No elephants

Unterwegs Richtung Bahamas

Oder: von Grün zu Ultramarin zu Türkis

Old Bahama Bay/Westend, Grand Bahama, 4.1.2021

Am Weihnachtstag hatten wir sie gesehen, die Elefanten, vor denen in der Florida Strait immer gewarnt wird. Es hatte einen Frontdurchgang gegeben mit dem klassischen Norder, und als sich das Wetter beruhigt hatte, war die Chance auf einen Weihnachtsspaziergang auf Peanut Island gegeben – gut, denn schon am Heiligabend konnten wir nicht von Bord. „Hey, guck mal die Elefanten!“ Was? Der Eigner ist konsterniert, aber da sind sie: durch das Lake Worth Inlet auf den Horizont geschaut, sehen wir sie ihre Bahn ziehen. Ein Elefant nach dem anderen, wie die Elefantenpatrouille im „Dschungelbuch“. Aufgetürmte Wellen, sehr beeindruckend und der Beweis, dass mit Nordwinden auf dem Golfstrom nicht zu spaßen ist. „Watch out for the elephants“. Alte Floridaregel.

Wir haben die Reise über den Golfstrom ohne Kämpfe mit Elefanten erledigt; es war aber auch mit moderatem Südwestwind – zwischen 15 und 20 Knoten – ausreichend holperig; die lokalen Ratgeber sagen dazu: „… it will be salty“.. Die Story dieser kurzen Passage ist lang, denn durch Covid sind die bürokratischen Hürden für die Einreise in die Bahamas hoch. Für uns fängt es am 27.12. an, als sich für das folgende Wochenende ein Wetterfenster aufzutun scheint –  die Abfolge der Fronten hier ist kurz, alle 5 bis 6 Tage rückt solch ein Schlechtwetter von Westen an, dann dreht der Wind von Ost über Süd und West nach Nord, das ist der Frontdurchgang; zwischen den Fronten liegen längere Perioden mit Ostwind, auch nicht die Windrichtung für einen Kurs fast direkt nach Ost. Naht eine Front, dreht der Wind langsam auf südliche Richtungen, schon besser, aber nicht sonderlich langlebig. Alles eine Frage der Strategie. Ist die Front langsam genug, kann man den Anteil an Süd- und Westwinden nutzen, um elegant über den Strom zu setzen. Und so verfestigt sich unser Wetterbild, am Montag, am Dienstag… wir steigen schon mal in die Schuhe, um uns auf Covid testen zu lassen. Manche machen das an kostenfreien Teststationen – die leider den Nachteil haben, dass die Testergebnisse 2, 3, 4 Tage Rücklauf benötigen – aber der Segler braucht allein einen Tag, um die Strecke zu bewältigen und in der Regel erlauben die Bahamas 5 Tage zwischen Test und Check-in. Das macht nervös, nervös genug um die Luxusvariante zu wählen: Bezahl-Labor (nicht zu knapp, die Gebühr; schenken wir uns zu Weihnachten!). Zwar sind über die Feiertage die Fristen auf 7 Tage verlängert, aber ein befreundetes niederländisches Paar macht vor, wie die Sparversion schön in die Hose gehen kann: am Dienstag getestet mit dem Versprechen, die Ergebnisse am Silvestertag zu erhalten. Nix da, und da ab 31.12. mittags bis Montag früh kein Labordienst geleistet wird, sind die Gesichter lang, sie müssen

Mal schnell ein Swab Test auf der Clubtreppe

das Wetterfenster unverrichteter Dinge vorbeiziehen lassen.  Dann lieber die Bezahllaboraktion, die wir sogar sicherheitshalber noch einmal auf Sonnabend schieben; aber dieser Test ist vom Feinsten: wir sitzen in den Fahrradklamotten auf den Stufen der Sailing Clubs, Kate rollt im firmeneigenen BMW heran, eigens aus Hollywood (in Florida). „Ach, Ihr könnt sitzen bleiben!“ – schon haben wir die swabs in der Nase, Loch 1, Loch 2, fertig. Und bis auf die Tatsache, dass ein – natürlich negatives – Testergebnis auf den Namen Andreas Deutsch ausgestellt wird* und noch einmal für kurze Verwirrung sorgt, haben uns am Abend die Bahamians die Erlaubnis erteilt, einreisen zu dürfen; das machen sie wirklich gut und zügig. Abgemacht. Wir fahren los.

Grün: unsere Kursrichtung – rot der gesteuerte Kurs. Hier die mildere Variante

Kurz nach Sonnenaufgang gehen wir ankerauf, 6 oder 7 Segler können wir ringsum ausmachen. Wir fahren den klassischen Bananenbogen nach Norden, dann muss man nicht so in die Wellen knallen, behält dafür bis zum Schluss den Winkel hoch am Wind bei. Wie? Ihr wollt nach Ost, es ist Südwestwind und Ihr fahrt hoch am Wind? Genau. Der Strom beschert Euch in Europa ganzjährig moderate Temperaturen, und wir bezahlen das mit einem Abdriftwinkel von 40- 50°, das ist unglaublich – ich weiß gar nicht, wie die Leute das früher ohne GPS und Plotter gemacht haben. Naja schon: da wurde über Generationen ein Kurs von 120° weitergegeben, um vom Lake Worth nach Grand Bahama zu kommen; die Rasterkarten haben alle Peillinien zwischen Start- und Zielorten. Genau diesen Kurs halten wir ein. Andere Segler steuern augenscheinlich genau auf der Kurslinie auf ihrem Plotter, wir sehen sie mit der Höhe kämpfen. Im Endergebnis sind wir alle am späten Nachmittag gleichzeitig im Hafen. Gut gemacht! Bis auf die Tatsache, dass mir doch tatsächlich auf die letzten Meilen noch schlecht wird, das Setzen der Gastlandflagge bringt mich knapp an die Kotzgrenzen.

Bahama-Flagge im Grau

Das Feeling am Montagmorgen? Ostseesommer. Die Front naht, es bläst schon aus Nordwest und jammert ein bisschen in den Riggs, ein nettes,  vertrautes Geräusch und noch dazu etwas wärmer als Ostseelärm. Gestern im Grün des Manatee-Wassers im Lake Worth gestartet ging es über das Ultramarinblau im Strom (ein irre tiefes, leicht violettstichiges Blau, wir haben gleich über Schul-Farbkästen gesprochen!) ins… naja. Elefantengrau der Bahamas. Das gerühmte Türkis deutet sich schon an, aber warten wir noch auf Sonnenschein, der es so richtig zum Leuchten bringt. Wenn die Front durch ist.

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* Der Nachname wurde vom Pass abgeschrieben – herrje, immer wieder passiert es, dass die Nationalität zum Namen erhoben wird, unsere Pässe sind optisch echt doof!