Passagealltag

Indischer Ozean, 16°57 S und 078°23 E
12.10.2015

Montag! Ein fast blauer Montag, blau mit weißer Passatbewölkung am Himmel und mit weißen Wellenkämmen hier unten. Ich sitze im Cockpit – ein Lob, Lob, Lob an EMW in Rieseby, das ich nun seit Jahren nicht mehr ausgesprochen habe, das sich aber immer zu wiederholen lohnt: was wären wir ohne das tolle Sprayhood und die Anschlusspersenning, die unser Cockpit zum kuscheligen Hüttchen macht. Es schaut halt doch die eine oder andere Welle neugierig bei uns vorbei – die dicksten sind die neugierigsten! Vorgestern zum Beispiel meinte eine, mich von ganz Nahem betrachten zu müssen, gerade als wir den Besan reffen wollten. Ganzkörperguss/-kuss. Menno!

Ansonsten gibt sich unsere Reise eher ruhig. Gestern war Halbzeit. Mal ein Tag mit mehr Wind, aber alles zwischen 15 und 25 Knoten, ab morgen erwarten wir für 24 Stunden Wellenhöhen bis 4 m, aber das findet die AKKA eher lustig und schiebt gutmütig vor sich hin. Als ich heute früh in die Funkrunde (wir sind die mit der roten Laterne!) horchte, waren die Klagen über die unruhige Nacht groß – seither frage ich mich, ob wir so stoisch oder ahnungslos sind, oder ob andere sich einfach beklagen müssen. Ich jedenfalls freue mich über gereffte Segel, einen relativ aufrechten Gang der AKKA (das eigene Gehampel innenbords bleibt davon ausgenommen) und ich kann mit einem etwas moderateren Tempo leben; dabei haben wir noch selten über so lange Zeit Etmale um die 155 Seemeilen und mehr gefahren, AKKA ist also für ihre Verhältnisse gut unterwegs. Uns geht es nach wie vor gut, der Eigner, der beneidenswerte, schläft ausdauernd und tief, ich tu‘ mich dieses Mal eher schwer mit dem Pennen. Wir sind dazu übergegangen, feste Wachen einzuhalten ohne – immer freundlich gemeinte! – Schlafzeitgeschenke. Das entspricht dann eher einer Art festem Rhythmus und der Beschenkte muss sich keine Gedanken machen, wie er/sie das wieder ausgleichen kann. Ist aber sehr hübsch, so einen Eigner um 00:00 Uhr aus dem Tiefschlaf zu holen: da wird schon mal die freundlich-liebkosende Hand energisch weggeschoben, und es dauert ein Weilchen, bis die Wachwechselnachricht ins Bewusstsein durchsickert; ich übe mich mehr im Hochschrecken, sagt man(n). Schütteln muss man aber keinen von uns beiden.
Trotz der Müdigkeit werden wir eine finale Nacht an unsere Passage anhängen – bei der Streckenlänge spielt eine mehr oder weniger kaum eine Rolle. Während die anderen versuchen, am Freitag noch bis 18 Uhr in den Zufahrtskanal von Port Mathurin zu schlüpfen – danach ist Nachtpause! – werden wir ganz leicht auf die Bremse treten und am Sonntag morgens nach 6 hineinfahren. Das im letzten Beitrag erwähnte Funkloch ist möglicherweise ein selbst induziertes – ich habe eine schlechte Verbindung zur R Sea Kat, mit Uhambo kann ich mich gut verständigen, das mag auch an dem Katamaran liegen; beide sind schon weit voraus. Aber woher die Schwierigkeiten im Pactor-Verkehr kommen, wissen wir nicht zu sagen – es fragt sich, wie gut gepflegt unsere Anlage ist.

Gestern war schon mal Bastelstunde angesagt; das muss erwähnt werden, weil Überkopfarbeit bei Seegang kein Geschenk ist: der Chefelektriker hat es sich nicht nehmen lassen, den Deckel vom Antennentuner abzubauen und mal Spannungsmessungen durchzuführen. Ohne aha-Erlebnis.
In der vergangenen Nacht dann das Funkloch-Glück: die WL2K-Station in Phuket ist erreichbar und schubst die Wettermeldungen der letzten beiden Tage rüber, dazu eine unaufgeforderte Nachricht von einer neuen Station in Kapstadt, die sich mit Antennenausrichtungen speziell für uns vorstellt. Ihr seht, wir sind überall auf dem Schirm, dank Positionsmeldungen. Als kleine Fachlektüre zur Mitternacht noch Bob McDavitts Weathergram und seine wirklich interessanten Anmerkungen zum Super-Nino-Jahr. So viel Post! Da hat sie gestrahlt, die Schifferin: das Funkloch hat Löcher! Trotzdem verdient unsere Funkanlage sicher ein bisschen TLC, tender loving care. So richtige Funkfetischisten lassen Kontakte und Kabel ja nie aus dem Auge. Wir schon, Motto: Never touch a working connection – scheint hier allerdings nicht unbedingt zu gelten. Und da die World ARC vor uns her dödelt, erst in Mauritius und dann in Réunion alle Liegeplätze belegt, gibt es bestimmt Gelegenheit, mal ein bisschen Kontakte zu putzen. Und sonst? Gerade kommt der Eigner aus dem Motorraum gekrochen, denn vor den 4 m Welle von morgen wollte er doch gern mal gucken, wie es unserem Impeller nach dem Kühlwassermangel geht. Es geht so! Er scheidet mit sofortiger Wirkung aus dem Dienst aus, der Impeller mit den leichten Knabberschäden. Regel: wenn so ein Gedanke am Eigner nagt, dann lohnt es sich nachzuschauen. Ich werde zur Feier des Tages gleich Joghurt ansetzen und einen Teig für ein Wok-Brot. Ich hoffe, ich kann den Wok zum Verharren auf der Flamme überreden, irgendwie. Ach ja, und dann muss ich noch den roten, gelben, grünen und blauen Stoff hervorkramen. Vielleicht gibt es dieses Mal ein Meisterwerk der Gastlandflaggenkunst. Handgenäht. Mit Nähmaschinen-geeigneter Flaute ist nicht zu rechnen.

PS: Happy birthday, Kay Gerlach! —

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