Richtigstellung

Tut mir leid, hier eine Richtigstellung veröffentlichen zu müssen, aber es muss sein:

Der Bordhund der „Independance“, die sich auf Drift befand – wir berichteten im letzten Blogeintrag – besteht darauf, festzustellen, dass er in keinster Weise mit dem Eigner der AKKA gesprochen habe, er habe lediglich ein paar bissige Andeutungen gemacht. Keinesfalls habe er sich in das Gespräch mit den anwesenden Damen eingemischt und er distanziere sich deutlich von dessen Inhalt. Vielmehr sei es so gewesen, dass eine der Damen auf den Hinweis, die Independance befinde sich auf Drift, gesagt habe: „… it does not matter – I will fly home tomorrow anyhow!“

Nicht dass Ihr denkt, wir hätten den Tropenkoller – so WAR es…

Regentag

… reger Tag. Blödes Wortspiel. Janna findet, sie kann heute, wo es schon seit der Nacht „cats and dogs“ regnet, ganz gut ein Kleid schneidern, Len stürzt sich auf den defekten Generator und bei uns ist Frühjahrsputz im Vorratsschrank angesagt bzw. Ölwechsel, Motor und Getriebe, außerdem Testkochen von selbst gefertigten Ravioli, mit Ricotta und Tomaten gefüllt. 1. verlangte der Eigner einen Frühjahrsputz auch im Kühlschapp mit Durchsicht der Vorräte (ah! der Ricotta aus Fernando wäre mal dran!) und 2. war ich gestern dem HiperBompreco-Kaufrausch erlegen und hatte brasilianische Teigblätter für „pasteis“ erstanden. Gesamturteil: geht so. Aber das lag vielleicht eher an der Fülle, denn eigentlich war Spinat vorgesehen und der war nun gerade wieder dem Frühjahrsputz zum Opfer gefallen. Wie das so ist mit den Vorräten an Bord. Wie sich ein geschlossenes Glas Spinat öffnet, weiß ich auch nicht – surprise, surprise, immer wieder.

Jedenfalls glänzt die Pantry, die Gewürz- und Teeschränke sind wieder begehbar, denn der Bissap-Gelee, der sich im Äquatorgerolle unter das Lochbrett verpieselt hatte, ist entfernt und noch einiges mehr.

Merkwürdig an all diesen Mühen ist, dass ich anfangs wirklich häufig geflucht habe, wie oft ich Dinge von A nach B räume, um sie gleich wieder zurück nach A zu bringen oder ein C zu finden – das ist mittlerweile Alltag und keinen noch so kleinen Fluch mehr wert.

Fluchen kann man höchstens darüber, dass ich dem Sonnensegel undichte Nähte verpasst habe, aus reiner Bequemlichkeit, denn ich hatte von Raap-Segel zusammen mit dem Stof eigentlich dickes, baumwollummanteltes Garn bekommen, das die Stichlöcher dichtet, sich aber so schwer verarbeiten ließ, dass ich auf reines V69-Polyestergarn umgestiegen bin. Schlecht… Nun werde ich mich in Brasilien auf die Suche nach seam sealer machen, ein Projekt, das mit ein paar hübschen Lukenabdeckungen abgerundet werden wird, die auch ein bisschen Regen abhalten können. Wie wir Wasser umgekehrt aus dem Schiff loswerden können, war Wochenendbeschäftigung gewesen: die Wartung der vorderen Toilette. Lecker. Aber nun tut sie es wieder und ich hoffe, für ein Weilchen – wir werden sie zur Minderung „organischer Ablagerungen“ 😉 ab und an mit Natronlauge füttern (danke, Karin, für den Tipp!) und gegen Kalk mit Zitronensäure spülen, natürlich in zwei Schritten. Jedenfalls erfreuen wir uns wieder großer und effektiver Pumpenhübe, und ich habe endlich meinen Gesellenbrief als Bordklempnerin erhalten.
Noch was? Ach ja, ein bisschen Ankerfeld-Klatsch… wir liegen hier mit 5 weiteren Yachten, davon eine großen amerikanische Ketch, mehr ein überdimensionierter Motorsegler mit Betonung auf Motor, der Besan ist ein Schornstein!. Ich schaue so aus dem Cockpit und höre dem Regengeprassel zu und denke, dass der Amerikaner ganz schön nah… naja, hier im Paraiba eigentlich nichts besonderes, schließlich ist hier Tiden- und Flußstromballett angesagt, jedes Boot dreht sich im Strom wie es gerade lustig ist. Nach einer Weile kommt der Eigner mal aus dem Motorraum und fragt, wo die Ketch denn wohl jetzt, kurz vor Dämmerung, noch hin will. Ein Blick raus in den Regen, und, völlig klar, die sind auf Drift! Erst mal hupen und tröten, keine Reaktion. Andras wirft sich ins Ölzeug und unternimmt eine Dinghyfahrt. Die Unterhaltung mit den beiden an Bord befindlichen Ladies und/oder dem Bordhund läuft ungefähr so ab: „Did you realize that you are adrift?“ „Oh, are we too close to your boat? Looks a bit like that…“ „No, your anchor is not holding – you are going downriver!“ „… oh, are we? Yes, we thought so too, but…“ Es wurde dann aber doch noch hurtig Hilfe von Land geholt. Als die Ankerkette hochkam fehlte leider der Anker… Was einen naturlich an den eigenen denken lässt. Demnächst in diesem Theater: Kontrolle der Verbindung Anker-Ankerkette… Wenn wir am Steg liegen und es mal wieder regnet…

