Nicaragua

Rio Dulce, 10.3.2020

Das wird ein kurzer Eintrag… 

Nicaragua stand eigentlich gar nicht auf dem Programm, eher eine „wenn wir schon mal hier sind“-Station. Für die Geografie-Ungeübten: unser Weg von Costa Rica nach Guatemala, das ja ursprünglich unser Erstziel sein sollte, führt zwangsläufig über Nicaragua, Honduras und El Salvador.

Erster Stopp nach elend langen Grenzprozeduren in Peñas Blancas ist Ometepe im Nicaraguasee – das ist der, der immer mal wieder in der Diskussion ist für einen alternativen Kanal von der Karibik in den Pazifik, schon seit 150 Jahren. Derzeit sind die Pläne auf tropisches Eis gelegt, der chinesische Billionär, der das zuletzt geplant und sogar begonnen hat, ist plötzlich keiner mehr, seine Investmentgesellschaft hat sich… verdaddelt, aber was 150 Jahre währt, kann sicher auch wiederbelebt werden. Zunächst scheint das mal schlecht für die nicaraguanische Wirtschaft, besser aber für die ohnehin geschundene Natur, denn den zweitgrößten See Südamerikas von einem Süßwasser- in einen Salzwassersee zu wandeln, hätte weitreichende Wirkung, ökologisch gesehen. Das Projekt als solches ist auch sozialpolitisch extrem umstritten, geht es doch mit massiven Enteignungnen einher, zumal in Gebieten mit indigener Bevölkerung. Und innenpolitisch, man horche auf, ist der Chef des nicaraguanischen Entwicklungsbüros der Sohn von Daniel Ortega, dem ehemaligen Hoffnungsträger der Sandinisten, heute wieder Regierungschef und gehasster Despot. Und nicht genug mit Ortega-Klüngel: da die Investmentgesellschaft eine chinesische ist/war, sprich: es eigentlich „die Chinesen“ waren, die da ihre Finger ausstrecken, hätten sich, wie die USA  in Panamá, die Erbauer des Kanals mit den Enteignungen weitreichende Land- und Abbaurechte erschlichen. Sehr anrüchig und alles allzu wohlbekannt in der zentralamerikanischen Geschichte, nur mit dem Unterschied, dass hier der neue „Kolonialherr“ von der anderen Pazifikseite käme. Die nicaraguanische Bevölkerung ist allerdings auf der Hut – die Unruhen im Sommer 18 nahmen ihren Ausgang von den Kanalbauplänen. Warten wir’s ab. Wünschenswert wäre so ein Kanalbau nicht.

Wir erreichen mit Ach und Krach die letzte Fähre von San Jorge nach Moyogalpa auf Omotepe, schultern nach einer Stunde Sunsettour auf dem See die Rucksäcke und wandeln an zahlreichen – eher unbelebten – Toruistenllokalen entlang Richtung Hostel. Es ist sehr dunkel. Am Ortsende grillt eine Dame das unvermeidliche Hühnchen, ein bisschen Schwein und ein bisschen Rind. Dazu gibt es Tortillas und… schaaarf! Die letzte Erfahrung mit „schaaaarf“ lässt uns zögern. Zu Recht. Des Eigners Gesicht nach einem großzügigen Löffelchen „Chile“ auf seiner Ceviche in San José werde ich so bald nicht vergessen, aber auch ohne ist es lustig, in einem Vorgarten zu sitzen und sich von einem von Mopeds umkurvten Grill das Abendessen hereinreichen zu lassen. Auf den „frischen Saft“ aka refresco natural aus der Plastiktüte verzichten wir, zu dunkel der Platz für eine optische Kontrolle! Wenige hundert Meter weiter warten die Wirte von der Casa Mauro, mit denen wir schon von der Grenze aus im Mailkontakt standen („… wissen nicht, ob wir die Fähre schaffen… “ ). Ein zum Hostel umgewandeltes Gehöft, ein paar Hängematten unterm Vordach, schlichte Zimmer, alles ein bisschen grob. Sehr nette Leute, Mutter Sohn und Enkelin betreiben das Hostel, obendrein gibt es einen den Gästen sehr zugewandten Jung-Husky, der das Dauerbellen noch verlernen sollte – was macht so ein aufs Rennen versessener Hund aus kaltem Klima an einer Kette in den Tropen? Kleiner Wermutstropfen..

Wir erkunden den Ort und die Insel, und so vergeht die „wo wir schon mal hier sind“-Zeit. Die dem Festland abgewandte Seite, insbesondere der Ort Alta Gracia, erinnert uns dann schon sehr an das bescheidene Äußere von Kuba. Nicht zuletzt wegen der Bürgerkriegsmahnmale à la „Genosse Pedro… kämpfte heroisch in den Nordprovinzen“. Die meisten Todesdaten 1983/84. Wo man geht und steht – der Kalte Krieg, seine heißen Stellvertreterkriege und das scheindemokratische Gefummel der USA verlässt einen nicht. Hier: erst Somoza. Die Sandinisten, die ihn ablösten. Reagan, der das nicht zulassen mochte und die Contras unterstützte… kein Ende in Sicht.

