Zustandsbericht

09?54,8 N 021?36.4 W, auf dem Weg nach Brasilien – 30.4.2008

Zustände sind das hier…
Mitternacht, Bordzeit, nach UTC ist es 01:00. Draußen ist es stockduster, ich sitze leicht geschürzt im Cockpit und beobachte, wie Herr Windpilot mit dem bisschen Wind umgeht, das uns vorantreibt. Wenn man bei 2 Knoten Fahrt von „treiben“ sprechen kann. Und er macht es einwandfrei, sehr gut, kleiner Apparat! Das Schiff rollt ein bisschen vor sich hin, die Genua ist ausgebaumt und wir hoffen, dass wir das Konstrukt nicht während der Nacht wegnehmen m?ssen, weil etwa der Wind gedreht hat – der Spibaum ist nämlich zwischen den Wanten durchgesteckt, das ist immer ein schönes Vorschiffskunststück – je Welle, umso lustig.
So weit zum aktuellen Bootszustand, an dem wir eigentlich überhaupt nichts meckern können. Das Wetter ist so, wie es ist, und leichtwindig läuft es auf eine lange Reise hinaus, die wir übrigens, nicht beabsichtigt, aber doch willkommen, wieder im Päckchen unternehmen, dieses Mal mit der PRESENT. Muss nicht, kann aber, wie Rüdiger Hoffmann sagen würde, aber uns macht es Spaß, miteinander zu funken, Taktiken abzusprechen und den Küchenzettel abzugleichen, und es gibt dazu ein Gefühl der Rückversicherung, sehr angenehm. Bis zum Waypoint bei 6° N und 26° W, von dem aus wir über den Äquator hoppeln wollen, sind es noch ein paar hundert Meilen bzw. mindestens 3 oder 4 Tage, und beim gerade herrschenden Wind darf es noch für fünf Pfennig mehr Zeit sein, die wir uns aufpacken werden. Allerdings hörten wir von Petite Fleur, die ja zwei Tage voraus sind und mit der wir morgens und abends auf der Kurzwelle funken, dass sie heute abend wieder Wind gefunden haben, das berechtigt zu den schönsten Hoffnungen.
Wir sind sehr gespannt auf den Äquator, nicht nur ob es nun hoppelt oder nicht, sondern vor allem, wie sich die Konvergenzzone gestaltet. Mit oder ohne Blitz, mit oder ohne Wind – nur eines wird es bestimmt geben: Regen, und das freut uns, wird er doch die Reste der Sahelzone von der AKKA abspülen. Wir horchen fleißig Intermar nach Wetterinfos aus, nachmittags um 16:30 UTC, das ist 18:30 MESZ! Kann man im Internet mithören – wir sind so ab 16:50 dran… Eben habe ich ein Wetterfax von New Orleans aufgenommen, das die Kalmen anzeigt und Gewitterzellen, aus der Kurzwelle quellen die Wettervorhersagen und -analysen. Meteorologischer Zustand: unter Kontrolle, sofern das überhaupt möglich ist.
Der persönliche Zustand ist auch meckerfrei, obwohl man ja auch mal Szenen einer Bordehe beschreiben könnte… Zum Beipiel die letzten 24 Stunden: Der Eigner kickt während meiner Wache nachts um 1 Uhr ein Forschungsprogramm „Segeltrimm“ los. Als er von mir energisch in die Koje verwiesen wird – je länger er in seiner Freiwache (hyper)aktiv ist, umso mehr fühle ich mich ebenfalls zu schlafraubenden Überstunden verpflichtet – mault er, dass er dann eben zum Wachwechsel um 2 weiterspielen müsse. Gut gespielt – heute früh lagen wir feine 5 Meilen hinter der PRESENT zurück. Dann die Schipperin, die ein bissschen verpennt das Frühstück bereitet – Kaffee, Eier, Toast – bis sie den Eigner im Cockpit ein fröhliches „Schwarzbrot ist das schönste Brot!“ anstimmen hört. Wie kann es sein, dass man neben dem Campingtoaster steht und nicht merkt, dass man das schöne, selbst gebackene Brot abfackelt?! Wir schwanken also zwischen Spaß und Müdigkeit und suchen die Balance zwischen Reibung und Harmonie.
Und wenn es denn mal nicht so harmonisch läuft, kommt ein Tagesabschluss wie der heutige: Der Chef hat gerade den Kopf abgelegt um ein verspätetes Mittagsschläfchen zu halten, ich sitze auf der Ducht und lese und halte Wache, da rattert die Angel. Unser erster Fisch überhaupt kündigt sich an! Andreas fährt etwas verwirrt aus dem Nickerchen auf, und dann folgen 25 Minuten harter Arbeit. Vor allem für den Bonito, der da angebissen hat: Abtauchen, springen und irgendwann gibt er auf. Jetzt liegt er filettiert im Kühlkasten (und wird auch teilweise schon verdaut! Lecker!) – 4 kg frischester Fisch, das reicht erst einmal. Dennoch: so ganz haben wir beide noch nicht verstanden, wo der Sport-Spaß an der Angelei sein soll. Irgendwie tat er uns leid, der schöne Fisch.
Das war zum Abschluss der Seelenzustandsbericht. Man könnte auch sagen: es geht uns gut!

