitreichende Wirkung, ökologisch gesehen. Das Projekt als solches ist auch sozialpolitisch extrem umstritten, geht es doch mit massiven Enteignungnen einher, zumal in Gebieten mit indigener Bevölkerung. Und innenpolitisch, man horche auf, ist der Chef des nicaraguanischen Entwicklungsbüros der Sohn von Daniel Ortega, dem ehemaligen Hoffnungsträger der Sandinisten, heute wieder Regierungschef und gehasster Despot. Und nicht genug mit Ortega-Klüngel: da die Investmentgesellschaft eine chinesische ist/war, sprich: es eigentlich „die Chinesen“ waren, die da ihre Finger ausstrecken, hätten sich, wie die USA  in Panamá, die Erbauer des Kanals mit den Enteignungen weitreichende Land- und Abbaurechte erschlichen. Sehr anrüchig und alles allzu wohlbekannt in der zentralamerikanischen Geschichte, nur mit dem Unterschied, dass hier der neue „Kolonialherr“ von der anderen Pazifikseite käme. Die nicaraguanische Bevölkerung ist allerdings auf der Hut – die Unruhen im Sommer 18 nahmen ihren Ausgang von den Kanalbauplänen. Warten wir’s ab. Wünschenswert wäre so ein Kanalbau nicht.

Wir erreichen mit Ach und Krach die letzte Fähre von San Jorge nach Moyogalpa auf Omotepe, schultern nach einer Stunde Sunsettour auf dem See die Rucksäcke und wandeln an zahlreichen – eher unbelebten – Toruistenllokalen entlang Richtung Hostel. Es ist sehr dunkel. Am Ortsende grillt eine Dame das unvermeidliche Hühnchen, ein bisschen Schwein und ein bisschen Rind. Dazu gibt es Tortillas und… schaaarf! Die letzte Erfahrung mit „schaaaarf“ lässt uns zögern. Zu Recht. Des Eigners Gesicht nach einem großzügigen Löffelchen „Chile“ auf seiner Ceviche in San José werde ich so bald nicht vergessen, aber auch ohne ist es lustig, in einem Vorgarten zu sitzen und sich von einem von Mopeds umkurvten Grill das Abendessen hereinreichen zu lassen. Auf den „frischen Saft“ aka refresco natural aus der Plastiktüte verzichten wir, zu dunkel der Platz für eine optische Kontrolle! Wenige hundert Meter weiter warten die Wirte von der Casa Mauro, mit denen wir schon von der Grenze aus im Mailkontakt standen („… wissen nicht, ob wir die Fähre schaffen… “ ). Ein zum Hostel umgewandeltes Gehöft, ein paar Hängematten unterm Vordach, schlichte Zimmer, alles ein bisschen grob. Sehr nette Leute, Mutter Sohn und Enkelin betreiben das Hostel, obendrein gibt es einen den Gästen sehr zugewandten Jung-Husky, der das Dauerbellen noch verlernen sollte – was macht so ein aufs Rennen versessener Hund aus kaltem Klima an einer Kette in den Tropen? Kleiner Wermutstropfen..

Wir erkunden den Ort und die Insel, und so vergeht die „wo wir schon mal hier sind“-Zeit. Die dem Festland abgewandte Seite, insbesondere der Ort Alta Gracia, erinnert uns dann schon sehr an das bescheidene Äußere von Kuba. Nicht zuletzt wegen der Bürgerkriegsmahnmale à la „Genosse Pedro… kämpfte heroisch in den Nordprovinzen“. Die meisten Todesdaten 1983/84. Wo man geht und steht – der Kalte Krieg, seine heißen Stellvertreterkriege und das scheindemokratische Gefummel der USA verlässt einen nicht. Hier: erst Somoza. Die Sandinisten, die ihn ablösten. Reagan, der das nicht zulassen mochte und die Contras unterstützte… kein Ende in Sicht.

Fähre zurück nach San Jorge, Sammeltaxi nach Rivas, Chickenbus nach Granada. Das ist die alte Hauptstadt Nicaraguas, spanisches Kulturerbe pur und Touristenmagnet – wir kommen in der Casa Amarilla unter, in einer Seitenstraße zum alten Zentrum; nicht so leicht zu erreichen von der Chickenbus-Haltestelle. Wem traut man mehr, dem Herrn, der hinter einem „nicht dort runter“ ruft (jau, war ziemlich unbefestigt und ein bisschen ärmlich!) oder Google Maps? GM natürlich und prompt ist die Straße, die eigentlich über einen Fluss führen sollte und direkt zu unserem Haus führt, mit Wellblechwänden gesperrt. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass hier ein ziemlich armes Viertel von einem getrennt wird, in dem sich Touristen und das nur mittelarme Granada treffen. Egal, wir finden eine Brücke, nach einer Weile auch unsere Casa Amarilla, und die ist toll: ein veritables geräumiges Ferienappartment. Mit  Kühlschrank und Mixer (ha! Kalter Kaffee, Fruchtmatschegetränke! Bratkartoffeln vom 3-Flammen-Gaskocher!). Das genießen wir ein paar Tage. Wäschereibesuch und so, quasi ein bisschen Haushalting, und alles im altkolonialen Umfeld – es kommt einem schon sehr spanisch vor. Abends die volle Dröhnung Livemusik und Straßenbier für alle, Nicas und Touris vereint, glücklicherweise in ohrfreundlicher Distanz zu unserer Bleibe.

