Jacaré, 20.5.2008
Huch! Christian! Dein Geburtstag! Viele herzliche Glückwünsche, viel Erfolg und Spaß beim Bücherrestaurieren!
Einklariert ist!
Gestern früh ging um 10:27 brasilianischer Maybe-Time der Vorortzug nach Cabedelo – die Verspätung erwähnen wir einfach gar nicht . Jacaré liegt als eher ärmliches Dörfchen zwischen der aus nicht allzu großer Entfernung grüßenden, ziemlich synthetischen Skyline von Joao Pessoa – immerhin 600.000 Einwohner! – und eben Cabedelo, der Kleinstadt an der Mündung des Rio Paraiba.

Nur zwei Haltestellen und dann ist Endstation. Man lässt sich mit dem Strom der Einheimischen treiben, der nicht ganz representative Weg geht durch Abbruchgelände und schmale Marktgassen – Fisch und Huhn schicken olfaktorische Grüße – Richtung Hafen. Ein bisschen rumfragen; hier gehört es zur Höflichkeit, eine erschöpfende Auskunft zu geben, egal welche, ob richtig oder falsch, Hauptsache man wird seinen Wortschwall los, auch wenn das fragende Gegenüber signalisiert, dass es nicht allzu viel versteht und Hände und Füße vorziehen würde… Erschöpfend, diese Art der Auskünfte! Wir zacken ein bisschen die Hafenstraße entlang, die Frage nach der Policia Federal führt aufs Steueramt (immerhin „federal“), aber dann kriegen Janna und ich den Hinweis auf die „Igreja“ am Ende der Straße und für Len und Andreas zückt ein Uniformierter einer nicht zu identifizierenden Organisation (kurze Hose, T-Shirt, alles blau und rot und schwarzes Nylon, klimatisiertes Büro? Geheimdienst??) sein Mobiltelefon und ruft schon mal die Policia an, denn nicht unbedingt ist jemand dort im Büro (déjà vue, in Fernando de Noronha!), eigentlich nur, wenn ein Cargoschiff angekommen ist; und Cabedelo hatte sich schon in der Vorbeifahrt als sehr verschlafen dargestellt. Aber siehe da, positiver Quittungston, man erwartet uns. Wirklich SEHR nette Leute, die Brasilianer, auch wenn das mit dem Wortschwall… Siehe oben. Und dann geht alles sehr schnell, niemand zuckt wirklich, weil wir nun doch schon in Fernando de Noronha waren, und um kurz nach Lunchtime-Beginn sind wir schon mit Station zwei, dem Zoll durch, auch wenn der Zöllner nicht glücklich schaut – zwei Boote auf einmal… Kurz danach sitzen wir schon mit einem guten Teil der arbeitenden Hafenbevölkerung in einer Soparia und kriegen Salat und Fisch und Fleisch auf die Teller gehäuft. Zum Kilopreis, wie gehabt, und der wird sich dann pro Nase auf unter 10 Reais belaufen – gut 2 Euro. Am besten gefällt mir die Ananas, die stets zwischen den Salaten hockt und die man trefflich mit Salz und Pfeffer bestreut verspeisen kann. Die Männer erfreuen sich derweil fleischlicher Genüsse – eher zähes Rind, geschmorte Geflügelherzen, zartes Irgendwas „Kassler Art“, noch zarteres Huhn und dazu die ganzen brasilianischen Hühner, die an den Tischen hocken ;)… Wobei das Märchen vom Frauenwunder in Brasilien wohl eher übertrieben ist; alles doch eher Standard, es gibt auch reichlich „www.pfundsweib.br“ – nur fallen einem die Schönheiten besonders auf, vielleicht weil die Bekleidung insgesamt und klimatisch bedingt doch eher knapp ausfällt.
Wohl gefüllt streifen wir auf dem Weg zur letzten Station, Capitanerie, noch eine Apotheke, stellen uns tapfer allesamt (nacheinander natürlich!) auf die Waage, zufriedene Gesichter allenthalben, denn die Kilorestaurantbesuche haben noch keine Spuren hinterlassen, im Gegenteil. Segeln scheint gesund zu sein, nur mein Eigner mault ein bisschen und fummelt an seinem Gürtel rum, weil der mal wieder ein paar Löcher mehr brauchen würde, nach innen. Der Arme ;)!