Pelikane zum Abschied

12?21,22 N, 18?08,86 W, 27.4.2008

Gestern mittag: AKKA gleitet an Half Die vorbei, Fähranleger, Hafenbüro, Marktgegend – irgendwie war es uns ja doch ein bisschen lieb geworden. Das ist das Elend an dieser Vagabundiererei: Man bleibt eine Weile, möchte dann weiter, und so muss man halt „tschüss“ sagen. Tschüss rufen wir auch den Rosa Pelikanen zu, die uns zum Abschied noch ein Stückchen begleiten. Und dann sind wir schon bald draußen, raus aus dem Gambia River, der uns ausnehmend gut gefallen hat, hinein in die Weiten des Atlantik.
Petite Fleur ist schon zwei Tagesreisen voraus, wir hören per Kurzwelle zweimal am Tag voneinander.
Am Abend zuvor hatten wir noch einmal Tom und sein Harbour Café besucht und ein finales Hähnchengrillen veranstaltet. Die Salatplatte wurde leergeputzt, die „peel it,cook it or forget it“-Regel, alles „forgotten“. Beim Essen lassen wir zusammen mit Len und Janna den Afrikabesuch nochmals vorbeiziehen: all der Müll, der Staub, der Gestank. Die umwerfende Natur. Die stets proper gekleideten Westafrikanerinnen. Die Kinder in den Dörfern upriver. All die selbst ernannten und meist unerwünschten guides.
Der Mann, der gerade geheiratet hat, und während man seiner vermeintlichen Braut gratuliert, schnell beim Krämer ein Hochzeitsgeschenk einkauft. Man muss nur noch bezahlen… Andreas hatte die Variante: „Meine Frau hat heute ein Kind gekriegt und ich brauche Medizin gegen die Blutungen…“
Vor allem fallen uns aber die netten Afrikaner ein, die ganz bescheidenen, die keinen Mucks sagen, obwohl sie so viel brauchten… Tom, einer von letzteren, setzt sich zu uns, wir fragen ihn aus, wo er das Kochen gelernt hat. Alles von Mama abgeguckt sagt er, und beschreibt uns bildhaft und wortreich und mit viel Spaß, wie man die lecker-scharfe Knoblauchsauce und das süße Zwiebelgemüse zubereitet. Wir lachen noch einmal zusammen und hören ein bisschen Reggae, während die Hähnchen auf der Holzkohle auf der Staubstraße brutzeln, die Straßenköter ringsum halb im Schlaf, halb auf „Habacht“. Das Harbour Café – ich hoffe, ich kann irgendwann noch ein Bild einstellen – und seine Barbecues sind jeden Dalasi wert. Fazit: Ohne Tom, ohne Ceesay wäre der Oyster Creek nur die Hälfte wert.

Um 11 am Sonnabend aber war dann Schluss mit Oyster Creek und Gambia – ausklariert hatten wir schon am Freitagnachmittag, frech, frech… Und nun warten auf uns 3 Wochen Atlantik, vielleicht mehr, hoffentlich weniger. Zum Schluss wird es Dosenfraß geben und zwischendrin „Völlereitage“, an denen alles verspeist wird, was gleichzeitig reif wird… Und dann Brasilien -ob ein Pellikan-Empfangskommittee bereitsteht? Wir werden sehen.

Kluisbergen und Funk und Internet und so…

In Kluisbergen / Belgien, da sitzt André, und das ist der, über den wir hier überwiegend unseren Kontakt zur „alten Welt“ aufrecht erhalten. Natürlich auch noch Philippe in Lausanne, Neil in Halifax, und diverse andere, aber diese drei sind meine zuverlässigsten Stationen, über die wir uns bei Winlink einloggen, und es muss einfach mal gesagt werden: Die Winlink-PMBOs leisten einen wirklich dankenswerten Service leisten – freiwilig, unentgeltlich (aber nicht kostenfrei). Es sind einfach Verrückte  die in ein teures Hobby investieren und wir profitieren davon! Vielen Dank dafür, auch wenn sie das jetzt vielleicht nicht lesen. Besonders mit André macht das Funken bzw. Pactorn zur Zeit wirklich Spaß – nicht nur, dass wir hier genau richtig liegen, schön in Nord-Süd-Richtung im Tidenstrom, nein, meist richtet er seine Antenne dann auch noch direkt auf uns (was für mich sicher ein Abfallprodukt vom fleißigen Len ist, und das wird er auch auf der Passage tun, hat er versprochen, und uns möglicherweise auch noch Satellitenbilder von den Kalmen zustellen. Ein sehr gutes Gefühl!
Was die Mails betrifft, ist es so, dass wohl tatsächlich diverse verschwunden sind in letzter Zeit – die Winlink-Organisation stöbert. Vielleicht ist das alles ein unangenehmes Nebenprodukt eine Softwareumstellung in jüngster Zeit. Vielen Dank für die Bestätigungsmails.

Übrigens, die gestrige Website-Updateaktion war zumindest teilweise erfolgreich. Zumindest die Gambia-Bilder sind online, die Serie „In Afrika“ leider nicht, dabei hatte sie länger für das Upload gebraucht. Aber „wir“ haben ja Geduld ;).

