First in de Line…

oder: zum whinen!

Chaguaramas, 22.2.2009

Frühstück am Ankerplatz. Bisschen spät heute, aber für ältliche Segler war’s dann gestern bzw. heute auch reichlich früh. Drei Uhr! Fast zwei Stunden quälte sich der Bus durch’s Karnevalsgewühle aus  Port of Spain heraus – ein Radiosprecher sagte gerade: „… yesterday was the day, when all the kiddies came out and had fun…“  Den Anschein machte es und „fun“ ist hier vor allem „Lärm“.
Es war ein bisschen frustrierend, die Rückfahrt. Was ich schon im Kino hasse, passierte nämlich gestern auch: Phase II Pan Groove hat gerade ausge“pan“t, da springt alles, was Tourist heißt, von den Sitzen auf und strebt dem Ausgang zu. Ich will doch wissen, wer gewonnen hat! Das allerdings hätte ich wohl kaum  erfahren, dauerte die Show nach der Show wohl bis zum frühem Morgen, mit Limbo und Tombola und Spaß für die Locals. Wer nicht weiß, wovon ich spreche: vom PANORAMA Steelband Festival, Finale für die großen Orchester. Ein schöner Lärm war das!

Um 5 Uhr waren wir losgebraust mit unserem Tuckerdinghy – völlig gebrieft vom morgendlichen, ziemlich amerikanisch(-panisch) geprägten Morgennetz der Segler, in dem einem eingehämmert wird: „… chain it,
lock it or loose it“. Das Boot abschließen und das Dinghy anketten sollen wir. Zu gefährlich. Und: „… in case you are hospitalized or worse, ALWAYS carry some kind of identification clearly marked with your boat name and its current location, so somebody might be able to trace you or your loved ones!“. Schluchz. VIEL zu  gefährlich eigentlich, in Port of Spain auszugehen. Aber es stimmt schon – Zeuge eines leicht blutigen Uhrendiebstahls war ich ja schon, und ganz andere Sachen passieren hier haufenweise. Also setzten wir uns in den teuer bezahlten  und klimatisierten Bus von Jesse James, der mich auch schon zum HiLo-Supermarkt gekarrt hat und überall seine „Members Only“-Firmenfinger  drin hat; macht er aber gut! So klar wie hier ist es uns eigentlich noch nie geworden, dass wir nun wohl zur Altersgruppe der Heimbewohner gehören, und das hört nicht mal im Stadion auf, wo wir einen überdachten Tribünenplatz gekauft hatten. Aber wenigstens sitzen um uns herum viele, viele Trinis mittleren und höheren Alters und verzehren Mitgebrachtes. Und bewegen zur Pausenmusik alles, was man im Sitzen so bewegen kann,  und wenn es ganz schlimm kommt, steht Mama auch schon mal auf und fängt an zu „whinen“. Mit den Hüften zu schrauben, quasi.

Nachdem dann so um 20:45 noch immer die „stage sweeper“ nicht aufgetaucht sind, fängt die erste Band einfach schon mal an – man muss sich das so vorstellen, dass 100 (maximal erlaubte) Musiker mit ihren Pans, den großen Bassfässern, denn Tenor-Fassbschnitten, den kleinen Sopran-Pans, mit ihren  Bremsscheiben und anderen Rhythmusinstrumenten auf mehr oder weniger schön gestalteten Karren auf die Bühne rollen – das dauert natürlich alles und die „Redemption Sound Settlers“ bauen sich also in den Pfützen der nachmittäglichen Sturzregen auf. „First in the line“ heißt der Calypsosong, man beachte das „th“, der Originalsong wird während des Aufbaus in Endlosschleife gespielt. Ob das wohl Prinzip ist, dass die Pfützen erst danach gewischt werden? RSS kommen nämlich aus Tobago, die einzige Band von der armen kleinen Schwesterinsel. Ich sag mal: Quotenband, politisch sehr korrekt. Feine Musik, der Auftritt ist tobagomäßig. Abgang, wischen, es folgt: EXODUS. „Festival Time“ – diese Endlosschleife ist so lang, dass das Publikum anfängt zu buhen. Aber dann macht es dem Text alles Ehre: „Celebrate“ und der erste Riesenapplaus und standing ovations, Feuerwerk auf der Bühne, man kann die Musiker wunderbar sehen. Klasse. So nimmt die Nacht ihren Lauf, 8 Bands hintereinander. Die, die ich im Hinterkopf hatte, waren die Desperadoes – musikalisch gut, tolle Technik, aber „Pan Redemption“ ist ein schwieriger Song, um Leute mitzureißen. Die Renegades und die Trinidad All Stars (sehr beliebt, da aus Port of Spain!)  geben ein Standardprogramm ab, finde ich, obwohl ich mich mit dieser Meinung bei meinem Vordermann mit dem Trini All Stars-Hemd nicht gerade beliebt mache. Aber wir können beide lachen. Aber speziell für mich und mir unbekannt: mittendrin kommen die „Silver Stars“, „First in de Line“, diesmal originalgetreu mit „d“ und ein Ausbund von ausgefeilter Technik, tollem Arrangement und überraschenden Momenten. Und eben „First in de Line“ – das kennt jeder
und dem kann man gut folgen. Phase II Pan Groove macht den Abschluss – mit einem auf den Leib geschneiderten Ohrwurm, „Magic Drum“, so was zum Mitgrölen. Für mich: „…naja, fein“, die Leute ringsum zappeln und „whinen“. Meine Reihenfolge ist klar – wir diskutieren das später im Bus, ein paar andere sind ja auch ehrlich interessiert (obwohl es auch solche Kommentare gibt wie: „… und das alles für  60 Minuten Steelband!“). Ich bin für: Silver Stars vor Desperadoes und Exodus, aber an Phase II geht kein Weg vorbei, fürchte ich…

Jetzt sitze ich hier und grinse! Die Ergebnisse stehen im Internet – Silver Stars! Es gibt doch ein bisschen Pan-Gerechtigkeit auf dieser Welt…

Der Spruch vom Radiosprecher oben geht übrigens noch weiter:  „…from today on the adults come out and misbehave…“   Karneval in Trinidad – wir bleiben mal lieber an Bord. Bis Dienstag. Große Bandparade…

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