Auch die Capitanerie ist schnell erledigt, ein bisschen Fernando-Mucken gibt es dann doch noch, zumindest eine kleine Bemerkung, dass das nicht ganz in Ordnung ist, aber nicht wirklich ein Problem. Wir sind Brasilianer auf Zeit – 90 Tage. Und dann noch einmal 90 Tage – aber nicht weitersagen! Man muss am Tag, an dem das Visum ausläuft, verlängern, um eine Strafgebühr zu umgehen; wer vorher bekannt gibt, dass er länger bleiben will, hat die Vorab-Visumpflicht umgangen, und das kostet. Pro Tag! Also flöten wir leise vor uns hin und wissen noch nicht, dass wir in 3 Monaten immer noch in Brasilien sind. Visa sind für Transatlantiksegler allerdings rein terminlich kaum machbar, weil man sie im Heimatland beantragen und danach die brasilianische Grenze innerhalb 90 Tagen erreichen muss. Übrigens ist der Maximalaufenthalt hier 180 Tage pro Kalenderjahr, will sagen: sollten wir länger hier bleiben wollen, müssen wir im November/Dezember für 5 Wochen außer Landes, danach bricht das neue Jahr an und die nächste 180 Tage-Periode. Aber dann wäre wohl endgültig „Schicht“. Nur die AKKA, die darf einfach 2 Jahre bleiben… . Spielregeln, Spielregeln…
Rückfahrt mit dem Vorortzug, wir schlängeln uns über den Markt zurück zum Bahnhof. Und shoppen erst einmal Früchte – Ananas, Melonen, Orangen, Maracuja, verschiedene Mangosorten – das wird ein Frühstücksfest! Die Jackfruit und andere Experimentelassen wir für den nächsten Marktbesuch liegen. Es ist ein fruchtiges Schlaraffenland hier!
Schwer bebeutelt gelangen wir zum Bahnhof, wo auf der Straße schon Massen an Mitfahrern sitzen, auf einem Stuhl eine ziemlich frisch gebackene Mutter mit Säugling – wir tippen mal auf eine knappe Woche.

Im Zug ist dann irgendwas los – es wird getrunken und musiziert und getanzt. Fahrt zum Fußballspiel? Kindergeburtstag? Junggesellenabschied? Who knows, wir fragen lieber nicht, wegen des Wortschwalles, obwohl der nicht zu umgehen ist, denn wir wiederum werden ja auch neugierig angesprochen, woher – wohin – warum. Bleibender Eindruck dieser Fahrt – schließlich hockt man auf der Bank und guckt auch mal auf den Boden – : Alle – ALLE! – haben Flipflops an. Die paar anderen Schuhe kann man an einer Hand abzählen. Flipflops in Silber und in Gold, mit und ohne Absätze, mit Blümchen, Schnallen, Zusatz-Riemchen, dezent oder knallig, pfuschneue Büro-Exemplare oder abgelatschte Treter. Scheint ein sehr praktisches Schuhwerk zu sein, und vielleicht würde sich der gemeine deutsche Orthopäde auch freuen ;). Mal gucken, wann weitere Flipflops auf der AKKA Einzug halten- ich weiß ja schon dass ich meine bei GLOBETROTTER erworbenen liebe…
Wir lassen unseren Aufenthalt jetzt langsam angehen – wir müssen ein bisschen „Schiff“ machen, dann die Ausrüstung für tropisch-feucht vorbereiten, denn hier schimmelt es alles schon schön… Und dann haben uns Traudl und Jochen von der Bluesong beim Fondue (boah! Lecker. Traudls Mayonnaisen. Da legst di nieder!) einen kleinen Floh ins Ohr gesetzt – die fahren nämlich nach Peru. Mit dem Schiff, aber nicht mit der Bluesong, die wartet hier… Most tempting idea. Wobei die Idee, vielleicht doch noch nach Uruguay und Argentinien zu gehen, auch soo schlecht nicht ist, aber schlecht getimet. Im Sommer geht man nach Süden, nicht im Winter. Mal schau’n. Erst mal Informationen sammeln – und den Alltag genießen