Gegenan…

Frisch angekommen und schon einen ausgiebigen Mittagsschlaf gehalten. Das war aber auch nötig – wir sind gestern auf „gut Glück“ in Dieppe ausgelaufen, wohl wissend, dass das Windrichtungsmäßig ein hartes Stück Brot würde. Erst einmal 30 Meilen hart am Wind Richtung Kanal-Verkehrstrennungsgebiet, das war schon
mittelprächtig. Die vorgekochte Suppe schmeckte nicht, und so nahm mein vorprogrammiertes Unglück seinen Lauf. Keine Lust was zu essen, was zu trinken. In der Nacht schlief dann der Wind ein und wir schmissen den Motor an. Volle Kiste gegenan, mit einem Stück Großsegel als Stützsegel. Und leerer Bauch, der bolzt nicht gern gegenan. Die erste Nachtwache ging ja noch, aber die von 2 bis 5 habe ich dann eher „ertragen“. Zwei trockene Knäcke waren alles, was ich knabbern mochte, und selbst die blieben über Gebühr lange und merklich im Magen liegen. Ein Elend. Ich mochte schon gar nicht mehr aufstehen, aber für den allfälligen Klogang ließ sich das nicht vermeiden. Der tapfere Skipper hat dann die Morgenwache bis um 9 Uhr geschoben. Der Motor lief weiter, der Kurs blieb, trotz wieder aufkommenden Windes, ganz unsportlich – aber bei der Strömung vor Pointe Barfleur zu kreuzen, und noch eine Tide und noch eine… Da wären wir definitiv noch jetzt nicht im Hafen. Immerhin war ich da schon wieder so fit, dass ich mich mühselig aus der Koje gequält habe und dieses Schauspiel – 2 Stunden Barfleur mehr oder weniger querab – bestaunen konnte. Bis der Strom kenterte, mit Macht, und wir Richtung Cherbourg abrauschen konnten. War schon nett, festzumachen und ganz fix einen Salat zuzubereiten, gekühlte Melone mit Schinken zu verdrücken. Neben uns liegt ein älteres belgisches Ehepaar mit ihrer TABOO, denen ich vorhin beiläufig von meiner Seekrankheitsattacke erzählte. Und die reichten mir dann eine Dose ihres Geheimrezeptes rüber – Milchreis aus der Dose, in kleinen Portionen zu genießen. Es gibt einen Haufen netter Leute ringsum. Der abendliche Besuch im CARREFOUR mit all seinen Leckereien tat ein Übriges. Die Zuversicht ist zurück.
Das France Bleu dudelt schon die ganze Zeit Reisemusik – da ist dann an die nächtlichen Zweifel nicht mehr zu denken. Reggae von Bob Marley. Karibik? Oder doch lieber Brasilien, der Gedanke kam beim alten Ohrwurm Lambada auf.
Fehlt nur noch mein musikalisches Nahziel. Cesaria Evora. Cabo Verde. Nicht gegenan. Nur einfach: hin!