Gleich ist Abschiedskaffe auf der Petite Fleur, die mit Wanderer2 morgen aufbrechen (erst mal nach Banjul, auschecken…). Wir rödeln noch ein bisschen, bis es so weit ist – heute war Mastfahrt angesagt, auch für mich, zum Salingsenden beledern, das stand schon lange an. Ich ziehe den Hut vor dem Eigner, dass er es in diesem Klettergurt stundenlag dort oben aushält – ein wirklich einschneidendes Erlebnis. Besonders im Bereich der Sitzgurte.

Aaaaah! ich muss die Luken schließen – der Eigner ist im Putzwahn und leert Pützen auf’s Deck. Bis dann…

Eine Bitte und sonst nix Neues…

Oyster Creek, 21.4.2008

Mittagszeit, Blogschreibzeit. Ich bin gerade mit 3 Broten fertig, einem kleinen Atlantikvorrat an Marmorkuchen im Glas sowie den ersten Gläsern eingekochten Mangokompottes. Damit wir unterwegs nicht darben müssen. Mango-Chutney und noch mehr Kofta und geschmortes Hackfleisch folgen, der Eigner fährt währenddessen mit Len draußen zwischen Tankstelle und PRESENT hin und her, den großen Reinke-Tank mit dem schönen, westafrikanischen Diesel füllen, der in der Farbe ein bisschen an Malzbier gemahnt…
Danach sind wir dran. Allenthalben eifriges Gewusel, zumindest auf „unseren“ drei Schiffen, die via Kapverden nach Brasilien wollen – allzu lange dauert es nicht mehr, bis die Boote aufbrechen. Petite Fleur sicher zuerst.
Es war nett, wieder nach Oyster Creek zu kommen – big hugs von Ceesay und Tom und Fatima (der ich dann auch gleich mit meiner Wäsche eine „riesige“ Freude machen konnte , sie hat angesichts der Tasche gleich den Preis erhöht, das geschäftstüchtige Wesen…). Heute abend gibt es so eine Art Flotillenabschied, eine Neuauflage des „BBQ mit Frau Pape“, ohne letztere (einem Gast auf der Wanderer2 und Transporteur zumindest von Teilmengen nach Berlin gelieferter Ersatzteile. Die Restbestände cruisen mittlerweile durch Europa). Dafür fungieren heute als Mitesser Toni von der Longyang, einem Pantalan-Kollegen aus Las Palmas und Antonio, der uns als einziger Einrumpfer „upriver“ begegnete, beides Spanier. Es wird, dafür steht der Halb-Rasta und „Harbour Café“-Betreiber Tom, lecker. Versprochen wurden für heute Hähnchen und Fisch. Die Beilagen waren sowieso umwerfend, Yassa und Knoblauchsauce und die Salate. Das Licht werden wir selbst mitbringen, das haben wir bei der Premiere gelernt… Das Harbour Café das sind nämlich zwei 20 Fuß-Container mit Palmblattdach-Verbindung und ein paar Tischen darunter. Kein Strom. Nirgendwo hier, nur der Tidenstrom…

Heute oder morgen dann ein neuer Versuch, die Internetseite upzudaten – was mich zu einer Bitte bringt: Wer auch immer in den letzten Wochen im Gambia eine Mail über Winlink von mir erhalten hat, den/die bitte ich, eine kurze Bestätigung zu schicken. Wir müssen vermuten, dass Mails irgendwo verschwinden – wobei ich weniger die Winklink-Server im Verdacht habe als die immer „findiger“ werdenden Spam-Filter auf der Empfängerseite. Auf meiner Liste der missing Mails sind: Schwester Mücke, Benni, Nina, Toni+Anni, Ina Metzmann, Wolfgang, Brigitte Z., Paulsen/Arnis, Bahni Bahnsen, sowie die VIGO, SOCORRO, ANEMOS, AREAREA(NL), SALMON und GEMINI. Es wäre nett, ganz kurz was zu hören. Vielen Dank! Und falls jemand auf Mail gewartet, aber nichts erhalten hat – nehmt zunächst mal diese Nachricht für die gute Tat…

Jetzt wird getankt, und da ich der Füllstandsaufpasser bin: Bis bald mal wieder!

Internetfrust

Tja, wenn man ein paar Monate auf Canton im Phoenix-Archipel/Kiribati weilt, dann ist man vielleicht daran gewöhnt. Obwohl die Gitanas (unbedingt angucken: www.seezigeuner.de) auch schon verlauten ließen, dass ein bisschen Internet doch mal wieder ganz schön wäre.
Wir waren ja nach nur 4 Wochen schon wieder im Bereich dieser Möglichkeiten. Und da neuen Bildgeschichten „In Afrika“ und „The Gambia“ endlich fertig sind, fehlt nur noch das Upload auf den Server.
Also wurde heute eine Expedition zum Kairaba-Center zusammengestellt – es gelingt uns ja mittlerweile trefflich, uns zwischen die anderen Fahrgäste zu zwängen und die 5 Dalasi für die Sammeltaxis abzudrücken! Man hält uns quasi schon für assimilierte Gambier… -, Also, Caroline und ich machen uns auf nach Kairaba, wo sich ein mit „faster broadband“ werbendes Internetcafé befindet. Ich hatte schon bei den ersten Besuchen dort das Gefühl, dass „faster“ ein relativer Begriff ist. Und so sitzt frau
dann 2 geschlagene Stunden auf dem Steinfußboden („…the wire is too short!“) und wartet geduldig, dass das Upload auf 10% steigt, auf 14, auf 22… Bei 33%, das war kurz vor Ablauf der 2 Stunden, einige ich mich mit Caroline darauf, den Versuch abzbrechen.
Tut uns leid, liebe Leser, es gibt zwar eine neue Homepage mit der Ankündigung für die neuen Bilder, aber da ist leider nix dahinter; dabei sind ein paar von den Bildern wirklich sehenswert: große Eigner mit kleinen Mandinkas auf dem Arm, AKKAs an lauschigem Ankerplatz, Lokalkolorit upriver und anderswo. Mal gucken, ob das Internet-Café in Bakau tatsächlich schneller ist, wie uns Barbara von der Wanderer versprach. Ansonsten hilft nur Geduld. Auf den Kapverden ist BESTIMMT alles anders ;). Oder in Brasilien…

