Die Tage in Cherbourg haben wir vor allem mit allgemeinem Gebastel verbracht – die Nähmaschine wurde herausgeholt, die alten langärmeligen Büroklamotten auf „Kurzarmhemd“ umgearbeitet etc. Und: für 3 volle Tage sah es endlich mal wieder nach Winter aus. Winter heißt: Bodenbretter hoch, Vorschiffskojen abgebaut, und endlich kann der Eigner mal wieder für viele schöne Stunden in die Elektrik abtauchen. Umbau der
Absicherung für Ankerwinde und Bugstrahlruder ist angesagt, das war von Anfang an ein bisschen unterdimensioniert, und die Schwierigkeit ist nicht, einfach mal ein Kabel zu ziehen, sondern das 24V-Bugstrahlruder und 12V-Ankerwinde automatisch umschaltend zu kombinieren. Ach, wie haben wir das vermisst! Unnötig zu sagen, dass der einzig verbleibende Nähplatz im Cockpit ist. Der Salontisch ist vollflächig bedeckt mit Kabelschuhen, Werkzeugen und Zeichnungen. Irgendwie kämpfe ich mir den Naviplatz frei, damit ich Versuche starten kann, dass Pactormodem, Amateurfunkgerät und Rechner sich endlich unterhalten.
Die Verschnaufpausen verbringen wir mit Steg-Gekakel. Es hat sich rund um uns eine Hallberg-Rassy-Show gebildet, mit jeweils wechselnden Darstellern. Engländer mit französischer Frau, HR 37. Finnisches Ehepaar (Rallyefahrer!), HR 43, pfuschneu… Engländer mit einer 36er. Und überall gibt es was zu gucken. Abzugucken.
Oder scheinbar gute Ideen abzuwählen.
Am Montag eine Landpartie im Leihauto auf dem Cotentin. Wohin wohl? Natürlich, D-Day gucken. Und das ist nun – nach der tollen Ausstellung in Dunkerque – ein zweischneidiges Schwert. In St.e Mère LÉglise hängt ein Fallschirm samt Fallschirmjäger am Kirchturm, viel geknipst, viel bestaunt. Voller Parkplatz, Touristengewühle. Ein paar Kilometer weiter schauen wir uns die Batterie von Crisbecq an – eine riesige Verteidigungsanlage der Deutschen. Es lässt uns ziemlich schaudern, diese gigantischen Bemühungen, dieser wahnwitzige Aufwand an Material und Arbeitskräften. Zwangsarbeiter. Kriegsgefangene. Mörderische Verteidigungsbemühungen. Und dann liegen in der Krankenstation viele, viele Kleinigkeiten aus, die ich nur allzu gut aus meiner Kindheit kenne und was mich sehr anrührt.
Weiter zum Utah Beach. An der Stelle seiner Landung in den Dünen ein großes Denkmal für General Leclerq, umwuselt von Surfern und Strandbesuchern, die ihren Kindern die Eimerchen und Schäufelchen hinterhertragen. Eine merkwürdige Mischung. Ein paar Kilometer weiter ein amerika-lastiges Museum direkt am Strand.
Es ist schon berührend und informativ, aber insgesamt doch zu sehr auf Show und zu wenig auf Geschichte ausgelegt, und eben sehr auf die Leistung der Amerikaner zugeschnitten. Hoffentlich kommen die anderen Beteiligten in den anderen Gegenden der Invasion besser weg. Es scheinen sich alle Orte rund um den D-Day ihren Teil sichern zu wollen, und so gibt es diverse Schauplätze – Musée de la Libération in Cherbourg, Utah
Beach, Airborne Museum etc. etc. Wir kaufen jedenfalls keine Camouflage-T-Shirts, keine Landungsbootbaus?tze, keine Videos. Dafür nehmen wir mit Erstaunen zur Kenntnis, dass S&S, Sparkman and Stevens, Koryphäen des gehobenen Bootsbaus, auch ein
Exponat beisteuert. Ein Amphibienfahrzeug.
Zurück am Boot fragt der Nachbar: „… where have you been?“ und so bildet ein unangemessen beiläufiges Gespräch von Reling zu Reling den Abschluss dieses „historisch wertvollen“ Tages. Über die Deutschen, die Europäer und ihre Geschichte, WW1 und 2. Mit David. Und seiner französischen Frau. Aus dem Elsass. Urrgs. Schwierig.
Sprachlich und inhaltlich.
Der Folgetag geht dann noch einmal mit den Restarbeiten an der Elektrik dahin (das Aufräumen nicht zu vergessen!) und Andreas steht ein bisschen der Angstschweiß auf der Stirn, als wir die Sicherungen einschalten, denn diese Anordnung war nur mit einer eher komplizierten Zeichnung herzustellen. Anruf bei Michael, unserem Berater in
Bootselektrikangelegenheiten in Hannover. „..es funktioniert!“ Vollzugsmeldung per Roaming und Freude auf allen Seiten.
Dienstag, 22 Uhr. Wir unterbrechen unsere frisch angekommenen belgischen Nachbarn, die sich zu uns ins Päckchen gelegt hatten, beim Dessert. „On va démarrer!“ Während wir uns rückwärts rausziehen, fährt ein Belgier vorbei. „Vouz allez ou?“ „… Brest!“ „… la Belgique…“ Wir gucken uns an. Das ist ja nun tidenmäßig diametral entgegengesetzt – sollten wir uns verrechnet haben? Aber nach ein paar Stunden Vollmondsegeln wissen wir: Perfekt! Um 3 Uhr zieht uns ein gigantischer Strom – schließlich Springzeit! – an Alderney vorbei. Eigentlich kenne ich diese Gegend ja wie aus meiner Westentasche – von all den Übungs- und Prüfungsaufgaben für den Sporthochseeschifferschein. Wir winken den Alderney Races, die ich so gern in natura gesehen hätte, zu und den Kanalinseln – wir kommen auf der Rückfahrt für einen längeren Stopp. In ein paar Jahren. Man muss sich ja auch noch ein paar Highlights aufsparen.