Dunkerque-Boulogne

Boulogne – weiter hat uns der Wind nicht getragen. Theroretisch schon, aber es wäre in die falsche Richtung gegangen. Überraschung am Ende: Einfahrt Boulogne gesperrt, die Fischer bestreiken den Hafen und bereiten der monströsen Katamaranfähre von Dover ein hübsche Verspätung. Die ankert nämlich draußen, genau wie wir. Und wir hatten schon „Weichei“ gerufen, als der Katamaran direkt hinter uns die Fahrt rausnimmt 😉
Es wird schon besser mit den Tiden. Und dann haben wir ja noch den Shell Channel Pilot, der einem doch immer wieder Vergnügen bereitet. Zitat aus dem Vorwort: „… recommend .. to make maximum use of a sharp eyed mate. My own pilotage ist still frequently rendered free of impending drama by the presence of my wife, Ros, whose father flew WWII fighters in combat for the RAF, and who has inherited his gimlet vision.“ Gut zu wissen ;)…
Tja, und Dunkerque?! Am Sonntag gab es einen Radelausflug zum Mémorial des Alliés. Das fing schon mal schön französisch an, weil wir mit dem Aufbruch bis 14:00 Uhr, Ende der offiziellen Mittagspause, gewartet hatten. Als wir ankommen, winkt uns ein fröhlicher älterer Herr zu, eher süd- als nordeuropäische Gestik, und bedeutet uns, dass er nur kurz etwas essen möchte – „cinq minutes!“ Wir radeln zum Strand und betrachten das betrübliche Touristengewusel, die Reihe mittelmäßiger Restaurants und Unterkünfte. Andreas sabbert ein bisschen vor einer Friture, Belgien ist nicht weit, und wir haben Frittenland ja ausgelassen. Der „Kursaal“ wirbt für ein Konzert von Michel Polnareff im August. Hmh – da war doch was in unserer Jugend?! Dass der noch Konzerte gibt… Zum Strand hin rapt es ordentlich, das ist bestimmt bis zum Fahrwasser hinaus zu hören.
Zurück am Mémorial ist noch niemand da, ein französisches Essen braucht halt auch seine Zeit. Kleiner Umweg zur Marina Grand Large, in einem teilweise geschleiften, teilweise umgewidmeten, riesigen Werftgel?nde – wir stellen fest, dass wir unseren Liegeplatz auf der anderen Seite, im „more clubby YCMN“, dem Yacht Club du Mer du Nord, goldrichtig gewählt haben. Stadtnah und nett. Und nebenbei WLan satt und kostenfrei.
Dritter Anlauf Mémorial, und siehe da, die 5 Minuten sind um. Wir werden freundlich willkommen geheißen, sprechen mit dem Museumswärter, der uns die Rundgänge erklärt und Papiere in die Hand drückt.

Schon vor der ersten Tafel, Generalmobilmachung in Frankreich am 2.9.1939, überlegen wir, ob wir vielleicht lieber vor den englischen Übersetzungen stehen bleiben sollen, wir fühlen uns von den holländischen Besuchern beobachtet. Dann noch einmal der Museumswärter : „… vous êtes de quelle nationalité?“. „Allemand.“ Er strahlt! Die Ausstellung ist toll – aus unserer Sicht völlig neutral; eher haben wir manchmal das Gefühl, dass die strategischen Bemühungen der Deutschen in zu positivem Licht stehen. Interessant der Rückblick auf die anfängliche Taktik des Grabenkrieges durch die Engländer – in direkter Anknüpfung an 1918. Nur ein paar
Kilometer weiter, als würde der erste Krieg einfach weitergeführt. Aber es wird auch nichts ausgespart – die Stukaangriffe auf die Schiffe, die Bombardements auf die Stadt. Dem Verfasser unseres Channel-Pilot wird das alles nicht unbedingt genügen – über den müssen wir dauernd glucksen. Der gibt von der Geschichte eine eher britische Kurzfassung: „… in 1940, a sacrificial rearguard action by the Green Jackets kept the Panzers from outflanking Dunkerque until the British Forces were evacuated…“ Als notorischer Geschichtsängstling in
Sachen WW II – irgendwo zwischen Neugierde und Berührungsangst – bin ich doch ziemlich beeindruckt und mir fällt auf, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt, jedenfalls habe ich eine solche Ausstellung noch nirgends gesehen, und das wäre wirklich lohnend. Im Hinausgehen schnacke ich noch ein Weilchen mit dem Museumswärter, der sich an unserem Interesse (und dem von „beaucoup des Allemands“ in neuerer Zeit) sehr freut. Und mir zu verstehen gibt, dass nicht nur ich das Geschehen nicht so einfach begreifen kann. Zwar fehlt es mir für tiefschürfende Gespräche ein bisschen an der Übung im Französischen, aber wir verstehen uns gut. Die Message kommt rüber, in beiden Richtungen. Schön.