Weiter! Managua! Das ist noch mehr „Kuba“ – außer viel schlichter Wohnbebauung leicht überdimensionierte Moderne in Form von weiträumigen Straßen und Kreiseln mit zum Beispiel einem großen Hugo Chavez, um den sich nun alles dreht. Hola, Hugo!  Mehrstöckige Gebäude gibt es wegen der Erdbebengefahr nur sehr wenige;  außer ein paar Prachtbauten der Regierung und, was sonst, den Hotelbauten der ausländischen Ketten ist alles maximal 2-geschossig, was den Eindruck nicht übermächtig werden lässt. Der Managuasee ist leider gekippt, schon seit Jahren, daran hat auch die  mehrheitlich deutsch finanzierte Kläranlage nichts ändern können.

Zum Besuch von Managua gibt es eher negative Meinungen, und wir lassen uns hier folgerichtig schön verunsichern. Wir setzen die Rucksäcke im netten Hostal Los Cisneros ab (diese zentralamerikanischen Häuser mit den schönen Innenhöfen sind toll!) und marschieren in die nahe Busstation., denn mit TicaBus wollen wir weiter nach Guatemala. Gelesen hatten wir schon zur Sicherheitssituation in Managua, tagsüber wären diese 300 m oder 1 1/2 Blocks geradeaus und noch einer nach rechts gar kein Problem – aber in diesem Viertel heißt es die Dunkelheit zu meiden. Heißt es… Und siehe da, der Bus fährt morgens um 5. Minus 45 Minuten vorher dort sein bedeutet das: um 4 Uhr durchs Viertel stiefeln. Wir fragen rum… TICABus-Angestellter: dann solltet Ihr lieber knapp hierher kommen, ab 4:30 sind die Straßen etwas voller. Hotelrezeptionist: nebenan ist die japansiche Botschaft, da steht die Polizei! (Hm, ja, nebenan ist relativ. 1 Block in die falsche Richtung, und ob die dann, wenn wir gerade eins über den Schädel kriegen, in die richtige Richtung gucken und losrennen?). Am Abend machen wir einen Testgang. Hotelbesitzer (und Notar…): ach, nee, in diese Richtung lieber nicht laufen. In die andere gern. Wir laufen trotzdem bis zum Eck – es sind auch noch Familien mit Hund und Kind unterwegs, man läuft mitten auf der Straße. Da kommt eine Stimme vom Gehweg: „… das solltet Ihr nicht tun, nach Einbruch der Dunkelheit im Hotel bleiben. Hier ist es gefähr…“. Genau die Nachricht, die ich gern höre, so was Blödes. Und hier eiern wir dann um 4 mit Gepäck rum? Wir mischen uns in der Eckkneipe noch ein bisschen unters Volk, bei Rückkehr hat das Hostel schon die Gitter verschlossen, das trägt alles zu meiner Begeisterung bei. Das Ende vom Lied? Wir geben unser Zimmer in der zweiten Nacht auf und kaufen uns ein Bett im Busbahnhof. Feige Bande… oder zumindest zu 50% feige. 

Das war dann Nicaragua – ja, wir haben die Küste ausgelassen, wo sich die backpackende Jugend der Welt surfenderweise finanziell vom teuren Costa Rica erholt (tatsächlich, Backpacker, die riesige Surfbretter herumschleppen sind kein Einzelfall!). Der Bus fährt auf die Minute pünktlich los, die Grenzabfertigung nach Honduras geht unkompliziert, nach ein paar Stunden ist man in El Salvador. Da kommt dann erstmalig Corona ins Spiel, wir werden mit Infrarotthermometern beschossen und müssen Kontaktdaten angeben (Anweisung an den Chef: nicht husten!). Nicht ganz fahrplanmäßig ein plötzlicher Busstopp ca. 150 km vor San Salvador – Getriebedefekt. Der Fahrer bugsiert uns rückwärts 2 km zurück an eine „sicherere Stelle“.  Da bäckt eine Frau die salvadorianische Nationalspeise namens Pupusas, mit Hackfleischmasse gefüllte Maisfladen. Sehr nett. Bis Ersatz kommt ist es allerdings stockeduster und Vvn San Salvador sehen wir so nur einen erstaunlich modernen und amerikanisierten Innenstadtteil und… das Tica-Hotel. Wird schon seinen Grund haben, dass die Busgesellschaft ihre Schäfchen nicht allein herumtraben lässt. Es folgt ein weiterer 5-Uhr-Bus.

