… und gleich die nächste…

Chaguaramas, 26.6.2009

… die nächste Bemerkung zur tropical wave, nämlich. Die Solar Quest, nächste Mooring zur Rechten, setzte heute gegen Mittag Segel – und ich denke noch bei mir, ob die wohl keinen Wetterbericht hören?! – es hatte schließlich geheißen, dass auf der Rückseite der Wave der Wind zunimmt. Während hier und da, zwar nicht von der Quest, aber von anderen Schiffen, eher Klägliches aus dem Funk zu hören war, ist bei uns Bord(frauen)routine angesagt und nicht segeln. Die noch unverpackte Nähmaschine bietet Gelegenheit, gedanklich wie nähtechnisch in die Ferne zu schweifen: Gastlandflaggen auf Vorrat fertigen. Grenada werde ich zukaufen (wer googelt, weiß warum!), aber Kolumbien ging ratz-fatz, halb gelb, dazu je ein viertel blau und rot, schön schlicht gestreift; Panama dauert schon ein wenig länger, vier Karos mit 2 Sternen; nun musste ich doch endlich mal eine Schablone für diesen ewig wiederkehrenden fünfzackigen Stern basteln (und mal schwer über Geometrieunterricht, Sexta/Quinta, schätze ich, grübeln!). Sterne ausgeschnitten (je zweimal rot und blau), frisch ans Applizieren – da legt sich die Akka weg und mir kommt doch in meinem Vorschiffs-Nähstübchen plötzlich die Nähmaschine entgegen. Es fliegt so einiges, Bücher aus offenen Schapps, Tablett, Werkzeug – ein Schiff an der Mooring ist eben kein seefertiges Schiff und wenn so eine Bö kommt… Was allerdings gar nicht nett klingt, ist das Knallen und schlagender Stoff an Deck, das kann nur das Sonnensegel sein. Warum passiert so etwas bloß einen Tag vor Weiterreise, oder zwei, oder drei… Monatelang hätte ich das gute Stück reparieren können – und jetzt?! 3-teilig, mein Meisterstück – eine Naht, eine Kappnaht wohlgemerkt, die ich mit 2 parallelen Zickzaknähten vermeintlich sturmfest gemacht hatte, schlicht aufgegangen und eine Stoffbahn direkt neben der Naht gerissen, in voller Länge. Die Alustangen verbogen, wie sollte es anders sein. Was für ein Mist! Und ich bin wirklich abhängig von unseren Schattenspendern.
Beim Auftrennen der Reste fällt mir auf: der dicke Faden, ganz speziell für Persenninge, lässt sich verdächtig leicht durchtrennen. Wohl speziell für Persennige in nördlichen Breiten… Tropensonne macht’s mürbe, und die tropical wave besorgt den Rest. Wie ich es liebe – das heißt nämlich, dass nun wohl alle Nähte nachzunähen sind. UNd dass ich auch noch St. Vincent & The Grenadines zukaufe – keine Lust auf klitzekleine grüne Rombenapplikationen und schon gar nicht auf venezolanische Ministernchen. Und die Nähmaschine zieht mal kurzfristig in den Salon um. Ehe das nächste tropische Ungeheuer aufläuft.