Gemischte Gefühle

Nicht ganz so dramatisch, wie die Überschrift vermuten lässt, aber es ist schon so…

Ein bisschen benommen sind wir heute. Gestern sind wir mit Spaß und Gennaker von Scheveningen Richtung Kanal gerauscht, und haben dabei so viele Meilen gemacht, dass die Reise die holländisch-belgische Küste hinab dann zur Nachtfahrt geriet. Wegen der Verkerhsdichte und wegen der Untiefen für uns beide schlaflos. Schon blöd, wenn man bei mitlaufendem Strom die Besegelung so verkleinern muss, dass man nicht allzu früh, sprich im Dunklen an den kritischen Stellen ankommen will. Wir daddeln mit der Tidennavigation doch eher rum – vor 2
Tagen haben wir sogar aufgegeben: Da war es gerade umgekehrt, denn nachdem wir zuvor viel gegen den Wind kreuzen mussten, kamen wir einfach nicht mehr am Hoek von Holland vorbei und haben es vorgezogen, die Nacht in Scheveningen zu verbringen.
Wir spezialisieren uns übrigens jetzt auf „Gewitterankunft“! Das Gute daran: Wenigstens hat man wegen des Windes dann auch wirklich alle Leinen draußen. Und wegen des Starkregens erübrigt sich selbst nach längeren Schlägen die Dusche.

Der Hauptteil der gemischten Gefühle, der geht heute allerdings auf das Konto „Aphrodite“… Entmastung in der Biscaya. Wir sind wirklich froh, dass die beiden selbst unbeschadet sind – und dass sie wirklich kühl all das getan haben, was zum guten Ausgang geführt hat. Das Glück ist halt mit den Tüchtigen, die in diesem Fall ihr Boot behalten durften. Wir waren doch schwer beeindruckt von der Schilderung – entsetzt und erleichtert, froh und auch gerührt…

Nun warten wir auf das Wetter durch den Kanal – wird wohl ein paar Tage „Dunkerque“ dauern. Wenn aber weiter so nette andere Crews hier liegen wie die Momo, die auf dem Rückweg von der Atlantikrunde ist, dann lassen wir uns das gern gefallen.

PS: Keine Umlaute in der Titelzeile;)

Wolke, Busfahrt und Kaffee

Mann, sah das finster aus gestern morgen. Der Wind hatte sich schon in den Nachtstunden zur Ruhe gelegt, und so schlichen wir hinter einem dicken Gewitter nach Ijmuiden hinein. Bis wir an unserem Platz ankamen, war der Spuk vorbei, ein cooles ANlegemanöver, und die Sonne ließ sich umgehend wieder blicken. Das ist wie mit dem Teller leeressen: wer brav ist, wird mit schönem Wetter belohnt.
Was allerdings abends folgte, das war wirklich sehenswert: eigentlich wollten wir noch die Räder auspacken, um im Industriehafen auf alten Pfaden zu wandeln. Oft genug waren wir ja hier – entweder auf der Suche nach einem Schiff, zur HISWA te WATER, oder zu Rennveranstaltungen – Zandvoort ist schließlich gleich um die Ecke. Der Sinn stand uns nach einer „Visschotel“, einer etwas gepflegteren, holländischen Entsprechung von „fish and chips“. Nur verhieß der Blick an den Himmel nichts Gutes. Eine solche Gewitterwolkenwalze hatten wir noch nie gesehen, weder in dieser Geschwindigkeit, noch in dieser Breite und schon gar nicht in dieser Weltuntergangsanmutung. Schwarz-grau und stechend grünlich. Gruselig… Das Beste war, dass es noch gar nicht losgegangen war, als es schon allenthalben blitzte – von jedem Boot aus wurde fotografiert. Das hatten eben nicht nur wir noch nicht gesehen… Mit dem Böenkragen blies es dann aus allen Knopflöchern und es folgte das, was Meteorologen als Starkregen bezeichnen und, wie wir am Getute der Schiffe im Fahrwasser ablesen konnten, einer Sichtweite von „Null“ gleichkam.
Heute früh dann ein „als wäre nichts gewesen“-Wetter. Grund, nach ein paar Schiffstätigkeiten auf den Bus zu hocken und nach Amsterdam zu fahren. 10€ die Familien-Tageskarte, Sightseeing durch Industrie- und Wohnviertel inklusive. Ganz schön aufgeräumt, die Niederlande. Ob die Gardinen wohl fehlen, damit man sich gegenseitig in der Stube kontrollieren kann? Maarten ‚t Hart behauptet das ja irgendwo…
Mein persönliches Highlight des kleinen Stadtrundganges – es IST definitiv eine schöne Stadt zum Wohnen, auch wenn wir dieses Mal Prins Pilsje nicht getroffen haben – war der abschließende Kaffee. Den haben wir an der Keizersgracht eingenommen. Vor einem winzigen Schokoladenlädchen waren zwei Tischchen aufgestellt, und während wir den zum Lädchen gehörenden, ballwütigen Jack-Russell-Terrier „bedienten“, kriegten wir Koffie mit zwei Pralinen. Eine hell, eine dunkel. Ein Gedicht – Nina, unbedingt nachmachen!