Ein paar Stunden und ein Infrarotthermometer später rollen wir in Guatemala Stadt ein. Ab hier wird’s Maya!

Zwischen Karibik und Pazifik

Omotepe, Nicaragua, 26.2.2020

Schwer zu toppen, dieses Yatama… zumal wir uns für den nächsten Schritt wieder ins Getümmel werfen müssen. Die Busfahrt geht von Horqueta über Guápiles und Carriari durch endlose Bananenplantagen* bis La Pavona, da ist dann Ende Bus-Gelände, weil von dort nur der Wasserweg noch an die Küste führt. Ziel Tortuguera. Glücklicherweise bekommen wir ein „normales“ Boot, das auch ein paar Gehöfte von Einheimischen anläuft und daher nicht vollends mit unseresgleichen (aka Tourist) besetzt ist. Wohl aber mit einer deutschen Familie, deren Sohn (4?) für Dauerbeschallung sorgt: „Mama! MAMAA! Das wackelt! Mamaaa, das kippt um!“ Die Mutter nimmt ihn auf den Schoß, muss aber zeitgleich die Hand der Tochter nehmen, die gottergeben und mit geschlossenen Augen der drohenden Katastrophe entgegengeht (der Vater hat eine weitere Tochter im Arm). Dann geht es los, teils wegen Ebbwasserstandes mit Gewühl (sehr tief wären wir nicht gesunken…), noch ein bisschen Entsetzensgequieke, dann aber hat Sherlock – außer einem Plüschtier ist das Kind mit Plastikfernglas und Lupe gerüstet – die Lage analysiert:“… so, Mama, Du kannst Dich wieder an Deinen Platz setzen!“. Die Angsttiraden werden aber nahtlos durch Live-Berichterstattung ersetzt:“ … Mamaaa! Der Vogel! Das Krokodil [war ein Leguan].“ Ob sich die Gäste im La Baula Resort, wo die Familie aussteigt, auch gefreut haben?

In Tortuguero irren wir ein bisschen durchs Dorf, finden dann unser Hostel El Gecko am Ortsende, schaurig schön am Atlantik, der für die nächsten Tage mit seinem Gedonnere für eine ununterbrochene Geräuschkulisse sorgt. Hier ist nun Tourismus „pur“ angesagt, alles zwar eher einfach, obwohl ein paar luxuriösere Resorts sich in den Palmenhainen außerhalb des Dorfes verbergen. Vorteil des Gästestromes: nettes Essen, Ingwer-Zitronengras-Limonade und richtig guter costarikanischer Kaffee im Buddha-Café. Es hat was, mal kein Gallo Pinto (Reis mit Bohnen) vorgesetzt zu kriegen. Die Nachtwanderung hat auch was: zwei Europäer in Vollzeug – lange Hose, Wanderschuhe, langärmeliges Hemd, so wie wir’s halt kennen, und wie es auch empfohlen wurde – dazu eine Gruppe von Uruguayanas, die sich das nächtliche Abenteuer in kurzen Shorts und bauchfreien Tops geben, und beim Durchstreifen des Unterholzes natürlich kreischen und juchzen. Umpf… wenn es keinen Grund zum Kreischen gibt, wird gegackert. Was das Vergnügen nicht allein trübt. Es sind zig Gruppen à 6-10 Gästen, die zu allem Übel auch noch ein recht kleines Gelände am Ortsrand durchpflügen; aus allen Richtungen blitzen die Taschenlampen. Lauschig. Immerhin… Baumfrosch, Kolibri im Nest, ein paar – iiieeeek! – Spinnen sind der Lohn, Saulo, dem es auch zu voll ist, führt uns noch ein Stück weiter nach Norden, wir erhalten einen kleinen Vortrag über Meeresschildkröten, deren Eiablage er in der Saiason betreut und bewacht. Zwei schöne Schlangen kommen auf unsere Liste, eine namenslose, die man glatt für einen braunen Ast halten könnte, und die – wieder einmal – ohne die geübten Augen eines Guides unentdeckt geblieben wäre. Und eine grüne Weinstockschlange sitzt hoch im Baum und verdaut. Schick. Kleine Leguane gibt es als Zubrot, aber die erhofften Faultiere verstecken sich gut und erfolgreich.