Brasilianischer Alltag

Jacaré, 20.5.2008

Huch! Christian! Dein Geburtstag! Viele herzliche Glückwünsche, viel Erfolg und Spaß beim Bücherrestaurieren!

Einklariert ist!

Gestern früh ging um 10:27 brasilianischer Maybe-Time der Vorortzug nach Cabedelo – die Verspätung erwähnen wir einfach gar nicht . Jacaré liegt als eher ärmliches Dörfchen zwischen der aus nicht allzu großer Entfernung grüßenden, ziemlich synthetischen Skyline von Joao Pessoa – immerhin 600.000 Einwohner! – und eben Cabedelo, der Kleinstadt an der Mündung des Rio Paraiba.

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Nur zwei Haltestellen und dann ist Endstation. Man lässt sich mit dem Strom der Einheimischen treiben, der nicht ganz representative Weg geht durch Abbruchgelände und schmale Marktgassen – Fisch und Huhn schicken olfaktorische Grüße – Richtung Hafen. Ein bisschen rumfragen; hier gehört es zur Höflichkeit, eine erschöpfende Auskunft zu geben, egal welche, ob richtig oder falsch, Hauptsache man wird seinen Wortschwall los, auch wenn das fragende Gegenüber signalisiert, dass es nicht allzu viel versteht und Hände und Füße vorziehen würde… Erschöpfend, diese Art der Auskünfte! Wir zacken ein bisschen die Hafenstraße entlang, die Frage nach der Policia Federal führt aufs Steueramt (immerhin „federal“), aber dann kriegen Janna und ich den Hinweis auf die „Igreja“ am Ende der Straße und für Len und Andreas zückt ein Uniformierter einer nicht zu identifizierenden Organisation (kurze Hose, T-Shirt, alles blau und rot und schwarzes Nylon, klimatisiertes Büro? Geheimdienst??) sein Mobiltelefon und ruft schon mal die Policia an, denn nicht unbedingt ist jemand dort im Büro (déjà vue, in Fernando de Noronha!), eigentlich nur, wenn ein Cargoschiff angekommen ist; und Cabedelo hatte sich schon in der Vorbeifahrt als sehr verschlafen dargestellt. Aber siehe da, positiver Quittungston, man erwartet uns. Wirklich SEHR nette Leute, die Brasilianer, auch wenn das mit dem Wortschwall… Siehe oben. Und dann geht alles sehr schnell, niemand zuckt wirklich, weil wir nun doch schon in Fernando de Noronha waren, und um kurz nach Lunchtime-Beginn sind wir schon mit Station zwei, dem Zoll durch, auch wenn der Zöllner nicht glücklich schaut – zwei Boote auf einmal… Kurz danach sitzen wir schon mit einem guten Teil der arbeitenden Hafenbevölkerung in einer Soparia und kriegen Salat und Fisch und Fleisch auf die Teller gehäuft. Zum Kilopreis, wie gehabt, und der wird sich dann pro Nase auf unter 10 Reais belaufen – gut 2 Euro. Am besten gefällt mir die Ananas, die stets zwischen den Salaten hockt und die man trefflich mit Salz und Pfeffer bestreut verspeisen kann. Die Männer erfreuen sich derweil fleischlicher Genüsse – eher zähes Rind, geschmorte Geflügelherzen, zartes Irgendwas „Kassler Art“, noch zarteres Huhn und dazu die ganzen brasilianischen Hühner, die an den Tischen hocken ;)… Wobei das Märchen vom Frauenwunder in Brasilien wohl eher übertrieben ist; alles doch eher Standard, es gibt auch reichlich „www.pfundsweib.br“ – nur fallen einem die Schönheiten besonders auf, vielleicht weil die Bekleidung insgesamt und klimatisch bedingt doch eher knapp ausfällt.

