Surprise, surprise!

Fernandina Beach

St. Augustine/Florida, 17.1.2022

Ist ja schon gut!
„… es hat sich seit 3.1. nichts im Blog geändert!“. Stimmt. War ja auch – rein seglerisch gesehen – nichts Aufregendes zu berichten. Ist es eigentlich immer noch nicht, außer, dass es draußen fast so frisch ist wie zuvor. Das ist nicht ganz wahr, es ist frühlingshaft frisch, wenn es nicht wie gestern

Diese Spanier… (nein, kein Disney-Nachbau)

gerade aus allen Knopflöchern bläst – da geraten die Facebook-Gruppen von den Bahamas und vom Intracoastal Waterway schon mal in Wallung und suchen oder vergeben gute Tipps, wo man sich verstecken kann. Tags drauf gibte es die Rekordmeldungen in Sachen Windgeschwindigkeit und slippenden Ankern. Wir dagegen… machen es uns gemütlich und verziehen uns, da St. Augustines Ankerplätze im kräftig strombeaufschlagten Fluss liegen

Bridge of Lions. Nicht spanisch – aus den 20er Jahren, dafür mit Medici-Löwen

und Rentner ungern Ankerwache schieben, zunächst mal an einer Mooring der „St. Augustine Municipal Marina“ . Als am Martin-Luther-King-Feiertag die Moorings alle ausgebucht sind, verholen wir uns noch für 2 Nächte an einen Marinaliegeplatz. Hat immer was. Warme, sauberere Duschen, Waschmaschine… Es gibt Hafenkino (viel Strom!) und auch nette Schwätzchen mit den Nachbarn und deren netten Hündinnen, und bei den Waschmaschinen wird die Welt ganz klein. Es kann so lustig sein, sich mit Amerikanern zu unterhalten! Oh, Du bist Deutsche? Und aus Nordeutschland. Das ist bei Hamburg? Kennst Du vielleicht „Ralph and Vicky?“  Umm. Nee, das tut mir leid – ich kann ja nicht immer sagen, dass wir eigentlich niemanden kennen, aber dafür rechtfertige ich mich vollmundig „… wir haben 82 Mio. Deutsche und 2 Mio. Hamburger…“. Peinlich. Hallo, Flora, aufgepasst – das war Polaris, mit der Ihr In Charleston „Marika’s“ Geburtstag gefeiert habe, Vicky ist natürlich Wiebke, und, Marika ist nicht so weit von Mareike. Es kamen noch mehr Bewohner des deutschen Dorfes vorbei, zum Beispiel Helena und Klaus von der LuSea. Sehr witzig, sehr kurzweilig, so ein Waschmaschinentermin.
Aber… Wäschereigespräche wolltet Ihr nicht hören und fragt: was macht Ihr da eigentlich, wenn es doch weiter südlich wärmer ist? Nun, wir warten darauf, dass uns ein freundlicher Travelliftfahrer aus dem Wasser hebt! Warum?
Drum:

Am 4.1. verabschieden wir uns aus Beaufort und machen uns auf die Socken nach Charleston, jedenfalls ist das der Plan:  die Wetterfenster sind ein bisschen klapprig, so dass wir auch Georgetown in Erwägung ziehen. Klappt gut (kurze nächtliche Episode aus der Story „Frau Fuchs, Cape Fear und der Seegang“ inklusive), am Nachmittag des zweiten Tages laufen wir den langen Fairway Richtung Charleston entlang und lassen vor dem Fort Sumter den Anker fallen. Telefongespräch mit der städtischen Marina, ob sie uns vielleicht zwecks Wetterabwartens 2 oder 3 Nächte unterbringen können. Sie können, wir hätten Strom fürs Heizlüfterchen, und Charleston ist ja immer nett. Beim Frühstück tags drauf – in der Marina läuft man möglichst bei Stillwasser ein, wir haben Zeit bis mittags – noch ein Blick aufs Wetter: … hmh. Vielleicht nach ein paar Stunden Segelei ein bisschen schwachwindig, aber bis Fernandina würden wir es gut schaffen, wenn wir jetzt gleich den Anker ziehen?! Wir sagen der Marina Bescheid, und los geht’s. Alles gut. In der Nacht geht uns erwartungsgemäß der Wind aus. Motor an. Und plötzlich ein neues Geräusch aus der Kategorie „unangenehm“. Wir schwärmen aus – was klappert da so? Wo? Das Geräusch pflanzt sich durch das ganze Schiff fort, da vibriert nichts in irgendeinem Schapp oder unter einem Bodenbrett. Das kann nur aus dem Bereich Propeller/Welle kommen. Oh, Schei…

… alles Wellpappe!