Hundewache

Was man so während der Hundewache macht? Einen Blogbeitrag verfassen. Die letzten Tage rekapitulieren. An Eva und Daniel denken, die gerade ihren dritten Biscayatag beginnen. Die Sterne betrachten. Und natürlich. Ausguck halten. Sich fragen, ob die Berufsschifffahrt nun im Sechseck springt, weil da so ein dickes Radarecho naht. Dank unseres „SeaMe“-Radarreflektors. Den akustischen Alarm haben wir abgestellt – wir sehen nur eine Diode leuchten, wenn wir vom Radar eines anderen erfasst werden, und das ist
eigentlich immer.

Der Morgen graut, der letzte nächtliche Gegenkommer hat uns gerade passiert, während wir die holländische Küste hinuntertrödeln. Gestern haben wir Borkum verlassen, und das kam
so: Eigentlich hatten wir die – angesichts des Südwestwindes vielleicht ein bisschen naive – Absicht, schon am Sonnabend von Norddeich aus die Niederlande anzulaufen. Mit ein bisschen Mühe und ein wenig Glück mit dem Wind hätte das wohl auch klappen sollen. Gute
gerüstet waren wir ja – fröhlich nach den schönen Treffen  mit Heiner und Barbara, volle Medizinkisten, frische Lektüre. Ein Nachschlag Abschiedsgeschenke von Mücke, inklusive Mundharmonika! Vielen lieben Dank für Teestunden und alle freundlichen  Gespräche! Also los. nur wir hatten weniger Glück, dafür umso mehr Mühe..
Die schlechte Nachricht zuerst: Eine von Inas „no spill“-Tassen ist kaputt. Sie sprang vom Cockpittisch und landete in St?cken auf der S?llkante. Allerdings war das nicht das einzige Inventar, das in grober See zu springen anfing: Wir haben gestaunt, dass wir uns doch zu Beginn jeder Saison neu an den Status „seefest“ herantasten – wir hatten die Ordnerreihe nicht gesichert. Was für eine schöne Auswahl an Katalogen und Büchern auf den Salonboden! Die Besteckschublade machte sich auf die Reise – das klingt im jeweiligen Moment schon mal etwas bedrohlicher. Und ärgerlich dazu, hatten wir doch eigentlich Gurte zur Schubladensicherung vorgesehen…
Und, neue Stauplätze, neue Überraschungen: dass CD-Rohlingspindeln Schapps von innen öffnen können, war mir zum Beispiel zuvor nicht bewusst. Das Ende vom Lied mit dem  „Hack“ war, dass wir um 18 Uhr beschlossen, dass die 4. Wende an der Grenze zum Verkehrstrennungsgebiet die letzte sein w?rde – keine weiteren Kreuzschläge Richtung Ameland, wir laufen nach Borkum. Sehr angenehm, wenn man dann die Salzkruste abspülen kann. Das war wirklich frustrierend und anstrengend. Und eine Lehrstunde in Sachen  Sorgfalt. Dass der Segeltag auch magenmäßig eher grenzwertig war, erübrigt sich zu sagen.
Das Kuchenessen fiel dieses Mal auf die Abendstunden, Borkum um Visier. Nun wissen wir mal wieder ein bisschen mehr. Aber auch, dass die AKKA das alles ganz prima
mitmacht.