Wohl gefüllt streifen wir auf dem Weg zur letzten Station, Capitanerie, noch eine Apotheke, stellen uns tapfer allesamt (nacheinander natürlich!) auf die Waage, zufriedene Gesichter allenthalben, denn die Kilorestaurantbesuche haben noch keine Spuren hinterlassen, im Gegenteil. Segeln scheint gesund zu sein, nur mein Eigner mault ein bisschen und fummelt an seinem Gürtel rum, weil der mal wieder ein paar Löcher mehr brauchen würde, nach innen. Der Arme ;)!
Auch die Capitanerie ist schnell erledigt, ein bisschen Fernando-Mucken gibt es dann doch noch, zumindest eine kleine Bemerkung, dass das nicht ganz in Ordnung ist, aber nicht wirklich ein Problem. Wir sind Brasilianer auf Zeit – 90 Tage. Und dann noch einmal 90 Tage – aber nicht weitersagen! Man muss am Tag, an dem das Visum ausläuft, verlängern, um eine Strafgebühr zu umgehen; wer vorher bekannt gibt, dass er länger bleiben will, hat die Vorab-Visumpflicht umgangen, und das kostet. Pro Tag! Also flöten wir leise vor uns hin und wissen noch nicht, dass wir in 3 Monaten immer noch in Brasilien sind. Visa sind für Transatlantiksegler allerdings rein terminlich kaum machbar, weil man sie im Heimatland beantragen und danach die brasilianische Grenze innerhalb 90 Tagen erreichen muss. Übrigens ist der Maximalaufenthalt hier 180 Tage pro Kalenderjahr, will sagen: sollten wir länger hier bleiben wollen, müssen wir im November/Dezember für 5 Wochen außer Landes, danach bricht das neue Jahr an und die nächste 180 Tage-Periode. Aber dann wäre wohl endgültig „Schicht“. Nur die AKKA, die darf einfach 2 Jahre bleiben… . Spielregeln, Spielregeln…

Rückfahrt mit dem Vorortzug, wir schlängeln uns über den Markt zurück zum Bahnhof. Und shoppen erst einmal Früchte – Ananas, Melonen, Orangen, Maracuja, verschiedene Mangosorten – das wird ein Frühstücksfest! Die Jackfruit und andere Experimentelassen wir für den nächsten Marktbesuch liegen. Es ist ein fruchtiges Schlaraffenland hier!

Schwer bebeutelt gelangen wir zum Bahnhof, wo auf der Straße schon Massen an Mitfahrern sitzen, auf einem Stuhl eine ziemlich frisch gebackene Mutter mit Säugling – wir tippen mal auf eine knappe Woche.

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Im Zug ist dann irgendwas los – es wird getrunken und musiziert und getanzt. Fahrt zum Fußballspiel? Kindergeburtstag? Junggesellenabschied? Who knows, wir fragen lieber nicht, wegen des Wortschwalles, obwohl der nicht zu umgehen ist, denn wir wiederum werden ja auch neugierig angesprochen, woher – wohin – warum. Bleibender Eindruck dieser Fahrt – schließlich hockt man auf der Bank und guckt auch mal auf den Boden – : Alle – ALLE! – haben Flipflops an. Die paar anderen Schuhe kann man an einer Hand abzählen. Flipflops in Silber und in Gold, mit und ohne Absätze, mit Blümchen, Schnallen, Zusatz-Riemchen, dezent oder knallig, pfuschneue Büro-Exemplare oder abgelatschte Treter. Scheint ein sehr praktisches Schuhwerk zu sein, und vielleicht würde sich der gemeine deutsche Orthopäde auch freuen ;). Mal gucken, wann weitere Flipflops auf der AKKA Einzug halten- ich weiß ja schon dass ich meine bei GLOBETROTTER erworbenen liebe…
Wir lassen unseren Aufenthalt jetzt langsam angehen – wir müssen ein bisschen „Schiff“ machen, dann die Ausrüstung für tropisch-feucht vorbereiten, denn hier schimmelt es alles schon schön… Und dann haben uns Traudl und Jochen von der Bluesong beim Fondue (boah! Lecker. Traudls Mayonnaisen. Da legst di nieder!) einen kleinen Floh ins Ohr gesetzt – die fahren nämlich nach Peru. Mit dem Schiff, aber nicht mit der Bluesong, die wartet hier… Most tempting idea. Wobei die Idee, vielleicht doch noch nach Uruguay und Argentinien zu gehen, auch soo schlecht nicht ist, aber schlecht getimet. Im Sommer geht man nach Süden, nicht im Winter. Mal schau’n. Erst mal Informationen sammeln – und den Alltag genießen

