Das Ding

So sind sie, die Trinis! Und so sprechen sie…*

Chaguaramas, 20.6.2017

Überraschung! Wir sind in Trinidad. Eigentlich wollten wir mit Freund Andy am Sonntag in der „Wonky Windmill“, die mir so einen schönen Barracuda mit Gemüse serviert hatten, vom frisch gebratenen Schwein abbeißen, aber schon das Barracuda-Essen war schwerpunktmäßig von einem Gesprächsthema begleitet: schau, was kommt da über den Atlantik. Wir hatten das Ding schon am letzten Dienstag gesehen, und so ein Ding heißt „tropical wave“. Eine Tropical Wave ist eine Beule in den atlantischen Isobaren und immer etwas zum Aufpassen; in jedem Fall bringt sie reichlich Wind und Regen. Manchmal schließt sich die Isobarenbeule, die „Welle“ wird zum Kreisel, dann ist es ein Sturm, ein tropischer Sturm.  Das ist ja ein Ding, sagen wir uns. Auf unsere alten Tage zielt eine Tropical Wave auf uns. Naja, wird schon vorbeilaufen… Aber man guckt dann eben nicht mal nur einmal am Tag nach dem Wetter und den Vorhersagen, sondern dreimal, viermal und vergleicht die verschiedenen Rechenmodelle. Und siehe da – nix ist mit „wird schon vorbeilaufen“. ein echter Kurshalter ist das Ding, Ankunft Montag oder Dienstag. ECMWF bietet die günstigere Lösung für uns, um die Nordspitze von Tobago mit einem ruhigen Zentrum in der Store Bay, unserem Ankerplatz. Das nehmen wir so, das Alternativangebot von den Amerikanern zeichnet sich vor allem durch Wankelmütigkeit aus, mal hierhin, mal dort, mal kriegen die Grenadinen es ab. Wenn Wettermodelle so unterschiedlich sind, blinken bei uns allerdings die Warnleuchten, und je näher das Wochenende rückt, umso mehr Gedanken verschwenden wir an Alternativen. Als da wäre: schnelle Abreise nach Trinidad. Fragen wir doch mal den Zoll – mittlerweile ist es nämlich Sonnabend und es steht ziemlich fest, dass „das Ding“ ein Hit wird. Starke Winde werden in der einen oder anderen Art Tobago treffen. Die Regeln für Segler in TT sind, dass man sich selbst beim Buchtenhüpfen bei Zoll und Immigration abzumelden hat, eine Regel, deren Einhaltung manchmal köstliche Scherze zutage fördert: die Immigrationbeamtin, eine schmale, ernste Inderin, hat keine Ahnung von der Seefahrt und schlägt vor, man möge doch Store Bay verlassen, in Charlotteville einklarieren und dann auf dem Rückweg die Buchten abbummeln. Dass man gegen den Wind nach Charlotteville nicht nur einen Tag braucht, kann man ihr nicht klarmachen. Wir haben heute aber eine einfachere Frage. Es ist Sonnabendmittag, keine Fähre, also nix zu tun…  – das ist schon mal ärgerlich, weil die dusseligen Segler die Smartphonerei unterbrechen. „Was passiert, wenn wir am Sonntag entscheiden, dass wir dem Sturm ausweichen wollen und in der Nacht nach Trinidad segeln?!“  Dann kommt Ihr am Montag hierher… „Nein, Sonntagnacht sind wir unterwegs!“  Alternativvorschlag: am Dienstag fahren!  Ach so, der Sturm kommt am Dienstag?! … lange Pause. Hier ist meine Telefonnummer –  Ihr könnt mich anrufen, ich komme dann Sonntag extra hierher. „Können wir nicht einfach jetzt auschecken, und wenn wir bleiben, kommen wir Montag und streichen die Abfah…“ „You are causing me unnecessary work!“ Nee, das wollen wir nicht, unnötige Arbeit erzeugen. Wir nehmen die Rufnummer und streben dem Zoll zu. Der Diensthabende ist unser Lieblingsofficer, sehr nett, wenn auch streng, und versichert uns, dass der Zoll (warum auch immer! Scarborough ist kein wirklich lebendiger Hafen!) 24 Stunden besetzt ist und gegen Überstundengebühren gern jederzeit das Sign-Out erledigt. Gut!