Nächstes „Muss“ in Tortuguero ist eine morgendliche Ausfahrt mit dem Ruderboot oder Kanu. Wo an einem Urlaubsort erlebt man um 6 Uhr früh einen solchen Auftrieb? Glücklicherweise verteilt sich das gut, wir sitzen zu vielleicht 10 Gästen im Boot, aber die Ausfahrt ist dann doch zeitweise beschaulich und ruhig, wenn sich nicht gerade 10, 12 Boote vor einem springenden Klammerschwanzaffen versammeln und „oh! Ah!“ rufen, ansonsten paddelt man recht still durch die Mangroven. Es gibt reichlich Reiher und Jacanas, Tukane, Fledermäuse im Tagversteck, Kormorane und natürlich die leider bedrohten grünen Soldatenaras. Schön! Sollte man mitmachen, wenn man hier ist! Im Nachhinein betrachtet hätten wir lieber ein Kajak genommen, mit dem man sich leichter absetzen kann. Wir unternehmen noch zwei ausgedehnte Spaziergänge allein, einen davon im fast unvermeidlichen Regen – die Regenmengen sind unglaublich.  Leider ohne Jaguarsichtung, obwohl doch kürzlich erst einer in der Nacht ins Dorf gekommen war, um sich einen der zahlreichen Hunde zu holen. Aber damit ist unser Karibikausflug auch erledigt – den Nationalpark Cahuita lassen wir aus.

Zurück nach San José. Aida im Hostal Trianon freut unser Wiederholungsbesuch. Der Eigner schwankt zwischen dem Erwerb neuer Wanderschuhe und Reparaturversuch an den Sohlen – also eher einfache Aufgaben – dann Abreise nun doch noch in den Nebelwald. Bus nach Puntarenas am Pazifik, ein bisschen an der Bushaltestelle abhängen und aus der pazifischen Hitze hinauf in die Berge des Monteverde – dass es sich um Nebelwald handeln muss, hatte man schon vom Strand sehen können, denn die Wolkenwalze, der wir uns nähern, ist gewaltig. Nicht auf dem Schirm hatten wir allerdings die geradezu gewalttätigen Winde, die den feinen Nebelregen waagerecht durch die Luft treibt: von Ost kommt der Passat, der auch die feuchten Wolken die Hänge hinauf treibt. Eine Passagierin im Lokalbus antwortet später auf die Frage, ob das immer so sei, knapp: si, más o menos. Mehr oder weniger. Gespenstisch – gleichzeitig ist Santa Helena aber ein viel netterer Ort als La Fortuna, trotz des Touristenaufkommens: es ist bergig und verwinkelt, also verteilen sich Bebauung wie auch Leute in der Landschaft. Wir buchen einen geführten Gang im kleinen Reservat Curi Cancha, gekrönt von einer Quetzalsichtung (eigentlich ein leichtes Thema, weil Quetzals gern in Avocadobäumen sitzen, wenn die Früchte tragen), und am nächsten Tag marschieren wir frei durch den Nebelwald. Was für Wassermassen! Manchmal peitscht einem der Wind den Nebel ins Gesicht, an der Stelle, an der man Atlantik und Pazifil gleichzeitig sehen kann, hüllt uns die Wolke vollends ein – es ist eben kein „ruhiger Tag“; dennoch gibt es ganz windstille Taschen im Wald. Und eine Hängebrücke in Höhe der Baumwipfel – das hätten wir  damit auch abgehakt. Manchen Besuchern geht es um so viele Brücken wie möglich, was auch ziemliche Kraxelei bedeutet; es gibt Nebelwaldtouren mit 6, 8, 15 Brücken. Eine reicht, der Weg ist beschwerlich. Und sehr lohnend.

Nach 3 Nächten geht es wieder auf, runter an die Küste Richtung Liberia, von wo es nicht mehr weit zur nicaraguanische Grenze ist, und wo der Schuster das Geschäft des Jahres macht – endlich werden die o.a. schon erwähnten Sohlen „professionell“ geklebt. Klingeling, 14 Dollar – diese Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen. TICA-Bus bucht freundlicherweise unsere bestehenden Tickets von San José nach Managua um – so viel Gemecker um die Firma, aber wir hatten nur Serviceglück, vor allem mit deren Chatverfahren. Perfekt. Auf nach Nicaragua!

 

(Jetzt muss der Eigner wieder einmal den Rechner für Bilder freigeben, dennoch: raus damit, wir hinken maximal hinter dem Zeitplan her, immerhin sind wir schon vier Länder weiter…)

 


* Bananen kommen mittlerweile auf meine Liste der zu vermeidenden Nahrungsmittel, sofern sie nicht zertifiziert organisch sind. So viel Plastikmüll (blaue Säcke gegen Insekten- u ndFledermausfraß. Und so viel Pestizide, dass an der Küste die Koralleriffe durch den Pestizideintrag von den Feldern geschädigt werden. Costa Rica, das Ökotourismusland…