… nur eine ganz kleine!

Chaguaramas, 13.6.2009

Ich hatte ein bisschen Reklame gemacht.
Das klingt jetzt fast so inhaltsschwer wie „I had a farm in Africa“ (der Dank für’s Stichwort geht an Bluesong!), und so doof ist die Assoziation nicht: Ein Farmhaus von 1906 in den Bergen Trinidads, dunkle, aber luftige, hohe Räume, eine Veranda, die einen über den Wald weit nach Süden hinunter ins Tal blicken lässt; ein bisschen „colonial bastard style“, nur nicht so englisch, wie wir es aus Ostafrika kennen. Dazu war „the Meyer family“, die  hier anfangs des 20. Jahrhunderts eine Kaffee- und Kakaoplantage gegründet hatten, wohl auch zu deutsch. Als die Farm Ende der 60er Jahre, damals schon lange in den Händen einer Isländerin (àsa) mit ihrem englischen Mann, nicht mehr einträglich war, gleichzeitig aber die Kette der wissenschaftlich interessierten Besucher nicht abreißen wollte, machte man aus der Not eine Tugend, gründete das Naturreservat und begann Vogelkundler zu bewirten.

Und da waren wir nun: im Asa Wright Nature Centre, umgeben von ein paar Yachties („… ah, you must be the yachtie guests – they all look the same!“) und amerikanischen Vogel-Beobachtern. Birder nennt man so etwas, und die pflegen sich im Gegensatz zu uns „Bermuda- und bunte-Hemden“-Trägern in gedecktere Farben zu hüllen…

Dafür schauen wir Segler versonnen auf die ungewohnt grüne Landschaft und sind in erster Linie langsam, während unsere Birder dann schon mal in Hektik verfallen, um ihre auf Stative montierten Fernstecher hüpfen und verhaltene Rufe ausstoßen: „… you see the 2 Toucans?!“  „I’ve got the Green Honeycreeper!“ „Yeah – there it is – the Tufted Coquette!“ Bei letzterem lohnt sich übrigens das Googeln – ein Spitzenkandidat für die schönsten Vogelfrisuren.

Ja, ja, Bilder sollen wir auch zeigen. Geht aber nicht oder doch nur sehr eingeschränkt! Ich selbst vergesse über’m Staunen und Glotzen das Fotografieren, derweilen kämpft Andreas mit der großen digitalen Spiegelreflexkamera, bis alle Kolibris davongesirrt sind, es ist ein Kreuz; und dabei guckten die uns von ihren Zuckerwassertränken in die Morgentee-Tassen!

Kein Bild vom weißbärtigen „Männeken“, dem „white bearded Manikin“, ein kleines, schwanzloses Federbällchen, das mitten im Unterholz Kobolz schießt und dem angebeteten Weibchen den Hof macht, im wahrsten Sinne des Wortes: die schwarzweißen Manikins säubern ein kleines Stück Urwaldboden auf’s Allersäuberlichste, kein Ästchen, kein Steinchen oder Blättchen. CLEAN! Und wer das sauberste Hausmännchen ist (und dazu noch die besten Purzelbäume schießt) hat gewonnen. Ach, nicht mal das ist garantiert – ist ein noch dominanteres Männchen da, dann, sagt man, kann man dem Mädel noch so schön „den Hof machen“ – alles vergebens…
Da sind die goldköpfigen „Männeken“ ganz anders drauf – die sitzen in den Zweigen rum und führen für die Damne so was wie Michael Jackson „Moonwalk“ auf, so eine unvergleichliche, gleitende Bewegung, quasi vorwärts und rückwärts gleichzeitig. Zum Piepen (piepen tun sie natürlich auch dabei).
Kein Bild gibt es vom Ölvogel – dem einzigen nachtaktiven Fruchtfresser und eine willkommene Ölquelle für südamerikanische Einheimische, früher mal; heute muss man sie suchen, die Ölvögel, und findet sie vornehmlich in Höhlen. Wahrscheinlich weil sie wissen, dass das schlechteste aller Schicksale es ihnen bestimmt hätte, geköpft und kurzerhand angezündet zu werden, um als kurzfristig brennende Lampe zu dienen, dank allzu großem Ölpalmfruchtverzehr. Die Jungtiere übrigens sollen kurz nachdem sie die Nester verlassen, doppelt so dick sein wie die Elterntiere. Mumpf, mampf – das Unwort des Jahres 2008 wird ja wohl „Gier“ sein oder „greed“, wie man hier sagt, aber Ölvogelküken müssen in ihrer Gier nach Futter wohl alles Vorstellbare in den Schatten stellen. Dass wir den einzigen Ölvogel, den wir hätten beobachten können, dann doch nicht gesehen haben, lag aber mehr an der eigenen Blödheit – wir haben, während einer aus einer Pappkiste freigelassen wurde, statt zuzuschauen auf der Veranda gesessen, den abendlichen Rumpunsch verdaut (ui!) und gequatscht.