Ceesay Karamba

Lamin, 15.4. 2008

Ceesay, der zweite. Professional Birdwatcher, so sagt es der handgeschriebene „Visitenzettel“, den er mir zum Schluss zusteckt. Mit Ceesay hatten wir einen schönen Vormittag, die Schweizer, die Holländer und ich. Der Eigner bleibt derweilen an Bord und sucht selbstlos nach der Quelle für Luftblasen im Kraftstoffsystem.
Wir hatten verabredet „early“ aufzubrechen, zum Naturreservat Abuko, hier gleich um die Ecke. Früh war es dann nicht unbedingt, jedenfalls nicht nach Vogelbeobachterregeln, es war um die 8 Uhr, als wir in die Dinghies stiegen. 4 km sandiger Fußmarsch nach Lamin und von da noch ein paar hundert Meter Asphalt Richtung Banjul.
Während die einen den Eintritt entrichten (Urs: „… der einzige, der NICHT rechnen kann, steht an der Kasse!“. Stimmt!) werden wir schon an einen guide vermittelt; den selbsternannten „birdwatcher“ in Janjanbureh noch im Hinterkopf, willigen wir ein bisschen zähneknirschend ein. Ich stoppe das Zähneknirschen aber sofort, sehe ich doch einen VOLLSTÄNDIGEN (!) Fieldguide „Birds of The Gambia“ in den Händen des (sehr) jungen Mannes, der sich da mit „Ceesay Karamba“ vorstellt. Am Tickethäuschen ist dann auch bald die Rechenaufgabe gelöst, 5 x 35! Ich hatte das ziemlich pragmatisch auf 4 x 35 reduziert, indem ich mal schnell für mich selbst bezahlt hatte, und die anderen machten daraus 2 x 70 Dalasi. Schlimm genug  €¦ Ein Fall, den wir unter „t.i.A.€“ buchen – „that is Africa“, Zitat aus dem Film Blood Diamond, unser neuer running gag. Dann stiefeln wir durch’s Gehölz. Zunächst mal noch begleitet vom spärlichen Verkehrsrauschen der Ausfallstraße zum Flughafen, aber die Red Colobus-Affen und Green Vervets in den Bäumen stört das kaum. Uns auch nicht – wir sind in einem naturbelassenen Stückchen Urwald, auch jetzt, zum Ende der Trockenzeit noch grün, grün, grün, und lassen uns vom geduldigen Ceesay Vogelnamen nennen und Pflanzen erklären. An der zentralen Wasserstelle – der Straßenlärm ist schon nicht mehr wahrzunehmen und wird durch Vogelgeschrei ersetzt – machen wir uns ein bisschen selbst zum Affen, indem wir uns nicht sattsehen können am Fangverhalten des Black Egret:

abuko-black-egret.jpg
Kopf einziehen, Flügel schirmartig über den Körper und – zack! – aus dem selbst gebastelten Schatten heraus ein Frühstück erbeutet. Es sieht albern aus, aber wahrscheinlich ist es noch alberner, dass wir uns so amüsieren. Rings ums Wasserloch ist einiges los – Krokodile, die bekannten schwarz-weiße und besonders die malachitfarbenen Kingfisher, bildhaft schön, die allgegenwärtigen Hornbills in verschiedener Ausfertigung, diverse Reiher und Turacos und Rallenarten und, und, und€¦
Ich beschließe, an einem der nächsten Nachmittage noch einmal zurückzukommen, um auch den Säugern an der Wasserstelle zusehen zu können. Ein kleines, sehenswertes Paradies inmitten einer doch urbanisierten Umgebung, entdeckt und initiiert von der Familie Brewer, die hier in den 60er Jahren ihr Schimpansenprojekt begonnen haben. „VERY hardworking people“ hatte der Ranger auf Baboon Island über Eddie Brewer und seine Tochter Stella Marsden hochachtungsvoll gesagt, und dass es sehr traurig sei, dass beide mittlerweile gestorben seien, Stella erst vor ein paar Wochen.
Ceesay, das stellt sich auf dem Gang über die verschlungenen, schattigen Waldwege heraus, ist zum Besuch der Secondary School von Kuntaur nach Serekunda gezogen, ohne Familie, musste aber seine Schulzeit wegen Geldmangels unterbrechen und versucht nun, Geld für den Fortgang aufzutreiben. Da ist es wieder, das zwiespältige Gefühl zwischen Hilfsbereitschaft und Hilflosigkeit, das man als Tourist in dieser Gegend so oft hat, nur dass diesmal nicht jemand „… any school material?“ oder „…do you have a pen – I go to school!“ ruft, sondern nur beiläufig ein „I have no sponsor…“ anmerkt. Ceesay ist voller Bewunderung für „sein“ Reservat und führt uns begeistert weiter durchs Grün. Große Würgfeigen umschlingen Baumstämme, durch das Blätterdach über uns fällt spärliches Licht, Hörnchen flitzen durch das Geäst. Ceesay stoppt, geht zwei Schritte zurück und sagt: „An osprey!“ und deutet auf irgendeine Astgabel. Es dauert ein Weilchen, ehe wir die Silhouette des Fischadlers im Gegenlicht erkennen.
Einen Lizard Buzzard können wir beim Fang einer Echse beobachten, nachdem wir ihn eine Weile statuesk in einem hohlen Palmstamm haben hocken sehe. Aus Unterständen heraus kann man auf Affen plieren, über allem schweben Geier und Weihen in der Thermik. Zum Schluss schräg über uns eine Reihe dünner, pelziger Lianen: auf einem dicken Ast laust sich eine Red Colobusfamilie und lässt die schnurgeraden Schwänze in die einsetzende Mittagshitze baumeln.