Samstag und Sonntag sieht das Ding ganz freundlich aus, es gewinnt zwar weiter an Windgeschwindigkeit, aber es steuert eindeutig einen nördlicheren Kurs. Wir bleiben! Keine unnötige Arbeit für die Immigration! Wir genießen Pigeon Point (um mal heimlich zu schauen, wo man vielleicht in der Bon Accord Lagune liegen könnte), ein sonniger Tag. Beim Barracuda schlägt Andy am Abend vor, dass er uns vielleicht einen Guide organisiert, der mit einer Piroge vor uns her ins etwas kniffelige Bucco Reef fährt – ohne den oder einen guten Track findet man den Weg nicht.  Hm, hm. Eigentlich sind die Windgeschwindigkeiten so, dass man in der Store Bay liegenbleiben kann, aber wir werden am Morgen noch einmal zu dem Thema telefonieren – inzwischen hat nämlich die TT-Regierung Sturmwarnung herausgegeben, und Andy, der Funker, sitzt als Katastrophenschützer in deren Sitzungen. Wir fühlen uns wirklich gut versorgt und wanken nach dem Fisch (der Eigner hatte knusprigen Schweinebauch!) bootwärts. Unruhiger Schlaf, was nicht am Fisch lag – nein, das  „wat nu“-Gedankenkarussell kreist. Komm das Ding? Geht es vorbei? Und wir – in die Lagune? Liegenbleiben?  Die Chance mit dem Auschecken haben wir vertan, aber nach Fluchtpunkt Trinidad sieht die letzte Vorhersage auch nicht aus. Wir verabreden, um 4 Uhr das neueste Wetter anzuschauen, früh genug für alle Optionen. Um 02:30 hält es mich nicht mehr in der Koje. Wetter. Waaah! Was ist das denn?

Der Fluchtauslöser

Ein riesiger rot-violetter Blubb steht da für Montagabend vor der Galeonpassage. Nix „nordwärts um die Insel“, das Ding ist wirklich ein Hit. Und hat einen Namen, es heißt ab jetzt „Bret“, mit dem vielversprechenden Titel „potential hurricane #2“. Bamm!  Der Eigner ist mittlerweile auch wach – los, wir fahren! Dieses Teil haut hier mitten rein… Nun muss man zur Definition der Begriffe sagen, dass ein „potential hurricane“ eben kein Hurrikan ist, sondern nur einer werden kann, aber „tropical storm“ unfasst 39 Knoten Wind bis zur Orkanstärke. Danke, das reicht.

Wir machen AKKA fertig, sagen uns „schiete wat auf die Behörden, das werden die verstehen“, holen den Anker auf und motoren los – Segelwind kommt erst später. Vor uns läuft ein Katamaran aus, es ist 03:30 – zwei Boote, ein Gedanke: weg hier.
12 Stunden später sind wir in der Scotland Bay, nur ein paar Meilen von Chaguaramas entfernt. Tief eingeschnitten, Mangroven ringsum. Wir legen uns zwischen zwei andere Segler, ein paar haben mit Landleinen an den Mangroven festgemacht. Haben wir hier Netz?! Nö, oder… doch! Und guck‘ mal! Bret quetscht sich in zwei Teilen durch die Passage zwischen Tobago und Trinidad durch – und nimmt an Geschwindigkeit ab. Pah! Hier sind wir genau richtig – oben in der Store Bay wird es trotzdem noch tüchtig blasen, aber das hier müsste gut sein. Müsste. Man weiß es halt nicht, und so vergehen die Stunden, bis um Mitternacht die ersten Böen kommen. Das ist schon unheimlich – AKKA unternimmt riesige Schwoireisen, wir haben 65 m Kette draußen, und manchmal zeigt das GPS eine Geschwindigkeit bis 0,8 Knoten, am Anker. Ich finde es einfach sauanstrengend, dauernd peilt man, wo die anderen liegen – bestimmt 200 m zu beiden Seiten, aber so wie gestern das „was kommt?“-Karussell fuhr, fährt in dieser Nacht das „hält unser Anker, hält deren Anker“-Karussell. Dazu regnet es hart auf die Sprayhood, natürlich tropft es hier und da. Voll gemütlich sozusagen – aber unterm Strich: ziemlich ruhig. Als es gegen 5 hell wird, ist die Erleichterung groß: das war „Bret“. Schön, Dich von hinten zu sehen! Unsere Entscheidung, nach Trinidad zu gehen, war genau richtig, finden wir. Nur 4 Meilen von der Scotland Bay, in Chaguaramas, war überhaupt nichts zu merken, die hatten den kleinen, blauen Fleck mit dem „null Wind“ geliefert bekommen.