Fernandina ist eigentlich ein schöner Pausenplatz mit Gürteltieren auf der nahegelegenen Insel Cumberland, aber danach ist uns gerade nicht. Die Stadt empfängt uns mit einem gewissen industriellen Charme: rauchende Schornsteine und süßlich-saurer Geruch von großen Bergen Holzmehl. Wir haben eine Wellpappenfabrik vor der Nase. Fernandina liegt im St. Mary’s River, auch hier reichlich Strom – und als der am Nachmittag nachlässt, gibt es nur eines: Neoprenanzug hervorkramen und nett schnorcheln gehen. Die Sichtweite unter Wasser ist mehr als bescheiden, und so kann ich nur sehen, dass der Prop sich frei dreht, es hängt nichts herum, ich erkenne auch eine helle Stelle am Eingang ins Stevenrohr, die hat der Eigner mit heller Dichtpaste abgedichtet. Es scheint alles am Platz zu sein… Eine Zeit des Grübelns beginnt. Den Sonntag verbringen wir mit einem Spaziergang in der Stadt, die sich als überraschend nett und im Stil des 19. Jahrhunderts entpuppt. Alte Autos rollen durch die Straßen, Motorradler auf dicken Hondas und Harleys freuen sich an der frühlingshaften Sonne, die Sozia standesgemäß hinter dem Fahrer „aufgebockt“. Das Fuß-Publikum scheint eher älter zu sein – kein Wunder: Amelia Island, dessen Hauptort Fernandina Beach ist, bietet den Snowbirds (das sind die Winterflüchtlinge aus Kanada und dem Mittleren Westen) ein moderates Winterquartier, nicht zu warm, nicht zu kalt, mit Betonung auf „zu“, denn wenn es hier, wie so oft im Winter, aus Nord bläst, dann wird es doch recht frisch… Amelia Island ist auf der Atlantikseite voller Apartmentblocks.
Montag ist schlechtes Wetter, aber eine gute Gelegenheit, mit dem Dinghy ums Eck zu tuckern. 2 Meilen von hier gibt es eine kleine Werft, den Tiger Point, wo wir leider abschlägig beschieden werden, denn aus dem Wasser können wir als Notfall frühestens in 3 Wochen geholt werden. Alternativadressen: zum Beispiel in Jacksonville. Wir fühlen vor. Da freuen sich die einen schon auf unseren Besuch, bis wir merken, dass wir unter der letzten, entscheidenden Brücke nicht hindurchpassen. Eine weitere Alternative sähe uns an der Mündung des St. Johns River (wie praktisch, rein/raus schnell gemacht), jedoch gleichzeitig am Ende der Welt (wie unpraktisch. Amerika ist halt Autoland, und wer weiß, wie lange die Reparatur dauert). Also: St. Augustine. Wir übernachten kurz im St. John’s River und müssen für die 30 Meilen nochmal den Motor zu Hilfe nehmen, aber immerhin hat sich ein Boatyard gefunden, das St. Augustine Marine Center.

Boom! Schöne Sache das!

Die Stadt ist hübsch – Floridas älteste befestigte Stadt, sehr spanisch! – , wir holen uns am Freitag in der CVS Pharmacy unseren Boostershot, können eine neue Starterbatterie kaufen, lauter solch schöne Sachen.
Und seit gestern steht Akka an Land; es bewahrheitet sich, was sich als Idee in des Eigners Kopf schon länger verfestigt hat: die Verschraubung zwischen Wellenlager und Stevenrohr hat sich gelöst. Nichts wirklich Schlimmers also – nun harren wir der Dinge. Hoffentlich ist der große Drehmomentschlüssel leichter zu finden als in Stingray Point… Drückt die Daumen, dass es bald weitergeht.
Ach ja. Eine Schmarre haben wir auszupolieren – das Dockingmanöver gestern war keines, das rühmlich in die Annalen eingehen wird. Bei sehr viel Wind von querab und noch mehr Strom machen wir „ganz kurz“ am Ponton der benachbarten Coast Guard fest, wo wir (ich höre die Panik in der Stimme der Boatyardsekretärin Erica am Telefon) KEI.NES.FALLS liegen bleiben können, bis der Travellift bereit ist. Einer meiner „scheiße-scheiße-scheiße“-Momente. Man könnte auch sagen: ein unkoordinierter Abgang. Zum Schluss verhakt sich noch die letzte Landverbindung, in die wir eigentlich eindampfen wollten. Ich schmeiße sie an Land und hole sie mir später zu Fuß wieder, übers Coast Guardgelände trappelnd (so ist das sicher nicht gewollt). Die Tasche vom LifeSling muss ich wohl reparieren und der dicke Kugelfender zum Eindampfen braucht einen neuen Überzug… siehe oben. Hatte ich über Hafenkino gelästert? Wir hatten glücklicherweise kein Publikum, aber… hat jemand den Mantel des Schweigens gesehen?
Sonst ist alles gut. Wenn denn die Helfer bald auftauchen!