abuko-colobus2.JPG

Das können wir gut nachvollziehen – wir würden jetzt gern in der Hängematte baumeln oder die Beine ins Wasser hängen. Die Aussicht auf ein kühles Getränk lässt uns aufbrechen, der Rückweg zu den Schiffen ist schließlich heiß und staubig und ausreichend weit. Ceesay haben wir fürstlich entlohnt, er strahlt jedenfalls am Schluss. Ich auch – der Spaziergang hat mir sehr gefallen. T.i.A. That is Africa. Auch.

Mimpi manis

…. sagte Caroline gestern abend, indonesisch für „süße Träume“. Wir wünschen uns immer sehr zivilisiert eine gute Nacht, meist über Funk, und ich habe mich schon gut an diese Rituale gewöhnt, so richtig mit „over and out“, aber manchmal habe ich den etwas ungebührlichen Impuls, mir einen Jux daraus zu machen, und es rutscht mir ein „Gute Nacht, Mary-Ellen“…“ – „Gute Nacht, John-Boy“ heraus. Gemein, die AKKA ist eine wirklich unwirtliche kleine Insel ;).
„Mimpi manis“, das war, als wir nach dem Abendessen die Lamin Lodge verließen – Caroline und Urs hatten die ganze kleine Flotille zur Feier der Rückkunft an der Gambiamündung eingeladen, wir hatten Schlammaustern in Zitrone, scharfe afrikanische Gemüsesuppe und Fisch und Hähnchen und Filetsteaks auftischen lassen, sehr lecker und sehr bequem. Endlich musste man mal nicht schweren Gedanken nachhängen, wie man aus den Trockenvorräten und Konserven etwas Appetitliches zubereiten könnte. Zumindest kulinarisch hat unsere Langfahrt jetzt richtig begonnen: wir haben Kartoffelbrei aus der Tüte gegessen und Gerichte mit Corned Beef zubereitet, letzteres sogar als Wurstersatz eingesetzt. Mit sauren Gurken. Wenn das kein Zeichen ist, dass wir wirklich unterwegs sind.

In der Lamin Lodge sind wir jetzt nicht mehr ganz so weit vom Schuss – sprich: von der Pipeline Avenue mit den beiden Supermärkten und dem Serakunda-Markt – weg, aber doch weit genug, dass es ringsum noch sehr still ist, auch wenn man ganz in der Ferne schon Zivilationsgeräusche wummern hört, wenn man nur genau genug lauscht. Das gab es nun wochenlang nicht. Die Lodge selbst ist sehenswert schlicht und grob aus Holz gezimmert, mit nach allen Seiten offenen Luken, durch die der Wind streicht (kühl für unser upriver-Gefühl!). Mangroven, wohin das Auge blickt. Und dennoch: nach 3 Wochen fast ohne andere Yachtbegegnungen – bis auf 2 Katamarane und einen Einrumpfer!- empfinden wir es hier mit 10, meist unbelebten Booten als voll. Wir werden heute mal testen, was Lamin zu bieten hat, ich würde nämlich gern einen hübschen Vorrat Mangos einmachen und frisches Obst und Gemüse wären sehr gut. Die jeweils 25 Mangos, die wir auf Kiia Island einem (illegalen?!) Malinesen in seinem Mangogärtchen abgekauft haben, wurden zwar auf den anderen Schiffen zu schönen Sachen verabreitet, nämlich Konfitüre (Caroline, extrem lecker, mit Bissap-Saft!) und Mango-Chutney (Janna, muss auch lecker gewesen sein, denn sie haben den Vorrat gleich vernichtet), die AKKAnauten haben sich eine Woche an den rohen Früchten gütlich getan oder Mango-Zwiebelsalat serviert. Noch drei Früchte, da lohnt sich eine Einkochorgie nicht mehr. Inzwischen ist die Liste der Wunschartikel vom Supermarkt lang geworden – Fleisch zum
Einkochen, Obstkonserven (!!), mehr Kichererbsen und Tahin für selbst gemachtes Hummus, Vollkornmehl und Weizenkörner für’s Brot, und Butter, damit die Shortbreadvorräte immer aufgestockt werden können; außerdem die Testergebnisse korrigieren – das Müsli vom Araber war nämlich im Gegensatz zu dem vom Inder muffig, dfür gibt es dort gutes Rindfleisch und Kaffee, der den Langfahrttest bestanden hat – liebe Leser, Ihr wisst gar nicht, wie gut Ihr es in Euren SPAR-EDEKA-REAL-Paradiesen habt. Ich träume vom PLUS-Markt, vom „KAISERS“ oder LIDL in Harburg, wer hätte das gedacht. Das sind meine süßen Träume, und dazu kommen noch ein paar unerfüllbare. Ein Buchladen, ein Zeitungskiosk. MARE-Hefte, eine aktuelle ZEIT oder ein frischer SPIEGEL. VIELLEICHT ja in Salvador… Weiter träumen…

