Chaguaramas, 10.3.2003
Stimmt, doofer Titel. Könnte auch heißen: die AKKA-Brille ist pink. Oder: Wie naiv sind wir eigentlich? Das Eigenurteil vorweggenommen: ausreichend naiv für eine fröhliche Weltsicht… Ich hoffe, was jetzt kommt gerät in keine falschen Kehlen und klingt nicht zu erbost.
Wie ich auf das Thema komme? Manchmal versteht man halt andere Teile dieser Seglerwelt nicht. Da werden stetig enttäuschte Erwartungen geäußert – über Land und Leute, die Topographie im Allgemeinen und die
fehlenden Sandstrände (die mit der Bacardi-Palme) im Besonderen. Zu manchem davon könnte man jetzt ein bisschen geologisch-geographisch klugscheißen, aber spätestens ab Barbuda wird’s besser, liebe Mitsegler, mit dem Strand jedenfalls. Ach was, ab Nonsuch Bay/Antigua, Ankern hinter dem Riff zum Beispiel – nur können wir, die wir die südliche Karibik (da soll es auch so was geben, Los Roques, wir kommen!) noch nicht kennen, auch sonst tatsächlich ein ganzes Schock schöner, bereisenswerter Orte im Antillenbogen aufzählen, die ganz ohne Sandstrand auskommen. Statia, der Quill. Nevis, die Plantagenhäuser. Brimstone Hill auf St. Kitts. Nelsons Spuren in Antigua, und nicht zu vergessen Shirley Heights mit Andrea’s Delight – 3 Stunden Steelband, 3 Stunden Reggae. Die Iles des Saintes, Gustavia, die Ile Fourchue, The Baths, alles einfach nur pur, und viele, viele andere Orte. Und das ist alles Karibik und unverwechselbar Karibik. Aber der Vordergrund scheint für manche ein anderer: auf den französischen Inseln wird gestreikt, wat ’ne Ungerechtigkeit. Hier in Trinidad lassen einen die Trinis stehen, weil sie ihr spätes Mütchen kühlen am ehemaligen Kolonialherren, wie gemein. Und der Nordost bläst ununterbrochen (erstaunlich). Es regnet, jou. Hier in Chaguaramas ist „Dreckbrühe“. Das allerdings stimmt in Teilen – es empfängt einen draußen ein Gedümpel von Plastikmüll aus Port of Spain, sehr unschön und wohl ein globales Problem, besonders in derartig geschlossenen Buchten. Und manchmal gibt es Dieselpfützen, auf braunem Wasser. Handelshafenauswüchse (Harburg lässt grüßen, wir fanden’s naiverweise „schön“, weil praktisch und stadtnah!) auf vom Orinoko-verfärbtem Seewasser; den Fischen und Schildkröten ringsum geht es wohl einigermaßen gut. Ich gehe hier nicht zum Spaß ins Wasser, aber man kann die Wasserlinie saubermachen ohne tot umzufallen, jedenfalls hier draußen am Anker; und wir machen hervorragendes Trinkwasser aus der „Dreckbrühe“ – die Filter sind auch noch nicht explodiert.
Das war die Gegendarstellung zum Mittwoch – es hat mich gequält. Manchmal denke ich an Bruce Chatwin, der mal ein Buch mit dem schönen Titel verfasst: „Was mache ich hier?“ Das sollte vielleicht die Schlüsselfrage für uns alle sein.
Und hier nun wieder Chaguaramas in pink. Wir hatten nämlich bis auf diese verstörende, kleine abendliche Mail einen wirklich guten Tag. Kleine Schräubchen für die Befestigung des CD-Romlaufwerkes im Rechner gefunden. Schnack gehalten mit französischem Eigner von „Nixwieweg“. Schiffsmeldungen: PRESENT verlässt Prickly Bay/Grenada und geht in off-Internetregionen. Petite Fleur auf Familientour in Grenada, GEMINI trifft CHAMICHA in St. Lucia („… head north!“). Die beste Mail von Ben und Carola aus Ägypten: Schiff, Eltern, Kinder, alle heile am Horn von Afrika vorbei in Port Ghalib. „Phoenix“ getroffen – „Ah! AKKA – you are german… I just got a mail from some other Germans who arrived in Egypt…“ natürlich Ben und Carola und Lasse und Niels und Lisa… Längerer Schnack. Frugal Fred getroffen (zu dem gibt es den nächsten Blogeintrag, den die Tagesereignisse aber von Platz 1 verdrängt haben!). APHRODITE (nein, nicht die aus der Biscaya und von Madeira!) überlassen uns einen Stapel SPIEGEL und andere Magazine. Dann – tatää! – 3 mal zwischen Zoll und Post hin und hergetuckert wegen der PAKETE! Wir waren an dieser Stelle einfach mal dunkelpink und hatten auf wirklich lange Laufzeit getippt, die aber schon am Donnerstag letzter Woche hätte vorbei sein können. Nach 1 Stunde Stempeln und Tuckern und Schleppen und Tuckern und Zurückschleppen und Tuckern waren sie „unsere“. Nicht wirklich ein Geschenk, die etwas langwierige Prozedur, aber doch sehr einfach machbar. Und – Vorsicht, Seitenhieb – ganz viele nette Trinis im Spiel. Die Zöllner und -innen, die Postlerin, die Wache am Tor, der Rasta, der das dicke Paket die Treppe raufschleppte (und mir gegen den Husten eine Hot Soup zu Mittag empfahl. Ham wa gemacht! Currysuppe mit Mienudeln und Hühnchen, Eigenbau). Und nun? Der neue Inverter – heul! viel zu groß, das „Austauschmodell“, liebe Firma Waeco – hängt, an neuem Platz, wo er auch nicht stört. Das Buch „Legendäre Expeditionen“ (Fergus Fleming ist immer eine oder zwei Bestellungen wert!) habe ich – heul! – zweimal bestellt. Feinste Tauschware gibt das Zweitbuch ab. Zur bekannten Eigenorder bei Amazon gab es x Überraschungsbücher aus Aurich, vielen Dank. Christian und Silke und Benjamin, die die ganze Paketaktion geduldig er- und zum Schluss 27 kg ge-tragen hatten („… wartet, mal da kommt noch was…“) hatte die Ersatzteile in eine ZEIT gehüllt – wer hat solche netten Neffen und Schwiegernichten?
Es fällt mir nichts mehr zum Meckern ein. Es geht uns – pink!