Downriver

Nach „upriver“ kommt unweigerlich „downriver“, und das sogar jetzt relativ schnell. Zwar haben wir uns unsere 1-monatige Aufenthaltsgenehmigung für Gambia in Janjanbureh – auf der bemerkenswert afrikanischen Polizeistation ;)- noch bis zum 30. Juni, also hart an den Rand der Regenzeit verlängern lassen, aber mittlerweile stöhnen wir doch alle rechtschaffen unter der Hitze. Zwischen 7 und 10 ist es erträglich, danach erfasst uns die große Mattigkeit, nachts schalfen wir draußen im Cockpit unter dem
Moskitonetz und hoffen, dass sich ein thermischer Wind auf den Weg macht, uns zu kühlen. Wir sind also angekommen in Afrika und ahnen langsam, was die Leistungsfähigkeit der Leute hier bestimmt. Nicht einmal die steten „hello“- oder „Toubab, Toubab!“-Rufer vom Ufer in Janjanbureh bringen ab der Mittagszeit noch die Energie für ihr Konzert auf. Erst am Abend ruft und pfeift es dann wieder durchdringend. Es nervt. Womit wir uns wieder dem Thema nähern: Downriver. Im übertragenen Sinne könnte man auch sagen „den Bach runter“, so ist Janjanbureh zu charakterisieren. Und vor allem die jugendliche Einwohnerschaft tut ein Übriges: eindringliche, aufdringliche bis rüde Forderungen nach Schulmaterial und Fussbällen begleiten einen auf dem Weg durch ein Örtchen, das einmal Verwaltungszentrum der britischen Kolonie war. Die Gebäude erinnern an diese wie auch an Sklavenhalterzeiten. Aber gerade der Kontrast zwischen der Größe der ursprünglichen Anlage und dem Erhaltungszustand lässt uns „run down“ empfinden.
Auch vom Forstprojekt der GTZ ist nichts mehr übrig außer dem aufgelassenen Verwaltungs- und Schulungszentrum – die beiden Eco-Trails und Forst-Parks in Dobo und Kunkilling, die das Projekt für den Tourismus schaffen wollte, sind zwar erstellt, aber in Windeseile schon nach einem Drittel der geplanten Zeit den umgebenden Dörfern übergeben worden, die nun ihre liebe Müh‘ damit haben. Leider sind wir zum Anschauen dieser Trails doch zu weit in die Trockenzeit geraten, sagt die einzig verbliebene deutsche Mitarbeiterin, die sich nun für weniger als einen Sack Reis im Monat beim Gambischen Staat verdingt hat und versucht, die Reste des Projektes zu erhalten, denn das große Gelände bietet nicht nur Schlulungsräume, sondern auch Unterkunft; Geld für Strom gibt es allerdings nur, wenn Gäste da sind, und die Gästehäuser scheinen überwiegend leer zu stehen. Sehr schade drum, denn es ist schön in diesem parkartigen Garten unten am Fluss. Ein idealer Ausgangspunkt für zoologische oder botanische Exkursionen, könnte ich mir vorstellen.
Statt also die eigentlich geplanten Ausflüge in die Natur zu machen, entziehen wir uns für einen Abend dem Geflöte vom Ufer und gehen statt dessen auf „birdwatching“ in die Jangjangbureh-Lodge. Der Guide – genauer gesagt: der Petroleumlampenbeauftragte der Lodge  – drückt uns ein Bestimmungsbuch in die Hand, bzw. den zerfledderten Rest davon, grobe Schätzung: 15% des Buches! Die meisten gesehenen Vögel sind aus der Gattung „that one“, es gibt auch einige „big one“. Warum bloß war ich in Banjul zu geizig, um mir ein adäquates Bestimmungsbuch zuzulegen? Das muss für Brasilien definitiv anders werden… Ich habe trotzdem meinen Spaß und werde entschädigt, entdecke Herrn Scarlet Breasted Sunbird nebst unscheinbarer Gemahlin und fresse mich bis zum Senegal Coucal durch den Rest des Field Guides, dessen verbliebene Seiten auch noch teilweise zusammengeklebt sind. Das erhöht den Wiedererkennungswert der Vögel ungemein. Ein Hammerkop in der Ferne, ein blau-schillernder Roller und eben die „blue one“ und „small one“- sehr nett. Zum Abschluss des Abends nimmt die Gruppe der exstischen Langfahrt- im Kreise von zwei Handvoll europäischer Normaltouristen auf „upriver“-Tour (deren Häufigkeit übrigens die Ursache für die Zudringlichkeit der Toubab-Rufer ist!) ein leckeres Abendessen ein. Bush-Pig, Hähnchen, Couscous, viele Kerzen zur Beleuchtung und keine Moskitos. Perfekt. Aber irgendwie kommen selbst unsere ambitionierten Present-Segler ins Grübeln, ob es vielleicht nicht doch zu anstrengend ist, auch noch die Regenzeit hier in Westafrika zu verbringen. Wir finden die 40 Grad im Salon schon sehr heiß, aber 40 Grad bei 90% Luftfeuchtigkeit, das wird uns jedenfalls zuviel. Am nächsten Abend schon werden die Monatskarten für den Nord- und Südatlantik auf der Petite Fleur ausgebreitet und Pläne für eine baldige Atlantiküberquerung geschmiedet.

Wir verabschieden uns ein bisschen wehmütig von der schönen, anstrengenden Umgebung und treten den Rückzug an. Ein paar Tage und ein paar Hippos bleiben uns ja noch hier oben auf dem Gambia River. Aber dann warten auch zivilisatorische Errungenschaften wie Internet, eMail-Zugang und (fast) unbegrenzte Einkaufsmöglichkeiten: es wird wieder mal frische Tomaten geben! Downriver natürlich.

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