Drei Fliegen, eine Klappe

Unterwegs nach Port Canaveral. Es wird gewittrig…

Port Canaveral, 4.6.2021

Das ist jetzt mal eine Überraschung, oder? Aber nein, es gibt keine Blogeintragsflut, aber heute ist ein schicker Tag…

Am vergangenen Dienstag klarieren wir aus Lucaya auf Grand Bahama aus. „When do you leave?“  Abfahrt? … am Abend vielleicht? Ausklarieren ist eine neue Sitte in den Bahamas, also gibt es Beamte, die das lässig handhaben, und solche, die es genau wissen wollen – ich hab die strengere Version gewonnen. „Na, so um 20:00…“. Sprech’s und werfe die Leinen los, wir verschwinden. Knapp 30 Meilen sind es bis Westend, wo wir  vielleicht noch einmal das Wetter prüfen wollen, es fängt dieser Tage an, gewittrig zu werden, und das bestätigt sich: es gießt derartig, dass wir das Radar einschalten. Sicht=null. 3 Meilen vorher gibt es eine als eng beschriebene Einfahrt zu einem aufgelassenen Development, wo wir übernachten können (siehe oben, Abfahrt 20:00, muss ja keiner wissen). Entgegen den Beschreibungen ist die Einfahrt breit wie ein Scheunentor, nach links und rechts ziehen sich Kanäle, an denen schicke Häuser stehen sollten. Wir biegen rechts ab, es öffnet sich eine kleine Bucht. Anker runter. Der als sehr mittelmäßig bezeichnete Ankergrund erweist sich als gut haltend – natürlich gibt es eine Husche gerade zum Ankermanöver, aber zum Kaffee ist schon alles wieder fein. Ginn Sur Mer nennt sich die Anlage. Nüscht zu sehen außer

Ginn sur Mer. Unser Ankerplatz. Mit Gewitter…

angelegten Wegen, ein paar Elektrokästen und… Stopppschildern. Das Ding soll in dieser Form seit mehr als einem Jahrzehnt brachliegen. Mr. Bob Ginn (irgendwie erinnern Name und Projekt an einen Dschinn, den niemand mehr zurück in die Flasche lässt…) ging schon bald nach Baubeginn 2006 Pleite, aus einer Luxussiedlung mit Monte Carlo-style Casino,  Megayachtmarina mit 900 Plätzen und zwei Golfplätzen mit wer weiß wie vielen Löchern wurde nichts – wir genießen den ruhigen, geschützten Ankerplatz und die vielen Seeschwalben, die uns umfliegen.

Die Gewitterwolken am Morgen lassen wir noch durchziehen, danach ist eine Kurzpassage nach Canaveral angesagt. Die ist so anstrengend wie jedes „overnightie“ im 3-Stunden-Wachwechsel. Erst kann frau nicht schlafen, da zu früh, dann laufen Frachter am östlichen Rand des Golfstroms hinter uns her oder kommen entgegen, je näher wir der Floridaküste rücken, umso größer ist die Gefahr, über Angler zu rennen, die eher auf Fische als auf Querverkehr achten. Ist halt so. Die fetten Squallwolken allerdings sparen uns freundlicherweise aus. Ankunft in Canaveral nach 22 Stunden. Und nun… eine Slapsticknummer! Während Elon Musk zu unserem Empfang mal wieder einen fliegen lässt – wir hören ein unnatürlich gedehntes Donnergrollen (nächsten Freitag die nächste Show… alles für Euch, Ihr lieben Telefonierer und GPS-Nutzer!) – versuche ich, Kontakt zum CBP (=Customs and Border Protection) aufzubauen, verantwortlich für Zoll und Einreise. Ich hatte, da AT&T vor genau einer Woche die US-Telefon-SIM für ungültig erklärt hatte, eigens für das Bahamesische Telefon 1 Woche US-Roaming mit Telefonieren und 1 GB Datenvolumen gekauft. Super. Der Anruf klappt auch: CBP Canaveral sagt, man möge sich über die ROAM-App anmelden. Das bedeutet, dass sie nur noch ein Videogespräch mit den Einreisewilligen führen. Das sollte ja funktionieren, mit 1 GB Datenvolumen. Sollte… leider meldet sich BTC, dass man bereits mehr als 30 Dollar in Daten verbraucht habe, abzurechnen in 0,15 Cent pro MB. Nach Adam R. wären das 20 GB. Wann und wo habe ich die verbraucht? Auf See? Habe ich nicht, aber die Bahamas sind weit, ohne Daten oder Guthaben kann frau nicht telefonieren, weder lokal noch sonstwo hin. Luft holen. Wat nu? Mittlerweile ist es fast 16 Uhr, noch eine Stunde bis Büroschluss. Die ROAM-App hatte ich kürzlich vom Tablet geschmissen, da schon 2019 nicht funktionstüchtig. Per Marina-Hotspot neuer Versuch. Erfolgreich – aber das schlaue Teil erkennt mich wieder, nur weiß ich weder Passwort noch den Eingangscode, ich habe da wirklich rückstandslos gelöscht. Neues Passwort anfragen? Klaro. Dazu braucht es aber einen Securitycode über eine Authentifikationssoftware, die ich auch nicht mehr habe. Es geht mehrfach hin und her, Passwort neu, bitte identifizieren Sie sich mit dem Eingangscode. Haben Sie nicht? Dann löschen Sie das alte Passwort und beantragen ein neues. Bitte identifizieren Sie sich mit dem Eingangscode! Haben Sie nicht. Dann löschen Sie Ihr Pass… ein wahrlich einbruchssicheres System. Ich habe einen Schweißausbruch. Der Eigner macht kalten Kaffee. Neuer Anlauf: Konto löschen. Einfach – kann man machen, wird 24 Stunden nach der Beantragung ausgeführt. Auch nicht zielführend, wenn man noch 45 Minuten Zeit hat. Nächster Schweißausbruch, mittlerweile schon mit hilflosem Gelächter untermalt. Vollkommen neues Konto beantragen. Tick-tick sagt die Uhr. Glücklicherweise finde ich auf Nebenwegen die – „not recommended“, mit Ausrufezeichen! – Methode, sich Verifikationscodes per SMS schicken zu lassen, und das Alttelefon mit der T-Online-SIM ist, hurra, a. geladen und empfängt b. SMS. Es geht voran, mit ein paar Kinken (wir haben Ihnen einen Secure Code geschickt. Nicht erhalten? Fordern Sie einen neuen…), aber es geht. Dateneingabe. Abschicken. Und nun? Das Bahama-Telefon hat kein Guthaben, kann also im Roamingbetrieb nicht angerufen werden, dito das deutsche. Wie wollen die ein Videogespräch mit uns führen? Sie wollen! Sie schicken auf die App eine Nachricht, dass wir „conditional“ berechtigt sind, die USA zu betreten (das ist 300% besser als 2019, als uns die Einreise per App-Nachricht in knappen Worten untersagt wurde). Man möchte ein Videogespräch führen. Na, denn man tau. Wir warten – aber der Bildschirm bleibt leer. O.k. … ich skype mit CBP Canaveral und gebe den Status durch. „… dann rufen sie bitte die 0800… an und melden sich telefonisch, morgen sehen wir uns dann hier im Büro“. Gut! Nur dass Skypeanrufe bei der Servicenummer nicht angenommen werden… Ayy! Gute Nacht, mehr konnten wir nicht tun. Slapstick Ende.

