oder: São João…
Der Unterschied zwischen den Skandinaviern und den Nord-Ost-Brasilianern ist, dass man sich hier zu Mittwinter an Cachaca labt, und dort, zu Mittsommer, an Aquavit – und vor allem auch unterschiedliche Tänze tanzt, hier jedenfalls ist alles:
Forró. Typisch São João.
Ganz lokal gesehen ist in Jacaré sowieso ständig Forró, denn die brasilianischen Touristen aus Joao Pessoa wollen in den 4 Restaurants am Strand dringend damit bedient werden; wir erlebten das, als wir ganz harmlos eine Moqueca essen wollten. Aber schon am Wochenende musste ich bei meiner Radtour in die Stadt diversen alten Männern ausweichen, die sich den (gefährlichen) Seitenstreifen mit mir teilten und schwere, hölzerne Schubkarren mit dicken Lautsprechern vor sich her bugsierten, aus denen es mächtig schepperte; und mal abgesehen davon, dass es hier auch ein „Radio Forró“ gibt – es ist halt eine Spezialität des Nordostens – ist derzeit bei jeweder Radiostation jedes zweite Wort Forró, und jedes Musikstück sowieso. Gesprochen wird das Brasilianisch und „ganz logisch“: FOHOO. Ich wollte immer gern mal so ein ganz schwach-kehlig gehauchtes „r“ darin entdecken, so ein bisschen „focho“-mäßig, aber das gibt es nicht. Nun ratet mal, wie Yarra, des Marinabesitzers Frau, sich nennt. Jahaaa, das ist brasilianisch !
„FOHOO“ also. Schon der Taxifahrer nach Recife hatte mich damit beschallt.
Zunächst einmal ist Forró merkwürdig. 4-Vierteltakt, ein bisschen wie Humppa oder Polka. Grundbesetzung sind Akkordeon, eine afrikanisch anmutende Handtrommel mit dem lautmalerischen Namen „zabumba“ und, ganz wichtig – ein Triangel. Drei eher derb gekleidete Musikanten, gern im karierten Hemd (im Samba-Süden ist Forró auch Hinterwäldlermusik!), und deren Gesang – eher schlicht, Richtung Wortgesang – darf gern einen Tick „daneben“ sein, habe ich den Eindruck, jedenfalls bei den Liveauftritten. Für die fetzigen Studioaufnahmen (inclusive Bossa-Nova-Star Gilberto Gil!) gibt es offensichtlich jede Möglichkeit, die Besetzung bis zur Unkenntlichkeit von Triangel und Zabumba „aufzupoppen“ – womit wir beim Thema wären; darum geht es nämlich in des Wortes neudeutscher Bedeutung. Wie gut, dass ich mit Lektion 10 von „Primsleurs Portuguese One“ noch nicht so weit vorgedrungen bin, um die angebliche Schlüpfrigkeit der Texte zu erfassen. Obwohl es mich ja doch interessieren würde
. Eine der besseren Forró-CDs der letzten Zeit hat den bezeichnenden Titel „Musik für Hausmädchen und Taxifahrer“ – Forró war nämlich, hier im Brasilien der ausgeprägten Klassenunterschiede, vom Mittelstand aufwärts etwas zum Naserümpfen. Neuerdings – oder zumindest im Urlaub – geht man da wohl drüber hinweg – jedenfalls sehen die Tänzer im Strandrestaurant ganz schön „upper-klasse“ aus, besonders die Frauen in den eigens knappen Fähnchen, die sich da von den professionellen Folkloredarbietern betanzen lassen. Und wie: nicht nur die Texte sind ein bisschen schlüpfrig . Voll-Kontakt, würde ich das nennen, und Lambada scheint nur geklaut.

Jetzt ist es Morgen am Johannistag, die nächtlichen Feuerwerkskörper sind verstummt, die Rauchschwaden der São João-Feuer in der Dorfstraße verweht (und verregnet!), an den noch kohlenden Resten wird Fleisch gegrillt, von irgendwoher schickt noch ein einsames Kontrastprogramm ein leises Techno-Basswummern herüber.
Ich muss noch paar Tage warten, bis der Flieger Andreas aus Deutschland zurückbringt, und so werde ich heute schauen, was Johannis noch bringt – schließlich ist das ein Semi-Feiertag hier, die Läden schließen um 13:00, aber die Müllabfuhr fährt immerhin; die Gelegenheit zum Feiern jedenfalls – Regen hin oder her – werden sich die Leute nicht entgehen lassen, für ein paar geschmeidige Tanzwindungen mehr oder noch ein paar Böller. Und ich werde mal gucken, ob es in den offenen Supermärkten nicht eine gute Forró-CD gibt (Schrott gibt es genug!). Oder „Eu, tu, elles“, ein Nordestino-Film mit Gilberto Gil als Forró-Sänger – das tut den Sprachkenntnissen gut und irgendwie muss man São João ja gebührend feiern.