Fähre zurück nach San Jorge, Sammeltaxi nach Rivas, Chickenbus nach Granada. Das ist die alte Hauptstadt Nicaraguas, spanisches Kulturerbe pur und Touristenmagnet – wir kommen in der Casa Amarilla unter, in einer Seitenstraße zum alten Zentrum; nicht so leicht zu erreichen von der Chickenbus-Haltestelle. Wem traut man mehr, dem Herrn, der hinter einem „nicht dort runter“ ruft (jau, war ziemlich unbefestigt und ein bisschen ärmlich!) oder Google Maps? GM natürlich und prompt ist die Straße, die eigentlich über einen Fluss führen sollte und direkt zu unserem Haus führt, mit Wellblechwänden gesperrt. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass hier ein ziemlich armes Viertel von einem getrennt wird, in dem sich Touristen und das nur mittelarme Granada treffen. Egal, wir finden eine Brücke, nach einer Weile auch unsere Casa Amarilla, und die ist toll: ein veritables geräumiges Ferienappartment. Mit  Kühlschrank und Mixer (ha! Kalter Kaffee, Fruchtmatschegetränke! Bratkartoffeln vom 3-Flammen-Gaskocher!). Das genießen wir ein paar Tage. Wäschereibesuch und so, quasi ein bisschen Haushalting, und alles im altkolonialen Umfeld – es kommt einem schon sehr spanisch vor. Abends die volle Dröhnung Livemusik und Straßenbier für alle, Nicas und Touris vereint, glücklicherweise in ohrfreundlicher Distanz zu unserer Bleibe.

Weiter! Managua! Das ist noch mehr „Kuba“ – außer viel schlichter Wohnbebauung leicht überdimensionierte Moderne in Form von weiträumigen Straßen und Kreiseln mit zum Beispiel einem großen Hugo Chavez, um den sich nun alles dreht. Hola, Hugo!  Mehrstöckige Gebäude gibt es wegen der Erdbebengefahr nur sehr wenige;  außer ein paar Prachtbauten der Regierung und, was sonst, den Hotelbauten der ausländischen Ketten ist alles maximal 2-geschossig, was den Eindruck nicht übermächtig werden lässt. Der Managuasee ist leider gekippt, schon seit Jahren, daran hat auch die  mehrheitlich deutsch finanzierte Kläranlage nichts ändern können.

Zum Besuch von Managua gibt es eher negative Meinungen, und wir lassen uns hier folgerichtig schön verunsichern. Wir setzen die Rucksäcke im netten Hostal Los Cisneros ab (diese zentralamerikanischen Häuser mit den schönen Innenhöfen sind toll!) und marschieren in die nahe Busstation., denn mit TicaBus wollen wir weiter nach Guatemala. Gelesen hatten wir schon zur Sicherheitssituation in Managua, tagsüber wären diese 300 m oder 1 1/2 Blocks geradeaus und noch einer nach rechts gar kein Problem – aber in diesem Viertel heißt es die Dunkelheit zu meiden. Heißt es… Und siehe da, der Bus fährt morgens um 5. Minus 45 Minuten vorher dort sein bedeutet das: um 4 Uhr durchs Viertel stiefeln. Wir fragen rum… TICABus-Angestellter: dann solltet Ihr lieber knapp hierher kommen, ab 4:30 sind die Straßen etwas voller. Hotelrezeptionist: nebenan ist die japansiche Botschaft, da steht die Polizei! (Hm, ja, nebenan ist relativ. 1 Block in die falsche Richtung, und ob die dann, wenn wir gerade eins über den Schädel kriegen, in die richtige Richtung gucken und losrennen?). Am Abend machen wir einen Testgang. Hotelbesitzer (und Notar…): ach, nee, in diese Richtung lieber nicht laufen. In die andere gern. Wir laufen trotzdem bis zum Eck – es sind auch noch Familien mit Hund und Kind unterwegs, man läuft mitten auf der Straße. Da kommt eine Stimme vom Gehweg: „… das solltet Ihr nicht tun, nach Einbruch der Dunkelheit im Hotel bleiben. Hier ist es gefähr…“. Genau die Nachricht, die ich gern höre, so was Blödes. Und hier eiern wir dann um 4 mit Gepäck rum? Wir mischen uns in der Eckkneipe noch ein bisschen unters Volk, bei Rückkehr hat das Hostel schon die Gitter verschlossen, das trägt alles zu meiner Begeisterung bei. Das Ende vom Lied? Wir geben unser Zimmer in der zweiten Nacht auf und kaufen uns ein Bett im Busbahnhof. Feige Bande… oder zumindest zu 50% feige. 

Das war dann Nicaragua – ja, wir haben die Küste ausgelassen, wo sich die backpackende Jugend der Welt surfenderweise finanziell vom teuren Costa Rica erholt (tatsächlich, Backpacker, die riesige Surfbretter herumschleppen sind kein Einzelfall!). Der Bus fährt auf die Minute pünktlich los, die Grenzabfertigung nach Honduras geht unkompliziert, nach ein paar Stunden ist man in El Salvador. Da kommt dann erstmalig Corona ins Spiel, wir werden mit Infrarotthermometern beschossen und müssen Kontaktdaten angeben (Anweisung an den Chef: nicht husten!). Nicht ganz fahrplanmäßig ein plötzlicher Busstopp ca. 150 km vor San Salvador – Getriebedefekt. Der Fahrer bugsiert uns rückwärts 2 km zurück an eine „sicherere Stelle“.  Da bäckt eine Frau die salvadorianische Nationalspeise namens Pupusas, mit Hackfleischmasse gefüllte Maisfladen. Sehr nett. Bis Ersatz kommt ist es allerdings stockeduster und Vvn San Salvador sehen wir so nur einen erstaunlich modernen und amerikanisierten Innenstadtteil und… das Tica-Hotel. Wird schon seinen Grund haben, dass die Busgesellschaft ihre Schäfchen nicht allein herumtraben lässt. Es folgt ein weiterer 5-Uhr-Bus.

Ein paar Stunden und ein Infrarotthermometer später rollen wir in Guatemala Stadt ein. Ab hier wird’s Maya!