Die Ruhe nach dem Sturm

Wir reiten zum Frühstück noch die Restböen in der Bucht ab und fahren dann rüber. Wir werden beim Zoll vorstellig. Der runzelt die Stirn, guckt streng, man schwatzt ein bisschen auf Trini hin und her, deutet an „so nicht“ – und telefoniert mit Scarborough: hier ist eine Yacht ohne Sign-Out. Hm, hm – yeah. AKKA. O.K. … „Kein Problem, unter diesen Umständen“. Da sag noch mal einer, die Trini-Beamten wären eklig und unverständig. Per Mail und auf Facebook, wo wir unsere Wetterentwicklung gepostet hatten, werden die besorgten, guten Wünsche von den Erleichterungsmeldungen abgelöst. Das war wirklich nett, Ihr Lieben! Vielen Dank!  Wir bekommen auch von überall her gute Nachricht, Store Bay hätte schlimmer sein können, die LOTTE und die PICANTE  sind tatsächlich in die Lagune umgezogen; auch die Grenader hat es nicht schwer gebeutelt. Was tatsächlich mit dem System passiert ist? Vor Trinidads Ostküste hat es sich dreigeteilt, die beiden uns bekannten kleineren Zentren zwischen Tobago und uns hindurch, ein drittes zwischen venezolanischem Festland und der Südküste, und so sind die meisten Unwetterschädsn im Osten und Süden entstanden.

So hängen wir jetzt viel zu früh im Industriehafen von Chaguaramas, zwischen Docks und Ölbohrinseln am Horizont. Venezolanische Fischer sind unsere Nachbarn an der nächsten Mooring und auch sonst kann man „Hafenkino“ sehen. Zum Beispiel wie Mama X vom großen amerikanischen Katamaran versucht, nach der Mooringboje zu fischen. Es steht uns der Sinn schon wieder nach Lästern, also haben wir das Ding namens Bret gut überstanden.
Nach dem Ausschlafen werden wir dann langsam an die Wartungsarbeiten gehen. Es tropft hier, die rostenden Schrauben in der malaysischen Fußleiste wollen ersetzt werden. Rigg, Segel, solche Sachen, die To-Do-Liste ist lang. Außerdem müssen wir Schildkrötenbabys beim Schlüfen begucken. Das alles wird ein Weilchen dauern, aber hier haben wir ja schon mal ein paar Monate gehangen – es lässt sich gut aushalten. Nur so ein „Ding“, das brauchen wir nicht noch einmal. Es war übrigens der früheste tropische Sturm in dieser südlichen Gegend seit 1851. Ein weiterer Punkt in einer wachsenden Liste von meteorologischen Superlativen. Klimawandel? Nicht doch…

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* Jamming ist irgendwo zwischen abhängen, chillen, Musikmachen anzusiedeln.

Met office – das Wetteramt

OPDM – Katastrophenschutzbüro

KFC – der Trinis liebstes Fastfood…

Ganz so ist es übrigens nicht: der Taxifahrer sagt entsetzt: „Oh no, is it coming? “ und der Zöllner in Scarborough wünscht sich dringend einen milden Verlauf „ich habe doch Landwirtschaft!“

Menschen, Tiere, Abenteuer

Palemn, blaues Wasser, Pelikane. Hat was!