Deutsche Bucht

Helgoland.

Keine Parfums, keinen Sprit (obwohl wir dringend einen Billigalkohol für die zu fangenden Fische kaufen müssten!), keine überteuerte Dusche ;). Nur an einer Kamera hatten wir gestern nicht vorbeigehen können. Leider lag der Besuch am Lummenfelsen vor dem Kamerakauf – wunderbar tölpelige Basstölpel und ebensolche Trottellummen klebten da über dem Abgrund und übten schon mal imposante bis erheiternde
Flügelschläge. Ab sofort gibt es keine Entschuldigung mehr für fehlende Photos.
Helgoland-typischer Ableger – das Päckchen hinter war uns war bis zum Einbruch der Nacht auf 8 Yachten
angewachsen, wir waren nur zu viert. Dafür hatte der Holländer ganz außen einen Motorschaden und musste
nach innen durchgereicht werden. Aber elegant ist gar kein Ausdruck für unser Manöver. Zuschauer haben wir leider immer nur bei den weniger eleganten. Danach gab es Billig-Diesel in alle Tanks und Kanister. 320 l für 270 ‚¬, das macht ganz fröhlich, wie auch der folgende Segeltag:
Der bescherte uns am Nachmittag 1,5 Stunden Querung des Verkehrstrennungsgebietes, was uns früher ins Schwitzen gebracht hätte – aber heute haben wir AIS. Und ein unvorschriftsmäßiges Grinsen im Gesicht, weil man eine sensationelle Übersicht über das ganze Berufsschifffahrtsgewusel ringsum erhält. Passierzeiten, Distanzen, Geschwindigkeiten – alles auf dem Präsentierteller. Klasse. Zum Grinsen trug natürlich bei, dass wir vom Am-Wind- auf Rauschotskurs abgefallen waren – es ist immer nett, wenn es einem nicht mehr ins Gesicht bläst und man das Ö�lzeug abwerfen kann. Und dass sich auch gleich ein Kaffee- und (Mückes Königs-)Kuchen-Kurs ergibt.
Dafür wurde es dann in der Ansteuerung nach Norddeich noch einmal spannend – querlaufender und mächtiger Flutstrom bis vor die Hafeneinfahrt von Norderney, danach Tonnenraten mit  entgegenkommendem Fischereiverkehr.
Wir sind halt doch Ostseesegler, und was wir sonst so an tidenarmen Gewässern bereist haben. Aber Spaß macht es schon. Vor allem wenn man dann erst einmal heil im Hafen angekommen ist.

Abschiedsgeschenke

Am Sonnabend kam meine Schwester nach Cuxhaven geflitzt, mit Nachbarskind Ye-Damm im Schlepptau, und beladen mit Abschiedsgeschenken. Ein Notizblock zum Nachfüllen, handgebunden, wunderschön. Ein Königskuchen der royal class, mit getrockneten Aprikosen (ist doch so, oder, Mücke?). Großmutters Waffelkekse in der Vorratsdose (Ye-Damm durfte probieren, was sie weidlich nutzte ;)). Und der Schokoladenvorrat wurde gefüllt.
Cuxhaven – das war für uns so etwas wie das Tor zum großen Törn – immerhin wissen wir jetzt, dass wir nicht
die rote Laterne hinter dem Tross der Kanarenreisenden hertragen. Derzeit sammeln sich dort die Norweger, Briten sind auch dabei und wir werden den einen oder anderen auf dem Weg nach Süden sicher wiedersehen. Es geht wirklich los…