Cabedelo

Ganz fix, ehe wir zum Kaffee auf die Present und danach zum Fondue auf die Blue Song „müssen“… Eigentlich MÜSSTE ich das Schiff entmisten, entsauben, entrümpeln, die Wäsche waschen (BERGE!).

Aber erst einmal sitzen wir im Cockpit, das kleine Bimini-Segel, das wir auf der Anreise zum Äquator erfunden haben, flattert im Winde und hält wechselweise Regen und Sonne von us ab. Wir sind nämlich angekommen, gestern mittag, nach etwas mühseliger Anreise von Fernando de Noronha. Ach, was – es war gar nicht mühselig, wir mussten nur wieder mal eine Nacht motoren und waren entsprechend frustriert; nachdem wir parallel mit der Present um 05:00 einen Segelversuch gemacht und dann jeweils fix wieder eingepackt hatten (es gibt wenig Nervenderes als schlagende Segel!) , hatten wir uns gerade mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass es das windmäßig nun gewesen sei, da kam 2 Stunden später der Südost, ganz vorschriftsmäßig und auch noch aus so einem Winkel, dass wir den enormen Nordwest-Strom ausgleichen und Cabedelo einfach anlaufen konnten. Strahlender Sonnenschein, wir strahlten mit. Vom Ufer tönt es nun brasilianisch, es ist Wochenende und damit der etwas lautere Teil der Woche. Ab morgen soll hier alles wieder schlafen, auch im eigentlichen Sinn des Wortes, aber so schlimm wie uns die WANDERER weismachen wollten, war der Tanz-Lärm vom Ufer nicht. Wir liegen im Ankerfeld vor dem Jacaré Yacht-Village, am Steg die Blue Song und Imagine, rechts neben uns die holländsische gemeinde, bestehend aus 3 Booten. 7 Euro die Woche – das lässt sich gerade noch so bezahlen, und Internet fliegt uns frei Haus an Bord. Wir konnten es uns nicht entgehen lassen, gestern abend doch mal die Tagesschau downzuloaden und stellen fest: Wir sind weit, weil weg von allen politischen und natur-katastrophalen Wirklichkeiten, das kann man nicht anders sagen. Irgendwie aus der Welt… Jenseits des Äquators.

Bald mehr von der AKKA – ich werde mal Bilder sammeln sowie Bettinas Kommentaren nachgehen und ein bisschen „Sachliches“ zur Transäquatorstrecke zusammenbasteln ;). Morgen ist erst einmal Einklarieren und -kaufen angesagt. Cabedelo – unser neues Shoppingparadies wartet.

Keine Zeit…

…. lässt einem der Ferdinand, und auch keine Kohle ;).
Wir brechen schon wieder auf! Dies war die teuerste Liegegebühr für einen schönen, aber vergleichsweise ungemütlichen Ankerplatz – unser Anker hat zwar im zweiten Anlauf bis heute gehalten, aber die PRESENTs mussten in der zweiten Nacht dann doch noch einmal neu eingraben.

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Wir haben die wirklich teuer (80 Euro pro Schiff und Tag!) bezahlte Zeit mit Wanderungen über eine fantastisch grüne Insel genutzt, im Kilo-Café für relativ kleines Geld viel Essen auf den Teller gehäuft, Meeresschildkröten-Brutstellen besucht, uns vom tropischen Regen völlig durchnässen und von aggressiven Ziegenmüttern attackieren lassen (die Plazenta lag noch irgendwo auf dem Weg, drum!), eine Delfin-Watcherin beim Zählen beobachtet (435 am nämlichen Morgen!), sind auf einem klapprigen und lauten Leih-Buggy mit Käfermotor durch die Matsche gekurvt.