Storebay/Tobago, 12.6.2017

Vor knapp einer Woche sind wir aus Suriname hier eingetrudelt. Wir hatten eine wirklich schöne Zeit in diesem braunen, modderigen Fluss, in dem ich abschließend dann doch noch ein oder zwei Bäder genommen habe.  Einerseits, um vor der Abreise mal ganz vorsichtig nach der Schraube zu tasten, ob die vielleicht völlig bewachsen ist – denn mit einem Muschelklumpen als Antrieb kommt man nicht gut voran. Eintunken und nichts sehen war eins, aber nach Jahren weiß frau ja wohin sie tauchen muss. Und siehe da: nichts zu fühlen, glatt wie der berühmte Popo. Gut! Ein zweites Bad war eher etwas überraschend… wir kommen abends von der RIver Breeze Bar, nein, ohne „geladen“ zu haben, sondern weil wir wegen eines weiteren, vollen Tages von gewittrigem Regen erst abends zum Wäschewaschen gekommen waren. Wobei – geladen hatten wir schon: die beiden 10l-Kanister Notfallreservewasser gefüllt und einen Ballon Trinkwasser vom Kaufmann schleppten wir durch die Dunkelheit. So weit, so gut. Andreas rangiert mit seinem Kanister, um sie vom wackligen Ponton ins hüpfende Dinghy zu bugsieren, ich warte aufs Einsteigen. Nun hat dieser Ponton leider eine Lücke, und wer dort hineintritt, verliert das Gleichgewicht; eine zackige Ausgleichsbewegung vom Eigner trifft mich und – splash. Hm, warme, braune Süßwasserfluten. Ich bin zwar etwas überrascht, fand es aber nicht so bemerkenswert, während dem Eigner die Sekunden, bis ich wieder auftauchte, „lang“ vorkommen. „Deine Brille?!“  Nee, die ist weg. Mist. Das vordringliche Problem ist für mich, im Dunklen und ohne meine gewohnte Hilfsleine wieder einsteigen zu können – normalerweise hängen wir dazu unsere Tripod-Liftleine über den Wulst, aber da standen nun die Wasserkanister drauf. Der Ponton zu hoch oder die Ärmchen zu schwach zum Hochstemmen, außerdem hat man bei solchen Unfällen auch selten einen bewegungsfreundlichen Badeanzug an. Der Bermudahosenknopf verbindet sich mit der Gummischeuerleiste, von Aufwärtsbewegung keine Spur. Dann kommt auch noch einer der netten Jungs von der „Cool Change“ auf den Ponton. „Can I give you a hand?“  Danke, lass‘ mal, es ist gerade kompliziert genug. Mittlerweile habe ich den Hosenknopf als Haupthinderungsgrund bestimmt und wälze mich zentimeterweise über den Gummiwulst. Das muss ein Bild gewesen sein… Mit einem „Klasse, die andern Mädels hätten gekreischt“ verschwindet der Cool-Change-Bootsmann im Dunkel. Erleichtert gackernd  schmeißen wir den Motor an und tuckern hinterher. Wir haben Springtide – Ramadan hat gerade angefangen, also ist Neumond! – und es strömt. „…pött!“ sagt der kleine Dinghymotor. „…pött-pött…“ und dann nichts mehr. Anreißen. Es strömt! Nochmal reißen. Nix..Ran an die Ruder! Es folgt ein berühmter AKKAnautenslapstick: gleichmäßiges Ziehen (die Wahrheit ist, dass wir immer zu meiner Seite fahren, wir müssen das mal wieder üben). Ich peile das Land – so richtig vorwärts kommen wir nicht. Andreas peilt die andern Mooringlieger: auf IMAGINE machen wir keinen Meter gut, das wäre das nächste, belebte Schiff. „Versuch mal mit der Startpilotdose!“. Fummel-fummel.  PSSSSCHT! Anreißen – ha, er tut’s. 5 m.  Nochmal – wir lachen halbherzig, der Eigner hat im Hinterkopf, dass man vielleicht auf Netties  Boot bis zum Stillwasser abwarten kann.  Noch ein Versuch.  Nix. Da knätert es von vorn – auf COOL CHANGE wohl wurde gerade die Seeelefantennummer vom Ponton beschrieben, als sie uns fluchen und lachen hören und brechen zu einer SAR-Aktion auf. Peinlich, peinlich. Ist nämlich nicht das erste Mal, mir war der Motor einige Tage zuvor schon mal ausgegangen…
Das Ganze mündet in nächsten Tagen in ein paar Stunden Diagnose- und Reinigungsarbeiten. So ganz genau wissen wir nicht, warum der Motor jetzt läuft und sitzen fortan entsprechend gespannt im Beiboot. „Pött?!“  Bislang alles pött-pött-pött-pött.