Tropical Wave

Chaguaramas, 24.6.2009

Irgendwer oder -was ist ja immer schuld, und dass wir immer noch nicht abgereist sind, dafür ist die tropical wave verantwortlich, die gestern durchzog. Nun könnte man ja berechtigterweise sagen: „…aber nu‘!“, nur haben wir uns in unserer Erwartung der Welle dann doch wieder mit Werkarbeiten vertüdelt; noch dazu war der Montag völlig ins Wasser gefallen, und zwar in einem Maße, dass wir über Stunden zunächst die wenigen hundert Meter von der Coral Cove Marina nicht zurück zum Schiff tuckern konnten und dann dennoch erst einmal alles trocknen mussten. Haut, Haare Kleidung sowie Polsterkissen und was sonst so frei im Cockpit rumflog. Gut dass der Himmel schon ausreichend dunkel war,als wir losfuhren, und wir die Luken geschlossen hatten – nicht mehr ganz unwahrscheinlich, dass wir das mal nachlässig tun, denn gegen Einsteiger (menschliche!) haben wir seit kurzem Gitter montiert (sehr praktisch auch um Kleiderbügel dranzuhängen!). „Lock yourself in“ ist die Devise an manchen Plätzen, das können wir nun. Heute wird noch die endgültige Dinghyhalterung montiert, seit gestern hat der neue Ausbaumer von Jonas „Trinidad Rigging“ seinen Platz an der backbordseitigen Süllkante – und nebenbei Andreas‘ Hosen ein paar Klettverschlüsse an den Taschen mehr und Stoßbänder an den Hosensäumen. Ich merke schon, ich rechtfertige mich.
Egal – zum Wochenende fahren wir los, dann nämlich, wenn der Seegang hinter der tropical wave langsam nachlässt. Schließlich haben wir ja mit der großen Reise nach Grenada (80 Meilen!) „Ansegeln“ für die Saison, und das soll doch in moderaten Bedingungen geschehen. 2006 war unser Ostsee-Ansegeln am 1. Oktober, 2009 ist es eben, wenn alle anderen nach Trinidad kommen und die Boote an Land schaffen. Jetzt – ich deutete es schon an – ist hier VOLL. POWERBOATS und PEAKES fangen an, die Schiffe zu stapeln, dagegen wird das Morgennetz ruhig und ruhiger: alles fliegt in die Heimatländer, nur wenige bleiben. BLUESONG zum Beispiel. IMAGINE ist heute zu einem Ausflug in den Orinoko aufgebrochen – wir tun’s dann wohl – in Gegenrichtung – am Freitag. Sofern nicht die nächste Tropical Wave…

… nur eine ganz kleine!

Chaguaramas, 13.6.2009

Ich hatte ein bisschen Reklame gemacht.
Das klingt jetzt fast so inhaltsschwer wie „I had a farm in Africa“ (der Dank für’s Stichwort geht an Bluesong!), und so doof ist die Assoziation nicht: Ein Farmhaus von 1906 in den Bergen Trinidads, dunkle, aber luftige, hohe Räume, eine Veranda, die einen über den Wald weit nach Süden hinunter ins Tal blicken lässt; ein bisschen „colonial bastard style“, nur nicht so englisch, wie wir es aus Ostafrika kennen. Dazu war „the Meyer family“, die  hier anfangs des 20. Jahrhunderts eine Kaffee- und Kakaoplantage gegründet hatten, wohl auch zu deutsch. Als die Farm Ende der 60er Jahre, damals schon lange in den Händen einer Isländerin (àsa) mit ihrem englischen Mann, nicht mehr einträglich war, gleichzeitig aber die Kette der wissenschaftlich interessierten Besucher nicht abreißen wollte, machte man aus der Not eine Tugend, gründete das Naturreservat und begann Vogelkundler zu bewirten.

Und da waren wir nun: im Asa Wright Nature Centre, umgeben von ein paar Yachties („… ah, you must be the yachtie guests – they all look the same!“) und amerikanischen Vogel-Beobachtern. Birder nennt man so etwas, und die pflegen sich im Gegensatz zu uns „Bermuda- und bunte-Hemden“-Trägern in gedecktere Farben zu hüllen…

Dafür schauen wir Segler versonnen auf die ungewohnt grüne Landschaft und sind in erster Linie langsam, während unsere Birder dann schon mal in Hektik verfallen, um ihre auf Stative montierten Fernstecher hüpfen und verhaltene Rufe ausstoßen: „… you see the 2 Toucans?!“  „I’ve got the Green Honeycreeper!“ „Yeah – there it is – the Tufted Coquette!“ Bei letzterem lohnt sich übrigens das Googeln – ein Spitzenkandidat für die schönsten Vogelfrisuren.

