… ist es hier. Wir sind nämlich seit Montag in Las Palmas. Industriehafenlärm, Verkehrsgewühl, geschäftige Menschen im – immerhin sonnenbeschienenen – Alltagstrott. Heute früh haben wir uns schick gemacht, lange Hose, lange Ärmel, geschlossene Schuhe, haben uns auf unsere Räder geschwungen und sind zum Konsulat der Bundesrepublik gefahren. Unterschriftenbeglaubigung war der Zweck des Unternehmens. Dass die ganze Sache dann durch eine Art Postschalter – der Konsul auf der einen, wir auf der anderen Seite – geschah, ließ zwar die Verkleidung eher unnötig erscheinen, tat aber dem merkwürdigen Gefühl keinen Abbruch, mal wieder ordentlich gewandet zu einem festen Termin in einem Büro aufschlagen zu müssen. Hmmh. Und schon fallen einem auf der Strandpromenade die Langfahrtsegler auf, sonnenverbrutzelt, in verschossenen Hemden und Shorts, barfüßig auf verrosteten Klapprädern. In Mogan konnte ich das selbst auch noch, aber hier wirkt das lediglich im Bereich der Marina „normal“.
Mit dem Beglaubigungsvorgang ergab sich eine kleine Wartezeit, die wir am nahegelegenen Parque Santa Catalina verbrachten – Sonnenschein, Café con Leche, frische Zeitungen. Festellung vom Eigner (unter dem Eindruck des ZEIT-Artikels über Türkei-Überwinterer): “ Irgendwie verstehe ich diese Langzeiturlauber – kannst Du Dir vorstellen, jetzt auf dem Kröpcke zu sitzen??“ Nee. Kann ich nicht. Erstens sitzt man derzeit in Hannover höchstens IM Kröpcke und versucht durch beschlagene Kaffeehausscheiben nach draußen zu schauen, und zweitens sind wir keine Langzeiturlauber, sondern gehen einer geregelten Blauwasserseglertätigkeit nach. Zum Beispiel gestern – 10 sehr holperige Stunden Motorsegeln gegenan (gut, dass Du nicht dabei warst, Heiner! Das wäre ein wenig genussvoller Einstieg in die AKKA-Segelei gewesen!), von Mogan nach Las Palmas, 2 Anlegemanöver am Welcome-Ponton (tjaja, der Seitenwind und ein ungeschickter Leinenwurf von der Schipperin!), Anlegemanöver an einem zu kurzen Liegeplatz, zurück zum Welcome-Ponton, neuer Liegeplatz, neue Leinenmanöver; hier: Muringleinen sortieren – die Nachbarn hatten sich alle drei bis vier geangelt und für uns waren keine mehr übrig. Genuapersenning aufziehen. Deck vom Hafendreck befreien, den wir mit den Muringleinen aufgeholt und weiträumig verspritzt hatten. Kochen. Wenn nicht die Dunkelheit längst eingebrochen wäre, hätte dem Eigner auch noch Stündchen Salzkruste-Abwaschen gefallen. Das war dann heute früh noch dran.
Das „richtige Leben“, das fehlte ein bisschen in Puerto de Mogan – nicht bei uns, schließlich hatten wir, abgesehen vom steten Bootsbasteln, bei Nichte Anna Renovierungshilfe zu leisten, Wasserschaden beseitigen, Decke spachteln, Silikonabdichtungen ziehen. Nicht zu vergessen, dass wir am Freitag nach 6 Monaten erstmalig nicht auf der AKKA gepennt haben – Annas Geburtstagsdinner wurde mit einer Übernachtung in Heiners Ferienwohnung beschlossen. Alles planmäßig geschäftig bei uns also, nur Puerto de Mogan, das war doch ein bisschen anders als früher. Bis 10 Uhr und abends ab 18 Uhr ging es so einigermaßen beschaulich zu, es ist eben immer noch hübsch und fühlt sich an „wie gewachsen“. Aber es gibt viel mehr Lokale als früher, der alte Ort ist nicht mehr da, „El Cafetin“ verschwunden wie überhaupt der Weg bergauf zwischen die alten Gemäuer nicht mehr auffindbar ist. Dafür ist freitags der ganze Ort ein einziger Flohmarkt, und auch sonst scheinen tagsüber Busladungen von Touristen aus anderen Anlagen hier abgekippt zu werden, die dann fleißig Bilder von der AKKA am Kai schossen und sich durch Geschäfte und Restaurants wälzten, die mittlerweile die ehedem unbebaute Badebucht füllen.
Dennoch – wir hatten einen mehr als versöhnlichen Abschluss zu verzeichnen: wenn auch die Rechnung unversöhnlich hoch war, haben wir doch unser Abendessen in der „Bodeguilla Juananà“ in Mogan sehr genossen. Mir war zunächst die Tafel mit dem Hinweis „Very Slow Food Area“ aufgefallen. 5 grob gezimmerte Tische mit hölzernen Sofas unter einem Flickendachhimmel, eine winzige, offene Küche für „Show-Cooking“. Der Chef kocht, serviert und berät selbst – was unweigerlich in „very slow food“, mit Betonung auf „very“, enden muss, aber wir waren ja gewarnt. Lanzarotiner Wein, hiesige Fische und Gemüse, nur das Rind war südamerikanisch. Die Tomatensuppe ein echtes Gedicht, die Prawns mit „Papas Arrugadas“ (sehr hübsch übersetzt mit „Schrumpelkartoffeln“) auf einem karamelisierten, schärflichen Honig-Ingwer-Geheimnis einfach unschlagbar. Für die gigantische und sehr verführerische Käseseite des zweiseitigen Menus (auf Packpapier geschrieben und auf ein Holzbrettchen getackert!) fanden wir in unseren Mägen leider keinen Platz mehr. Es war schön, mit Heiner und Barbara über ein paar Stunden sitzen und erzählen zu können, und die Rechnung haben wir einfach unter „ideeller Gewinn“ abgeschrieben. Und da es dem Chef nichts ausgemacht hatte, dass wir den Servierlöffel zum Auflöffeln der Saucen missbrauchten, konnten wir davon noch auf der Holperstrecke nach Las Palmas schwärmen.
Nun allerdings gibt es wieder Salat mit Brot und Knoblauchsauce im Cockpit. Man kann ja versuchen, finanziellen Aufwand wieder auszugleichen. Dies ist schließlich kein Urlaub hier, sondern das richtige Leben.