Nein, kein Tippfehler…
„Bolon“ nennen sich hier die Seitenarme der Flüsse in den Mangroven. Und da man in Half Die die Schiffe nicht „without constant anxiety“, wie der Segelführer sagt, allein hätte liegen lassen können, und wir doch noch ein paar Besorgungen in Banjul machen wollen, haben wir uns nach Oyster Creek verlegt. Wir liegen in einem mangrovenumgebenen Ententeich und drehen mit einigen großen Pirogen Pirouetten im Tidenstrom. Ein britischer Langfahrt-Katamaran ist noch da und drei, vier ortsansässige Yachten.
In der Ferne rauscht ein bisschen Verkehr über die Denton Bridge nach Banjul hinein und unter der Brücke, hinter der Sandbank, die Atlantikbrandung. Sehr friedlich.
Die Nacht nach dem Einklarieren vor Half Die verbrachte die halbe Crew selig schlummernd unter dem Mosktionetz und die andere Hälfte… Naja, die funkte ein bisschen rum, schrieb Blogbeiträge, verrammelte den Niedergang mit dem Luftschott und die Decksluken von innen… Glücklicherweise gab es auch auf der PETITE FLEUR eine Phase der Aufrüstung, ich war also nicht allein. Dennoch – eigentlich habe ich bis 5 Uhr morgens auf „Besuch“ gewartet, hieß es doch, dass „…boats have been robbed while the owners were asleep on board…“ Den Eigner kümmerte das gar nicht, während ich Pfefferspray, Presslufthupe und Funkgerät bereithielt. Half Die, Half sleep…
Am Morgen ein etwas verkatert klingender Urs an der Funke, die Heiserkeit wohl weniger einem Alkoholgenuss geschuldet als dem schlechten Schlaf und der senegalesischen Yachtiepest, die mittlerweile dort angekommen ist. Im Gegensatz zur PRESENT (Janna), WANDERER (Reinhard), AKKA (ich) und PANTHERA (Holger) leisten sich aber die Blümchen alle beide eine kleine Infektion. Dennoch: eine weitere Nacht wollten wir hier nicht bleiben, und es geht los, zum Turnbull Bolon, der nicht einmal in den elektronischen Seekarten verzeichnet ist. Taktisch machen wir aus, dass die AKKA mit dem größeren Tiefgang hinter der kleinen PETITE FLEUR herfährt, und diese uns kritische Wasserstände herüberfunkt. Wir fummeln uns bis zur Einfahrt des Chitabong-Bolons vor – schon mal nicht so einfach, die Lücke auszumachen. Ich schaue angestrengt auf die Horizontlinie des Mangrovengürtels, bis ich in der Wasserlinie die Einkerbung entdecke. In der Einfahrt soll es dann „tricky“ sein, weil die Sände sich verschieben. Vor uns schlägt die Petite Fleur merkwürdige Haken – wir haben Springzeit und sind mit auflaufendem Wasser und 3 Stunden zum Hochwasser losgefahren, das sollte doch eigentlich passen. Passt auch – kurz nachdem wir ein „… nur noch 1,80 m…“ hören, saugt sich die AKKA schon im Mud fest. Während wir noch überlegen, drücken uns Strom und Wind wieder raus, und ein freundlicher Engländer, der mit einem Speedbötchen aus dem Bolon kommt, bedeutet uns, dass wir noch dichter an der Mangrovenkante entlang fahren sollen.
Kurzer Bedenkzeitkringel, Ruder mitschiffs, ein bisschen Gas und … durch. Vieleicht waren 3 Stunden zum Hochwasser doch noch ein bisschen früh, denn knapp war es, auch im zweiten Anlauf. Danach tasten wir uns nach Anleitung von Herrn Jones aus dem Jahre 1996 und mit Funkansage von Caroline durch die Mangroven. Touristenboote kommen uns aus Oyster Creek entgegen, einer winkt ab, dass wir da nicht durch können, aber wir sind sicher: steigendes Wasser – es muss; so tief gehen wir ja nun doch nicht!
Ein Auge auf dem Tiefenmesser festgenagelt, das andere starrt auf die Wasseroberfläche: nach einer Weile gewöhnt man sich ans Schielen, wir schlängeln uns voran. Nicht gerade Rekordzeit, als wir nach 1 Stunde und 45 Minuten in Oyster Creek den Anker fallen lassen – Herr Jones braust hier in einer dreiviertel Stunde durch, aber Spaß gemacht hat es schon.
Jetzt ist erst einmal aufräumen, AKKA säubern (unglaublich! Sahara allenthalben!), Brotbacken angesagt. Und Auskurieren auf Petite Fleur, natürlich. Und so ganz lange werden wir nicht allein bleiben – PRESENT und WANDERER machen sich morgen auf den Weg. Tipps für die Bolonfahrt sind schon gemailt… Und dann warten erst richtig viele Bolons auf uns, flussauf Richtung Mother Africa.