Downriver

Nach „upriver“ kommt unweigerlich „downriver“, und das sogar jetzt relativ schnell. Zwar haben wir uns unsere 1-monatige Aufenthaltsgenehmigung für Gambia in Janjanbureh – auf der bemerkenswert afrikanischen Polizeistation ;)- noch bis zum 30. Juni, also hart an den Rand der Regenzeit verlängern lassen, aber mittlerweile stöhnen wir doch alle rechtschaffen unter der Hitze. Zwischen 7 und 10 ist es erträglich, danach erfasst uns die große Mattigkeit, nachts schalfen wir draußen im Cockpit unter dem
Moskitonetz und hoffen, dass sich ein thermischer Wind auf den Weg macht, uns zu kühlen. Wir sind also angekommen in Afrika und ahnen langsam, was die Leistungsfähigkeit der Leute hier bestimmt. Nicht einmal die steten „hello“- oder „Toubab, Toubab!“-Rufer vom Ufer in Janjanbureh bringen ab der Mittagszeit noch die Energie für ihr Konzert auf. Erst am Abend ruft und pfeift es dann wieder durchdringend. Es nervt. Womit wir uns wieder dem Thema nähern: Downriver. Im übertragenen Sinne könnte man auch sagen „den Bach runter“, so ist Janjanbureh zu charakterisieren. Und vor allem die jugendliche Einwohnerschaft tut ein Übriges: eindringliche, aufdringliche bis rüde Forderungen nach Schulmaterial und Fussbällen begleiten einen auf dem Weg durch ein Örtchen, das einmal Verwaltungszentrum der britischen Kolonie war. Die Gebäude erinnern an diese wie auch an Sklavenhalterzeiten. Aber gerade der Kontrast zwischen der Größe der ursprünglichen Anlage und dem Erhaltungszustand lässt uns „run down“ empfinden.
Auch vom Forstprojekt der GTZ ist nichts mehr übrig außer dem aufgelassenen Verwaltungs- und Schulungszentrum – die beiden Eco-Trails und Forst-Parks in Dobo und Kunkilling, die das Projekt für den Tourismus schaffen wollte, sind zwar erstellt, aber in Windeseile schon nach einem Drittel der geplanten Zeit den umgebenden Dörfern übergeben worden, die nun ihre liebe Müh‘ damit haben. Leider sind wir zum Anschauen dieser Trails doch zu weit in die Trockenzeit geraten, sagt die einzig verbliebene deutsche Mitarbeiterin, die sich nun für weniger als einen Sack Reis im Monat beim Gambischen Staat verdingt hat und versucht, die Reste des Projektes zu erhalten, denn das große Gelände bietet nicht nur Schlulungsräume, sondern auch Unterkunft; Geld für Strom gibt es allerdings nur, wenn Gäste da sind, und die Gästehäuser scheinen überwiegend leer zu stehen. Sehr schade drum, denn es ist schön in diesem parkartigen Garten unten am Fluss. Ein idealer Ausgangspunkt für zoologische oder botanische Exkursionen, könnte ich mir vorstellen.
Statt also die eigentlich geplanten Ausflüge in die Natur zu machen, entziehen wir uns für einen Abend dem Geflöte vom Ufer und gehen statt dessen auf „birdwatching“ in die Jangjangbureh-Lodge. Der Guide – genauer gesagt: der Petroleumlampenbeauftragte der Lodge  – drückt uns ein Bestimmungsbuch in die Hand, bzw. den zerfledderten Rest davon, grobe Schätzung: 15% des Buches! Die meisten gesehenen Vögel sind aus der Gattung „that one“, es gibt auch einige „big one“. Warum bloß war ich in Banjul zu geizig, um mir ein adäquates Bestimmungsbuch zuzulegen? Das muss für Brasilien definitiv anders werden… Ich habe trotzdem meinen Spaß und werde entschädigt, entdecke Herrn Scarlet Breasted Sunbird nebst unscheinbarer Gemahlin und fresse mich bis zum Senegal Coucal durch den Rest des Field Guides, dessen verbliebene Seiten auch noch teilweise zusammengeklebt sind. Das erhöht den Wiedererkennungswert der Vögel ungemein. Ein Hammerkop in der Ferne, ein blau-schillernder Roller und eben die „blue one“ und „small one“- sehr nett. Zum Abschluss des Abends nimmt die Gruppe der exstischen Langfahrt- im Kreise von zwei Handvoll europäischer Normaltouristen auf „upriver“-Tour (deren Häufigkeit übrigens die Ursache für die Zudringlichkeit der Toubab-Rufer ist!) ein leckeres Abendessen ein. Bush-Pig, Hähnchen, Couscous, viele Kerzen zur Beleuchtung und keine Moskitos. Perfekt. Aber irgendwie kommen selbst unsere ambitionierten Present-Segler ins Grübeln, ob es vielleicht nicht doch zu anstrengend ist, auch noch die Regenzeit hier in Westafrika zu verbringen. Wir finden die 40 Grad im Salon schon sehr heiß, aber 40 Grad bei 90% Luftfeuchtigkeit, das wird uns jedenfalls zuviel. Am nächsten Abend schon werden die Monatskarten für den Nord- und Südatlantik auf der Petite Fleur ausgebreitet und Pläne für eine baldige Atlantiküberquerung geschmiedet.