Und nach diesem abenteuerlichen Abend muss der Surinameaufenthalt zu Ende gehen, obwohl es ein paar wirklich außergewöhnliche Begegnungen gab. Außer der COOL CHANGE – 3 junge, filmemachende Männer, 2 Hunde, 1 Katze; man beachte insbesondere unseren Freund „Capt’n Peanut“! ) noch interessante Landreisende, zum Beispiel die Besatzung von „Cuthbert„, einem britischen IVECO Daily auf großer Südamerikarunde, der mittlerweile vielleicht schon auf der gruseligen BR 319 im Amazonas ist. Lustig, Erlebnisse abzugleichen und festzustellen, dass die beiden das Landreisen im Vergleich zu unseren Reisen ein bisschen „zahm“ erscheint. Finden wir gar nicht,  dazu muss man sich mal Cuthberts Strecke durch Lencois in Brasilien angucken. Der absolute Hammer ist aber ein Jeep vom Typ „Stadt-SUV“ mit kanadischem Kennzeichen und einem rundlichen, stinknormalen Wohnanhänger dran. Das sind Tanja und Sergey, Canado-Russen, die gleich nach „Gorbi“ in den Westen gemacht haben, nämlich nach Toronto. Auf dem Wohnanhänger(chen) kleben denkwürdige Aufkleber: Alaska. Mexico. Honduras. Guatemala  und so fort. Sergey und Tanja sind mit dem Gespann tatsächlich bis Suriname gekommen. Inklusive Amazonas, letzteres allerdings dann doch nicht über die „dangerous road“ BR 319, sondern fast ebenso abenteuerlich mit einer Holzfähre via Porto Velho. Abendfüllende Geschichten!  In Paramaribo musste sich Sergey – wegen der Aufregung?! – schnell zwei Koronarstents legen lassen, aber demnächst geht es weiter. Ziel Ushuaia. Und zur BR 319, die er für wenige Kilometer „probiert“ hat, sagt Sergey: da hat der IVECO keine Chance, da stecken Militärfahrzeuge für Tage und Wochen. Leute gibt’s! Wir werden Cuthberts Berichte verfolgen.  Ihr seht, wenn wir  selbst auch wenig zu berichten hat, zu googeln gibt es immer was.

