Jooo.

Lüderitz/Namibia. Am Anker…
31.5.2016

Ich arbeite mal meine Blogschulden ab – wir diskutieren, wann unsere Reise nach St. Helena weitergeht, es ist Gewurschtelwetter, und darum – genauer gesagt wegen akuter Windschwäche – sind wir nach 4 Tagen schöner Leichtwindsegelei nach Namibia abgedreht.
Darum hier jetzt ein gut durchgeschmorter Eintrag noch aus Kapstadt. Damit alles schön chronologisch bleibt!  Joo…

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Cape Town, 21.5.2016

Happy birthday an meinen Vater, der heute 106 geworden wäre und an den Neffen nachträglich!  Jooo…
Dieses „joo“ ist so ziemlich das wichtiges Wort auf Afrikaans. Abgesehen vom zu kaufenden Esel, baia dankie, gesprochen „buy a donkey“, was so viel wie „vielen Dank“ heißt. Joo geht immer. Zum Beispiel als kurzes, bestätigendes „jo…“. Der  Ton sinkt dabei leicht ab. „Oder als General-Fragewort „joo-o?, in der Tonlage ansteigend. In jedem Fall wird das Wort durch ein leicht gezischtes „j“ eingeleitet, Google sagt dazu „palataler Frikativ“. Toll.  Ich sage das, weil wir in den letzten Tagen eine ganze Reihe von Taxifahrern bemüht haben, und Spitzenreiter im Unterhaltungswert war gestern Ivan.  So ein „Jooo!  Joooo! Joooooo!“, Tonlage steil ansteigend, hatten wir noch nicht gehört. Das kam so: „We go to Edgemead!“. „Do you live in Edgemead?“ „No, we live at the yacht club!“  Gelächter und dann „No, I mean your HOME!“  „Yeah, the home is our boat, and that’s at the RCYC…“ Pause. „Joo.“  Wieder Pause. „…and how many days have you been sailing?“  Wieviele Tage wir gesegelt sind?  Jahre!  „?? 9 years?  Joo. Joooo – joooo – noo – jooooo!“ Ansteigender Tonfall!  Ivan quietscht vor Bewunderung und kriegt sich gar nicht mehr ein. Es folgt ein längeres Interview zum Leben an Bord im Allgemeinen und im Besonderen, und weil Taxifahrer es hier gerne haben, wenn man sie für die Rückfahrt warten lässt, war auch Zeit für einen informativen Nachschlag.  Ivan ist coloured und gibt uns an der Ampel, wo wieder einmal ein Vertreter der Berufsgruppe Straßenhändler/Bettler/Fensterwäscher steht, Tipps, wie man damit umzugehen habe, und kommentiert auch die Gefahr, die damit einhergeht, in ruhige, ansehnliche Wohnviertel wie Edgemead zu ziehen. Ganz gefährlich, denn „die Drogenbarone bzw. ihre Dealer zieht es dort hin“. Und dann zieht die Kriminalität ein.  Nein, ein Leben an Bord kann er sich nicht vorstellen – schließlich ist er in einem kriminellen Land aufgewachsen, da weiß man, was Gefahr ist, und dann zeigt er uns seine Elektroschockpistole. Man kann doch nicht einfach irgendwo ankern?! Allein?  Wie furchtbar!  Genau, furchtbar, wenn man solche Ängste mit der Muttermilch aufsaugt.  Joo.
Dann hatten wir neulich George. „George, wo lebst Du denn?“  Na, hier in Maitland. Schlichtes Viertel, aber in Ordnung. Die Kinder sind gut in der Schule, da achten wir drauf und da bezahlen wir auch für. Aha..
Unsere Taxifahrer waren sonst alle weiß oder coloured… „George – habt Ihr Taxifahrer, die zum Beispiel in einem Township wie Kayalitsha wohnen?“  „WHAAT?“ Also, so was Unvorstellbares, da wohnen die Leute, die nur von der Wohlfahrt leben.  „Sag mal, bist Du aus Cape Town?!“  „Iiich?! Ich bin aus Zim, ist doch klar. Schwarze Taxifahrer bei den professionellen Taxifirmen sind oft aus Zim. Und Leute, die hart arbeiten sind sowieso überwiegend aus Zimbabwe… wir kommen mit nix, arbeiten, und nach einer Weile gehört uns ein Auto. Ganz einfach!“ Tja.
Oder Rodney. Coloured as coloured can be. Wir stehen an der Hafenwache zur Stadtmitte. Mit dem Wachpersonal hatte ich auf meinem Fahrrad immer Spaß – Richtung Paarden Eiland macht die Dame den Schlagbaum nicht auf. Geht nicht, nur für Autos – quetsch Dich einfach an der Seite durch! Das Personal Richtung Waterfront, also zu meinem steten Einkaufsplatz und damit hoher Passierfrequenz, winkt immer freundlich, schwatzt auch mal und wünscht einen schönen Tag/Abend.  Das Tor in der Mitte ist der Hammer, mit stets wechselnden Regeln. Manchmal muss man das Fahrrad durch die Wachbude tragen, 3 Stufen rauf, und sofort drei Stufen wieder runter. Es sitzt aber niemad dort drin, und wenn, dann ist er / sie nicht an diesem Durchgangsverkehr interessiert. Und jetzt also mit dem Taxi und Rodney. Zunächst mal ist man als Autofahrer generell scheixxend freundlich, „brother“ und „sister“ ist das Mindeste. Heute haben wir einen schwierigen Fall erwischt, denn in Paarden Eiland rein und zur Stadtmitte raus, das geht gar nicht. Kofferraumkontrolle. Diskussion.  Was sagt Rodney anschließend zu mir über den „brother“?  „… die stellen uns jeden Tag neue baboons hier her!“  Baboons. Paviane. Ich schlucke kurz. „… die kommen aus Kwa Zulu Natal oder direkt aus dem Wald…“  Und dann geht die Tirade los. Ich kriege zum Abschluss unseres Südafrikaaufenthaltes noch einmal eine massive Lektion zu den politischen Verhältnissen. „Apartheidregierung? Die waren saudumm!  Aber die jetzige, die schlägt alles…  Diktatoren sind das hier“  Rodney gerät ins Kreischen: „… all das Gute schaffen sie ab, reißen sie ein, und nichts dürfen wir mehr tun…  Die holen uns noch den Mugabe ins Land!“  Er streckt mir seinen dunkelbraunen Arm hin – es folgt eine Bewegung, die ich schon aus den ersten Tagen in Richards Bay kenne – man streicht sich über die Unterarmhaut und sagt bedeutungsvoll: „Wrong colour!“  – die falsche Farbe. Im Funk krackelt es, Rodney wird gerufen. „oh, yeah, sweetie! I am here, we go to V&A“ säuselt er. Und sagt zu mir: „New baboon on the radio“. TISA. That is South Africa.

Jooo!

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