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Was noch? Einiges mehr – extrem freundliche Leute getroffen, einen kleinen Ärger mit der Federal Police mit Lächeln und Entschuldigungen friedvoll gelöst (das Einklarieren gestaltete sich mangels Beamten etwas schwierig 😉 ), Freunde bei Harbourmaster und Military Police gefunden. Und immer waren wir glücklich wenn noch jemand ein bisschen Englisch sprach. Die Zeichen stehen auf „Portugiesisch-Kurs“!
Fernando de Noronha – vielleicht ist es eine kostengünstigere Idee, mit dem Flugzeug und „pauschal“ zurückzukommen, sich in einer der Pousadas einzumieten und auf Tauchausflüge zu gehen. Glücklicherweise war das Wetter dafür nicht geeignet, sonst wäre das Jahresbudget bald erschöpft ;). Aber jetzt ist es Zeit, die verbliebenen Real zusammenzukratzen und Richtung Festland aufzubrechen. Keine Zeit für Blog-Einträge, sonst müssen wir noch einen Tag bezahlen.

Der Ferdinand

Fernando de Noronha, 11.5.2008

€¦. nee, nicht unser alter Chef, nein, der Fernando von Noronha, der hat es uns angetan.
Nachdem wir eine ganze Nacht auf die Insel zugedödelt sind – Ankunft im Dunklen war uns nicht ganz so recht, nachdem Petite Fleur von schwimmenden Mooringleinen und vielen kleinen Freizeitbötchen berichtet hatten – kam im Morgenlicht das Empfangskommittee. Keine Pelikane. Eine Gruppe von vielleicht 20 bestens gelaunten Delfinen, die uns ein Stück in die Ankerbucht hinein geleiteten, ehe es ihnen bei dieser Geschwindigkeit – gähn! – zu langweilig wurde. Man kann ja noch so schöne Kunststückchen machen, sich zurückfallen lassen und wieder nach vorn schießen, im Dreierpaket Synchronspringen üben oder auf dem Rücken quer unter dem Bug durchzischen: diese AKKA lässt sich einfach durch nichts zu einem etwas frischeren Tempo anregen. Einfach langweilig, so ein Plastik-Schwimmvogel, wir suchen uns etwas anderes zum Rumalbern. Pööh.
Wir waren trotzdem begeistert. Und den Hintergrund bildet eine leicht bergige Insel, mit einem zuckerhutartigen Vulkankegel, völlig grün!

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Donnerwetter! Kein roter Lateritboden weit und breit, sondern dichter Bewuchs, und nicht mal ein Fluss in der Nähe, der für Feuchtigkeit sorgt;). Ganz offensichtlich selbstbewässernd. Wir müssen wohl in Amerika angekommen sein. Latin America, genauer gesagt und nach einem Willkommensnickerchen machen sich die sprachlichen Defizite auch gleich bemerkbar: das Funkgespräch mit dem brasilianischen Hafenkapitän und der spätere Besuch dort erweisen sich als mehr als schwierig. Immerhin verstehen wir, dass Sonntag ist, dass wir am Montag wiederkommen sollen und dass wir willkommen sind; was nicht ganz selbstverständlich ist, denn ob wir hier einklarieren können, wird sich erst heute herausstellen€¦ EIGENTLICH nicht. Mal schau€™n. Der nachmittägliche Landgang bringt einen ersten Einblick in eine eher verschlafene (=sonntägliche?) Umgebung mit trägen Noronhanern in der Hängematte auf der Veranda. Eine Taxifahrt zu viert bzw. zu fünft, denn einen Fahrer gibt es ja auch noch, im Buggy, die Ladies hocken „brazilian style€ auf der Hinterkante und klammern sich an den Überrollbügel. Ziel: der einzige Geldautomat der Insel. Geldautomatenmangel – ach, afrikanische Heimat, wenigstens etwas erinnert noch an Dich. Zum Abschluss ein feierliches „Fleischessen€ und dann – bumm! – der Fall in die Kojen.