Ja, ja, Bilder sollen wir auch zeigen. Geht aber nicht oder doch nur sehr eingeschränkt! Ich selbst vergesse über’m Staunen und Glotzen das Fotografieren, derweilen kämpft Andreas mit der großen digitalen Spiegelreflexkamera, bis alle Kolibris davongesirrt sind, es ist ein Kreuz; und dabei guckten die uns von ihren Zuckerwassertränken in die Morgentee-Tassen!

Kein Bild vom weißbärtigen „Männeken“, dem „white bearded Manikin“, ein kleines, schwanzloses Federbällchen, das mitten im Unterholz Kobolz schießt und dem angebeteten Weibchen den Hof macht, im wahrsten Sinne des Wortes: die schwarzweißen Manikins säubern ein kleines Stück Urwaldboden auf’s Allersäuberlichste, kein Ästchen, kein Steinchen oder Blättchen. CLEAN! Und wer das sauberste Hausmännchen ist (und dazu noch die besten Purzelbäume schießt) hat gewonnen. Ach, nicht mal das ist garantiert – ist ein noch dominanteres Männchen da, dann, sagt man, kann man dem Mädel noch so schön „den Hof machen“ – alles vergebens…
Da sind die goldköpfigen „Männeken“ ganz anders drauf – die sitzen in den Zweigen rum und führen für die Damne so was wie Michael Jackson „Moonwalk“ auf, so eine unvergleichliche, gleitende Bewegung, quasi vorwärts und rückwärts gleichzeitig. Zum Piepen (piepen tun sie natürlich auch dabei).
Kein Bild gibt es vom Ölvogel – dem einzigen nachtaktiven Fruchtfresser und eine willkommene Ölquelle für südamerikanische Einheimische, früher mal; heute muss man sie suchen, die Ölvögel, und findet sie vornehmlich in Höhlen. Wahrscheinlich weil sie wissen, dass das schlechteste aller Schicksale es ihnen bestimmt hätte, geköpft und kurzerhand angezündet zu werden, um als kurzfristig brennende Lampe zu dienen, dank allzu großem Ölpalmfruchtverzehr. Die Jungtiere übrigens sollen kurz nachdem sie die Nester verlassen, doppelt so dick sein wie die Elterntiere. Mumpf, mampf – das Unwort des Jahres 2008 wird ja wohl „Gier“ sein oder „greed“, wie man hier sagt, aber Ölvogelküken müssen in ihrer Gier nach Futter wohl alles Vorstellbare in den Schatten stellen. Dass wir den einzigen Ölvogel, den wir hätten beobachten können, dann doch nicht gesehen haben, lag aber mehr an der eigenen Blödheit – wir haben, während einer aus einer Pappkiste freigelassen wurde, statt zuzuschauen auf der Veranda gesessen, den abendlichen Rumpunsch verdaut (ui!) und gequatscht.