Wir verabschieden uns ein bisschen wehmütig von der schönen, anstrengenden Umgebung und treten den Rückzug an. Ein paar Tage und ein paar Hippos bleiben uns ja noch hier oben auf dem Gambia River. Aber dann warten auch zivilisatorische Errungenschaften wie Internet, eMail-Zugang und (fast) unbegrenzte Einkaufsmöglichkeiten: es wird wieder mal frische Tomaten geben! Downriver natürlich.

Mangos, Bananen, Lilly und Co.

Gambia River, 31.3.2008

Janna und Len bitten zum Sundowner auf die Present, und wir lassen die Sonne ganz schön weit hinter den Horizont sinken, bevor wir zurück zur AKKA tuckern. Bei Wasser und Bissapsaft und in der zweiten Stufe dann einem Glas Wein, wahlweise einer kühlen Büchse Bier, lassen wir einen ereignisreichen Tag Revue passieren. Erst einmal ging es im Slalom zwischen den Treibnetzen von 4, 5 Fischerpirogen nach Kuntaur. Klingt nach „Traffic Jam“ – aber es ist immer noch relativ leer, obwohl sich die Nähe des Ortes – Kuntaur war mal Gambias zweitgrößter Hafen! – bemerkbar macht. Hier pulst das afrikanische Leben – eine kleine Fähre schaufelt Marktbesucher vom Westufer hinüber, Jungs kommen schon während unseres ersten Ankermanövers herübergeschwommen, das Übliche: „What’s your name?“… Im zweiten Versuch hält der Anker, aber wir trauen dem Braten nicht so recht – solange der Strom aufwärts läuft, gehen wir ins Dorf, aber sobald er zu kentern droht hauen wir wieder ab. Unter den Bäumen an Land sammelt sich schon die gespannte Dorfgemeinschaft – ältere Männer, vor allem aber die Kinder nehmen unsere Dinghyleinen an und die Karawane zieht los. Wir suchen Zwiebeln und Tomaten, Bananen, Mangos. „Oh, yes, we have a big market where you can get everything…“. Besser wäre der Zusatz gewesen: „… but not today“, denn heute ist Loma, Wochenmarkt außerhalb des Ortes, nur mit dem Eselskarren zu erreichen, und wegen des Tidenzeitplanes für uns ein bisschen knapp. Aber da gibt es Abhilfe – wir werden in
Haus 1 geleitet und kriegen eine Handvoll sehr reifer Bananen und ein paar kleine Mangos. Sehnsüchtig denkt man an die Europaoasen in Dakar zurück, an mediokre „Supermärkte“ in Banjul oder Saly, aber wir freuen uns über unsere Schätze. Und im Gehöft 2 stehen wir schon vor einer großen Schüssel voller grüner Bananen, genug für alle Boote, und dann steigt einer der Jungs in einen der Mangobäume, die den Gartenhof beschatten, und wir bestellen eine Wurfsendung Mangos. Mit 15 Früchten – und der Kinderkarawane im Schlepptau – ziehen wir zurück zum Fluss, kriegen unterwegs noch eine dörfliche Wohnung gezeigt, mit TIEFKÜHLTRUHE, die die Hausfrau stolz öffnet und schließt, öffnet und schließt. Hier gibt es nämlich a. Wasser aus ein paar über den Ort verteilten Wasserhähnen, b. ein paar Motorräder und c. STROM… Und einen Laden der Fußbälle anbietet – wir werden ziemlich unmissverständlich dorthin geleitet, und während eingekauft wird, tausche ich mit den gespannten Kickerkandidaten Fussballernamen aus. Ballack ist da, und Miroslav Klose. Die Brasilianer natürlich und die Stars von Arsenal, Chelsea und Manchester United. Hier gibt es halt Strom und damit auch Fernsehen…
Len liefert zum Schluss noch unseren Müll aus – ein bisschen Gegenleistung haben wir Toubabs uns mit den Bällen und dem Schulmaterial von der PRESENT verdient.