Am besten, wir bleiben ein paar Wochen hier und machen einen „total immersion€-Sprachkurs. Gefallen tut es uns nämlich beim Ferdinand, auch ohne Sprachkenntnisse, aber ein bisschen Portugiesisch würde helfen€¦

Zwei Achsen und ne Hochzeit

Der Südatlantik ist doch immer für eine Überraschung gut, oder grollt uns Neptun nun doch, weil wir für ihn eben kein Gedeck aufgelegt, geschweige denn Festtagsgewänder angelegt hatten, als wir neulichst den Äquator überschritten?! Dass die ITCZ mit uns nach Süden durchsackt, dessen waren wir uns ja bewusst, aber der vermaledeite Südostpassat will und will sich nicht einstellen, obwohl wir zwischenzeitlich an die 20 Stunden segeln konnten, mit merkwürdigem Nordostwind, aber das ist auch schon wieder Geschichte. Ich starre auf die Gribfiles und rätsele daran herum – und so richtig reimt sich das alles nicht. Die Windrichtungen stimmen mit der Wirklichkeit nicht überein, wenn man denn überhaupt eine feststellen kann, Petite Fleur berichtet über Funk über neue Wolkenfelder im Süden. Mich lässt das Gef?hl nicht los, dass wir immer noch mitten drin stecken, in der Konvergenzzone, und drum hole ich mir heute noch einmal die „discussion“ für den Tropischen Atlantik… Helfen tut es ja nix, aber nun wissen wir es: Schlau getimet, unsere Überquerung! Wir haben uns just die Stelle ausgesucht, wo Neptun eine zweite Achse der Konvergenzzone hingeschoben hat. Doppelte Achse, doppelter Genuss. Andreas freut sich schon auf den nächsten Ölwechsel, seit dem letzten ist schon lange Zeit vergangen. 16 Tage, genauer gesagt.

Überraschende Begegnungen gibt es hier auch. Nicht so sehr dass wir überrascht wären, dass sich uns Berufsverkehr in den Weg schiebt, aber manchmal ist es auch spannend. Das AIS sagt: 0,3 Meilen Passierabstand. Bisschen knapp denkt sich die Steuerfrau und fängt mal an zu funken. Per DSC – und kriegt unter der MMSI-Nummer auch gleich eine Rufbestätigung, nur dass auf dem gewünschten Kanal „niemand zu Hause“ zu sein scheint. Nächster Versuch, anderer Kanal, gleiches Spiel. Kanal 16 – da muss doch jemand sein?! Ich rufe Len an, der 1,5 Meilen neben uns liegt: „…probier Du doch mal!“ Nichts. Wir entscheiden uns für den Notausgang und mein CPA (der „closest point of approach“) wächst auch gleich auf 2 Meilen an, prima. Nur der von der Present nicht – der rutscht auf Anklopfnähe. Motor an und Fluchtweg gesucht. Und dann: ah! Das Funkgerät piept, Rückruf auf Kanal 6. Gebrochenes Englisch, das Gähnen schwach unterdrückt – eine kratzige Stimme fragt nach unserem Begehr und was er zur Klärung der Situation beitragen kann. Zu spät, wir haben uns schon verpisst – der Present-Eigner ist ein bisschen ungnädig. Bleibt die Frage, was das war: Ein Penner am Steuer? Kleines Päuschen in der Messe, „mol ’n lüttjen kreegen“? Oder vielleicht beides?? Ohne Wache geht es einfach nicht, zumindest nicht auf unserem Schiff. Dem anderen würde es ja nichts ausmachen, wenn wir dagegen rummeln…

Und dann noch eine Überraschung, die der Südatlantik für uns bereit hatte, eine sehr erfreuliche. Eine Mail von den „Müllers von der Ostsee“, zu buchen unter Familiennachrichten.
Liebe Eva, lieber Daniel – viele herzliche Grüße aus tropischer Nacht an die Lübecker Bucht. Wir zweigen ein paar Grad Temperatur ab und schicken Euch die allerwärmsten Wünsche für’s Eheleben! Um beim Stil der kitschigen Seestücke zu bleiben: Allzeit gute Fahrt durch den gemeinsamen Alltag. Wir wünschen Euch stets ruhigen Seegang bei frischem Wind und ausreichend Schaumkrönchen für anhaltenden Spaß, wie auch immer Ihr das gebacken kriegt. Und nicht zu vergessen: immer eine Handbreit Verständnis und Geduld unter dem Kiel! Kurz: wir wünschen Euch ALLES Gute. Wir hätten Euch gern hier zwischen uns, die PRESENT und die AKKA!