Dann kommt das Ausklarieren, sehr witzig, weil wir zunächst mal fehlgeleitet werden und auch keinen Clearancestempel irgendeiner Art kriegen. Am Sonnabend die Abfahrt. Ein letzter surinameischer Regenschauer drückt uns in den Atlantik. Alles prima. Alles prima?  Schon, bis auf einen Besuch von Murphy, Ihr wisst: Murphy’s Law. 2. Nacht. Schipperinnenwache, 23:00, wir befinden uns vor der Küste Guyanas. In der Ferne hinter dem Horizont  ein flammendgelber Leuchtkegel – an einerm der Seamounts wird gefischt, was das Zeug hält. Vereinzelte Fischereifahrzeuge in Sicht.  Das Radio krackelt: „… the vessel in position…“. Einmal. Zweimal. Beim dritten Mal bequeme ich mich zu schauen, wo denn das gesuchte Schiff sich befinden soll – oh, shit! Das sind ja wir!  „…this is sailing vessel AKKA, do you read?“  Ja, sie hören mich. Ein seismologisches Forschungsschiff, sicher nicht von ungefähr in der Region der Unterseegebirge unterwegs, bittet um Abstand, 8 Meilen hinter dem Heck, 3 Meilen an jeder Seite und am Bug. Herrje, aufschreiben, nachfragen, trotzdem deren Kurs noch falsch notieren. Inzwischen ist der Eigner aus der Koje gerollt: „… was ’n hier los?“ Feindberührung ist hier los. Wir nehmen die Segel weg, kriegen für die nächsten 1 1/2 Stunden einen Kurs diktiert, alles gut. Ich spreche mit dem Forschungsschiff. Dann ruft der „Wachhund“, Aquarius D, mich nochmals, ich antworte – aber nix da, mein Ruf kommt nicht an. Hin und her, probieren, vergebliches Rufen: unser Funkgerät ist im Eimer. Handfunk aus dem Notgepack holen – und nun betritt Murphy endgültig das Boot: das Gerät empfängt ebenfalls nur und sendet nicht. Und wo ist, Mist, Mist, Mist, die zweite Handfunke? Dann muss es ohne gehen. Es geht auch – in der Hoffnung, dass wir hören, weist man uns an, weitere 20 Grad abzufallen. Wird gemacht. Wir starren auf den Christbaum auf dem Arbeitsschiff – wir sehen die kleine Gruppe auch auf dem AIS –  und halten einen längeren Disput „… da kommen wir nicht vorne rum, wir müssen den Kurs ändern!“ und „… aber die verlassen sich darauf, dass wir Kurs halten…“ ab, Andreas entscheidet nach Osten abzulaufen – ich bin dagegen, weil das rein logisch deren Weg nach Ablauf der 1 1/2-Stundenfrist sein muss, zurück zu den Seebergen. Aber wir machen’s und schon quakt es auf dem Arbeitskanal „… die läuft nach Osten!“ Wir gehen auf den verabredeten Kurs zurück. „Jetzt ist sie wieder zurück auf Kurs“ . Toll, man spricht über mich: „… ich habe sie leider nur auf einem Radar, wir müssen sie gut im Auge behalten…“ So intensiv haben schon lange keine Männer hinter mir her geguckt. Andreas erhöht die Drehzahl, was ich hasse wie die Pest („der arme Motor!“), aber ganz langsam sehen wir einen Fortschritt, und so schleichen wir in der verabredeten Distanz vor dem unheimlichen Gespann durch. Erst die Buglinie, dann, hurra, ich sehe grün! Wir sind durch!  Tschüss Murphy. Kurs Trinidad. Zwei Tage später sind wir da.

Frühstück auf See. DIe Butterdose fällt natürlich auch immer aufs Gesicht.

Sollte sich jemand fragen, was da mit unserer Funkausrüstung los war – schon beim nächsten Frühstück präsentiert mir der stets forschungsbereite Eigner ein Foto von den Innereien unseres Funkhörers: während der Funkgespräche ist die äußerst zarte Lötung der Sprechtaste gebrochen. Ein Freund und Funker aus Chaguaramas ist mittlerweile nach Tobago gezogen, das erweist sich als praktisch, und der erklärt sich bereit, seinen Lötkolben für uns zu schwingen. Und vermutet beim Handfunkgerät den Akku als Fehlerquelle: schon mal probiert, ob der Ausfall bei Akkuwechsel von einem zum – mittlerweile in der Blitzschutzkiste gefundenen – Zweitgerät mit wandert?  Tut es. Der Akku ist schuld. Murphy hat fertig!
Wir hängen jetzt noch eine Weile hier am Anker, und ich finde es herrlich. Vom Strand schallt es socamäßig, und war zunächst noch der Eindruck eher „naja, Südpazifik war aber schöner..“ machen die ersten Fahrten mit den üblichen wilden Taxis alles wett. Eingepfercht mit 5 Leuten in reggaewummernden Autos, die von Federbeindefekt über kaputten Auspuff bis Radlagerschaden alles zu bieten haben, fahren wir zwischen Storebay und Scarborough hin und her. Einklarieren, SIM-Karte organisieren, einkaufen. Spaß à  la Karibik. Klares, blaues Wasser.  Der Anker – nach so vielen Monaten! – mal wieder von oben zu sehen. Schwimmen. Pelikane, Fregattvögel – und die AKKA-Gans.