Schluck …

Noch vor ablaufendem Wasser heute früh wollten wir raus aus Wedel und sind es auch. Um halb acht war es so weit: Leinen los. Wedel ist zwar Europas größter Yachthafen, aber ich habe kaum jemals einen ruhigeren
gesehen – mehr ein Schlafplatz für Hamburger Segelboote als ein Yachthafen. Dennoch kommen wir nicht ganz unverabschiedet davon – wir gleiten an unserem Steg entlang, als die Eigner von Sellebrunn an Deck springen und uns frenetisch zuwinken.  Zwei segelbegeisterte Leute mit kleiner Tochter, die zumindest verstehen können, was wir da für einen Traum haben. Und auch unsere Freude teilen. Wir biegen schon am Stegende um die Ecke, da winken sie immer noch.  Schluck…
Nach einer Weile zuerst gegen die Tide, dann im Stillwasser merken wir, dass das Wasser anfängt mitzulaufen und binnen kurzem loggt AKKA 8, 9, 10 Knoten. Ui! Wir nehmen die Parade der AKWs ab – Stade, Brokdorf, Brunsbüttel. Wieder mal habe ich den Eindruck, noch nicht in unserer neuen Realität angekommen zu sein: wir lachen über die Ledertasche, die man sich in den 50ern bei atomarem Fallout über den Kopf halten sollte, mir fällt die Lach- und Schießgesellschaft ein, die aus diesem Grund damals das schöne Lied von den „Lederwar’n aus Offenbach“ sang – und ich denke für Sekunden, dass ich bei Gelegenheit mal die alten Schallplatten herausholen könnte. Diese Gelegenheit wird es definitiv auf absehbare Zeit nicht geben, die Gegenwart an Bord hat mich wieder.

Kaum haben wir die Ostemündung querab, fängt es an richtig zu blasen, und es steht Wind gegen Tide – das macht eine fette See, und es wird doch noch nass, so kurz vor dem Ziel. Schluck – diesmal richtiges brackiges Elbwasser, eins ums andere Mal und nicht zu knapp. Der Regen läuft dazu in den Kragen. Na Klasse. Dann bricht unser wohl doch betagter Motorkegel und der Plastikrest wickelt sich samt Spifall, an dem ich den Kegel geheißt hatte, fröhlich um die Wanten. Anfängerpech, buchen wir’s darunter.

Wir sehen schon die Kugelbake, da es gibt noch einmal richtigen Grund zu schlucken: uns kommen drei Teilnehmer des HSH-Nordbank-Bluerace entgegen, die Bank von Bremen, die Norddeutsche Vermögen und die amerikanische Snow Lion. Direkt aus Amerika. Ich hatte schon immer eine Schwäche für  Winner und Loser, für Heimkommer – und Langstreckensegler. Schluck…

So kann man auch mit kleinen Sachen …

…. dem Kind im Segler Freude machen…
Heute haben wir die Wohnungstür für längere Zeit hinter uns geschlossen. Die letzten Bücher, die noch unbedingt mitreisen müssen, sind eingepackt, die großen Fahrräder in den Keller gesperrt, die Nachbarn informiert, ein Lüfteservice organisiert. Und danach: Abfahrt zu Volkswagen, das Rentner-Leasingfahrzeug abgeben. Nach 43 Jahren wird Andreas erstmalig ohne Auto sein. Aber wie so oft holt einen die Vergangenheit schneller ein, als man denkt, und unsere Vergangenheit ist nun mal „automobil“…
SIXT Hannover Nord – ich will den bestellten Kleinwagen abholen. Pilar Islev strahlt mich an: „…wir haben heute ein anderes Auto f?r Sie“ und denkt wahrscheinlich sofort: „… Ignorantin…“, denn ich gebe ein nur
peripher interessiertes „… ach, ja…“ von mir. So richtig viele Autos standen ja nicht draußen, also wird
es eine der A-Klassen sein. Aber nein: noch einmal Konzern, noch einmal Leder und – das freut den Eigner! –
noch einmal 200 PS. Ein Audi TT, pfuschneu. Mit eingebautem Überholprestige, das tröstet ihn über den Abschiedsschmerz vom eigenen Auto hinweg. Das war eine nette, unbeabsichtigte aber umso passendere
Überraschung!

Bei VW nimmt mich Peter Mika, mit dem ich manchen Dienstwagen-Trouble geteilt habe, zum Abschied in den Arm – nett zu wissen, dass man auch 3 Jahre nach dem Ausscheiden noch in nicht allzu schlechter Erinnerung ist.
Aber wir fahren jetzt trotzdem los – daran ändern freundliche Abschiedsszenen nichts. Und keine
Autobahnspäßchen mit einem Audi TT…