Am Morgen schälen wir uns aus den Kojen – wieso macht einen eine solche Pipi-Passage so müde? – kramen die Räder raus und los geht’s. Ich bin von einer Nachricht von Dorothee  eingestimmt „… wie war das Einklarieren? Wir haben gehört, dass CBP in Florida unfreundlich zu NonUS-Einreisenden ist!“ Können wir zwar aus Marathon nicht bestätigen, aber es erhöht die Spannung, insbesondere meine – ich bin so eine Behördenschisserin. Officer Halliday lächelt freundlich (das muss zum Training gehören: freundlich, distanziert, wachsam. Immer!) nimmt unsere Papiere und Pässe und verschwindet in den Tiefen der sehr ruhigen Büros. Es dauert – wir rekapitulieren den Vorgang in Marathon. Da war’s genauso, ruhig und von langer Dauer – wer weiß, durch welche elektronischen Mühlen unsere Daten geschickt werden. Gelegenheit über amerikanische Freiheitsfantasien zu spekulieren und den neuen Homeland Security-Minister Mayorkas zu betrachten. Kein Biden, aber auch kein Donald. Gut! Und dann Halliday: „… your ROAM application did work!“ Tatsächlich, das Hickhack hat funktioniert, bis auf die face-to-face-Sache per Video. Ausreise: 3. Dezember. Hurra!  „Welcome back to the USA“ sagt er noch, freundlich und distanziert, aber mit einem Ticken weniger Wachsamkeit. Nett!

Jetzt geht es an des Eigners Geduld, eine lange Radtour zum AT&T  in Cocoa Beach. Die Telefonsache muss geregelt werden. Nicht meine bevorzugte, doch meine häufigste Aufregerdisziplin: Mobiltelefonie. Er –  das muss gesagt werden – hasst es, und weil mir schwant, dass die Fahrt nach Cocoa Beach wirklich lang ist, schlage ich vor, mal bei TMobile anzuhalten, gleich neben unserem Publix-Supermarkt. Der Eigner lässt sich breitschlagen, mit in den Laden zu gehen – und heute haben wir mal Glück. Jayse Diaz versteht Anliegen (viel Daten, ein wenig Telefonie), Gerätekonfiguration (europäische Tablets und Telefone gemischt mit US-Geräten) und finanzielle Limits (viel Hotspot für wenig Geld) auf Anhieb, kurz, die Sache mit den neuen SIM-Karten ist innerhalb einer halben Stunde erledigt. Hm. Funktioniert schlecht an der Westküste? Das können wir verschmerzen. 

Impfung to-go

Next stop: Publix. Die Bahamas sind nicht schlecht versorgt, aber in so einem Supermarkt gehen einem die Augen über. Es erschlägt einen. Wir sammeln „das Nötigste“ ein, steuern auf die Kasse zu, da stellt sich uns am Apothekentresen etwas in den Weg: walk-ins welcome for the Covid-19 vaccine. „You wanna shot?“ fragt der Apotheker. Ja klar wollen  wir eine Impfung, aber wir sind keine Floridians. Macht nix – also… wollen Sie? We have Moderna. Aber sicher doch! Dokumente ausgefüllt, ID geprüft… eine Viertelstunde später sitzen wir Moderna-geimpft und warten die Reaktionskarenz ab (praktisch: frau kann derweil noch Zahnbürsten und Kaffee shoppen). Das war… Spitze, wie der schreckliche, alte Herr Rosenthal zu hüpfen pflegte. Sämtliche Fliegen des Tages, Zoll, Telefon, Einkaufen, mit einer Fahrradtour erschlagen, und die Impfung gab es als Überraschungsei dazu. Zweitimpfung in 4 Wochen – bei Walmart…

Impfung bei Publix Supermarket

Moderna-Zeiten!