Berge, Gletscher, Regen

Gunanaco-Paar

Gunanaco-Paar

Ushuaia, 23.11.2016

Puerto Natales also. Von der Navimag zum Hostel „El Sendero“ hieß: aufpassen – der Wind war noch immer so stark, dass es einen mit dem wenig windschnittigen Gepäck von der Straße wehte. Winziges Zimmer, dafür riesige Gemeinschaftsräume und eine große Küche zur Selbstbewirtschaftung, und Rosa heizt mit dem Eisenofen gegen die Kälte an. Im Dorf mieten wir uns einen Renault Duster, um die Torres del Paine erreichen zu können; diese Empfehlung hatten wir vom Schiff mitgenommen, weil die Unterkünfte in diesem Wandererparadies unglaublich teuer seien. Stimmt wohl auch – selbst für Campingplätze werden ansehnliche Summen aufgerufen, dazu kommen noch Leihgebühren für Zelte, Schlafsäcke etc. Campingplätze übrigens können nur genutzt werden, wenn man sie im Voraus bucht, auf diese Weise beschränkt man die Zahl der Besucher auf den berühmt bis berüchtigten, großen Wanderwegen, dem „W“ und dem „O“, für die man zwischen 4 und 10 Tagen benötigt. In Puerto Williams trafen wir auf „W“-Wanderer, die schon jetzt von ziemlich vollen Campsites berichteten und sich fragten, wie das wohl in der Saison aussehen mag. Ich frage mich nebenbei, wie man das Feuerrisiko bei so vielen Benutzern im Zaum hält. Wenn es demnächst wieder mal brennt (1998, 2005, 2010) bleibt nicht mehr viel vom nativen Wald übrig. Da hilft nicht viel, dass die Ursprungsländer der letzten Brandstifter – Tschechien, Italien und Israel – Schadenersatz leisten. Die Vegetation in Patagonien basiert grundsätzlich auf einer sehr dünnen Bodenschicht, die in Windeseile erodiert. Ach ja, Wind… an einem Tag wandern wir vom Salto Grande zum Lago Nordenskjöld und sitzen gerade am Seeufer, als uns eine Wanderergruppe überholt. Über den See fegen die Böen von Westen heran, das sieht gespenstisch aus, weil Gischtwolken über dem Wasser stehen – was man nicht sieht, wenn man den Wind im Rücken hat. Zu dumm… ich schaue hinter den anderen her und sehe sie purzeln. Unglaublich, es reißt einen einfach von den Füßen, wenn man nicht aufpasst.

Los Cuernos del Paine - Dreischichtkuchen

Los Cuernos del Paine – Dreischichtkuchen

Wir kommen unbeschadet am See an, wo man nun am Fuß dieser fantastischen Felsformation sitzt. Die Paine-Kordillere besteht aus mehreren Teilen, im Westen das höchste Massiv names Paine Grande, aber am augenfälligsten sind die eigentlichen „Torres“, die Cuernos del Paine, mehrere hoch aufragende Türme aus ganz scharf getrennten, unterschiedlich gefärbten Steinschichten – wie ein Schichtkuchen mit einer Schicht Schokolade oben und unten. Toll. Das Geheimnis bei der Schichtung ist das Eindringen von flüssiger Magma in bestehende Sedimentgesteine – die Sedimente schwarz, die Magma“intrusion“ hell, das Ganze mit der Anden-Hebung in die Höhe gehievt, von Wind und Wasser bewittert, von Gletschern geschliffen€¦ einfach „boah“! Überhaupt, die Gletscher€¦ Die Torres del Paine liegen am Eingang zum drittgrößten Eisfeld der Welt (nach Antarktis und Arktis). Viel bekommen wir davon nicht zu sehen, das Wetter verschlechtert sich nämlich zusehends, aber was die Gletscher hier angerichtet haben, bleibt sichtbar: eine Serie von Seen, die auch in großen oder kleineren Wasserfällen ineinander übergehen, in verschiedenen Türkistönen oder Gletschergrau. Die Fahrt hinaus zum Greygletscher schenken wir uns, es ist auch recht feucht und grau, und leider bleibt uns der Blick auf das Südliche Patagonische Eisfeld verwehrt. Nur die Zunge des Grey sehen wir in den See lecken. Wir bestaunen stattdessen kleine Growler, die sich vom – leider, wie überall – abschmelzenden Gletscher gelöst haben und genießen Ruhe und Beschaulichkeit auf einer kleinen Inselwanderung. Und schon fängt es wieder an zu regnen. Zeit für Kaffee in style im Hotel Lago Grey, und Zeit für die Heimfahrt. Lustig: wir nehmen einen jungen Slowaken mit, der mit seinem Auto hier oben gestrandet ist. Mobiltelefonverbindung gibt es hier oben nicht, also muss er persönlich beim 150km entfernten Verleiher vorstellig werden. Es ist der 8.11., und natürlich ist die US-Wahl Thema, noch ohne Netz und Nachrichten. Er sagt: “ €¦ I am afraid he is going to win€¦“. Glücklich sah er dabei nicht aus, und wir wollten ihm lieber nicht glauben. Am nächsten Morgen wussten wir€™s dann auch besser.

So gehen die Tage in Puerto Natales dahin. Nach Rückgabe des Autos gibt es einen Museumsbesuch, wo wir deutsche Kolonialgeschichte (Familie Eberhardt ist immer noch ganz vorn!) betrachten können und die Folgen missionarischen Eifers: die Kawesqar-Nomaden, die dieses völlig unwirtliche Gebiet bis hinauf nach Chiloà« befahren haben, sehen so richtig glücklich aus, als man ihnen die (sorgsam gegerbten und verzierten!) Fellumhänge weggenommen und sie in europäische Klamotten gesteckt hatte. Prima Idee – die Sachen werden einfach nicht trocken, und so wird man schnell krank. Kränker als sie „halbnackt“ je waren.

Torres del Paine - DER Wanderertraum in Chile

Torres del Paine – DER Wanderertraum in Chile

 

Windige Ecke

Windige Ecke

 

... so windig, dass es einen von den Füßen reißt!

… so windig, dass es einen von den Füßen reißt!

 

Nicht der klarste Tag für die Wanderung am Grrey-Gletscher

Nicht der klarste Tag für die Wanderung am Grey-Gletscher

 

Immerhin schwimmen kleine Growler umher!

Immerhin schwimmen kleine Growler umher!

Museumsbesuch. "Glückliche" Kawesqar Seenomaden.

Museumsbesuch. „Glückliche“ Kawesqar Seenomaden.

El kondor pasa

El kondor pasa

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