Linie

00°18,6 Süd 028°43,7 W – 8.5. Mitternacht

Es macht einen ganz wirr und schwindelig – erstens sausen wir gerade mit maximaler Umfangsgeschwindigkeit durch die Gegend und dann hängen wir seit 20:20 auch noch mit dem Kopf nach unten, und das ist so weil:
Der Äquator ist geschafft!
Gehoppelt hat es nicht, jedenfalls nicht außergewöhnlich, nur der ganz normale Schwell – es gibt keinen Graben, keine Metallschiene, wahrscheinlich nicht mal eine Farbmarkierung oder ein Schild, aber das können wir nicht genau sagen; es war ja dunkel.

Äquator

Zur Feier des Tages gab es „deutsch€ zum Abendessen, grüne Bohnen mit Tomate, Salzkartoffeln und Fleischbällchen „Banjul€, und dann mussten wir erst einmal die PRESENT über die Linie schieben. Gebanntes Starren auf den Radarschirm. Die letzten Kabellängen dauerten und dauerten, aber dann konnte ich die iPod-Lautsprecher ans Funkgerät pressen, und zu Beethoven/Karajan/Anne-Sophie Mutter glitten sie hinüber. Im Gegenzug gab es ein paar Minuten später „You€™ll never walk alone€, wir sollten ja nicht unbeschallt bleiben im großen Moment.

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Neptun kam bei uns übrigens nicht vorbei, er hatte wohl auf der PRESENT zu tun, und ließ nur ausrichten, dass wir ja schon so oft auf der Südhalbkugel waren, dass da sowieso nichts mehr zu schrubben wäre. Da hat er wohl Gnade vor Recht ergehen lassen, denn mit dem Schiff ist es das erste Mal, aber uns sollte es recht sein. Mittlerweile ist das Festgelage (1 Freixenet-Piccolo!) vorüber, der Bordalltag wieder eingekehrt – der Eigner ruht, ich funke fleißig mit aufkommenden Frachtern, die uns in dem Regenwolkengewimmel nicht sehen. Aber nett sind sie allemal, die Steuerleute, sie fahren hübsche Bögen um AKKA. Ist ja auch ein echtes Linien-Schiff.

ITCZ

00°17 N 28°24 W, 7.5.2008

Intertropical Convergence Zone. Wer einmal hier war, weiß womit wir uns seit Tagen, nein, seit Wochen herumschlagen. Erst in der Theorie, jetzt in der Praxis. Man durchforstet Segelführer, auch die für die Großsegler der Wende zum 20.Jahrhundert, surft durchs Netz, sucht Wetterdaten, lang- und kurzfristig. Dann sucht man, „nearer the date“ einen geeigneten Punkt aus, wo man denn durch diese Zone der Windstille durchstechen möchte. Hinein! Die Gribfiles sehen zwar nicht mehr ganz so vielversprechend aus wie noch vor ein paar Tagen, aber nun sind wir hier und wollen rüber über die Nullbreite, jenseits derer der Südostpassat wartet. Das dauert dann ein paar Tage Herum(motor)segelei bei eher flauen Bedingungen, mal gibt es ein paar Stunden schönen Segelwind (aus Südwest! Alles hatten wir erwartet, das eher nicht…), dann motort man wieder in die Nacht hinein, Ziel: noch 14 Stunden bis zum Äquator, am 7.5. um 17 Uhr. Neptun wartet auf die Täuflinge. Das ist uns vielleicht einer, der Neptun…
Ein grimmer, alter Herr mit einem Dreispitz, heißt es. Aber irgendwie scheint er Humor zu haben, denn er macht Scherzchen mit uns. Schickt ein begrenztes Wolken/Regen-Gebilde mit oft viel Wind, den berühmten squall – man sieht schon lange Zugrichtung und Ausdehnung auf dem Radar. Jaaaa, jetzt wird sie gewaschen die AKKA! An Steuerbord in 2 Seemeilen Abstand die PRESENT, auch da werden die Großreinemachen-Vorbereitungen getroffen. Aber wie schon gesagt, Neptun macht Scherzchen. Der Squall kriegt fransige Ränder, teil sich mittig und geht 100 m an Steuerbord bei uns durch. Regen: null. Großreinemachen: Zero. In der Nacht dann wieder einer. Diesmal ganz knapp vor uns. Nix. Aber dann! 2 Uhr 30 (mit Photoshooting,jedenfalls wird anhaltend geblitzt…) kommt eine kleine unscheinbare Wolke, bläht sich plötzlich auf und bald gießt es aus Eimern und bläst aus allen Knopflöchern. Genug der Scherze, denkt sich Neptun und pickt das Squallzentrum an unserem Masttopp ein, damit es für ein paar Stunden schön bei uns bleibt. Die AKKA ist jedenfalls nach 5 Stunden Dauerguss sauber.

