Messing-Eddy

Hamburg, 14.1.2007

Kühl-feucht-grau ist es. Ungemütlich, mehr herbstlich als winterlich. Gerade jetzt muss man sich einen Tritt geben, um den warmen Salon zu verlassen. Vorgestern hat AKKA ordentlich geschaukelt – ein Wintersturm fegte nachts über Hamburg hinweg und drückte ordentlich Wasser in die Elbe. Auf der Schlei hätten wir jetzt richtigen „Seegang“ – hier fährt AKKA in den Böen knarrend in die Leinen und legt sich kurz auf die Seite.

Aber Franz, das Sturmtief,zog fix vorbei, und so folgt unweigerlich der Impuls – raus aus dem Salonmief. Ziel: Museumshafen Övelgönne, den wir zu Fuß über die Elbtreppen ansteuern –  ui ui ui, zu FUSS! Nach so vielen Mühen – alles bergab – gibt es gleich erst einmal Kaffee und Kuchen auf der alten Fähre „Bergedorf“. Ganz Hamburg scheint die gleiche Idee gehabt zu haben –  die Hafenfähren sind gepackt voll mit Ausflüglern.

Von der Kaffeetasse aus sind es wieder nur ein paar Schritte bis zum Eisbrecher STETTIN – „Heute Besichtigung!“ steht dran. Ein Monstrum in Stahl und Nieten von 1935, wirklich eine Sensation. Zentrum des Schiffes ist ein großer Kohlebunker und ein riesiger, mehrstöckiger Maschinenraum für eine Dampfmaschine – 2.400 PS, eine verwirrende Vielzahl von Leitungen, Pumpen, Ventilen. 6 Feuerpforten im Heizraum. Und eine beeindruckende Besatzungsliste für den Maschinenraum: Leitender Ingenieur, 4 Assis, 6 Heizer – da scheinen heutige Dieselmaschinen leichter zu bedienen zu sein. Genau dieser Typ Dampfmaschine diente auch auf Dampfern wie der Titanic – natürlich mehrere davon. Auf den Dampfkesseln sitzen putzige Überdruckventile aus Messing, blitzeblank gewienert. Eben „putzig“. Am Maschinentelegraphen das unvermeidliche Sprachrohr zur Brücke –  das verlockt Kinder zum Ausprobieren „…hallo, hallo!“, und prompt echot ein „Hallo?!“ zurück.

Da muss jemand oben auf der Brücke sein!

Stimmt – auf einer Backskiste sitzt ein Mann im Overall, in der Hand einen kleinen Messingbeschlag und feine Stahlwolle, und poliert – selbstvergessen, zufrieden, mit verschmitztem Lachen. Wenn er aufblickt, geht der Blick durch die großen Fenster der Eisbrecherbrücke auf den mittlerweile dunklen Hamburger Hafen, wo noch immer die vollen Fähren und Ausflugsboote hin- und herfahren. An Steuerbord, drüben in Waltershof, wird ein Containerschiff beladen, die Lampen der Containeranlage überstrahlen alles – ein weitgreifendes Lichtergewirr hinüber zum Burchardkai bis nach Altenwerder. Da stellen sich natürlich Fragen, und Eddy, so steht es auf dem Namensschild am Overall, „Messing-Eddy“, fängt an zu erzählen. Wir schnacken vom Messing. Die „putzigen“ Überdruckventile poliert er unterwegs: „… da kriegt man ein bisschen warme Füße!“ Er muss allerdings damit rechnen, dass er, beim letzten kleinen Beschlag am Heck angekommen, gleich am Bug wieder anfangen kann, so viel Messing ist zu pflegen. Aber das macht er gern: „… da habe ich Spaß dran. Und Geduld hab‘ ich auch!“ Wir hören über den Verein und die vielen unentgeltlichen Arbeitstunden, ohne die der alte Dampfeisbrecher nicht erhalten – geschweige denn gefahren! – werden kann. Vom Spaß, den die Vereinsmitglieder an ihrem Schiff haben und dem Schabernack, den sie manchmal treiben: Wer von der Brücke aus den Maschinenraum ruft und ein Glas Wasser hinterherkippt, muss damit rechnen, dass über kurz oder lang mit Rauchzeichen geantwortet wird – und so ein kokelnder Lappen im Rohr qualmt nachhaltig. Wir schnacken von Eddys Zeit auf den Fährbooten der HADAG, vor 40 Jahren, als Waltershof, der moderne Containermoloch, noch eine Kleingartenkolonie war, von den alten Fährlinien, die bis nach Harburg gingen, und deren längst vergessenen Zwischenstationen mit so fernwehbeladenen Namen wie Athabaskahöft. Eddy erzählt – und putzt. Von den schönen Terminen mit dem Eisbrecher – der alljährlichen Flensburger Woche „Unter Dampf“ mit all den anderen dampfgetriebenen Oldtimern, den Fahrten zur HanseSail in Rostock oder zur Kieler Woche. An der STETTIN liebt er besonders, dass sie so ungemein ausladend in den Wellen rollt mit ihrem runden Eisbrecherbauch; sie ist so konstruiert, dass sie nicht nur das Eis bricht, sondern die losen Schollen unter das Festeis schiebt. Das hielt das Fahrwasser eine Weile frei, damals, im Stettiner Haff und auf der Oder – und diese Form lässt den Eisbrecher im Seegang rollen; am liebsten steuert Eddy, der Steuermann, dazu direkt auf die großen Wellen zu, und da muss der „Alte“ ihn dann schon mal ermahnen, Kurs zu halten. Was auch den Passagieren gut tut, die sich mit dem Eisbrecher auf Charterfahrt begeben. Der Anteil an Seekranken scheint hoch zu sein auf See …

Da loben wir uns unsere gutmütige AKKA. Wir sind die letzten Besucher, die von Bord der STETTIN gehen. Zurück nach Harburg. Mit dem Auto, das wir unter Schnaufen, die Elbtreppen hinauf, erreichen. Die Fährverbindung nach Harburg, die gibt es ja leider nicht mehr.

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