Dunkerque-Boulogne

Boulogne – weiter hat uns der Wind nicht getragen. Theroretisch schon, aber es wäre in die falsche Richtung gegangen. Überraschung am Ende: Einfahrt Boulogne gesperrt, die Fischer bestreiken den Hafen und bereiten der monströsen Katamaranfähre von Dover ein hübsche Verspätung. Die ankert nämlich draußen, genau wie wir. Und wir hatten schon „Weichei“ gerufen, als der Katamaran direkt hinter uns die Fahrt rausnimmt 😉
Es wird schon besser mit den Tiden. Und dann haben wir ja noch den Shell Channel Pilot, der einem doch immer wieder Vergnügen bereitet. Zitat aus dem Vorwort: „… recommend .. to make maximum use of a sharp eyed mate. My own pilotage ist still frequently rendered free of impending drama by the presence of my wife, Ros, whose father flew WWII fighters in combat for the RAF, and who has inherited his gimlet vision.“ Gut zu wissen ;)…
Tja, und Dunkerque?! Am Sonntag gab es einen Radelausflug zum Mémorial des Alliés. Das fing schon mal schön französisch an, weil wir mit dem Aufbruch bis 14:00 Uhr, Ende der offiziellen Mittagspause, gewartet hatten. Als wir ankommen, winkt uns ein fröhlicher älterer Herr zu, eher süd- als nordeuropäische Gestik, und bedeutet uns, dass er nur kurz etwas essen möchte – „cinq minutes!“ Wir radeln zum Strand und betrachten das betrübliche Touristengewusel, die Reihe mittelmäßiger Restaurants und Unterkünfte. Andreas sabbert ein bisschen vor einer Friture, Belgien ist nicht weit, und wir haben Frittenland ja ausgelassen. Der „Kursaal“ wirbt für ein Konzert von Michel Polnareff im August. Hmh – da war doch was in unserer Jugend?! Dass der noch Konzerte gibt… Zum Strand hin rapt es ordentlich, das ist bestimmt bis zum Fahrwasser hinaus zu hören.
Zurück am Mémorial ist noch niemand da, ein französisches Essen braucht halt auch seine Zeit. Kleiner Umweg zur Marina Grand Large, in einem teilweise geschleiften, teilweise umgewidmeten, riesigen Werftgel?nde – wir stellen fest, dass wir unseren Liegeplatz auf der anderen Seite, im „more clubby YCMN“, dem Yacht Club du Mer du Nord, goldrichtig gewählt haben. Stadtnah und nett. Und nebenbei WLan satt und kostenfrei.
Dritter Anlauf Mémorial, und siehe da, die 5 Minuten sind um. Wir werden freundlich willkommen geheißen, sprechen mit dem Museumswärter, der uns die Rundgänge erklärt und Papiere in die Hand drückt.

Schon vor der ersten Tafel, Generalmobilmachung in Frankreich am 2.9.1939, überlegen wir, ob wir vielleicht lieber vor den englischen Übersetzungen stehen bleiben sollen, wir fühlen uns von den holländischen Besuchern beobachtet. Dann noch einmal der Museumswärter : „… vous êtes de quelle nationalité?“. „Allemand.“ Er strahlt! Die Ausstellung ist toll – aus unserer Sicht völlig neutral; eher haben wir manchmal das Gefühl, dass die strategischen Bemühungen der Deutschen in zu positivem Licht stehen. Interessant der Rückblick auf die anfängliche Taktik des Grabenkrieges durch die Engländer – in direkter Anknüpfung an 1918. Nur ein paar
Kilometer weiter, als würde der erste Krieg einfach weitergeführt. Aber es wird auch nichts ausgespart – die Stukaangriffe auf die Schiffe, die Bombardements auf die Stadt. Dem Verfasser unseres Channel-Pilot wird das alles nicht unbedingt genügen – über den müssen wir dauernd glucksen. Der gibt von der Geschichte eine eher britische Kurzfassung: „… in 1940, a sacrificial rearguard action by the Green Jackets kept the Panzers from outflanking Dunkerque until the British Forces were evacuated…“ Als notorischer Geschichtsängstling in
Sachen WW II – irgendwo zwischen Neugierde und Berührungsangst – bin ich doch ziemlich beeindruckt und mir fällt auf, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt, jedenfalls habe ich eine solche Ausstellung noch nirgends gesehen, und das wäre wirklich lohnend. Im Hinausgehen schnacke ich noch ein Weilchen mit dem Museumswärter, der sich an unserem Interesse (und dem von „beaucoup des Allemands“ in neuerer Zeit) sehr freut. Und mir zu verstehen gibt, dass nicht nur ich das Geschehen nicht so einfach begreifen kann. Zwar fehlt es mir für tiefschürfende Gespräche ein bisschen an der Übung im Französischen, aber wir verstehen uns gut. Die Message kommt rüber, in beiden Richtungen. Schön.