Anker auf! Nur ein paar Meilen sind es bis zu den Baboon Islands, auf die wir alle schon so lange warten, obwohl doch zwei Segelführer von wenig Glück berichten, was die Beobachtung von Hippos und/oder gar Schimpansen berichten. AKKA fährt voraus,, hinein in den Kanal zwischen den Nationalparkinseln. Was für ein Schauspiel für die anderen. Petite Fleur und Present dürfen zuschauen, wie wir stecken bleiben und versuchen, aus dem weichen Grund wieder loszukommen… Ranger aus dem National Park versuchen uns eher ungeschickt zu helfen, aber nach langen 30 Minuten sind wir wieder frei. Als wir gegen 16 Uhr am Südende der großen Baboon-Insel Anker werfen, kommt schon das nächste Rangerboot, wir reichen kaltes Wasser mit Zitronensirup über die Reling, bekommen Anweisungen. „We’ll go and have a look where the chimps are…“ – kurz biegen die beiden um die Ecke und kommen stante pede zurück“… they are at their feeding place!“ Das können wir uns nicht entgehen lassen. Wir entern die Rangerpiroge, die anderen tuckern in Presents Beibötchen hinterher, und wir sind kaum in den Kanal eingebogen, da präsentieren sich zur Linken die ersten Hippos, obwohl ein heißer Wind weht und Flusspferde dann gern lange unter Wasser bleiben. Und zur Rechten… – ein Pavian. Und?! Lilly, die 31-jährige Schimpansenenahnin guckt SEHR interessiert aus dem Unterholz. Ein 3-jähriger Affenknabe klettert in einen Baum und übt ein bisschen Imponiergehabe, das ist „Delaware“. Einer etwas jüngere Dame mit Kind schaut aus dem
Hintergrund. Das hatten wir nicht zu hoffen gewagt… Schimpansen. Und dass ringsum noch Kingfisher und Flussadler, Reiher, Hornbills und afrikanische Gänse sich an/im/über einem dichten Wald tummeln, macht den Eindruck perfekt.
So sitzen wir dann auf der PRESENT, nippen am Bissapsaft und horchen in die Zikaden- und Vogelgesänge hinaus. Dies ist der lauteste Platz seit Tagen – wir sind im Süßwassserbereich angekommen, mit allem, was die reiche Vegetation so mit sich bringt. Palmen, Organ-Trees, Baobabs – und Schimpansen.

Still und leer…

Bird Island / Gambia River, 30.3.2008

Nicht mühsam, aber langsam bewegen wir uns den Gambia River hinauf. Hatten wir in Bombale auf einem engen Seitenarm des Gambia geankert, erweiterte sich der Fluss gleich hinter Elephant Island auf „friesische“ Weiten, es fehlten lediglich die Schwarzbunten. Nun gut, es waren auch keine Weiden hinter den etwas spärlicher werdenden Mangroven,, sondern Reisfelder, aber die Fliegen ähneln sich verblüffend: dort Bremsen, hier Tsetse… Das Wetter ist zunehmend windstill und diesig, das Licht entsprechend gebrochen, die großen Wasserflächen liegen spiegelglatt im heißen Dunst. In den Morgenstunden fahren wir jeweils ein Stückchen weiter, bis zum Kentern der Tide, und ankern dann. Dinghytour an den Mangroven entlang, Flussadler und Kingfisher bestaunen, und ab und zu mal in einen kleinen Seitencreek hineinsteuern. Es ist gespenstisch still, nicht nur in den heißen Stunden, sondern den ganzen Tag über. Und es ist leer – nur ab und zu quert mal eine Piroge mit einem Fischer unseren Weg und lässt ein Treibnetz stromabwärts driften. Schall trägt meilenweit – wenn es denn Schallquellen gibt. Die Stille ist ohrenbetäubend und man mag gar nicht seinen Außenborder anwerfen. So staken wir denn mit den Paddeln durchs knietiefe Wasser oder lassen uns mit der Strömung um Bird Island treiben. Auf dem Nordufer erheben sich schon den ganzen Tag Rauchschwaden hinter der Uferböschung – Bauern brennen den Unterwuchs ab, um ein neues Reisfeld anzulegen.
Zurück an Bord lassen wir uns ermattet im Cockpit nieder und üben „Schwitzen“… Sehr erfolgreich! Dann ein leiser Funkspruch, Urs: „PETITE FLEUR hat gerade ein Hippo gesichtet!“ Tatsächlich – alle paar Minuten taucht 200 m vor den Schweizern ein Kopf aus dem Wasser, ein Flusspferd auf dem Weg vom Südufer zur Insel. Das hätten wir nicht gedacht, dass die solche Strecken zurücklegen… Wenn wir hier baden, dann paddeln wir im Bereich der Heckplattform gegen den Strom. Richtiges Schwimmen fällt aus – man kühlt zwar ein bisschen ab im 30 Grad warmen Fluss, aber der Strom ist stark und jede Anstrengung lässt einen nachher umso mehr schwitzen. Also starren wir vom Vorschiff in den Dunst und schauen dem Hippo zu, dass auch zu „baden“ scheint: mal hin, mal her. Dann geht die Sonne unter, wir ziehen uns zurück und das Moskitonetz über das Cockpit. Ein paar Mücken sirren, in der Ferne ein paar Zikaden, und ab und zu plätschert es… Ein Fisch? Ein Hippo, das mit dem Schwanz wirbelt? Es schnauft. Ganz klar – ganz kurz füllt dieses laute, heisere abgehackte Hippogeräusch – so eine Art Schnarch-Bellen – die Luft. Gleich ist es wieder still, aber leer ist es gewiss nicht. Irgendwo da draußen im Dunkeln ist ein Flusspferd…