Zustandsbericht

09?54,8 N 021?36.4 W, auf dem Weg nach Brasilien – 30.4.2008

Zustände sind das hier…
Mitternacht, Bordzeit, nach UTC ist es 01:00. Draußen ist es stockduster, ich sitze leicht geschürzt im Cockpit und beobachte, wie Herr Windpilot mit dem bisschen Wind umgeht, das uns vorantreibt. Wenn man bei 2 Knoten Fahrt von „treiben“ sprechen kann. Und er macht es einwandfrei, sehr gut, kleiner Apparat! Das Schiff rollt ein bisschen vor sich hin, die Genua ist ausgebaumt und wir hoffen, dass wir das Konstrukt nicht während der Nacht wegnehmen m?ssen, weil etwa der Wind gedreht hat – der Spibaum ist nämlich zwischen den Wanten durchgesteckt, das ist immer ein schönes Vorschiffskunststück – je Welle, umso lustig.
So weit zum aktuellen Bootszustand, an dem wir eigentlich überhaupt nichts meckern können. Das Wetter ist so, wie es ist, und leichtwindig läuft es auf eine lange Reise hinaus, die wir übrigens, nicht beabsichtigt, aber doch willkommen, wieder im Päckchen unternehmen, dieses Mal mit der PRESENT. Muss nicht, kann aber, wie Rüdiger Hoffmann sagen würde, aber uns macht es Spaß, miteinander zu funken, Taktiken abzusprechen und den Küchenzettel abzugleichen, und es gibt dazu ein Gefühl der Rückversicherung, sehr angenehm. Bis zum Waypoint bei 6° N und 26° W, von dem aus wir über den Äquator hoppeln wollen, sind es noch ein paar hundert Meilen bzw. mindestens 3 oder 4 Tage, und beim gerade herrschenden Wind darf es noch für fünf Pfennig mehr Zeit sein, die wir uns aufpacken werden. Allerdings hörten wir von Petite Fleur, die ja zwei Tage voraus sind und mit der wir morgens und abends auf der Kurzwelle funken, dass sie heute abend wieder Wind gefunden haben, das berechtigt zu den schönsten Hoffnungen.
Wir sind sehr gespannt auf den Äquator, nicht nur ob es nun hoppelt oder nicht, sondern vor allem, wie sich die Konvergenzzone gestaltet. Mit oder ohne Blitz, mit oder ohne Wind – nur eines wird es bestimmt geben: Regen, und das freut uns, wird er doch die Reste der Sahelzone von der AKKA abspülen. Wir horchen fleißig Intermar nach Wetterinfos aus, nachmittags um 16:30 UTC, das ist 18:30 MESZ! Kann man im Internet mithören – wir sind so ab 16:50 dran… Eben habe ich ein Wetterfax von New Orleans aufgenommen, das die Kalmen anzeigt und Gewitterzellen, aus der Kurzwelle quellen die Wettervorhersagen und -analysen. Meteorologischer Zustand: unter Kontrolle, sofern das überhaupt möglich ist.
Der persönliche Zustand ist auch meckerfrei, obwohl man ja auch mal Szenen einer Bordehe beschreiben könnte… Zum Beipiel die letzten 24 Stunden: Der Eigner kickt während meiner Wache nachts um 1 Uhr ein Forschungsprogramm „Segeltrimm“ los. Als er von mir energisch in die Koje verwiesen wird – je länger er in seiner Freiwache (hyper)aktiv ist, umso mehr fühle ich mich ebenfalls zu schlafraubenden Überstunden verpflichtet – mault er, dass er dann eben zum Wachwechsel um 2 weiterspielen müsse. Gut gespielt – heute früh lagen wir feine 5 Meilen hinter der PRESENT zurück. Dann die Schipperin, die ein bissschen verpennt das Frühstück bereitet – Kaffee, Eier, Toast – bis sie den Eigner im Cockpit ein fröhliches „Schwarzbrot ist das schönste Brot!“ anstimmen hört. Wie kann es sein, dass man neben dem Campingtoaster steht und nicht merkt, dass man das schöne, selbst gebackene Brot abfackelt?! Wir schwanken also zwischen Spaß und Müdigkeit und suchen die Balance zwischen Reibung und Harmonie.
Und wenn es denn mal nicht so harmonisch läuft, kommt ein Tagesabschluss wie der heutige: Der Chef hat gerade den Kopf abgelegt um ein verspätetes Mittagsschläfchen zu halten, ich sitze auf der Ducht und lese und halte Wache, da rattert die Angel. Unser erster Fisch überhaupt kündigt sich an! Andreas fährt etwas verwirrt aus dem Nickerchen auf, und dann folgen 25 Minuten harter Arbeit. Vor allem für den Bonito, der da angebissen hat: Abtauchen, springen und irgendwann gibt er auf. Jetzt liegt er filettiert im Kühlkasten (und wird auch teilweise schon verdaut! Lecker!) – 4 kg frischester Fisch, das reicht erst einmal. Dennoch: so ganz haben wir beide noch nicht verstanden, wo der Sport-Spaß an der Angelei sein soll. Irgendwie tat er uns leid, der schöne Fisch.
Das war zum Abschluss der Seelenzustandsbericht. Man könnte auch sagen: es geht uns gut!

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