Ich hatte nämlich Reklame gemacht, wie schon gesagt, und der Werbung waren drei andere Yachten gefolgt – John und Jean, und verlockenderweise wohnhaft in Pohnpei auf den Carolinen/Micronesia, unsere alten Gambia- und Dakar-Kumpel Reinhard und Barbara und die direkten Mooringnachbarn Ricky und Colin. Macht 4 Schiffe, die es auf einen einzigen Ausflugstermin zu hieven galt, und als das getan war, eine günstige Transportvariante gefunden (bei Members Only, wo sonst?!) ein annehmbarer Übernachtungspreis in Aussicht stand, und wir nun endlich in den kühlen Bergen saßen, da hatten wir uns halt einen Rumpunsch verdient.
Glücklicherweise war der Minirausch nach dem reichhaltigen Dinner rasch verflogen (mmh! Trifle zum Nachtisch! Very british!), denn danach gab es einen geführten Nachtspaziergang. Wie findet ein Guide in der Nacht bloß Stabheuschrecken, die schon tagsüber eher einem unscheinbaren Ästchen gleichen?! Die Tarantel war ja einfach: die wohnt halt immer in dem abgebrochenen Metallpfahl, der schlafende … hat auch seinen Dauerast – aber erdfarbene Kröten halten sich so wenig an Standardorte wie Insekten.
Wir stolpern durch’s Dunkle, immer mit der Taschenlampe auf dem Weg, wegen der Schlangen, lassen uns von Lanzenotter-Begegnungen berichten; in der Luftfahrt heißt das wohl „near miss“, wenn man auf ein derartig todbringendes Reptil tritt. Wir kehren um – und genau auf der Straßenseite, die wir eben noch begangen haben „schlängelt“ sich etwas an einer herabhängenden, dünnen Liane, vielleicht 20 cm über dem Boden.
Noch so eine Entdeckung im Dunklen – wir gehen erst einmal in Achtungsabstand: eine vielleicht 30 cm lange Schlange, keinen Zentimeter dick. Eine junge Lanzenotter, über die wir ja gerade noch gesprochen hatten? Lieber mal nicht so dicht ran mit Taschenlampe und Kamera. Aber dann hebt sie das zierliche Haupt, macht sich lang und windet sich das Ästchen hinauf – das wäre ungewöhnlich für eine Fer de Lance. Und so zeigt uns dann eine ganz winzige Boa Constrictor ihre schöne Fleckenzeichnung. Auf dem Rückweg überlegen wir, wie das so mit der Beute sein wird. Heute eine Heuschrecke, nächsten Monat eine Minimaus – nächstes Jahr ein kleines Schwein? Und dann ein Tourist? Asa Wright – ein bisschen jenseits unserer Budgetgrenzen, aber ein großer Spaß, viele Vögel und eine Boa constrictor. Eine ganz kleine.

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