Lamin, 15.4. 2008
Ceesay, der zweite. Professional Birdwatcher, so sagt es der handgeschriebene „Visitenzettel“, den er mir zum Schluss zusteckt. Mit Ceesay hatten wir einen schönen Vormittag, die Schweizer, die Holländer und ich. Der Eigner bleibt derweilen an Bord und sucht selbstlos nach der Quelle für Luftblasen im Kraftstoffsystem.
Wir hatten verabredet „early“ aufzubrechen, zum Naturreservat Abuko, hier gleich um die Ecke. Früh war es dann nicht unbedingt, jedenfalls nicht nach Vogelbeobachterregeln, es war um die 8 Uhr, als wir in die Dinghies stiegen. 4 km sandiger Fußmarsch nach Lamin und von da noch ein paar hundert Meter Asphalt Richtung Banjul.
Während die einen den Eintritt entrichten (Urs: „… der einzige, der NICHT rechnen kann, steht an der Kasse!“. Stimmt!) werden wir schon an einen guide vermittelt; den selbsternannten „birdwatcher“ in Janjanbureh noch im Hinterkopf, willigen wir ein bisschen zähneknirschend ein. Ich stoppe das Zähneknirschen aber sofort, sehe ich doch einen VOLLSTÄNDIGEN (!) Fieldguide „Birds of The Gambia“ in den Händen des (sehr) jungen Mannes, der sich da mit „Ceesay Karamba“ vorstellt. Am Tickethäuschen ist dann auch bald die Rechenaufgabe gelöst, 5 x 35! Ich hatte das ziemlich pragmatisch auf 4 x 35 reduziert, indem ich mal schnell für mich selbst bezahlt hatte, und die anderen machten daraus 2 x 70 Dalasi. Schlimm genug €¦ Ein Fall, den wir unter „t.i.A.€“ buchen – „that is Africa“, Zitat aus dem Film Blood Diamond, unser neuer running gag. Dann stiefeln wir durch’s Gehölz. Zunächst mal noch begleitet vom spärlichen Verkehrsrauschen der Ausfallstraße zum Flughafen, aber die Red Colobus-Affen und Green Vervets in den Bäumen stört das kaum. Uns auch nicht – wir sind in einem naturbelassenen Stückchen Urwald, auch jetzt, zum Ende der Trockenzeit noch grün, grün, grün, und lassen uns vom geduldigen Ceesay Vogelnamen nennen und Pflanzen erklären. An der zentralen Wasserstelle – der Straßenlärm ist schon nicht mehr wahrzunehmen und wird durch Vogelgeschrei ersetzt – machen wir uns ein bisschen selbst zum Affen, indem wir uns nicht sattsehen können am Fangverhalten des Black Egret:
Kopf einziehen, Flügel schirmartig über den Körper und – zack! – aus dem selbst gebastelten Schatten heraus ein Frühstück erbeutet. Es sieht albern aus, aber wahrscheinlich ist es noch alberner, dass wir uns so amüsieren. Rings ums Wasserloch ist einiges los – Krokodile, die bekannten schwarz-weiße und besonders die malachitfarbenen Kingfisher, bildhaft schön, die allgegenwärtigen Hornbills in verschiedener Ausfertigung, diverse Reiher und Turacos und Rallenarten und, und, und€¦
Ich beschließe, an einem der nächsten Nachmittage noch einmal zurückzukommen, um auch den Säugern an der Wasserstelle zusehen zu können. Ein kleines, sehenswertes Paradies inmitten einer doch urbanisierten Umgebung, entdeckt und initiiert von der Familie Brewer, die hier in den 60er Jahren ihr Schimpansenprojekt begonnen haben. „VERY hardworking people“ hatte der Ranger auf Baboon Island über Eddie Brewer und seine Tochter Stella Marsden hochachtungsvoll gesagt, und dass es sehr traurig sei, dass beide mittlerweile gestorben seien, Stella erst vor ein paar Wochen.
Ceesay, das stellt sich auf dem Gang über die verschlungenen, schattigen Waldwege heraus, ist zum Besuch der Secondary School von Kuntaur nach Serekunda gezogen, ohne Familie, musste aber seine Schulzeit wegen Geldmangels unterbrechen und versucht nun, Geld für den Fortgang aufzutreiben. Da ist es wieder, das zwiespältige Gefühl zwischen Hilfsbereitschaft und Hilflosigkeit, das man als Tourist in dieser Gegend so oft hat, nur dass diesmal nicht jemand „… any school material?“ oder „…do you have a pen – I go to school!“ ruft, sondern nur beiläufig ein „I have no sponsor…“ anmerkt. Ceesay ist voller Bewunderung für „sein“ Reservat und führt uns begeistert weiter durchs Grün. Große Würgfeigen umschlingen Baumstämme, durch das Blätterdach über uns fällt spärliches Licht, Hörnchen flitzen durch das Geäst. Ceesay stoppt, geht zwei Schritte zurück und sagt: „An osprey!“ und deutet auf irgendeine Astgabel. Es dauert ein Weilchen, ehe wir die Silhouette des Fischadlers im Gegenlicht erkennen.
Einen Lizard Buzzard können wir beim Fang einer Echse beobachten, nachdem wir ihn eine Weile statuesk in einem hohlen Palmstamm haben hocken sehe. Aus Unterständen heraus kann man auf Affen plieren, über allem schweben Geier und Weihen in der Thermik. Zum Schluss schräg über uns eine Reihe dünner, pelziger Lianen: auf einem dicken Ast laust sich eine Red Colobusfamilie und lässt die schnurgeraden Schwänze in die einsetzende Mittagshitze baumeln.
Das können wir gut nachvollziehen – wir würden jetzt gern in der Hängematte baumeln oder die Beine ins Wasser hängen. Die Aussicht auf ein kühles Getränk lässt uns aufbrechen, der Rückweg zu den Schiffen ist schließlich heiß und staubig und ausreichend weit. Ceesay haben wir fürstlich entlohnt, er strahlt jedenfalls am Schluss. Ich auch – der Spaziergang hat mir sehr gefallen. T.i.A. That is Africa. Auch.