Äquator, das passiert dann diese Nacht. Wann ist die ITCZ zu Ende? Wo bleibt der Passat? VIELLEICHT am 8.5. gegen Nachmittag…

Nachrichten aus dem Cockpit

….nichts Besonderes gibt es zu berichten, ganz normaler Bordalltag. Wenn man das so sagen kann, denn es ist Neumond, Sternenhimmel ohne Zusatzbeleuchtung, und rings um die AKKA machen sich gerade die Delfine wieder mal einen Spaß und schnaufen und platschen herum. Und freuen sich wahrscheinlich daran, dass ich verzweifelt ins Dunkel starre, um vielleicht doch noch einen kleinen Blick zu erhaschen.

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Letzte Woche hatte ich ja von der schönen Luftpost geschrieben – dazu gehören im erweiterten Sinne ja auch springende Delfine. Es hebt einem wirklich das Herz zuzuschauen. Aber die eigentliche Luftpost kam wirklich durch die Luft. Nach einer Taube, zweifach beringt, unter der afrikanischen Küste, hatten wir nämlich einen sehr hübschen Gast an Bord: eine Rauchschwalbe, die sich zunächst bei der PRESENT ein Päuschen erlaubt hatte und dann den Rest des Tages bei uns zubrachte. Man sollte für solche Gäste vielleicht doch ein paar Schaben oder Mehlwürmer an Bord haben, denn wir hatten nichts anzubieten. Leider hatte die Geschichte dieses Besuches aber kein happy end – eine Seebestattung war alles, was wir zum Schluss noch tun konnten. Was führt eine kleine Schwalbe bloß so weit hinaus aufs Meer?

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Dafür hätte es danach fast noch einmal „Luftpost“ gegeben… Ein Trawler hielt ziemlich stoisch auf uns zu, bis wir ihn über UKW anriefen. Was ihn aber nicht vom Kurs abbrachte – ein spanischer, besser baskischer Thun-Fänger kam auf wenige Meter an uns heran.

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Die Mannschaft winkend an der Reling, aus dem Lautsprecher tönte es „buenos dias“ , und ob wir denn einen Thunfisch haben möchten. Nach dem dicken Bonito hatten wir aber keinen Bedarf und nahmen dann nur gute Wünsche für die Weiterreise entgegen.

Auf der ist uns mittlerweile der Wind endgültig ausgegangen, wir sind in der Konvergenzzone und motorsegeln dem Äquator entgegen. Das Wetter sieht „gemischt“ aus, Vorherssagen sind hier schwierig und die Gribfiles ändern sich mit jeder Prognose – also wollen wir dieses Gebiet so rasch wie möglich hinter uns bringen. Petite Fleur scheint das schon geschafft zu haben – sie müsste eigentlich zur Stunde auf die Südhalbkugel rutschen. Tatääää! Wir werden es nachher in der Funkrunde hören, ob Neptun nachts um 3 Zeit für eine Taufe hatte oder sich an strikte Arbeitszeiten hält.

Kleiner Nachsatz zur Mail-Probematik: sollte Verwirrung aufkommen, dass merkwürdig veraltete Mails auftauchen – ich vermute sogar, das der vorherige Blogbeitrag nun zweimal erschienen ist!? – die Winlink-Leute haben wohl einen kleinen Stau im System gefunden, zumindest was meine Mailbox betrifft, und nun fließen alte Mails durch die Gegend. Rückmeldungen dazu sind willkommen!
Ach ja, und dann kam per Mail noch die Frage auf, wieso eigentlich nicht die Kapverden unser Ziel sind. Bis zum Auslaufen aus Banjul war uns das Ziel selbst nicht klar – wir hatten uns lediglich offen gehalten, nach Brasilien abzdrehen, wenn denn die Kapverden nicht einfach anzuliegen sind – und genau so kam es. Wanderer2 hat sich bis Santiago gequält – wir haben den Weg des geringsten Widerstandes gewählt und werden nun wohl eine andere Insel in der Hochsee ansteuern: Landfall Brasilien wird auf Fernando da Noronha sein. Schwimmen, tauchen, Natur gucken. Dann geht es weiter. Aber das dauert noch ein paar Tage. Noch 550 Seemeilen.