Chaguaramas-Ritual

Chaguaramas, „on the hard“, 28.3.2009

Unten ist „Kabeleinziehen“ angesagt, gemischt mit Brotbacken und Dinghycover-Nähen; sprich: es herrscht das Chaos. Was liegt da näher, als schnell die Flucht anzutreten und einen Blogbeitrag aus dem Cockpit beizusteuern – glücklicherweise regnet es, so dass das Dinghy nicht bedient werden kann und das Brot muss noch gehen!

Es fehlte ja immer die Geschichte um Fred, Frugal Fred, Fast Fred, „seldom sailing Fred“, hatte ich ja versprochen. Und nun ist es fast zu spät für die Geschichte, denn gestern hatte sie ihren finalen Höhepunkt, dazu gleich mehr. Also, der Fred lebt mit seiner Donna auf einem Schiff, bisschen größer als die AKKA, und das heißt „LIBERTY“.  Gesprochen: „LIBB’RDIE“, denn Fred ist unverkennbar ein Amerikaner, und das Wort „Libb’rdie“ haben wir in den letzten Wochen reichlich gehört, zum Frühstück.

Ein Morgenritual in Chaguaramas ist das „Morgennetz“ der Segler, pünktlich um 8 Uhr  moderiert einer der hier dauerliegenden Amerikaner oder Briten die Funkrunde, immer schön reihum, ein polyglotter Schweizer ist dabei, Marc von der Melmar. Ein so unterhaltsames wie informatives Ereignis. Veritable Kriminalitätsberichte gab es – außer dem erwähnten Uhrenklau, dessen Zeugin ich ja vor Ort war – glücklicherweise noch nicht so viele, nur gestern hatte es leider unseren Freund Jan erwischt, augenscheinlich ein Einbrecher, der genau über Jans Tagesablauf Bescheid wusste. Sonst keine Notmeldungen; höchstens sucht mal jemand einen Kinderarzt… Hatte ich mal erwähnt, dass die
vermisste Yacht Marigold mittlerweile angetrieben wurde? Leider gab es für den einhandsegelnden Herzinfarktpatienten kein happy end…
Nach den „Notmeldungen“ geht die Funkrunde dann sehr munter ab, wir lauern schon immer auf die stets wiederkehrenden Höhepunkte. Erstens: „Does anyone have a BRIEF weather report?“. Das Wort „report“ ist noch nicht draußen, da fällt schon „Blue Asmus“ ein, so klingt es jedenfalls, heißt aber „BLUE AZIMUTH“. Hatte immer einen Wetterbericht, aber sein Nachfolger im Amte, Shane von der „Bright Ayes“ (jawohl, mit „A“, sehr schöner Schiffsname!) ist genauso schnell und kann es fast noch schöner, wir vermuten einen episkopalen Prediger am Mikrofon, irgendwo zwischen launig und salbungsvoll. Dann geht man durch die sozialen Ereignisse – Bridgeturnier jeden Donnerstag, Mexican Train Domino am Sonntag etc., tags drauf darf jeweils die Bekanntgabe der entsprechenden Sieger nicht fehlen. Welcher Tourveranstalter fährt wo hin, Asphaltsee, Sümpfe, Asa Wright (auf letzteres freue ich mir schon ein Bein ab, wer klickt, sieht warum!). Der stets fröhliche Jesse James von „Members Only“ kiekst seine Taxifahrten in die Runde oder lädt zum Besuch des Gemüsemarktes ein „6:30 or a couple of minutes later“. Zu früh für mich. wobei zugegebenermaßen die Gemüsevorräte am letzten Sonnabend schon sehr dezimiert waren, als wir um 08:30 am Markt aufschlugen. Also vielleicht doch beim nächsten Mal dem Rat des Morgennetzes folgen und das Maxitaxi um 06:30 nehmen… Man sollte halt immer dem Rat des Netzes folgen.
Damit ist aber das Netz keineswegs zu Ende und nach „Who needs help in acquiring parts or info?“, das auch unterschiedlich (bis sehr lang) dauern kann, folgt der eigentliche Hit: Wer hat was abzugeben?  Zunächst die kostenfreien Angebote „Treasures of the bilge“ – und unweigerlich: „LIBERTY- Freebie of the day!“ trötet es aus dem Lautsprecher. Unglaublich. Nicht nur dass Fred, alias Eigner der „LIB’RR’DEE“ eine Antwort auf jedwede Frage weiß oder zumindest sich sofort erkundigt („… standby after the net, I’ll figure it out!“),
nein, er hat täglich Schätze aus den Tiefen seiner Bilge anzubieten. Dominospiele, Kühlkompressoren, Seekarten. Welcher Typ von Dinghy-Blasebalg darf es denn sein? Muss ich mal graben, ich habe mehrere, contact me when the net is over… Neulich, nachdem auch eine Flasche „Duck Sauce“ für die chinesische Küche angeboten wurde, war ich mal dort – nicht wegen der Sauce, sondern weil ich Freds Hilfe in Beschaffungsfragen brauchte: nicht wirklich viel größer als die AKKA ist die LIBERTY. Wie machen die
das bloß? AKKA ist voll, siehe letzter Beitrag, und ich meine, all die Sache zu benötigen?! Vielleicht sollten wir auch mal ein paar Wochen „Freebie of the Day“ anbieten. Aber nun ist leider Schluss mit „Fast and frugal Freds Freebie of the Day“. Gestern ging er auf Reise – nicht ohne das anzukündigen: „… eine seltene Gelegenheit: LIBERTY unter eigener Kraft in der Bucht von Chaguaramas!“. Auf dem Weg zu IMS, 1/2 Meile weiter, wo sie nun an Land steht. Amerikanischer Sommer, „seldom sailing“ Fred fliegt nach Hause und hat ein halbes Jahr Pause von seinen Bürgermeister- und Beraterpflichten. Schade – ich hätte so gern den Lacher der letzten Woche gekriegt, das T-Shirt mit den Shakespeare-Flüchen und Beschimpfungen.

Also machen wir uns daran, Freebies anzubieten. das erste ist schon da – unser altes Schlauchboot. Oder besser anders herum: YKSI Zwo ist eingetroffen, und lümmelt   – ganz in grauem Hypalon und weißem Aluminium – quer vor dem Cockpitfenster herum, sehr niedlich; vielleicht ’n büschen klein für die dicke Co-Skipperin… . Nun kriegt es ein sandfarbenes Deckchen für die Transportstrecken, unseren Augen zuliebe, und eine Persenning für den „Fahrtzustand“. In einem freundlichen Steingrau – der Eigner möchte gern eine rote Nase dran haben.
Wird gemacht, und darum  wird jetzt genäht – knallrotes „Leatherette“ auf graues Sunbrella applizieren.Bis bald!

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