Ich hatte nämlich Reklame gemacht, wie schon gesagt, und der Werbung waren drei andere Yachten gefolgt – John und Jean, und verlockenderweise wohnhaft in Pohnpei auf den Carolinen/Micronesia, unsere alten Gambia- und Dakar-Kumpel Reinhard und Barbara und die direkten Mooringnachbarn Ricky und Colin. Macht 4 Schiffe, die es auf einen einzigen Ausflugstermin zu hieven galt, und als das getan war, eine günstige Transportvariante gefunden (bei Members Only, wo sonst?!) ein annehmbarer Übernachtungspreis in Aussicht stand, und wir nun endlich in den kühlen Bergen saßen, da hatten wir uns halt einen Rumpunsch verdient.
Glücklicherweise war der Minirausch nach dem reichhaltigen Dinner rasch verflogen (mmh! Trifle zum Nachtisch! Very british!), denn danach gab es einen geführten Nachtspaziergang. Wie findet ein Guide in der Nacht bloß Stabheuschrecken, die schon tagsüber eher einem unscheinbaren Ästchen gleichen?! Die Tarantel war ja einfach: die wohnt halt immer in dem abgebrochenen Metallpfahl, der schlafende … hat auch seinen Dauerast – aber erdfarbene Kröten halten sich so wenig an Standardorte wie Insekten.
Wir stolpern durch’s Dunkle, immer mit der Taschenlampe auf dem Weg, wegen der Schlangen, lassen uns von Lanzenotter-Begegnungen berichten; in der Luftfahrt heißt das wohl „near miss“, wenn man auf ein derartig todbringendes Reptil tritt. Wir kehren um – und genau auf der Straßenseite, die wir eben noch begangen haben „schlängelt“ sich etwas an einer herabhängenden, dünnen Liane, vielleicht 20 cm über dem Boden.
Noch so eine Entdeckung im Dunklen – wir gehen erst einmal in Achtungsabstand: eine vielleicht 30 cm lange Schlange, keinen Zentimeter dick. Eine junge Lanzenotter, über die wir ja gerade noch gesprochen hatten? Lieber mal nicht so dicht ran mit Taschenlampe und Kamera. Aber dann hebt sie das zierliche Haupt, macht sich lang und windet sich das Ästchen hinauf – das wäre ungewöhnlich für eine Fer de Lance. Und so zeigt uns dann eine ganz winzige Boa Constrictor ihre schöne Fleckenzeichnung. Auf dem Rückweg überlegen wir, wie das so mit der Beute sein wird. Heute eine Heuschrecke, nächsten Monat eine Minimaus – nächstes Jahr ein kleines Schwein? Und dann ein Tourist? Asa Wright – ein bisschen jenseits unserer Budgetgrenzen, aber ein großer Spaß, viele Vögel und eine Boa constrictor. Eine ganz kleine.

Erste Mahnung, zweite Mahnung…

Chaguaramas, 5.6.2009

… und abgemahnt. Mann, Mann – es hagelt Mahnungen. Seit 14 Tagen herrsche Dunkelheit und so. Und dabei ist schon wieder Vollmond (was Wunder !).
Also – aus Trinidad wenig Neues. Doch: eine neue Brille, meine nämlich, und dabei hatte ich gedacht, dass ich mich mit der Brillennachlieferung als Abreiseverzögerer profilieren würde – aber Murphys Law wollte es anders, und es kam, wie es kommen musste: Andreas‘ Dentallabor ist noch später als mein Optiker. Wir warten.

Hier wird es langsam voll – man möchte sagen: „… von allen Inseln kamen sie!“. Nur dass man hier nicht vom Schaugerüste des Chores grauser Melodie horchen möchte, sondern sich schlicht verstecken. Hurricane season is on – sein letztem Sonntag, und so trudeln sie alle ein, die sich ein paar Monate in den Antillen vergnügt haben. Blue Song ist hier (naja, die kam, wie auch die Wanderer, aus Brasilien), aber diverse andere „Brasilianer“ kamen tatsächlich von den Inseln. Jean Marie, Imagine, Titom, Jacana und viele mehr.
Die meisten werfen hier ihr Schiff ab und gehen auf Heimaturlaub, nach Europa, nach Australien oder in die USA, bis die Hurrikansaison vorüber ist. Wir bleiben, schleichen uns am südlichen Rande des Hurrikangürtels entlang nach Westen und horchen immer brav des Chores grauser Melodie, und die heißt Wetterbericht. Derzeit ist noch alles ruhig, das heißt dann: The development of a tropical cyclone is not expected in the next 48 hours. Gut – der Atlantik ist auch noch untypisch kalt, also haben wir noch ein bisschen Zeit; „tropical waves“ gehen aber tatsächlich schon seit einiger Zeit ganz lehrbuchmäßig alle 4 bis 5 Tage hier durch. Mal gucken, wie das wird, wenn die ersten Stürme an uns vorbeiziehen. Möglichst weit nördlich bitte, sonst gibt es eine Abmahnung!