Afrika. Dakar. Ist es die Stadt, sind die Bedingungen auf dem Schiff oder bin nur ich es, die Afrika so viel anstrengender finden lässt als vor Jahren? Nairobi. Wie war das damals? Unser afrikanisches Büro, der Nachtwächter, der sich in der Nacht ein wärmendes Müllfeuerchen vor dem Tor machte, die Tee(bruch)buden am Graben zur Bahntrasse. Die Menschenmengen. Ich habe das doch alles schon gesehen. Aber damals wohnten wir im Hotel, waren an eine große Firma angegliedert und in einen Arbeitsprozess eingebunden, oder aber saßen auf unseren Ferienreise in einem Leihwagen und wohnten bei indischen oder europäischen Freunden in den Villenvororten. Hier ist das alles ein bisschen anders: AKKA schwimmt in Seewasser, das zum Baden nicht empfohlen wird – der Grund, warum wir am Sonnabend 7 Stunden vor der Küste gekreuzt sind, um Wasser zu machen. Hygienisch gesehen wäre das Produktwasser auch am Ankerplatz einwandfrei gewesen, aber das kostet Vorfilter und bald dann auch Reinigungsmittel für die Membrane. Es wird zwar auch in Ufernähe gefischt, aber wer einen Außenborder hat, fährt weiter hinaus.
Je näher der Passeur einen dem Land bringt, desto fragwürdiger wird die Qualität – obwohl ich gestern Mädchen sah, die sich zwischen toten Fischen und rottenden Algen die Haare wuschen. Urrgs. An Land erreicht man nach ein paar hundert Metern den Fischmarkt (die Quelle für die toten Fische, so schlecht ist das Wasser nun auch nicht ) – um 8 Uhr morgens jetzt ein riesiges, schwarzes Gewimmel am Strand – und spätestens da werden die Eindrücke atemberaubend, und nicht nur das; schließlich läuft die Kanalisation ungeklärt ins Meer. Caroline wird heute abend jedenfalls ein Curry zubereiten und keinen Fisch. No way. sagt sie€¦ Zu allem Übel sammelt sich Müll, überall, und erschreckend viel Plastikmüll, natürlich. Und dazu liegt überall die Sahara herum – in der Luft, auf der mühsam frisch gewaschenen Wäsche, auf den Straßen, auf der AKKA. Gewöhnungsbedürftig. Aber wir gewöhnen uns schon! Ganz wie Janna sagt: „€¦after 10 days it starts to feel o.k. €¦€ und so setzt sich gestern am Vormittag eine kleine Seglerkarawane in Gang, Caroline und Urs, Len und Janna, Barbara, Reinhard und die AKKAnauten, Richtung HLM-Viertel, zum Markt. Vorbei an der sehenswerten LKW-Getriebebaustelle – für uns ja ein gewohnter Anblick, aber es sammelt sich dann doch eine kleine Europäertraube um die schmutzige Plastikplane, auf die die beiden sehr jungen Fahrer/Reparateure ihr Corpus delicti ausgebreitet haben und mit Meißel und einem Ringschlüssel darauf herumhämmern. Unnötig zu sagen, dass der LKW auch am Abend, als wir auf der Rückfahrt daran vorbeifahren, noch dort stehen wird. Durch das nahegelegene Industrieviertel geht€™s, entlang einem weiteren Kanalisations- und Müllkanal, dann über eine Fußgängerbrücke über Bahntrasse und Einfallstraße
Unter der Brücke sitzen vielleicht 50 Kinder, eine improvisierte (?!) Schule. Da mag nicht mal mehr mein Eigner „aus der Hüfte€ fotografieren. Recht so. Dies ist mehr als ärmlich, dies ist ein Slum. Das HLM-Viertel empfängt uns aufgeräumt und ziemlich neu. Man grüßt freundlich hin und her, ab und zu bietet jemand von seinem Stand aus Obst oder Gemüse an. Ein lebendiges, afrikanisches Wohnviertel, mit Friseur und Elektroladen, mit „Supermarkt€ und Kindergarten – und jeder Menge „Telecentre€ mit seinen (Mobil)telefonkarten, Cyber-Caf�s. Niemand hängt wie in der Innenstadt klettenartig an uns, keine selbst ernannter Guide, der abgewehrt werden muss, im Gegenteil, es dauert ein Weilchen, ehe ich vor dem Korb mit dem „Bissap€, den getrockneten Hibiskusblüten, die ich berieche und betaste, überhaupt angesprochen werde und Auskunft bekomme, eine sehr freundliche übrigens. An einem zweistöckigen Gebäude lüftet sich das Geheimnis, woher die Frauen hier ihre wunderschönen Kleider haben: in unzähligen 3 qm-Abteilungen rattern die Nähmaschinen und fertigen Maßkleider oder solche „von der Stange€.
Samt Kopfschmuck, natürlich. Draußen werden Batiken getrocknet, Schals gewebt
– oder im Schatten eines Baumes ein Päuschen gemacht; an anderer Stelle ziehen Frauen feine Batistbänder in Lochstickereistoffe ein. Fasergewinnung gibt es auch: junge Burschen sitzen sich gegenüber und schlagen auf einem dicken Stamm die Faserarmierung aus alten Plastikplanen. So jedenfalls interpretiert Len den Vorgang – eigentlich ein Grund, noch einmal dorthin zu laufen und nachzufragen. Über den Markt wälzen sich die Massen und kaufen Stoffe, Haushaltwaren. Färbemittel gefällig? Weihrauch?? Zwischen den Ständen drängen sich Taxis und Lieferwagen hindurch. Verschnaufpause. Wir landen in einer Europa-Oase. An der Tankstelle gibt es ein klimatisiertes Fast Food, mit Pizza (lecker, gut, günstig!), gekühltem Wasser und Säften. Kleine Flucht ins Gewohnte – mit ausreichend Muße, das Ungewohnte zu bedenken und zu beschnacken. Die „Wanderer€ treten den Rückzug an, der Rest marschiert weiter Richtung Innenstadt. Wer hat schon großstädtische Ziegenböcke angepflockt unter einem Sonnenbaldachin gesehen? Die zugehörigen Ziegen-Damen dürfen derweil durch die Straßen flanieren, wenn sie nicht einen kleinen Stall haben.
Geißenpeter Urs ist begeistert!
Boucherie – viel Fliegen gab€™s aber noch mehr Fleisch€¦ Vergnügte Frauen versuchen uns in ihr Restaurant zu locken. Das wäre der richtige Lunch-Ort gewesen. Neben dem mit einem verheißungsvollen „PEUGEOT€ beschrifteten Schrottverwertungsladen – Urs sucht Ersatzteile für seinen alten Volvo=Peugeotmotor! – dann der Weggucker des Tages: Caroline, ein paar Schritte hinter mir, sieht nur noch das Blut, ich sehe es noch spritzen. Ein Unfall?! Eine Schächtung? Und dann sind wir in der Europa-Oase Nummer zwei. Der Sahm-CASINO-Supermarkt. Petite Fleur kauft Amora Senf und auf AKKA kann wieder Roggenbrot gebacken werden! Zu Europapreisen mit Afrikaaufschlag. Dennoch gibt es zum Abend frisches Baguette mit Camembert und einen bedenkenlos genießbaren eingeflogenen Salat. Wer weiß wann wieder? Nochmals eine kleine Flucht. Manchmal ist Afrika einfach zu anders, aber darum sind wir ja hier.